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Leseratten unter sich

**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Leseratten unter sich
Wenn sich zwei Büchernarren treffen, tauschen sie sich immer wieder gerne darüber aus, was sie gerade lesen, gelesen haben und lesen wollen.

Das würde ich hier auch gerne tun, denn wer gerne schreibt, liest in aller Regel auch gerne.
Bunte Vielfalt
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Gustave Flaubert, Madame Bovary
Gerade habe ich mir Flauberts bekanntestes Werk als Hörbuch angehört. Ich muss erklärend hinzufügen, dass ich nicht einfach mal dieses Buch lese und dann jenes. Nein, wenn ich ein Buch toll fand, suche ich sofort nach ähnlichen weiteren Büchern, und wenn ein Schriftsteller, ein Jahrhundert, ein Genre mich begeistert hat, mache ich sogleich ein Projekt daraus.

So habe ich diesen Herbst (auf NikiLEs Anregung hin) von Fontane die "Wanderungen durch die Mark Brandenburg", "Der Stechlin" und "Effi Briest" gelesen, bin anschließend nach Norden geschwenkt und bei August Strindbergs "Die Leute von Helmsö" gelandet. Da habe ich viel darüber erfahren, wie die einfachen Leute in Schweden früher gelebt haben.

Mittlerweile hieß mein Leseprojekt mehr oder weniger diffus "Klassische Literatur". Und wenn ich auch eigentlich Abenteuer- und Reiseliteratur den Vorzug gebe, so haben mich doch die alltäglichen Lebensverhältnisse vergangener Zeiten in ihren Bann gezogen. Und über den Youtubekanal "Great Audiobooks in Public Domain" bin ich bei Flaubert gelandet.

Für das Original reicht mein Schulfranzösisch bei weitem nicht aus, aber eine gute Übersetzung ist auch nicht zu verachten. Und da ich auch die sonore Stimme des Vorlesers angenehm fand, zog mich die junge Frau Bovary in ihren Bann.

..... Emma Bovary ist unglücklich: sie ist mit einem rechtschaffenen Arzt verheiratet, der sie gut behandelt, jedoch nicht die Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte ermöglichen kann. Um dem für sie banalen, langweiligen Landleben zu entfliehen, lebt sie über ihre Verhältnisse, und begibt sich in ein Netz von Abhängigkeiten. Dadurch wird ihre eheliche Treue auf eine harte Probe gestellt - und sie beginnt, gegen die moralischen Vorstellungen ihrer Zeit, ihre unglückliche Heirat und die Schicksalergebenheit, die man von ihr erwartet, zu rebellieren... (Originalton des Youtubekanals)

Besonders verblüffend fand ich, dass in diesem Buch, das 1856 erschienen ist, sehr freimütig über das Liebesleben einer Frau geschrieben wurde. Und weitere Recherche brachte zutage, dass Flaubert sehr selbstkritisch war, hohe Ansprüche an sich selbst stellte und akribisch an seinen Texten feilte.

Also, wer Zeit und Lust hat, der mache sich an die Lektüre! Und nicht nur Flaubert, sondern auch Stindberg und natürlich Fontane kann ich nur wärmstens empfehlen. Die ideale Lektüre für lange Winterabende und eine gute Alternative zum drögen Fernsehprogramm.

findet

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Franz Werfel, Die 40 Tage des Musa Dagh
Der Musa Dağı ist ein Berg an der Mittelmeerküste im Süden der Türkei. Während des Völkermords an den Armeniern im Jahr 1915 konnte sich eine Gruppe von über 4000 armenischen Flüchtlingen, davon mehr als drei Viertel Frauen und Kinder, auf diesen Berg retten und wurde nach wochenlanger türkischer Belagerung in letzter Minute von einem französischen Kriegsschiff gerettet.

Franz Werfel avancierte in den 1920er Jahren zu einem der populärsten deutschsprachigen Schriftsteller, und seine Bücher wurden Bestseller. Als das Nazireich sich Österreich einverleibte, ging Werfel zunächst nach Frankreich ins Exil. Als die deutsche Wehrmacht 1940 auch auf Paris vorrückte, gelang ihm im letzten Moment mit seiner Frau Alma und Heinrich und Golo Mann zu Fuß die Flucht über die Pyrenäen nach Spanien. Via Lissabon gelangten sie schließlich über Südamerika in die USA.

Der Roman ist, obwohl in einem heute ungebräuchlichen expressionistischen Stil geschrieben, so meisterhaft in der feinen Zeichnung der Charaktere und der packenden Darstellung dieses ausweglos erscheinenden Verzweiflungskampfs, dass es mich tagelang gefangengenommen hat. Unbedingt lesenswert!

meint

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Arthur Schnitzler, Traumnovelle
Auf die Anregung von Eros_Tagebuch habe ich mir ein Werk von Arthur Schnitzler als Hörbuch ausgesucht.

Arthur Schnitzler beschreibt in der Novelle die scheinbar harmonische Ehe des Arztes Fridolin und dessen Frau Albertine. Unter der Oberfläche dieser harmonischen Bindung werden beide aber von ungestillten erotischen Begierden sowie Träumen heimgesucht, welche sich durch wechselseitige Entfremdung zu einer regelrechten Ehekrise auswachsen.

Das Geheimnisvolle dieser Novelle rührt von der Entdeckungsreise ins Selbst her, die Fridolin unternimmt, einen Abstieg in die Tiefen seiner eigenen Psyche, und den Veränderungen in den Beziehungen zwischen Menschen. Sie verkörpert eine Fülle von psychologischer Metaphorik und Symbolismus – vermittelt aber dem Protagonisten in der abschließenden Aussprache die Erkenntnis der Gefährdung ihrer Beziehung durch das Unbewusste und seiner Bewältigung.

Was mir an der "Traumnovelle" besonders gefallen hat: Bis zuletzt bleibt unklar, ob es sich bei Fridolins Erlebnissen um Träume oder wirkliche Begebenheiten handelt. Und für das seelische Erleben ist der Unterschied nicht wirklich relevant ...

Unbedingt lesens- bzw. hörenswert!

meint

Luccio
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Leo Tolstoi, Anna Karenina
Diesen Riesenwälzer habe ich gerade zu Ende gelesen und muss sagen, dass mich selten eine Geschichte so beeindruckt hat. Bisher hatte ich von russischer Literatur nur eine ganz ungefähre Ahnung, und von Tolstoi kannte ich z.B. Krieg und Frieden nur als Film.

Das Schicksal der Anna Karenina, die ihren Mann und ihren Sohn verläßt, um mit ihrem Liebhaber zusammenzuleben, am Ende aber an den Widersprüchen ihrer Lebenslage und der Ablehnung durch die Gesellschaft zerbricht, ist meisterhaft und psychologisch einfühlsam erzählt und für sich genommen schon bewegend genug.

Darüber hinaus fächert der Roman eine Fülle der verschiedensten Themen auf, die fesseln und zum Nachdenken anregen.

Bin ein echter Tolstoi-Fan geworden und werde mir als nächstes Krieg und Frieden vornehmen.

schwärmt

Luccio *les*
*******eben Mann
534 Beiträge
Ja, ich habe Anna Karenina vor längerer Zeit auch gelesen und kann Dein Statement hier voll und ganz bestätigen. Ein beeindruckendes Buch!

An "Krieg und Frieden" habe ich mich allerdings noch nicht herangetraut.
*******eben Mann
534 Beiträge
Paustowskij: Der Roman meines Lebens
Im Westen ist das Werk Konstantin Paustowskijs (1892-1968) relativ unbekannt. Das ist sehr bedauerlich, denn er ist für mich eindeutig mein russischer Lieblingsschriftsteller ... aber Halt: Er ist eigentlich kein russischer, sondern ein ukrainischer Schriftsteller mit türkischen Wurzeln.

Sein bekanntestes Werk ist eine Serie von sechs Büchern, in denen er in romanhafter Form seine Lebenserinnerungen vorlegt:

Ferne Jahre
Unruhige Jugend
Beginn eines unbekanntes Zeitalters
Die Zeit der großen Erwartungen
Sprung nach Süden
Das Buch der Wanderungen

Paustowskijs Stärke ist, Menschen mit kurzen skizzenhaften Beschreibungen eindrucksvoll zu charakterisieren und auch die Abläufe und Geschehnisse lebendig und fesselnd zu schildern. Paustowskij hat die russische und ukrainische Geschichte hautnah miterlebt und war Zeuge vieler Ereignisse und hat eine Menge bedeutender Personen persönlich kennengelernt. Er beschreibt seine Jugend in der zaristischen Ukraine, seine Begegnungen mit der literarisch-künstlerischen Avantgarde des Silbenen Zeitalters, beschreibt seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg und erlebt als Augenzege die Russische Revolution. Er beschreibt Hungersnöte, seine Zeit als Journalist und seine Begegnungen in den 20-er Jahren mit vielen Literaten in Kiew, Moskau, Tiflis etc.

Die ferne Welt des vorrevolutionären Rußland kommt ebenso nah wie die uns bis heute bestimmenden Ereignisse der Revolution von 1917.

Ich habe diese Werke sehr langsam gelesen, um so lange wie möglich die Lektüre genießen zu können.

Entgegen dem Wikipedia-Eintrag gibt es alle Bände auf deutsch, wenn auch nur antiquarisch. Es gab eine vollständige westdeutsche und ostdeutsche Ausgabe mit je eigener Übersetzung.

PS. Paustowskij hat auch eine Art Schreibratgeber verfasst, die "Goldene Rose".
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Danke, lieber HautErleben für den interessanten Tipp! Da weiß ich doch gleich, was ich nach Krieg und Frieden lesen möchte.

freut sich

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Hab jetzt ...
... auf Anraten von dir, lieber HautErleben, Ferne Jahre zu lesen begonnen. Hab's bei Ebay antiquarisch gekauft.

Es ist in wunderbar klarer und poetischer Sprache geschrieben. Ich zitiere die Saarbrücker Zeitung: "Paustowskij ist ein großer Erzähler, dessen literarischer Wert mit dem der Größten zu vergleichen ist. Sein Stil ist schön, rein, und einfach wie ein Glas Wasser, das man trinkt, genießt und nach dessen Genuß man sich wohlfühlt."

Eine Kostprobe:
(Konstantin ist acht, seine Tante Nadja studiert Gesang)
Und morgens weckte mich ein einschmeichelnder Gesang, fast nur ein Geflüster, dicht an meinem Ohr, und die Haare von Tante Nadja kitzelten mich an der Wange. "Erheb dich schnell!" sang sie, "Schäm dich zu schlafen. Schließ nicht die Augen traumbefangen. Rotkehlchen singen schon im Garten, und Rosen sind für dich erblüht.


schwärmt

Luccio *les*
*******eben Mann
534 Beiträge
Liebe Luccio!

Freut mich, dass Dir die Lektüre gefällt. Mir hat sie auch gefallen und vor allen Dinge meine eigene Phantasie angeregt. Nicht nur, waser schreibt, sondern wieer schreibt, ist mir ein Genuss.

Obgleich ich mich schon lange mit russischer Literatur immer wieder beschäftigt habe, war mir Paustowsky völlig unbekannt. Erst durch Gardengirl habe ich ihn kennengelernt.

Beste Lesegrüße sendet Dir HautErleben
*******eben Mann
534 Beiträge
PS
Gardengirl empfiehlt übrigens die DDR-Übersetzung von Gudrun Düwel und Georg Schwarz.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Mittlerweile ...
... ist mir Konstantin "Kostik" Paustowskij richtig lieb geworden. Ich habe das Gefühl, einen Freund gefunden zu haben, der mir sein Leben und das Russland seiner Zeit nahebringt.

Die Orte, an denen er sich aufhält, schlage ich bei Wiki nach, und wenn er von einem Gemälde erzählt, wähle ich es als Hintergrundbild und betrachte es aufmerksam. Lese nach, was er dazu schreibt und welche Gedanken und Gefühle es bei ihm ausgelöst hat.

Habe ihn in den letzten Tagen durch seine Jahre am "Ersten Gymnasium" von Kiew begleitet und über seine Schülerstreiche und die Eigenheiten seiner Lehrer geschmunzelt.

Habe den Zerfall seiner Familie miterlebt und wie sich seine Eigenständigkeit entwickelt hat. Jetzt freue ich mich schon auf den nächsten Band seiner "Erzählungen vom Leben".
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Unruhige Jugend
Der Student Konstantin Paustowskij ist 22 Jahre, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Als jüngster Sohn und Student ist er vom Kriegsdienst befreit, will aber dennoch seinem Land dienen: Er verlässt die Universität, arbeitet als Straßenbahnschaffner in Moskau und meldet sich dann freiwillig als Sanitäter an die Front.

Seine beiden Brüder fallen, das Mädchen, das er liebt, stirbt an den Pocken, er selbst kehrt verwundet nach Moskau zurück. Er arbeitet als Prüfer für Granathülsen, als Fischer, als Journalist.

Paustowskijs Sprache ist wunderbar poetisch. Hier einige Kostproben ...

Die meisten Menschen ziehen sich in die Natur zurück, wenn sie sich erholen wollen. Ich aber glaubte, dass ein Leben in der Natur der ständige Zustand des Menschen sein sollte.


Es duftete nach Wermut. Zum ersten Mal verband sich dieser bittere Duft in meiner Vorstellung mit der Nähe des Schwarzen Meeres. Später festigte sich diese Verbindung von Wermut und Meer in meinem Bewußtsein so sehr, dass ich selbst dann, wenn ich irgendwo im Norden den Wermutduft wahrnahm, unwillkürlich lauschte in der Hoffnung, fernes Meeresrauschen zu vernehmen. Manchmal schien mir, als hörte ich es, aber es rauschte nicht das Meer, sondern ein Tannenwald.

Unten am Strand zog ich meine Kleider aus und ging bis ans Kinn in das warme, aber noch erfrischende Wasser. Die Spiegelbilder der Sterne schwammen wie kleine Medusen rings um mich auf dem Wasser.
Ich bemühte mich, unbeweglich zu stehen, um sie nicht in Dutzende von schaukelnden Splittern zu verwandeln. Es dauerte lange, bis sie wieder zu Spiegelbilder von Sternen wurden.
Mit dem ganzen Körper spürte ich den sanften, aber machtvollen Atem des Meeres. Das Wasser schaukelte kaum sichtbar.
Dicht unter meinen Augen, in gleicher Höhe mit meinem Kinn, begann das Meer. Mein Herz schlug rascher bei dem Gedanken, dass mich nichts von jenen unendlichen Meeresweiten trennte, die von hier bis zum Bosporus, zu den Küsten Griechenlands und Ägyptens, zum Adriatischen Meer und zum Atlantik reichten, dass hier unter meinen Augen das gewaltige Weltmeer begann.
Vom Ufer wehte Levkojenduft herüber. Fern am Liman des Dnjestr dröhnte ein Kanonenschuss und rollte am Ufer entlang. Auch hier war Krieg, an diesen Orten, die wie geschaffen schienen für ein tätiges, glückliches Leben, geschaffen für Seeleute, Gärtner, Weinbauern, Künstler, für Kinder und Liebende, für eine sorglose Kindheit, eine fruchtbare Zeit der Reife und ein Alter, das einem lichten Septembertag glich.


... Aber in Wirklichkeit haben sie nicht das Recht zu lächeln. Sie haben nicht das Recht, über jene jungen Träume zu spötteln, die in viele Seelen die ersten Samenkörner der Dichtung legten. In diesen Träumen, in diesen Erdichtungen war Reinheit, war Adel, und ein Abglanz dieser Eigenschaften blieb über dem ganzen Leben jener Menschen liegen.
Jeder, der in der Jugend diese Eigenschaften besaß, wird zugeben, dass er damals über unerschöpfliche Reichtümer verfügte.
Ihm gehörte die Welt. Für ihn gab es keine Grenzen, weder in der Zeit noch im Raum. Eben noch konnte er den Duft der Pilze in der Taiga einatmen und einen Augenblick später die Luft der Pariser Boulevards mit ihren trüb brennenden Laternen. Er konnte sich mit Victor Hugo, mit Lermontow, mit Zar Peter I. und mit Garibaldi unterhalten. Er konnte einer siebzehnjährigen Gymnasiastin im braunen Schulkleid, die vor Verwirrung an ihren Zöpfen fingerte, genauso gut seine Liebe zu Füßen legen wie Isolde. Er konnte mit Miklucho Maclay in den tropischen Wäldern Neu-Guineas hausen oder mit Puschkin nach Erserum reiten. Er konnte im Konvent sitzen oder erste Pfade durch die Wälder von Florida schlagen. Er konnte mit dem Vater von Klein Dorrit im Schuldturm hocken, und er konnte die Asche Lord Byrons nach England heimbegleiten.
Es gab keine Grenzen. Ich möchte den Skeptiker sehen, der nicht zugeben müsste, dass diese zweite Welt den Menschen bereichert und auf die Gedanken und Handlungen seines Lebens Einfluss hat.


In jedem Menschenherzen schlummert eine Saite. Und selbst wenn nur ein schwacher Hall des Schönen sie trifft, wird sie unbedingt erklingen.

Unbedingt lesenswert!

empfiehlt

Luccio *love*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Michael Kumpfmüller, Die Herrlichkeit des Lebens
Überlebensgroß ist der Mythos Franz Kafka, dessen Nachruhm als Schriftsteller scheinbar mit einem weithin unglücklichen Leben erkauft wurde. Doch nun wirft Michael Kumpfmüller ein helles, fast heiteres Licht auf den berühmten Dichter und zeichnet liebevoll und diskret einen Menschen, der in seinem letzten Jahr die große Liebe findet und sein Leben in die Hand nimmt, bevor es dafür zu spät ist.

Im Sommer 1923 lernt der tuberkulosekranke Franz Kafka, als Dichter nur Eingeweihten bekannt, in einem Ostseebad die 25-jährige Köchin Dora Diamant kennen. Und innerhalb weniger Wochen tut er, was er nicht für möglich gehalten hat: Er entscheidet sich für das Zusammenleben mit einer Frau, teilt Tisch und Bett mit Dora.

In Berlin wagt er mit ihr das gemeinsame Leben, mitten in der Hyperinflation der Weimarer Republik. Den täglich kletternden Preisen, den wechselnden Untermietquartieren, den argwöhnischen Eltern zum Trotz: Bis zu seinem Tod im Juni 1924 werden sich Franz Kafka und Dora Diamant, von wenigen Tagen abgesehen, nicht mehr trennen.

Aus dieser wahren Geschichte macht Michael Kumpfmüller einen feinsinnigen, behutsamen und kenntnisreichen Liebesroman.

Kafkas Tagebücher, seine Briefe und letzten Texte kennt er genau und webt sie zart in die Erzählung ein. Aber ebenso sehr widmet er sich Doras Sicht, dem Blick der verliebten jungen Frau auf ihren rätselhaften, sterbenden Mann.

Und so gelingt Kumpfmüller eine tief anrührende Parabel über das Leben und die Liebe, das Schreiben und den Tod.

Unbedingt lesen!

empfiehlt

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Adriana Altaras, Titos Brille
Die Schauspielerin und Regisseurin Adriana Altaras führt ein ganz normales chaotisches und unorthodoxes Leben in Berlin. Mit zwei fußballbegeisterten Söhnen, einem westfälischen Ehemann, der ihre jüdischen Neurosen stoisch erträgt, und mit einem ewig nörgelndem, stets liebeskranken Freund, der alle paar Monate verkündet, endlich nach Israel auswandern zu wollen.

Alles bestens also ... bis ihre Eltern sterben und sie eine Wohnung erbt, die seit 40 Jahren nicht mehr ausgemistet wurde. Fassungslos kämpft sich die Erzählerin durch kuriose Hinterlassenschaften, bewegende Briefe und uralte Fotos.

Dabei kommen nicht nur turbulente Familiengeheimnisse ans Tageslicht. Auch die Toten reden von nun an mit ihr und erzählen ihre eigenen Geschichten ...

Mit furiosem Witz und großer Wärme verwebt Adriana Altaras Gegenwart und Vergangenheit. In eindringlichen Episoden erzählt sie von ungleichen Schwestern, von einem Vater, der immer ein Held sein wollte, und von einer Mutter voller Energie und Einsamkeit.

Vom Exil, von irrwitzigen jüdischen Festen, von einem geplatzten italienischen Esel und einer Stauballergie, die ihr das deutsche Fernsehen einbrockte - und von den faszinierenden Mosaiksteinen, aus denen sich ein Leben zusammensetzt.

Eine außergewöhnliche Familiengeschichte, die ihre Spuren quer durch Europa und das bewegte 20. Jahrhundert zieht - um wieder in der Gegenwart anzukommen und eine ebenso kluge wie hellsichtige Zeitdiagnose zu liefern.

Unwiderstehlich witzig, anrührend und unvergesslich. Unbedingt lesen!

empfiehlt

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Henning Mankell, Die italienischen Schuhe
Fredrik Welin, ehemaliger Chirurg, lebt allein auf einer kleinen Insel in den schwedischen Schären, wo er nur noch dem Postboten begegnet. Ihm ist etwas widerfahren, was er nur "die Katastrophe" nennt, und er glaubt, mit dem Leben abgeschlossen zu haben.

Da steht eines Morgens eine alte Dame mit einem Rollator vor ihm. Es ist Harriet, die Frau, die er einmal sehr geliebt und dann trotzdem verlassen hat. Vierzig Jahre sind seitdem vergangen, und Harriet ist schwerkrank. Deshalb soll er ihr eine letzte Bitte erfüllen und ein altes Versprechen einlösen: Mit ihr an einen kleinen Waldsee in Nordschweden zu fahren, wo er selbst in der Kindheit mit seinem Vater war.

Es wird eine Reise in die Verganenheit, voller unverhoffter Begegnungen. Fredrik erfährt, dass er eine Tochter hat, die in einem Wohnwagen lebt und Briefe an die Staatsmänner der Welt schreibt.

Er lernt Sima kennen, eine junge Iranerin, die in einer Gruppe schwererziehbarer Mädchen lebt, und Gianconelli, einen alten italienischen Handwerksmeister, der im Wald bei Härjedalen jedes Jahr genau zwei Paar Schuhe nach Maß anfertigt. Und er bekommt Gelegenheit, eine alte Schuld abzutragen, die aus einem schweren beruflichen Fehler erwuchs.

Bis ihm seine Jugendliebe wiederbegegnete, lebte Fredrik völlig zurückgezogen auf seiner kleinen Insel, mit Hund und Katze und einem wachsenden Ameisenhaufen im Wohnzimmer. Er glaubte, mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Nur wenn er durch ein Loch im Eis ins bitterkalte Meerwasser stieg, konnte er die eigene Lebendigkeit noch spüren. Dann hat ihm Harriet den Weg zurück zu den Menschen gewiesen.

Henning Mankell hat einen spannenden Roman über die Liebe und die Einsamkeit geschrieben, ein Buch voller Nachdenklichkeit und Leidenschaft. Er hat eine neue Sprache gefunden, mit der er sich vom Stil der Wallander-Romane entfernt. Sie hallt wie ein Schlag auf Eis über die gefrorenen Meeresbuchten wider und tönt fort im Herzen der Menschen.

Ein unvergessliches Buch!

schwärmt

Luccio *love*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Richard David Precht ...
... und Georg Jonathan Precht, Die Instrumente des Herrn Jørgensen

Für einen Sommer wird der Kriminalassistent Jørgensen auf die beschauliche Insel Lilleø geschickt. Auch wenn sein Vorgesetzter Malte Hansen nicht müde wird zu versichern, dass auf dem Eiland seit 200 Jahren kein Verbrechen mehr geschehen ist, vermutet Ansgar Jørgensen, dass Lilleø neben seiner hinreißend sommerlichen Landschaft und den gemütlichen Bewohnern doch einige Geheimnisse birgt.

Woran zum Beispiel starb der Schafbauer Hans Larsen, der ausgerechnet bei Jørgensens Ankunft auf der Insel beerdigt wird? Warum spricht ein anonymer Anrufer, der sich an eine kleine Polizeistation wendet, von Mord, während der Arzt als Todesursache einen Herzinfarkt angab?

Und was für eine Bewandtnis hat es mit dem Nor, einer zu Beginn des letzten Jahrhunderts trockengelegten Meeresbucht, in der einst ein mysteriöses Schiff in Seenot geraten war? Unter dem Spott von Malte Hansen und dem wachsenden Misstrauen der Inselbewohner stellt der liebenswert-skurrile Jørgensen Zusammenhänge her, in die sich ein Sextant aus Larsens Nachlass und die Erfindungen des Geistersehers Swedenborg passgenau einbeziehen lassen.

Die fixe Idee des Kriminalassistenten, auf Lilleø einen Mordfall aufklären zu wollen, erscheint gar nicht mehr so absurd ...

Von der lieblichen Idylle weißgekalkter Dorfkirchen bis zum Jüngsten Gericht, von dem Zauber einer kleinen Bibliothek bis zu den Wirren des Napoleonischen Krieges verknüpft dieser Roman seine Fäden zu einem Teppich des Lebens, in dem sich alles zu einem überraschenden Ende zusammenfügt:

Ein Buch über die Ordnung der Welt, die Macht der Fantasie, den mystischen Funken der Natur und die Tragikomik des Lebens.

Unbedingt lesenswert!

empfiehlt

Luccio *les*
Ein tolles Buch!
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Ich kenne das Buch unter dem Titel "Das Schiff im Noor" , unter dem es 1999 zum ersten Mal erschien. Damals war Richard David Precht noch ein Geheimtipp, der andere Autor ist übrigens sein Bruder. Ich schließe mich Luccios Empfehlung an.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Mac P. Lorne, Das Herz des Löwen
England 1189 - Im Sherwood Forest begegnen sich zwei Männer, deren Schicksal auf viele Jahre eng miteinander verbunden sein wird: Robert von Loxley, genannt Robin Hood, und Richard I., genannt Löwenherz, der zukünftige König von England.

Um Begnadigung zu erlangen, begleiten die Geächteten den König auf seinem Kreuzzug ins Heilige Land. Als Robin und seine Gefährten nach harten Kämpfen, Hunger und Meuterei endlich nach England zurückkehren, finden sie leider keinen Frieden. Ein immenses Lösegeld wird für den in Gefangenschaft geratenen König gefordert und nicht jeder ist bereit, dafür zu bezahlen.

Noch einmal müssen Robin und seine Gefährten einen weiten Weg gehen, der sie bis tief in das Deutsche Reich hinein führt ...

"Das Herz der Löwen" ist der 2. Band der vierbändigen Robin-Hood-Reihe. Rasant erzählt und akribisch recherchiert von Bestseller-Autor Mac P. Lorne.

Mac P. Lorne wurde 1957 geboren. Aufgewachsen in der DDR, studierte er aus politischen Gründen statt Geschichte und Literatur doch lieber Veterinärmedizin und später Pferdezucht und -sport. Im Frühjahr 1988 gelang ihm die Flucht in die Bundesrepublik.

Er ist Co-Autor mehrerer Fach- und Sachbücher aus den Gebieten Veterinärmedizin und Pferdezucht. 2011 erschien sein erster historischer Roman. Englische Geschichte ist die große Leidenschaft des Autors.

Mir hat vor allem die spannende Erzählweise und die enorme Detailkenntnis der historischen Zusammenhänge gefallen. Und als großer Kevin Costner-Fan hatte ich beim Lesen stets die Bilder des Films "Robin Hood - König der Diebe" vor Augen.


**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Sophie Wörishöffer, Robert der Schiffsjunge
Heute will ich euch ein Buch vorstellen, das bei mir zwiespältige Gefühle hervorgerufen hat. Die Geschichte des Schneidersohnes, der sich mit 15 aus der harten Hand des Vaters und Lehrherrn befreit und zur See fährt, ist spannend, kenntnisreich und mit viel Liebe zum Detail erzählt.

Fesselnd bis zur letzten Seite, ist das Buch doch voller rassistischer Vorurteile und huldigt einem Nationalismus und Patriotismus, der manchmal aus der Sicht des heutigen Europäers und Weltbürgers nur schwer erträglich ist. Auch die durchgehend sichtbare Frömmigkeit und an alten Tugenden wie unbedingtem Gehorsam und Unterordnung festgemachten Überzeugungen der Autorin lassen eine atheistische Humanistin wie mich manchmal schaudern.

Sophie Wörishöffer (1838-1890) hat zahlreiche erfolgreiche Romane geschrieben und war zu ihrer Zeit so vielgelesen und berühmt wie Karl May.

Als interessantes Zeitdokument lesenswert!

meint

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Mercedes Lauenstein, Blanca
Der Roadtrip ihres Lebens

Blanca will weg. Weg von ihrer Mutter, die ständig auf gepackten Koffern sitzt, weg von den billigen Zimmern, in denen sie wohnen. Mit ein paar Wechselklamotten und all ihren Ersparnissen in der Tasche macht sie sich auf Richtung Süden.

Aber kann man sein altes Leben tatsächlich einfach so hinter sich lassen? Blanca ist die Reise eines ungewöhnlichen Mädchens, das nach einer Zukunft für sich sucht - und dabei so manchen Umweg in Kauf nimmt.

"Hier ist eine Erzählerin am Werk, die ihrer Figuren auf den Grund geht, die Fragen hat an das Leben." Sandra Hoffmann, Deutschlandfunk

Mercedes Lauenstein, geb. 1988, lebt als Schriftstellerin und Journalistin in München und Italien. Seit 2009 schreibt sie als freie Autorin Essays und Reportagen für verschiedene Zeitungen und Magazine. Für ihr Debüt "Nachts" wurde sie 2016 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet.

Das Buch entdeckte ich als Leseempfehlung auf ZEITonline und lud mir einen Auszug als eBook herunter. Die Flucht der fünfzehnjährigen Blanca vor ihrer beeindruckend verrückten Mutter und ihre Irrfahrt durch Italien nahmen mich dann so gefangen, dass ich mir das Buch kurzerhand zum Geburtstag schenkte und in einem Zug durchlas.

Neben dem flüssigen und originellen Stil hat mir besonders die genaue Beobachtung individueller Eigenheiten gefallen. Und noch faszinierender als die intelligente und willensstarke Tochter fand ich die Mutter, eine wie gesagt recht psychotische Schönheit mit ausgefallenen Ansichten und imponierenden Einsichten.

"Siehst du", sagte sie Richtung Werkstatt blickend, "jetzt reparieren sie uns das Auto. So funktioniert die Welt. Du musst nur charmant sein, dann kriegst du alles."
Ich sah sie an. Sie erwiderte meinen Blick und grinste.
Sie war so hübsch. Ihre Zähne waren perfekt - große helle Erwachsenenzähne wie aus der Werbung. Zarte durchsichtige Härchen bedeckten ihre braungebrannte Gesichtshaut. Nur um die Augen hatte sie ein paar Lachfalten, die aussahen wie Sonnenstrahlen. Sie trug überhaupt kein Make-up. Auf ihrer Oberlippe waren winzige Schweißperlen.
Egal, wie sehr man sich auch dagegen wehrte: Wenn sie einen so ansah wie jetzt, wollte man nur noch Ja sagen zu allem. Ja, ich komme mit dir mit, überallhin. Man fühlte sich unter ihrem Blick am Leben.


Eine tolle Frau, ein tolles Mädchen, ein Buch voller Lebensklugheit und Humor! Unbedingt lesen!

meint

Luccio *les*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Richard Leo, Jenseits aller Grenzen
Ein Mann, eine Frau, ein Kind in der Weite Alaskas

Richard Leo steigt aus, verlässt zusammen mit Freundin Melissa New York. Ihr Ziel liegt jenseits aller Grenzen in der unendlichen Einsamkeit Alaskas. In der selbstgebaurwn Blockhütte leben sie zusammen mit ihrem kleinen Sohn Janus. Melissa verlässt die beiden. Die lastende Stille wird ihr unerträglich.
Die Geschichte eines Mannes auf der Suche nach Lebensinhalten. Und seines Sohnes, der die absolute Freiheit besitzt, die Wunder seines Universums selbst zu entdecken.

Richard Leo, geboren in Chicago. Studium in Harvard. 1981 Aufgabe seines Jobs als Manager und Werbetexter in New York. In Alaska sucht und findet er seinen Traum vom Glück. Mehr gibt der Autor von seiner Lebensgeschichte nicht preis. Es gibt nicht mal einen Wikipedia-Eintrag über ihn.

Ich fand diese Aussteiger-Geschichte unglaublich spannend und habe sie in einem Zug durchgelesen. Besonders gefallen hat mir die klare Sprache und der oft selbstironische Humor. Im Folgenden ein paar Beispiele ...

Ihr erstes Heim:

Das Blockhaus war ein echtes Museumsstück; hölzerner Kochherd, Getreidemühle auf einem ungehobelten Tisch. Schneeschuhe, die an der Wand hingen, und alte Bücher auf einem Bord.
Ich schaltete die Taschenlampe aus und blieb lange Zeit in der Mitte des einzigen Raumes stehen. Ich war mir ganz sicher, dass ich mir nie zuvor in meinem Leben eines derartigen Schweigens bewusst gewesen war. Es war nicht einfach nur das Fehlen eines jeden Geräusches. Es war das dichte, kompackte Schweigen der Isolation, das gelassene, klare Schweigen, wenn das ewige Geplapper der Gedanken verebbt, ein Schweigen, erzeugt durch Demut und sprachlose Dankbarkeit.


Denali (Mount McKinley):

"Dieser Berg", sagte ich, ohne auf den Denali deuten zu müssen, der die anderen überragte wie das Logo von Paramount Pictures, "ist der höchste Berg der Erde, wenn man vom Fuß bis zum Gipfel misst. Der Everest beginnt auf einem Plateau in einer Höhe von dreitausendfünfhundert Metern. Der Denali erhebt sich von der Tundra bei zweihundert Metern über Meer. Du kannt von hier aus das Meer sehen."
Ich hatte die Karten in Fairbanks ausgiebig studiert. Ich verspürte den Drang, mein Erstaunen und meine Verwunderung Melissa gegenüber in Worte zu fassen. Es klang so wenig überzeugend, wie wenn Moses von den geteilten Wassern des Roten Meeres gesagt hätte: "Was ihr hier seht, ist ein in der Welt einzigartiges Naturphänomen ..."


Erstes Baumfällen:

Schließlich fanden wir eine Birke, deren gesamte Krone unter der Schneelast abgebrochen war. Das war es: Ich würde einen sterbenden Baum nehmen.
Melissa baute sich in sicherem Abstand auf. Ich schwang die Axt. Die Schneide steckte im Stamm. Ich riss an der Axt. Sie rührte sich nicht. Grunzend und keuchend zerrte und riss ich erneut. Nichts. Ich stemmte mich gegen den Griff, und die Schneide brach aus dem Holz. Ich stolperte, steckte bis zu den Ellenbogen im Schnee.
Melissa lachte nicht.
Drei Stunden später war der Baum tot. Ich hatte ihn zerstückelt, nachdem ich die Säge geholt hatte, und wir hatten die einzelnen Teile des Stammes zur Hütte geschleppt.
Mein Rücken schmerzte. Meine Arme schmerzten.
Ich fragte mich, wie unsere Vorfahren ihre Höhlen ohne metallene Äxte und Sägen hatten warm halten können, als das Brennholz sich nicht in Reichweite befunden hatte, sondern erst über Meilen durch die Tundra herangeschleppt werden musste.


Kochen:

Melissa kochte ein phantastisches Essen auf dem Herd. "Es ist nicht so, als wäre man ein Koch mit einer heißen Platte, der sofort jede Bestellung parat hat", sagte sie, während sie ihre Pestosoße umrührte. "Es ist wie ... Ich weiß nicht recht. Ich muss dünne Scheite in den Brenner geben, wenn ich große Hitze brauche, und dicke Kloben bei mittlerer Hitze, außer ich beobachte die Farbe der oberen Platte, die manchmal rot aufglüht, wenn sich darunter nur reine Glut befindet. Ich kann nicht einfach an einem Knopf drehen. Ich bin ständig beschäftigt. Haben die Menschen früher so gekocht?"
"Die Menschen pflegten mit Stöcken über einer Feuerstelle zu kochen", sagte ich.


Schneehase und Marder:

Als acht Pfosten, zwei auf jeder Seite, standen, verharrte ich in der Mitte des Rechtecks und träumte vom Dach. Ein Schneehase in einem bräunlichen Sommerfell hoppelte zu den Stämmen, hielt inne, drückte sich unter dem Begrenzungsstamm durch, sprang über die Stämme auf der anderen Seite, nachdem er fast mein Bein gestreift hatte, und verschwand.
"Na ja", dachte ich.
Sofort tauchte ein Marder auf. Er huschte von einer Seite zur anderen, der Spur des Hasen folgend. Er strich genauso selbstverständlich an mir vorbei wie der Hase. Auf der anderen Seite hielt er inne und schaute zu mir zurück.
"Er ist da lang", sagte ich und deutete in die Richtung.

Janus:

Die ersten paar Tage in Stanleys Hütte verbrachten wir unerwartet munter und vergnügt. Wir hatten Lebensmittel und Holz, und es gab nichts zu bauen. Also spielte ich den ganzen Tag mit dem zehn Monate alten Baby. Von morgens, wenn er auf meine Brust rollte und verkündete:"Beh!", bis abends, wenn er einschlief, war ich nie weiter als zwei Fuß von ihm entfernt. Er bedeutete Spaß und Freude. Er war pure Magie. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf alles, was in dieser Welt geschah - Farben und Gewebe und die Launen seiner Eltern.
"Ja, ja", sagte Melissa, "Was glaubst du denn? Er ist dein Sohn."
"Ja, aber schau dir doch bloß mal an, wie er die kleinen Holzstücke von dem Anbrennholz untersucht. Er studiert sie. Er wird mal Wissenschaftler werden und die Natur studieren."
Melissa verdrehte die Augen, lächelte aber.
"Und schau dir an, wie er an der Tür herumschnüffelt und den Temperaturunterschied zwischen Ofen und Türspalt testet. Er führt ein Experiment durch."


Unbedingt lesen!

empfiehlt

Luccio *les*
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Kate Pullinger, Eine Liebe in Luxor
Englang 1862. Das Dienstmädchen Sally weicht ihrer Lady nicht von der Seite, auch nicht, als diese vom Doktor nach Ägypten geschickt wird, um ihre Krankheit zu kurieren. Sie begeben sich auf eine Flussfahrt den Nil hinauf, und für Sally beginnt in der exotischen Fremde ein neues Leben: Lady Duff Gordon tauscht ihr Korsett gegen Männerkleidung und eröffnet einen wöchentlichen Salon, und das Dienstmädchen genießt plötzlich eine ungeahnte Freiheit. Doch als Sally sich auf den schönen Ägypter Omar einlässt, geht der Lady die Freiheit zu weit ...

Kate Pullinger, geboren 1961 in Kanada, ist Autorin mehrerer Romane, darunter "Das Piano". Mit "Eine Liebe in Luxor" gewann sie den renommierten kanadischen Governor General's Award.

Die Geschichte basiert auf tatsächlichen Begebenheiten und spiegelt eindrücklich das Verhältnis englischer Adliger und ihrer Dienerschaft wider. Ich habe den Roman als Hörbuch gehört und war fasziniert und begeistert, hingerissen, empört, zufrieden, enttäuscht - und in jedem Augenblick mitten im Geschehen gefangen. Und die derzeitige Hitzewelle trug das ihre dazu bei, mich problemlos an die Ufer des Nils zu versetzen ...

Ein spannendes, äußerst informatives und glänzend geschriebenes Buch. Vorsicht: Suchtgefahr!

warnt

Luccio *les*
**********gosto Frau
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Themenersteller 
Thor Heyerdahl, Kon-Tiki
Thor Heyerdahl war überzeugt: Die polynesische Kultur hat ihren Ursprung in Peru. Doch konnten die Menschen vor 1500 Jahren wirklich die Weiten des Pazifischen Ozeans überqueren? Um das zu demonstrieren, baute der Norweger ein einfaches Floß aus Balsa-Holz und begab sich mit fünf Begleitern, vier Norwegern und einem Schweden, auf die abenteuerliche Fahrt. Und tatsächlich erreichte er nach 101 Tagen sein Ziel - der Fachwelt und allen Gefahren zum Trotz ...

Thor Heyerdahl (1914-2002) war ein norwegischer Wissenschaftler und Forschungsreisender. Sein Leben widmete er der Aufgabe, mit den Mitteln der Experimentellen Archäologie seine Thesen zu beweisen.

Für mich war Thor Heyerdahl schon immer ein leuchtendes Vorbild und, was seine klare detailreiche Erzählweise betraf, neben Fritjof Nansen zu stellen.

Hier ein Auszug; die Besatzung des Floßes hat sich angewöhnt, vom Schlauchboot aus ihr Fahrzeug aus einiger Entfernung zu betrachten:

Endlos wölbte sich das Meer unter uns, blau wie der Himmel darüber. Und dort in der Ferne, wo beide zusammentrafen, floss das Blau des Himmels mit dem des Wassers zusammen. Beinahe hatten wir das Gefühl, im leeren Raum zu schweben. Die ganze Welt war leer und blau und kein einziger fester Punkt in ihr außer der Tropensonne, die uns in den Nacken brannte, gelb und warm.

Weit draußen am Horizont stand das Segel des einsamen Floßes und zog uns an wie ein magnetischer Pol. Wir ruderten zurück und krochen an Bord. Hier fühlten wir uns daheim, in unserer eigenen Welt und geborgen auf sicherem und festem Boden. Drinnen in der Hütte fanden wir Schatten, den Geruch von Bambus und welken Palmenblättern. Die sonnenerfüllte blaue Reinheit da draußen wurde uns durch die offene Hüttenwand begrenzt und gemildert. So waren wir es gewohnt, so war es gut, wenigstens eine Zeitlang.


Manchmal ruderten wir mit dem Gummiboot in die Dunkelheit hinaus, um unsere Behausung auch einmal nachts von draußen zu besehen. Kohlschwarze Wogen türmtem sich um uns von allen Seiten, und eine blinkende Myriade von Sternen lockte ein schwaches Widerblinken von Plankton auf der See. Die Welt war einfach, Sterne im Dunkel.

Ob wir 1947 vor oder nach Christus schrieben, hatte plötzlich seine Bedeutung verloren. Einzig, dass wir lebten, fühlten wir tief und stark. Und uns wurde bewusst, das die Menschen auch schon vor dem Zeitalter der Technik das gleiche empfunden und getan hatten, in einem noch tieferen Sinne als wir. Die Zeit hörte gleichsam auf zu existieren. Alles wahrhaft Seiende war, wie es immer gewesen und immer sein würde.


An alle Möchtegern-Abenteurer und Beinahe-Expeditionsteilnehmer: unbedingt lesen!

schwärmt

Luccio *les*
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Alan Weisman, Die Welt ohne uns
Die Welt ohne uns (Originaltitel: The World Without Us) ist ein Sachbuch des US-amerikanischen Autors Alan Weisman aus dem Jahr 2007. Darin beschäftigt er sich mit der hypothetischen Frage, was auf der Erde passieren würde, wenn alle Menschen plötzlich verschwänden.

Für viele Spezies der Tier- und Pflanzenwelt, die von uns in immer kleinere Lebensräume zurückgedrängt oder sogar direkt vom Aussterben bedroht werden, wäre ein plötzliches Verschwinden des Homo "sapiens" sicherlich eine eher erfreuliche Vorstellung.

In den ersten Kapiteln wird beschrieben, wie schnell ein Haus verfällt, das nicht ständig repariert wird, und wie rasch sich die Natur ganze Städte wieder zurückholt. In meinem eigenen kleinen Hof und winzigen Garten kann ich beobachten, wie Brombeeren und Liguster sich in kürzester Zeit ausbreiten, da ich stets versuche, so wenig wie möglich einzugreifen.

Mein gepflasterter Hof wäre schon in wenigen Jahren von einem typischen mitteleuropäischen Mischwald bewachsen, wenn ich nicht ab und an die angewehten Sprößlinge von Birke, Esche und Schwarzerle entfernen würde. Nicht weiter schlimm, außer dass ich dann nicht mehr mit dem Auto in meine Einfahrt käme und am Rand der Dorfstraße parken müsste. Ein weiterer guter Grund, das Auto abzuschaffen. *smile*

Andererseits gibt es einige Bereiche, die unserer unmittelbaren und ständigen Kontrolle bedürfen, z.B. die gigantischen Anlagen der Erdölindustrie und, ganz zuvorderst, die über 400 Kernkraftwerke weltweit. Was passiert, wenn sich von einem Tag zum anderen niemand mehr um die Kontrolle, Wartung und Reparatur der gefährlichen Anlagen kümmerte? Noch in Jahrmillionen wären die Folgen der Verstrahlungen weltweit spürbar.

Auch schwer verrottbare Produkte wie Plastiktüten oder Autoreifen werden den Planeten verunzieren und belasten, lange nachdem der letzte Mensch vom Angesicht der Erde verschwunden ist.

Ein aufrüttelndes und verstörendes Buch, das mir viele Zusammenhänge hat klarer erkennen lassen. Hoffen wir, das unsere Spezies lange genug existiert, um sich um all die selbstverursachte Umweltzerstörung auch selbst kümmern zu können. Im Moment sieht es allerdings eher so aus, als ob sich die Menschheit abschaffen würde, bevor sie noch Zeit und Gelegenheit gefunden hat, sich der Spätfolgen ihrer Anwesenheit auf diesem Planeten angemessen anzunehmen.

Unbedingt lesenswert!

empfiehlt

Luccio *les*
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