Rollenverhalten und Emanzipation
Hallo miteinander,
was für ein Durcheinander an Gedankensträngen einen da überrollt.
Mein Fazit vorneweg, für den faulen Leser:
Eine gelunge Emanzipation schafft keine Rollenbilder ab, sondern versetzt die Menschen in die Lage mit Rollenbildern freier umzugehen.
Hier also meine Meinung:
Emanzipation steht nicht ursächlich gegen Rollenverhalten. Das wird nur oft so wahrgenommen, weil sich emanzipatorische Bewegungen oft durch eine Rebellion gegen eine BESTIMMTE Rollenverteilung etablieren. Nicht selten ist es jedoch so, dass diese Bewegungen ihrerseits Rollenvorstellungen mitbringen.
Zwei Beispiele, die den Text leider viel länger machen:
Foucault hat darüber geschrieben, dass die 68er die Sexualität nicht befreit hätten, sondern ein sittliches Ideal ("sei keusch") durch ein anderes ersetzt hätten ("sei promisk"). Sehr lesenswert die Analyse.
Der Feminismus hatte Jahrzehnte das Problem, dass der Gleichheitsfeminismus eine Angleichung an den Mann propagierte, worauf dann der Differenzfeminismus das Gegenteil behauptete. Erst sehr spät wurde kritisiert, dass beide Strömungen neue Rollenbilder den Frauen aufdrängten... und dass der so scharfäugige Feminismus irgendwie übersehen hatte, dass die Diskussion nur zwischen westlichen, weißen Mittel- und Oberschichtfrauen geführt wurde.
(Das ist übrigens der Punkt an dem der Feminismus viel differenzierter wurde, aber die Straße verließ, weshalb fast alle Männer und viele Frauen keine Ahnung von den letzten 30 Jahren feministischer Theorie haben.)
Das heißt, eine emanzipatorische Bewegung befreit nicht notgedrungen von Rollenverhalten. Eine gelungene Emanzipation muss es meiner Meinung auch nicht tun. Rollenbilder sind nicht per se schlecht. Schlecht werden sie erst, wenn die Gesellschaft Menschen zwingt sie anzunehmen.
Auch hier ein Beispiel:
Laut Umfragen fühlen sich nur noch rund 20% der Frauen in der Nachkriegsfrauenrolle (Haushalt, Kind, Pflege der Eltern, maxmimal Zuverdienst) wohl.
Anders gesagt: Jede 5. Frau ist damit zufrieden. Werte, von denen viele Parteien träumen.
Damit ist es doch ein tolles Frauenbild, was hunderttausende Frauen sich erträumen. Warum es abschaffen?
Emanzipation bedeutet in dem Fall für mich: Alles tun, damit Frauen dieses Lebensmodell aus freien Stücken wählen und nicht z.B. aus difuser Angst vor dem Arbeitsmarkt, oder eine Jobaustestaltung die Kind und Arbeit nicht zusammen denkbar sein lässt, oder weil sie bei anderen Gedanken Rabenmütter sind... etc...
Da wir in einer Gemeinschaft stets Rollen spielen, sollten wir uns nicht daran abarbeiten sie abzuschaffen. Das führt in einer Authentizitäts-Debatte, die das "wahre Ich" verlieren wird. Meiner Meinung nach ist viel gewonnen, wenn wir Wahlfreiheit gewinnen.