Quelle : RTL.de
Ein EHEC-Toter bestätigt - weitere sehr wahrscheinlich
In Deutschland wächst die Angst vor einem ungebremsten Ausmaß des EHEC-Erregers. Bundesweit gibt es derzeit mehr als 400 bestätigte und Verdachtsfälle. Inzwischen hat das Bakterium erste Opfer gefordert. In Niedersachsen, im Kreis Diepholz, ist eine 83-jährige Rentnerin an den Folgen der Krankheit gestorben. Sie war seit Mitte Mai wegen blutigen Durchfalls behandelt worden, teilte das niedersächsische Gesundheitsministerium mit. Das Labor habe eine EHEC-Infektion bestätigt.
Bremen meldete zudem, dass eine junge Frau mit Verdacht auf EHEC gestorben sei. Ein Befund liege aber noch nicht vor. "Sie hatte alle Symptome", sagte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts. "Sie war eine gesunde, schlanke Frau. Das ist ein tragischer Verlauf", sagte Werner Wunderle vom Gesundheitsamt Bremen. Wunderle machte darauf aufmerksam, dass man nur "begrenzt vorbereitet" sei. Es gebe nur eine bestimmte Zahl von Dialyseplätzen für die Blutwäsche.
Auch Schleswig-Holstein meldete inzwischen einen Todesfall, der mit dem EHEC-Keim in Verbindung steht. Die Frau starb schon am Sonntag in Bad Oldesloe. Sie war bereits über 80 Jahre alt. Die genaue Todesursache steht noch nicht fest, sie war aber mit EHEC infiziert.
Schleswig-Holstein leidet am meisten unter dem Erreger. Die Zahl der Verdachtsfälle verdoppelte sich auf mehr als 200. In Hamburg sind es inzwischen über 100 Fälle. "Die derzeitige Ausbreitung ist alarmierend, weil die Erkrankung auffällig häufig einen schweren Verlauf mit Nierenversagen nimmt", sagte Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) am Vormittag - vor Bekanntwerden der ersten Todesfälle. Rund 15 solcher schweren HUS-Fälle (hämolytisch-urämisches Syndrom), die in Krankenhäusern oft intensivmedizinisch behandelt werden müssen, sind in den vergangenen zwei Wochen in Schleswig-Holstein aufgetreten.
Besonders grassiert die gefährliche Coli-Bakterie in Lübeck und in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde und Ostholstein.
"Es muss mit weiteren Toten gerechnet werden"
Die Ausbreitung wird von Experten als alarmierend eingeschätzt, weil die Erkrankungen auffällig oft einen schweren Verlauf mit Nierenversagen nehmen. Mehr als 40 dieser Patienten litten zudem unter dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), das von dem Darmbakterium verursacht wird. Dabei kann es neben Nierenversagen zu Blutarmut durch den Zerfall roter Blutkörperchen und einem Mangel an Blutplättchen kommen.
Allerdings betonen die Experten, dass weiterhin kein Grund zur Panik bestehe. "Maßnahmen der Lebensmittelhygiene sollten unbedingt eingehalten werden", sagte der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums, Thomas Spieker. Über die Suche nach dem Auslöser sagte er: "Es steht in den Sternen, wann das gelingt, weil es sehr kompliziert ist, genau nachzuvollziehen, was Erkrankte in den letzten Wochen verzehrt haben."
"Es ist vieles Spekulation", sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Reinhard Burger. Die Infektionsquelle ist nach seinen Worten weiterhin unklar. Es müsse aber mit weiteren Toten gerechnet werden.
Das genaue Lagebild bleibt jedoch unklar. Ein Grund dafür ist, dass die Auswertungen der Labors etwa 36 Stunden dauern. "Deshalb gibt es gegenwärtig viele Verdachtsfälle aber noch kein verlässliches Bild der tatsächlichen Gesamtlage", sagte Susanne Huggett, ärztliche Leiterin des Hamburger Großlabors der Asklepios-Kliniken. Die Erreger der EHEC-Infektion sind besondere Stämme der Escherichia coli-Bakterien, die vor allem im Darm von Wiederkäuern, insbesondere Rindern, leben.
Bei dem seit Mitte Mai grassierenden Keim handele es sich um eine besonders aggressive Form. Der bislang unbekannte Bakterienstamm sei resistent gegen bestimmte Antibiotika.
EHEC-Experte: Zwei bis drei Tage kein Salat und Rohkost
Der EHEC-Erreger ist ein gefährliches Bakterium, das nicht nur bei Kleinkindern und älteren oder kranken Menschen tödlich werden kann. Die Ansteckung mit den Keimen ist sowohl durch Nahrungsmittel als auch durch Übertragung von Mensch zu Mensch möglich.
Träger der EHEC-Bakterien sind Rinder, aber auch Schafe und Ziegen. Frühere Ausbrüche einer EHEC-Infektionswelle wurden meist auf verunreinigtes Fleisch zurückgeführt. Dieses Mal ist der Ansteckungsherd noch völlig unklar. Viele Experten tippen aber auf frisches Obst oder Gemüse als Infektionsquellen. Untypischerweise sind vor allem gesundheitsbewusste Frauen zwischen 20 und 50 Jahren betroffen.
Experten raten: Waschen Sie Rohkost, wie etwa Salat, Tomaten und Karotten vor dem Verzehr gründlich ab. Wenn möglich, sollten Sie Lebensmittel vor dem Verzehr ausreichend erhitzen. Schüsseln, Schneidbretter und Messer, die mit den Lebensmitteln in Kontakt gekommen sind, sollten jedes Mal gründlich gereinigt werden. Und nicht vergessen: Vor und nach der Zubereitung sowie vor dem Essen gründlich die Hände waschen. Denn einer 2010 veröffentlichten Auswertung im Fachjournal 'Lancet' zufolge trägt häufig schlechte Händehygiene die Schuld am Ausbruch von EHEC-Infektionen. Achten Sie auch darauf, dass sich die Kinder nach dem Toilettengang wirklich die Hände - und zwar mit Seife! - waschen.
Es wurden auch schon Übertragungen von dem Durchfall-Erreger durch Rinderhackfleisch, Salami, Mettwurst, Rohmilch, nicht pasteurisiertem Apfelsaft, Salat, Sprossen, sowie Bade- und Trinkwasser nachgewiesen. Sogar im Streichelzoo droht eine Ansteckung, denn der Kontakt mit einem infizierten Tier reicht für eine Übertragung von EHEC.
Werner Wunderle, Leiter der 'Infektionsepidemiologie' des Bremer Gesundheitsamtes sagte am Donnerstag in einem RTL-Interview, er persönlich werde in den nächsten zwei bis drei Tagen auf Salate und Rohkost verzichten. Er rechne mit der Enttarnung des infizierten Lebensmittels innerhalb von 72 Stunden.
Er sei über den Todesfall in Bremen 'schockiert', weil das Opfer jung. sportlich und gesund war und somit sehr untypisch für eine EHEC-Erkrankung.
Blutiger Durchfall? Dann sollten Sie sofort zum Arzt!
EHEC-Keime kann man nicht so einfach erkennen, infiziertes Fleisch riecht nicht, sieht nicht anders aus und schmeckt auch nicht anders. Ganz wichtig daher: Alle Lebensmittel vor dem Zubereiten unter fließendem Wasser säubern und mit Papiertüchern abtrocknen.
Kochen und Braten tötet EHEC-Bakterien ab. Mindestens 70 Grad für 10 Minuten sind notwendig um die Keime unschädlich zu machen. Besonders Garen in der Mikrowelle ist deswegen problematisch, weil die Temperaturen im gegarten Lebensmittel nicht überall gleich hoch sind. Also besser darauf verzichten.
Fleisch, Geflügel und Fisch sollten derzeit auch trotz Vorliebe für einen rosa Kern durchgegart werden. Besonders Gehacktes ist mit Vorsicht zu genießen, da beim beim Zerkleinern des Fleisches die Keime von der Oberfläche tief ins Innere gelangen können. Auch im Restaurant auf das geliebte Medium-Steak besser verzichten.
Kleinkindern unter 20 Monaten sollten Sie kein rohes Fleisch zum Essen geben. Achtung! Auch Salami ist gefährlich.
Nach dem Einkaufen alle rohen und verderblichen Lebensmittel sofort kühl lagern. Frische, rohe Lebensmittel sollten nie länger als 2 Stunden außerhalb des Kühlschranks liegen. Gehacktes sollte immer am selben Tag verarbeitet werden.
Beim Auftauen von Fleisch oder Geflügel besonders umsichtig sein und das Auftauwasser sorgfältig entfernen, denn dort tummeln sich Keime wie EHEC-Erreger oder Salmonellen. Gefriergut immer aus der Plastikfolie herausnehmen und in einem Keramik- oder Glasgefäß abgedeckt im Kühlschrank auftauen. Hände, Gerätschaft und Arbeitsflächen nach dem Kontakt mit rohem Fleisch oder Fisch gründlich mit heißem Wasser und Reinigungsmittel waschen.
Die Inkubationszeit - also die Zeit zwischen Ansteckung und dem Auftreten von blutigem Durchfall - liegt zwischen zwei und zehn Tagen. Wenn Sie blutigen Durchfall feststellen, sollten Sie sofort zu Ihrem Hausarzt gehen. Eine Antibiotika-Behandlung ist ungünstig, weil sie die Giftstoffe in den Bakterien massiv freisetzt