Ist das deutsche Bildungs-System noch konkurenzfähig?
Angeregt durch einen Artikel ( http://www.spiegel.de/unispi … dliches-gebiet-a-883389.html ) in dem es darum geht, dass in Deutschland die Gelehrten eine aussterbende Spezies zu sein scheinen, kam mir der Gedanke, ob unser Ausbildungs- und Studiensystem überhaupt auf Dauer noch konkurenzfähig ist.
M. E muss sich in Deutschland bildungstechnisch recht bald was bewegen - sonst verlieren wir international den Anschluss.
Mal als Beispiel:
Mein Bruder hat 1998 sein Studium in Maastricht/NL begonnen - European Law - einen Studiengang, den es so in Deutschland bis heute nicht gibt - ansonsten im Ausland schon.
Es gibt in Holland und in vielen anderen Ländern keine Semester sondern Studienjahre, die in vier Blöcke aufgeteilt sind.
In Holland einfach mal einen Tag Uni blaumachen geht nicht - ohne ärztliches Attest oder wirklich triftigen Grund fehlt man unentschuldigt und wird für die Abschluss-Klausuren am Ende des Blocks nicht zugelassen und muss den Block wiederholen (anders als bei uns wird ein Thema/Fach in einem Block abgehandelt und am Ende wird darüber eine entsprechende Klausur geschrieben und das Gebiet ist damit abgehandelt. Am Ende des Studiums gibt es nur noch eine Prüfungsarbeit und die Diplomarbeit).
Bei einer Studiengebühr von rund 1350 Euro - (die man - liefert man gute Leistungen ab, also schreibt entsprechend gute Noten in den Klausren - bis auf rund 350 - 400 Euro im Jahr reduzieren kann - man bekommt das Geld am Ende des Studienjahres zurück) überlegt sich jeder Student, ob er sich einen weiteren Block leisten will und kann.
Die einzelnen Studiengruppen sind übersichtlich gross, um die 15 - 30 Studenten pro Professor (in Bereichen wie BWL oder sonstigen Massenstudiengängen können es auch einmal mehr Studenten sein, dies ist aber nicht die Regel sondern eher die Ausnahme).
Der Studienjahrgang wird auf die Professoren aufgeteilt und die Studenten haben beim entsprechenden Professor dann Unterricht zu einem bestimmten Thema bis der Block zu Ende ist; dann wird die entsprechende Klausur geschrieben und der Professor übernimmt die nächste Gruppe. Pro Block sind es meist um die 3 Fächer die erlernt werden müssen und über die Klausuren geschrieben werden müssen.
Wenn ein Professor also in einem Block 2 - 3 Gruppen betreut, wären dies zwischen 60 und 90 Studenten - aufs Jahr hochgerechnet also zwischen 240 bis 360 Studenten.
Da der Unterricht oft über den kompletten Tag geht, fällt die Regel-Studienzeit in den Niederlanden wesentlich kürzer aus als bei uns - mein Bruder z. B. hat sein Jurastudium in 4 Jahren durchgezgogen und hat danach sein einjähriges Masterstudium in London angehängt. Und dies ist dort keine Ausnahme sondern die Regel.
Da es in Holland keine Referendariatszeit beim Jurastudium gibt, muss im Anschluss an das Studium eine Art 3 jährige Praxisausbildung gemacht werden - diese dient der Spezialisierung und wird bereits mit einem guten Gehalt bezahlt. Der Anwalt ist bereits in die Anwaltsrolle eingetragen und könnte Mandanten vor Gericht vertreten.
Zusammengefasst - er hat ein Masterstudium und 3 Jahre Berufserfahrung (in denen er bereits sein eigenes Geld verdient hat und ihm immer ein erfahrener Kollege zur Seite stand, sollte er Fragen haben) in der gleichen Zeit absolviert, in der ein deutscher Student meistens noch nicht mal sein Regelstudium abgeschlossen hat (also auf Jura bezogen).
Und bevor irgendjemand nun behauptet, die Ausbildung im Ausland sei nicht mit der in Deutschland gleichzusetzen - das ist Geschichte, das war einmal.
Nicht umsonst haben alle Absolventen des Masterjahrgangs meines Bruders (international besetzt, von Kanada, den USA bis hin nach China und Australien) - schon bevor sie Ihr Masterdiplom in Händen hielten - noch in London Angebote von grossen international tätigen Sozietäten bekommen und einen Job gefunden.
Und um auf den Artikel bzgl. des aussterbenden Gelehrten in Deutschland zurück zukommen - die Professoren sowohl an der holländischen Uni als auch die in London waren noch so, wie man sie sich vorstellt - Fachleute und Experten auf ihren Gebieten, die Abhandlungen schrieben und publizierten und Rechtsvorlagen mit auf den Weg brachten. Teilweise waren es Anwälte des Gerichtshofs in DenHaag, die als Gast-Professoren sprachen oder Partner grosser Kanzleien, die die Praxis im Studium näher brachten.
Der ganze aufgeblasene Verwaltungs-Apparat den die Unis bzw. die Professoren hier in Deutschland zu bewältigen haben, die Überzahl an Studierenden - die kein Eingehen auf einen einzelnen Studenten mehr zulassen sondern nur noch ein oberflächliches Anreissen aller Themen zulässt und den Studenten alleine lässt bei der Vertiefung der Materie - wird in Deutschland schon bald dazu führen, dass das Niveau der Ausbildung / des Studiums zu kippen droht.
In Deutschland ist der Umfang des Lehrstoffes oft noch immer viel zu aufgeblasen, müssen Dinge gelernt werden, die für das Groh der Studenten unnütz sind und nur für bestimmte Fachrichtungen benötigt werden. Es werden Zeit und Kapazitäten gebunden, die anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnten. Dieses spezielle Wissen sollte bei der Spezialisierung zur Anwendung kommen und nicht im Grundstudium.
Noch mehr Studenten als bisher werden das Studium abbrechen weil sie einfach überfordert sind - 1. weil sie mit der Vertiefung des umfangreichen Lehrstoffes alleine gelassen werden und 2. weil sie dem Druck, das Studium so schnell wie möglich fertig zu bekommen um der ausländischen Konkurenz - die ihnen altersmässig um einige Jahre voraus ist - nicht gewachsen sind und sie damit nicht fertig werden.
Sowohl die Qualität in der Übermittlung des Lehrstoffs, als auch die der Prüfungsergebnisse werden nicht besser werden wenn die Hörsäle weiterhin so überfüllt sind und die Professoren, aufgrund der personellen Einsparungen, mit der Anzahl der Studierenden die auf einen Lehrenden kommen, einfach überfordert sind. Sie haben keine Möglichkeit um auf einzelne Studenten noch einzugehen - geschweige denn, bei der Vielzahl der verwaltungstechnischen Aufgaben, die Zeit und Muße sich in ihr Fachgebiet zu vertiefen um Abhandlungen zu publizieren oder neue Entwicklungen in Gang zu setzen.