"Sternkarte für Tantraweg" von Inanna Ling - Leseprobe
Vorwort
Wenn du das erste Mal von "Tantra" hörst, klingt es fast so geheimnisvoll wie das Rezept für Großmutters legendären Apfelkuchen. Für viele ist es ein völlig unbekanntes Terrain, umgeben von Neugier und einem leisen Fragezeichen. Vielleicht hat jemand deine Neugier auf Tantra geweckt, weil du auf der Suche nach etwas Neuem, vielleicht sogar Transformierendem warst. Oder vielleicht bist du zufällig darauf gestoßen und fragst dich jetzt: "Was ist das überhaupt und womit kann man esvernaschen?“
Viele Menschen assoziieren Tantra ausschließlich mit Tantramassagen oder rein sexuellen oder esoterische Techniken, dabei umfasst Tantra weit mehr als nur diese Aspekte.
In diesem Buch möchte ich diese Fragen beantworten – kurz und prägnant, inspiriert von den häufigsten Fragen, die mir in meinen Livestreams von Zuschauern gestellt wurden. Dieses Buch ist speziell für absolute Anfänger konzipiert.
Es ist
nicht mein Ziel in diesem Buch, dir die gesamte tantrische Lehre zu übermitteln – das wäre so, als wollte ich dir beibringen, in fünf Minuten zu jonglieren. Stattdessen möchte ich deine Neugier wecken und dich dazu ermutigen, dich auf die Suche nach Tantra zu begeben, dabei aber auch ein
Auge auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen zu werfen. Wie du einen passenden Lehrer findest und worauf du dabei achten solltest. Welche Stolpersteine könnten dir auf dem Weg begegnen und welchen Ablenkungen könntest du ausgesetzt sein. Ich erläutere, was die Kernaussage des Tantra ist die von verschiedenen Lehrer anderes interpretiert wird. Es ist ähnlich wie bei der Physik in der Schule – jeder Lehrer erklärt sie anders, aber alle sprechen über dieselben Gesetze. Ich habe für dich die Essenz des Tantra zusammengefasst, um dir deinen Weg zu erleichtern. Denn wenn man den
Kern und das Ziel kennt sowie den Nutzen, den man daraus ziehen kann, wird das Überwinden von Hindernissen entspannter fallen.
Betrachte es als ein Aufklärungsbuch für Anfänger. Ein erster Schritt auf einer möglicherweise tiefgreifenden und bereichernden Reise. Ich öffne dir einen Türspalt zu Tantrawelt, um deine Neugier auf Neues noch mehr zu entflammen und damit vielleicht dein Leben komplett auf den Kopf zu stellen oder wenigstens ein bisschen zu bereichern. Wer weiß, vielleicht entdeckst du dabei neue Seiten an dir, die du so noch nie gesehen hast. Ob du diese Tür dann weiter öffnen möchtest, bleibt ganz dir überlassen.
Einige der Texte, die ich hier verwende, sind Übersetzungen aus dem Sanskrit, die in einer
verständlichen Form verfasst wurden. Diese Texte habe ich von meinem Tantralehrer erhalten. Es handelt sich dabei nicht um meine eigenen Worte, sondern um Inhalte aus einer authentischen tantrischen Quelle in Indien, nach deren Regeln ich auch gelernt habe. So stammen zum Beispiel die Erklärungen darüber, was ein Tantriker ist, direkt aus dieser Quelle.
Schnall dich an und genieße die Fahrt – willkommen auf deiner ersten tantrischen Reise!
Kapitel 1: Grundlagen des Tantra
Was ist Tantra eigentlich?
Tantra ist die Physik der Sexualität und Bewusstsein
Stell dir Tantra wie die Spielregeln der Sexualität vor, aber auch als eine Art Lebensphilosophie der Freiheit. Es geht nicht nur um das, was im Bett passiert, sondern um deinen gesamten Lifestyle. Zum Beispiel: Ein Tantriker betrachtet Sex nicht nur als körperliche Erfahrung, sondern auch als
Möglichkeit zur spirituellen Entwicklung und zur tieferen Verbindung mit dem Partner. Im Gegensatz dazu sieht der durchschnittliche Mensch in unserer Gesellschaft Sex oft als rein körperliche oder lustbetonte Aktivität ohne die spirituelle Dimension.
Hier ist ein kleiner Vergleich zwischen einem Tantriker und der allgemeinen Gesellschaft, um die Philosophie des Tantra besser zu verstehen. Wenn du dich in einigen Punkten wiedererkennst, herzlichen Glückwunsch – du bist auf dem richtigen Weg. Mein Lehrer sagte mir damals, ich sei eine Naturtantrikerin.
Ich lebte die Tantraphilosophie, ohne das Wort Tantra zu kennen. Vielleicht trifft das
auch auf dich zu?
Ein Tantriker ist in allen Lebenssphären (finanziell, geistig und emotional) unabhängig vom Partner,
verbindet sich jedoch mit diesem zur gegenseitigen Bereicherung. Er ist fähig, sich auch mit anderen Personen zu verbinden, solange diese passende Fähigkeiten besitzen. In unserer Gesellschaft wird
Treue oft großgeschrieben und mit Besitzanspruch und Abhängigkeit gleichgesetzt. Viele können nicht ohne, aber auch nicht miteinander leben. So führen viele Paare eine Beziehung, die von Lügen,
Konflikten und einer nur nach außen hin präsentierten Scheinliebe geprägt ist. Treue wird oft nach außen hin demonstriert, während Untreue in vielen Beziehungen praktiziert wird, in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden.
Ein Tantriker hat ein gesundes EGO.
In der Gesellschaft wird das Ego oft negativ gesehen. Im Tantra bezieht sich das Ego auf all unsere Reflexe und tierischen Triebe, die zur Selbsterhaltung und Selbstbehauptung dienen, wie Essen, Trinken, Schlafen, Geschlechtsverkehr und Machtausübung. Diese Triebe sollen zunächst angenommen und kennengelernt werden, bevor sie bei entsprechender Reife der Selbsterkennung von selbst abfallen.
Ein krankes Ego zeigt sich in extremer Selbstbezogenheit und Narzissmus, neigt zur Abwertung anderer und reagiert überempfindlich auf Kritik sowie wahrgenommene Bedrohungen des eigenen Status.
Ein gesundes Ego zeichnet sich durch Selbstbewusstsein aus, ohne dabei egozentrisch zu sein.
Es ermöglicht eine realistische Selbsteinschätzung, fördert Empathie und Verständnis für andere und reagiert angemessen und reflektiert auf Kritik. Ein gesundes Ego erlaubt es, eigene Stärken und Schwächen zu akzeptieren und konstruktiv mit Herausforderungen umzugehen.
Ein Tantriker kann seine Triebe nur deshalb gut kontrollieren, weil er sie angenommen hat und gelernt hat, sie für sich arbeiten zu lassen. Er kann damit jeder Verführung im Leben, sei es Geld, Sex oder Macht, leicht widerstehen, um sich nicht in eine Abhängigkeit zu begeben. Ein Tantriker ist dadurch frei. Er kann somit sein Verlangen nach diesen Dingen gut kontrollieren und lässt die Menschen neben sich wohl und sicher und dennoch frei fühlen. Das schafft ein großes Vertrauen.
Eine tantrische Familie ist eine 'HUG-Familie'. Sie umarmen sich ständig bei jeder Gelegenheit. Die Umarmung ist ein fester Bestandteil ihres Lebens und Alltags. Und wann hast du dich das letzte Mal mit jedem Familienmitglied umarmt?
Ein Tantriker kann nicht nur den Sex, sondern auch das Leben in jeder Hinsicht frei genießen, egal, was auf ihn zukommt. Er übernimmt vollständige Eigenverantwortung und gibt niemals anderen die Schuld. Ständiges Reflektieren ermöglicht ihm, aus jeder Situation entweder eine Lehre zu ziehen oder sich auf die nächste Lektion vorzubereiten, bis eine Lehre daraus gewonnen wird. Dies nennt man das Prinzip der 'Doppel-L': Lehre oder Lektion.
Ein Tantriker ist an keinen bestimmten Glauben gebunden, doch steht es ihm frei, jeder Religion nachzugehen. Und noch mal spielt hier die Selbstreflexion eine entscheidende Rolle.
Ein Tantriker ist kein blind Gläubiger. Er gleicht einem Naturwissenschaftler, der sein Wissen nutzt, um weiter zu experimentieren und dadurch sich selbst sowie seine Umgebung weiterzuentwickeln.
Er erforscht seinen Körper, seine Gedanken (Geist), seine Emotionen (Seele) und seine Sexualität. Er lebt es ständig aus.
Weisheit entsteht aus ausgewerteter Erfahrung, Verwirklichung ist die gelebte Weisheit.
Tantra prangert Scheinheilige und Selbstgefällige, Besserwisser und Pharisäer an.
Schlimmer als die Dummheit ist die hinter Klugheit versteckte Dummheit.
Ein Tantriker sagt: „Das hier ist mein Wissen und meine Erfahrung. Wenn deine Erfahrung eine andere war, ist sie für dich genauso richtig, solange du daraus etwas gelernt hast. Teile sie mit uns oder lebe sie auf deine eigene Art und Weise.“
Deshalb sollte man sich nicht starr an alte Lehren klammern. Entwicklung und Anpassung an die Zeit sind in der tantrischen Philosophie wesentliche Bestandteile. Daher ist auch Neo-Tantra ein Teil von Tantra.
Starres Festhalten widerspricht den tantrischen Prinzipien. Tantra fördert vielmehr die Nutzung alten Wissens, um es weiterzuentwickeln.
Weiter zur Leseprobe:
https://drive.google.com/file/d/1BibTESL8lCu9Gn3N9UP2EKNXe_M5wSUQ/view?usp=sharing