"Das geht Sie nichts an!"
Kindererziehung ist individuell und jede Mutter/Vater entwickelt einen ganz eigenen Stil. Letztendlich ist es so, dass zumindest der größte Teil aller Eltern nur das Beste für die eigenen Kinder will und ihnen niemals willentlich Schaden zufügen möchte. Auch ist die Erziehung weitestgehend Sache der Eltern (und der restlichen Familie, wie z.B. Großeltern, Tante/Onkel, etc.), manchmal aber auch Sache von Erziehern in Kindertagesstätten und Schulen.Noch immer sind viele Eltern der Auffassung, ihre Kinder wären ihr "Eigentum" und sie hätten somit das Recht, alles mit ihren Kindern zu machen, was sie wollen, sofern es nicht gegen das Gesetz verstößt. Ich sehe das anders. Ich glaube nicht, dass Eltern alles mit ihren Kindern machen dürfen/sollen. Aber wann ist Einmischung okay und wann sollte man wirklich den Mund halten, weil es einen tatsächlich nichts angeht?
Ich schildere folgende Probleme, die ich im Alltag immer wieder erlebe und von denen ich manchmal nicht weiß, ob es okay ist, sich hier einzumischen:
Beispiel 1: Gewalt
Wir waren mit unserer Kleinen beim Kinderarzt. Die Wartezeiten dort sind enorm, folglich tummeln sich immer sehr viele Eltern mit Kindern dort und müssen teilweise stundenlang die Zeit totschlagen. Mit kleinen Kindern ist das oft nicht einfach, denn diese langweilen sich sehr schnell.
Wir beobachteten ein sehr junges Paar (beide nicht älter als 25) mit drei Söhnen, der Älteste von ihnen war ungefähr 8 Jahre alt. Die Kinder tobten und rannten viel, belästigten aber niemanden. Die beiden Eltern waren seit einer Stunde miteinander am Zanken, sie waren gestresst und die Mutter blaffte die Kinder wegen jeder Kleinigkeit an. Irgendwann packte sie ihren ältesten Sohn im Nacken, zog ihn am Ohr und schüttelte daran, schreite ihn dabei an und sagte ihm, er solle gefälligst ruhig sein.
Das Beispiel hier: man sieht, dass Eltern ihre Kinder körperlich maßregeln. Was tut man? Ich habe mich eingemischt. Davor, während dem ganzen Geschrei, den Drohungen usw, habe ich nichts gesagt. Ab dem Zeitpunkt, wo die Mutter körperliche Gewalt anwendete, habe ich sie darauf hingewiesen, dass dies nicht okay ist und sogar gegen mehrere Gesetze des Bürgerlichen Gesetzbuches verstößt.
Ihre Antwort: "Das geht Sie nichts an!"
Geht es uns wirklich nichts an, wenn Eltern Gewalt anwenden, auch wenn diese leicht ist? (Hier muss man natürlich einwenden, dass es Menschen gibt, die einen "Klaps auf den Po" oder eine "leichte Ohrfeige" mit einem Handwinken als Kleinkram abtun, während ich persönlich jede körperliche Maßregelung ablehne, weil sie das Kind demütigt, einen Vertrauensbruch darstellt und auch einfach feige ist.)
Meiner Meinung nach darf man sich in einer solchen Situation durchaus einmischen. Es geht dabei nicht ausschließlich um Moral, sondern um Gesetzesverstöße. Und die gehen jeden etwas an.
Beispiel 2: Schreiende Babys
Eine Mutter sitzt im Kaufhaus am Imbiss, aus dem Kinderwagen neben ihr ertönt seit über einer halben Stunde das Gebrüll eines Säuglings. Die Mutter ignoriert es, schaukelt höchstens ab und an den Wagen hin und her und plappert ansonsten mit ihren Freundinnen.
Die Meinungen hierzu gehen sehr stark auseinander. Während ich zu jener Sorte Mütter gehöre, die ihr Kind sofort auf den Arm nehmen, wenn es weint, wollen andere Mütter eher, dass das Kind lernt, sich selbst zu beruhigen.
Mein Standpunkt ist der, dass ein Kind nie ohne Grund weint. Es meckert ab und an, aber richtig lautes Weinen und Brüllen ist zu differenzieren vom reinen Meckern und immer ein Zeichen eines akuten Bedürfnisses, welches befriedigt werden muss. Sei es Hunger, Nähe, Schlaf, eine volle Windel oder Schmerzen. Ein Kind sendet schon lange, bevor es weint, bestimmte Signale. Weinen ist das letzte Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen und sollte deshalb nicht ignoriert werden. Des weiteren denke ich, dass man einem so kleinen Kind nicht zumuten kann, dass es für sich selbst Verantwortung übernimmt und lernen muss, sich selbst zu beruhigen.
Mir bricht es jedesmal das Herz, wenn ich sehe, dass ein Baby nicht meckert, sondern aus vollem Halse weint und brüllt und die Eltern diesen Hilfeschrei ihres Kindes vollkommen ignorieren.
Was tut man hier? Darf man überhaupt etwas tun? Ich gebe zu: es kam schon vor, dass ich Mütter darauf angesprochen habe. Das waren jedoch Situationen, in denen das Kind mindestens 20 Minuten am Stück wie verrückt geschrien hat. Wenn ein Kind mal weint, mische ich mich nicht gleich ein, das steht mir auch gar nicht zu. Wenn ich jedoch sehe, dass das Baby fast eine halbe Stunde lang wie von Sinnen brüllt und nichts tut sich bei den Eltern, dann frage ich schonmal ganz behutsam, warum das Kleine denn so weint.
Ich muss dabei auch zugeben: mein Baby weint so gut wie nie. Innerhalb der ersten beiden Lebensmonate hat sie noch ab und an geweint, weil sie auch Krämpfe hatte, aber seit drei Monaten hat sie so selten geweint, dass ich es an einer Hand abzählen kann. Ich bin an so laut und lange schreiende Babys gar nicht gewöhnt, weil ich alles dafür tue, dass mein Kind gar nicht erst zu Schreien anfangen muss.
Beispiel 3: "Falsche" Erziehung
Richtige und falsche Erziehung ist Ansichtssache, das gleich mal vorneweg. Und im Grunde hüte ich mich davor, jemandem in die Erziehung seines Kindes reinzureden. Ich denke mir meinen Teil und belasse es dabei. Allerdings ist es mir bisher einmal passiert, dass ich den Mund nicht halten konnte.
Ich sah eine Mutter mit einem etwa 4 Jahre alten Sohn und einem Cocker Spaniel spazieren gehen. Sie liefen alle drei an der Straße entlang, der kleine Junge (!) hatte den rund 20kg dicken Hund an der Flexileine. Allein da hätte ich schon am liebsten was gesagt, weil der Hund sich ständig in die Leine schmiss, der Junge alle paar Meter deswegen auf die Nase flog und sich das ganze Szenario auch noch an der Straße abspielte. Als ich dann aber noch mitbekam, dass die Mutter ihrem Sohn zeigt, wie er den Hund zum Gehorsam brachte, indem sie dem Spaniel einmal ordentlich in die Flanke trat und ich sah, wie der kleine Junge das munter nachmachte, platzte es dann doch aus mir heraus.
Ich bin selbst Hundebesitzerin, habe unter anderem auch einen Pitbullmischling zu Hause und finde es unglaublich, wie fahrlässig manche mit der Hund-Kind-Kombi umgehen. Einem Kind beizubringen, den Hund zur Maßregelung zu treten, kann dazu führen, dass sich der Hund eventuell mal wehrt. Des weiteren verstößt nicht nur das Treten des Hundes gegen das Gesetz, sondern auch die Tatsache, dass ein so kleines Kind einen Hund führt, ist nicht zulässig.
Hättet ihr etwas gesagt oder übertreibe ich?
Es gibt unzählige Beispiele für Alltagssituationen, in denen verschiedene Erziehungskonzepte aufeinanderprallen. Manchmal denken wir uns nur unseren Teil, manchmal würden wir aber auch gerne etwas sagen.
Erst letzte Woche haben wir Eltern beobachtet, die vor uns an der Kasse im Supermarkt standen und ihrer Tochter die "Quengelwaren-Süßigkeiten" verweigerten. Das Kind hat noch draußen die Straße entlang rumgebrüllt und einen riesen Terz veranstaltet, während die Eltern nicht darauf eingingen.
Ich habe nichts gesagt. Allein schon deshalb, weil ich es genauso gemacht hätte und die Aktion der Eltern okay fand. Ein älterer Mann jedoch sprach das Paar an und drohte ihnen mit dem Jugendamt, weil sie ihr Kind so schreien ließen und den Wutanfall obendrein noch ignorierten.
Ab wann darf und/oder sollte man tatsächlich eingreifen?
Ich finde, sobald ein Gesetzesverstoß vorliegt oder das Wohl eines Kindes in Gefahr ist, darf man ruhig auch mal etwas sagen. Man muss nicht alles gut finden, nicht überall darf man sich einmischen (wenn eine Mutter ihrem 3 Monate altem Kind schon Brei füttert, dann ist das halt so), einiges muss man einfach akzeptieren, auch wenn man es nicht gut findet, aber nicht alles muss man tolerieren.
Wo sind eure Grenzen? Gibt es Situationen, in denen ihr tatsächlich gerne eingegriffen hättet oder dies sogar gemacht habt? Und aus welchen Situationen sollte man sich dann doch tunlichst raushalten?