Ein Text zum Nachdenken für 2012
oder: Der Sinn des Lebens... und gern auch zum Diskutieren.
Der Urheber ist für mich unbestritten ein intelligenter Mensch, und auch wenn der Text schon knapp 6 Jahre alt ist, so möchte ich ihn hier doch auszugsweise wiedergeben. Er wurde veröffentlicht in der "Zeit", Nr. 8 vom 16.02.2006:
Ich träume von einer Welt ohne Religionen. Die Idee des Glaubens hat das menschliche Leben durcheinander gebracht. Wenn wenigstens klar wäre, dass es Gott gibt, dann wäre es prima, wenn er sich zeigen würde. Dann könnte man klären, was man voneinander erwartet, und eine rationale Beziehung führen. Aber diese Unsicherheit – Existiert Gott? Existiert Gott nicht? – hindert uns daran, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie hindert uns, zu akzeptieren, dass sich jedes Individuum selbst mühen muss, seine Lebensumstände zu verbessern.
Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott. Was in der Bibel steht, ist mir fremd. Ich war noch nie in einer Situation, in der ich nicht weiterwusste und mich an eine höhere Macht gewandt habe. Aber ich gebe zu: Es scheint im menschlichen Wesen zu liegen, sich einer religiösen Gruppe anzuschließen. Wir haben aller modernen Entwicklung zum Trotz eine Dorfmentalität wie in primitiven Zeiten. Damals gab es einen Schamanen, der behauptete, alles besser zu wissen als der Rest der Bevölkerung. Die Leute glaubten ihm, weil sie seine Behauptungen nicht empirisch prüfen konnten. Und wenn die Schamanen Macht anhäuften, wuchsen sie zu Gruppen und Organisationen – und dann wurde es blutig. Im Namen der christlichen Kirche wurde so viel Blut vergossen, dass ich sie nicht mehr ernst nehmen kann.
...
Vielleicht sollte man doch den Wissenschaftlern die Welt überlassen. Ich denke, eine Regierung, die nur aus Wissenschaftlern bestünde, würde sich von empirischen Fakten leiten lassen.
Als Erstes müsste sie das größte Problem der Menschheit lösen: die Umverteilung des Reichtums. Sie müsste uns, die Reichen, davon überzeugen, unser Geld und unser Wissen mit den Armen zu teilen. Dann könnten wir gemeinsam eine Welt der Gleichberechtigung schaffen. Davon sind wir heute weiter denn je entfernt. Kurz nach der Französischen Revolution und der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika Ende des 18. Jahrhunderts schien es, als ob sich die Lücke zwischen Arm und Reich schließen würde. Die französische Menschenrechtserklärung und die amerikanische Verfassung stellten fest, dass alle Menschen gleich seien. Das war damals revolutionär: zu entdecken, dass alle Menschen Rechte haben, und das auch noch aufzuschreiben. Das war der erste Schritt weg vom Höhlenmenschen. Leider ist der Abstand seit dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgerissen. In Amerika muss jeder selbst sehen, wie er zurechtkommt, es gilt das Recht des Stärkeren. Die Amerikaner scheinen das akzeptiert zu haben. Belohnt wird, wer viel anhäuft und nichts abgibt. ...
...
Ich kann Blair nicht so weit trauen, wie ich spucken kann. ...
Er ist ein Kriegstreiber. Er behauptet immer noch, dass Bush und er richtig gehandelt hätten im Irak – trotz allem, was seitdem passiert ist. Der Irak-Krieg als Kampf gegen den Terrorismus? Dass ich nicht lache. Ohne diesen Krieg hätte es keine Anschläge auf die Londoner U-Bahn gegeben. Als ich die Berichte im Fernsehen gesehen habe, taten mir die Familien leid. Und ich dachte: Blair, du bist ein Idiot. Warum hast du diesen Krieg angezettelt?
Immerhin hat er den Schuldenerlass für Afrika vorangetrieben. Wenn Blair progressive Politik macht, habe ich kein Problem, das zu unterstützen. Und das war sicher ein Grund, warum ich im vorigen Sommer bei Live 8 im Hydepark mitgemacht habe. Ich bewundere Bob Geldof und Bono von U2 dafür, wie sie das Bewusstsein für Afrika geschärft haben, auch wenn ihr Gejammer gelegentlich schwer zu ertragen ist. Aber es hat sich gelohnt: Vor ein paar Jahren hat sich doch die Öffentlichkeit kein bisschen für Afrika interessiert. Das hat sich durch die Live-8-Konzerte rund um die Welt geändert.
Ich hatte noch einen anderen Antrieb, bei Live8 mitzumachen. Es war für mich eine Art Test, ob es mir gelingt, mein Ego zu überwinden. Die alten Geschichten ruhen zu lassen. Wir, also Pink Floyd, haben starke Reaktionen auf unseren Auftritt bekommen. Es war ein magischer Moment, wieder mit Nick Mason, Rick Wright und David Gilmour auf der Bühne zu stehen. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich es so genießen würde.
Ich glaube, wenn man sein eigenes Ende des Knochens loslässt, dann gewinnt man große Freiheit.
Eine der wichtigsten Fragen des Lebens ist doch: Bin ich mutig genug, mich selbst verletzlich zu machen? Mich jemandem zu öffnen und eine Verbindung zu schaffen, an deren Ende Liebe steht? Dieses Öffnen, Verletzlichmachen ist für mich der Sinn des Lebens. Und dafür brauchen wir keine Götter.
Roger Waters in "Die Zeit", Nr. 8, 16.02.2006, Aufgezeichnet von Sabine Rennefanz
(gekürzte Passagen mit "..." gekennzeichnet)
Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott. Was in der Bibel steht, ist mir fremd. Ich war noch nie in einer Situation, in der ich nicht weiterwusste und mich an eine höhere Macht gewandt habe. Aber ich gebe zu: Es scheint im menschlichen Wesen zu liegen, sich einer religiösen Gruppe anzuschließen. Wir haben aller modernen Entwicklung zum Trotz eine Dorfmentalität wie in primitiven Zeiten. Damals gab es einen Schamanen, der behauptete, alles besser zu wissen als der Rest der Bevölkerung. Die Leute glaubten ihm, weil sie seine Behauptungen nicht empirisch prüfen konnten. Und wenn die Schamanen Macht anhäuften, wuchsen sie zu Gruppen und Organisationen – und dann wurde es blutig. Im Namen der christlichen Kirche wurde so viel Blut vergossen, dass ich sie nicht mehr ernst nehmen kann.
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Vielleicht sollte man doch den Wissenschaftlern die Welt überlassen. Ich denke, eine Regierung, die nur aus Wissenschaftlern bestünde, würde sich von empirischen Fakten leiten lassen.
Als Erstes müsste sie das größte Problem der Menschheit lösen: die Umverteilung des Reichtums. Sie müsste uns, die Reichen, davon überzeugen, unser Geld und unser Wissen mit den Armen zu teilen. Dann könnten wir gemeinsam eine Welt der Gleichberechtigung schaffen. Davon sind wir heute weiter denn je entfernt. Kurz nach der Französischen Revolution und der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika Ende des 18. Jahrhunderts schien es, als ob sich die Lücke zwischen Arm und Reich schließen würde. Die französische Menschenrechtserklärung und die amerikanische Verfassung stellten fest, dass alle Menschen gleich seien. Das war damals revolutionär: zu entdecken, dass alle Menschen Rechte haben, und das auch noch aufzuschreiben. Das war der erste Schritt weg vom Höhlenmenschen. Leider ist der Abstand seit dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgerissen. In Amerika muss jeder selbst sehen, wie er zurechtkommt, es gilt das Recht des Stärkeren. Die Amerikaner scheinen das akzeptiert zu haben. Belohnt wird, wer viel anhäuft und nichts abgibt. ...
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Ich kann Blair nicht so weit trauen, wie ich spucken kann. ...
Er ist ein Kriegstreiber. Er behauptet immer noch, dass Bush und er richtig gehandelt hätten im Irak – trotz allem, was seitdem passiert ist. Der Irak-Krieg als Kampf gegen den Terrorismus? Dass ich nicht lache. Ohne diesen Krieg hätte es keine Anschläge auf die Londoner U-Bahn gegeben. Als ich die Berichte im Fernsehen gesehen habe, taten mir die Familien leid. Und ich dachte: Blair, du bist ein Idiot. Warum hast du diesen Krieg angezettelt?
Immerhin hat er den Schuldenerlass für Afrika vorangetrieben. Wenn Blair progressive Politik macht, habe ich kein Problem, das zu unterstützen. Und das war sicher ein Grund, warum ich im vorigen Sommer bei Live 8 im Hydepark mitgemacht habe. Ich bewundere Bob Geldof und Bono von U2 dafür, wie sie das Bewusstsein für Afrika geschärft haben, auch wenn ihr Gejammer gelegentlich schwer zu ertragen ist. Aber es hat sich gelohnt: Vor ein paar Jahren hat sich doch die Öffentlichkeit kein bisschen für Afrika interessiert. Das hat sich durch die Live-8-Konzerte rund um die Welt geändert.
Ich hatte noch einen anderen Antrieb, bei Live8 mitzumachen. Es war für mich eine Art Test, ob es mir gelingt, mein Ego zu überwinden. Die alten Geschichten ruhen zu lassen. Wir, also Pink Floyd, haben starke Reaktionen auf unseren Auftritt bekommen. Es war ein magischer Moment, wieder mit Nick Mason, Rick Wright und David Gilmour auf der Bühne zu stehen. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich es so genießen würde.
Ich glaube, wenn man sein eigenes Ende des Knochens loslässt, dann gewinnt man große Freiheit.
Eine der wichtigsten Fragen des Lebens ist doch: Bin ich mutig genug, mich selbst verletzlich zu machen? Mich jemandem zu öffnen und eine Verbindung zu schaffen, an deren Ende Liebe steht? Dieses Öffnen, Verletzlichmachen ist für mich der Sinn des Lebens. Und dafür brauchen wir keine Götter.
Roger Waters in "Die Zeit", Nr. 8, 16.02.2006, Aufgezeichnet von Sabine Rennefanz
(gekürzte Passagen mit "..." gekennzeichnet)