Als Studierender habe ich, was mein verfügbares Einkommen anging, das ganze Studium unter der Armutsgrenze gelebt. In dieser Situation wäre mir nie im Traum in den Sinn gekommen meine Beziehung für einen Geldbetrag zu opfern.
Bin ich trotzdem käuflich? Ich habe keine Kinder, aber ich glaube, dass meine Käuflichkeit mit der Existenz von Schutzbefohlenen steigen würde. Weil man den Kindern eine gute Basis bieten will, wird man erspressbar. Ich sehe das bei Familien im Umkreis, wo der Ernährer/die Ernährerin unangenehme Arbeitsbedingungen nicht souverän kontern kann, weil da viel mehr Menschen dran hängen.
Jeder ist käuflich.
Je nachdem wie man die These versteht, ist sie meiner Meinung nach Unsinn oder verschleiernd. Das liegt daran, dass Geld ein Medium ist (wie übrigens auch Macht) und die These daher vieles impliziert. Es gibt wohl nur wenige Menschen, die das Geld nehmen würden, weil sie die Vorstellung toll finden 2 Millionen Euro zu besitzen. So wie auch wenige Menschen Macht der Macht wegen anstreben, sondern weil sie damit etwas bewirken können.
Als Medium kann das Geld jedoch für viele andere Dinge stehen: Sicherheit, Freiheit, Satt-Sein etc. Die Verführung entsteht meiner Meinung nach dann, wenn der Millionär "Geld für Liebe" sagt und die Leute "Sicherheit für eine Liebe" hören, oder "Anerkennung für Liebe" etc.
Verschleiernd ist die These meiner Meinung aber auch, weil "jeder ist käuflich" nicht ein frei schwebendes moralisches Dilemma anspricht, sondern in der speziellen Situation einer kapitalitisch organisierten Gesellschaft betrachtet werden muss. Wir leben in einer Gesellschaft in der nicht nur fast alles gekauft werden kann, sondern in der fast alles gekauft werden
muss. In den USA ist das noch deutlicher, weil da das Existenzminimum nicht garantiert wird und die letzte Auffangstation die Barmherzigkeit der Mitmenschen ist (was bei uns ja auch zunimmt, wenn man sich die fantastischen Wachstumszahlen der Tafeln in Deutschland ansieht).
Damit wird Geld für manche Menschen das Medium für "Überleben". Das heißt, mancher wird nicht "Geld gegen Liebe" , sondern "Überleben gegen Liebe" hören.
Wenn ich aber die Frage stellen würde: "würdest du lieber mit deiner jetzigen Liebe noch 5 Jahre langsam in die Armut versinken und dann verhungern oder 2 Millionen Euro einstreichen und die Liebe verlieren" Dann wären die Antworten wahrscheinlich wieder andere.
Was ich damit sagen will:
Was wie eine einfache moralische Frage "Liebe oder Geld" aussieht, erhält durch den Medium-Charakter des Geldes und seine Rolle in unserer Gesellschaft deutlich mehr Komplexität. Die Antwort auf die Frage bringt mir wenig Erkenntnis über den jeweiligen Menschen, wenn ich nicht seine Einbettung in die Gesellschaft kenne bzw. weiß, was er assoziiert, wenn jemand "2 Millionen" sagt.
Zuletzt noch meine Grenze:
Bei 15 Milliarden würde ich wahrscheinlich ins Grübeln kommen, ob ich mein persönliches Glück so hoch hängen dürfte. Warum 15 Milliarden? Weil ich letztens gehört habe, dass es wohl so etwa 15 Milliarden kosten würde allen Kindern der Welt eine Schule zur Verfügung zu stellen.
Dürfte ich also mein persönliches Glück höher hängen, als die Möglichkeit mit wirklich viel Geld Gutes zu tun?
Meine Antwort wäre "Nein".
Tun würde ich es letztlich nicht, weil ja ein Erklärungsverbot im Beispiel verankert wurde. Denn was ich auch nicht darf ist, meine Liebste durch mein plöztliches Verschwinden (lebenslang) traumatisieren. Wer sich einmal damit beschäftigt hat, was so ein nebulöser Verlust bedeutet für die Hinterbliebenen kann das vielleicht verstehen.
Gäbe es das Verbot nicht, wäre es sicher eine interessante Diskussion mit meiner Freundin, ab wann die Möglichkeit Gutes zu tun schwerer wiegt als unser privates Lebensglück.
Brynjar