¿Macht die Gleichstellung Frauen zu Tätern?
Wo die Macht ist, fehlt manchmal der Geist. Wo der Geist wohnt, hat der Missbrauch in der Regel keinen Nährboden.Dies dürfte insbesondere dann zutreffen, wenn Macht mit narzisstischen Wesenszügen kopuliert. Man findet dort eine unkritische Selbsteinschätzung, eine überhöhte Anspruchshaltung, natürlich auch eine ausnutzende und egoistische Einstellung, latenten Neid und ekelhafte Überheblichkeit, die in Selbstgefälligkeit, also einem aufgeblasenen und großspurigen Verhalten mündet. Die Handelnden sind regelmäßig unrealistisch überzeugt von den eigenen Eigenschaften wie Erfolg, Scharfsinn, Schönheit und vor allem der an sich gerissenen Macht. So etwas begegnet einem täglich. Leider auch im unmittelbarem Umfeld.
Wird über Macht und dem Missbrauch gesprochen, denkt man sogleich an die Politik. Der Missbrauch macht hier jedoch keinesfalls Halt. Man findet ihn in der Wirtschaft, Kultur, Show-Business, Sport, Bürokratie, ja in Religionen, der Wissenschaft und überall dort, wo Macht übertragen, verliehen oder an sich gerissen worden ist. Nur kann die Macht dort im Gegensatz zur Politik nicht durch Wahlen (ob davon Gebrauch gemacht wird, ist eine andere Frage) gezähmt werden. Ausnahmen könnten Aufsichtsgremien bilden. Ihre Kontrolle erfolgt jedoch aus Sicht des Lagers, von der Macht ausgeübt wird. Die vom Missbrauch Betroffenen haben folglich insoweit keine Kontrolle.
Ob Macht konstruktiv oder destruktiv eingesetzt und missbraucht wird, hängt entscheidend davon ab, ob sie, sachbezogen oder mit Blick auf sich selber eingesetzt wird. Sachbezogen ist sie u. a., wenn die dahinter stehende Motivation die Gemeinschaft fördert, wenn also die Intention der Aufbau, das Voranbringen von Entwicklungen, die Verwirklichung von Ideen oder die Verteidigung von etwas Wertvollem ist.
Dagegen wird Macht missbraucht und ist destruktiv, wenn sie Ichbezogen eingesetzt wird. Sie richtet sich gerade gegen die Gemeinschaft, wird also benutzt, um sich über andere zu stellen, die Anderen klein oder mundtot zu machen und Wertvolles zu zerstören.
Da letzteres immer häufiger geschieht, sprechen Einige auch vom "Zeitalter des Narzissmus", das von Selbstverliebtheit, Selbstbezogenheit, Selbstbewunderung und einem ungesunden Egoismus geprägt zu sein scheint.
Das Umfeld spürt den Machtmissbrauch und dessen Triebfeder sofort auf und reagiert darauf. Oftmals folgt dann weiterer bösartiger Missbrauch mit dem Ziel, die Entlarvenden mundtot zu machen oder irgendwie anders in ein schlechtes Licht zu rücken und zu schädigen. Der Ideenvielfalt sind da keine Grenzen gesetzt und damit setzt der psychosoziale Verfall ein. Nur so kann der Missbrauchende seine Gier nach übermäßiger Bewunderung und als etwas Besonderes behandelt zu werden stillen. Er ist die personifizierte Belastung der besonderen Art. Damit aber beginnt ein Teufelskreis.
Jessica Benjamin, Die Fesseln der Liebe. Psychoanalyse, Feminismus und das Problem der Macht (1996) beschreibt dies so: "Je mehr der andere versklavt wird, desto weniger wird er als menschliches Subjekt erfahren, und desto mehr Distanz oder Gewalt muss das Selbst gegen ihn einsetzen."
Da die Strategie des Missbrauchenden keinen Erfolg hat und die Anerkennung auch weiterhin fehlt oder deutlich versagt wird, gerät der Missbrauchende mit dieser narzisstischen Mangelerfahrung in narzisstische Wut. Er ergreift das falsche Mittel und steigert seine Macht und deren Missbrauch ins Unermessliche. Je kleiner und minderwertig sich der Missbrauchende fühlt, desto größer wird sein Bedürfnis nach Überlegenheit sein.
Hier zeigt sich dann der Mangel an emotionaler Intelligenz, der für Leitungsaufgaben so immens wichtig ist. Fehlt es hieran, wird der in der Sache fachlich versierte Politiker, Leiter, Vorarbeiter oder die mit sonstigen Führungsaufgaben betraute Person scheitern. Die Täter sind offenbar nicht in der Lage, mit den Gefühlen anderer Menschen umzugehen. Dies ist aber Grundlage für ein reibungsloses Miteinander in allen Bereichen. Beherrscht man dies, wird man beliebt sein, erfährt man Wertschätzung und wird in die Gemeinschaft auch aufgenommen ohne sie beherrschen zu wollen.
Mit der Gleichstellung bekommen Frauen wesensnotwendig immer mehr Macht. Mich interessiert hier nicht, dass dies viel zu langsam geht. Dennoch müssen auch sie lernen, damit sinnvoll umzugehen. Nicht immer gelingt es ihnen. Dann werden auch sie zu Täterinnen. Mich würde daher interessieren:
Ob ihr im Bereich der Wirtschaft, der Kultur, dem Sport, der Bürokratie, der Wissenschaft und auf sonstigen Gebieten mit Frauen zusammengetroffen seid, die ihre Macht erkennbar missbrauchten und in welcher Art und Weise oder mit welchen Mitteln dies erfolgte.
Wenn dem so ist wäre ferner interessant zu wissen:
Ob Grund hierfür dieselben Ursachen und/oder Motive sind, die für den Machtmissbrauch bei Männern kausal sein dürften oder ob womöglich ein besonderer emotionaler Hintergrund (oder sonstige Gründe), beispielsweise ein anderes Fühlen und Erleben die Triebfeder sein könnte.
Mir geht es hier nicht darum, dass Männer Macht missbrauchen (dies wissen wir) oder dass es bei ihnen ja auch so sei. Daher würde ich mich freuen, wenn ihr euch an den Ausgangsfragen orientiert.
(PS: Die Überlegungen benötige ich nicht für eine wissenschaftliche Abhandlung. Ich bin nur wieder einmal einfach nur neugierig und/oder wissbegierig)