Eine blöde Kuh
Seid ihr schon mal einer blöden Kuh begegnet? Ich meine nicht die gehörnten oder hornlosen Rinder, denen man auf einer Wanderung neben dem Weg begegnen kann. Entspannt oder voll gespannter Aufmerksamkeit folgen sie mit den rundäugigen Blicken dem Wanderer bis außer Sichtweite, wedeln sich mit den tütenförmigen Ohren Kühlung zu und erdulden gelassen die Schwärmereien hektischer Insekten.Nein, ich meine die zweibeinigen weiblichen Geschöpfe, denen ich auf meinen Wanderungen bisweilen über den Weg laufe. Heute Vormittag, auf dem Weg zum Badestrand am Haselbacher See, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, einer ausgesprochen blöden Kuh zu begegnen.
Meine Hündin Zuma blieb abrupt stehen und signalisierte mir damit, dass unser Lieblingsplatz an dem zauberhaften See bereits besetzt war. Weit unter mir sah ich im seichten Wasser einen schwarzen Hund stehen, der freundlich mit dem Schwanz wedelte. Seitlich von ihr erhob sich eine schwarz-bekinite Blondine und warf nach kurzem Blick über die Schulter einen einladenden Ball auf das Wasser.
Bevor die freundliche Hündin der Blondine reagieren konnte, schoss meine Zuma ins Wasser und schnappte sich den Ball. Triumphierend trabte sie an Land und ließ sich mit ihrer Beute ein Stück entfernt nieder, um sie gründlich durchzukauen.
Ein Blick zur Blondine gab mir die Gewissheit: Hier war ich als Erziehungsberechtigte verpflichtet, regulativ einzuschreiten. Ich rannte Zuma hinterher, sie trabte davon. Das wiederholte sich mehrmals. Es war unser Spiel "Ich hab den Ball, du kriegst ihn nicht!" "Ich krieg ihn wohl, warte nur!"
Als ich Zuma endlich am Halsband packen und ihr den Ball aus den Zähnen drehen konnte, hatte ich schon sooo einen Hals: Warum konnte die blöde Kuh nicht abwarten, wie die Hunde selbst miteinander klar kamen? Nach meinem Dafürhalten waren sie willens und in der Lage, freundschaftlich miteinander zu spielen.
"Na toll! Sie hätten ja auch mal Aus! sagen können! Schließlich ist es IHR Hund!"
Meiner Meinung nach sind es meist nicht die Hunde, die Probleme verursachen, sondern die Besitzer. Warum hätte ich Aus! sagen sollen? Zuma kannte den Befehl ohnehin nicht. Was sie in den Zähnen hatte, war in jedem Fall ihre Beute.
Aber wie oft bei Kindern und ihren Eltern, so ist es auch häufig der Fall bei Begegnungen von Hunden und ihren Besitzern: Man/frau überlässt es nicht den Hauptakteuren, über ihre Spielweise zu bestimmen, sondern zwingt alle Beteiligten in ein moralisches Schema von Musst du! und Darfst nicht!
Für mich war die Sache klar: Ich war einmal mehr einer Blöden Kuh begegnet.
(c) luccioladagosto 01.08.2018