Da sich die Weihnachtszeit nähert
... stelle ich hier mal eine Geschichte ein, die ich neulich aufschrieb. Ist schon länger her und wird sich hoffentlich nie nie wiederholen, weder hier noch anderswo!
Ein Alptraum zur Weihnacht
Sie kam 2011 im Advent.
Halb verhungert und mit gebrochenem Bein.
Extrem scheu, bekam ich sie kaum zu Gesicht.
Irgendetwas Schwarzes, das zwitschern konnte wie eine Amsel.
Deswegen bekam sie den Namen Merula.
Das Futter wurde immer angenommen, ins Haus kam sie jedoch nicht.
Also brachte ich sie mit einer Holzhütte, Decken und immer wieder angewärmten Kirschkernkissen über die strengen Fröste des ersten Winters.
Es dauerte bis Ostern, bis ich sie zum ersten Mal streicheln durfte.
Sie zog dann von der Hütte um in den Stall, den sie durch ein kaputtes Fenster erreichte.
Auch dort legte ich ihr Decken hin.
Über Sommer, als alle Fenster und Türen offen standen und sie mich draußen im Garten sah... machte sie dann Erkundigungsgänge durchs Haus.
Befand es für gut, um künftig darin zu wohnen.
Machte es sich zu eigen.
Ich darf auch noch hier wohnen, nur: alle Türen haben angelehnt zu bleiben!
Fluchtwege sind wichtig.
Die Allergie gegen geschlossene Türen hat sie bis heute.
Und ihre Scheu gegen andrere Menschen hat sie auch nie verloren.
Nur mich läßt sie an sich heran.
Tierarztbesuche blieben immer sehr schwierig.
Sie überhaupt einzufangen erstmal.
Hinterher ist unsere Vertrauensverhältnis meist mehrere Tage gestört und sie bleibt erstmal verschwunden.
Ansonsten ging alles gut bis zum Heiligen Abend 2014.
Frühmorgens ging sie hinaus.
Eine halbe Stunde später kam sie zurück. Halb aufgeschlitzt.
Ein tiefer Schnitt an der linken Flanke bis übers gesamte Hinterbein.
Eine ganz saubere Schnittkante - oh Miez, wo hast du dir das geholt?!?
Glück im Unglück: wenigstens hatte ein Tierarzt am Ort Bereitschaft.
Oft sind die sonst auch ganz weit weg, über Land.
Und wenn man dann kein Auto hat -
Der Arzt war freundlich, kam sogar ins Haus, um sie mitzunehmen.
Was auch nochmal ein Kampf war mit dem schwerverletzten Tier.
Am frühen Nachmittag brachte er sie wieder, noch halb schlafend.
Abgeschoren und zugenäht.
Die Naht sah aus wie bei einem Kartoffelsack, so aufrecht gegeneinander standen die Kanten. Wie soll sich eine solche Wunde jemals wieder schließen können, dachte ich noch.
Was dann begann, war eine monatelange Leidenszeit.
Sowie sie erwachte, wollte sie raus, doch ich konnte ihr die Tür ja nicht öffnen.
Halbs narkotisiert wäre sie nur unter ein Auto gekommen.
Also sprang sie stundenlang gegen das Fenster, fiel herab, knallte genau auf die Wunde. Ich konnte es nicht ertragen, doch beruhigen ließ sie sich durch nichts.
Abgrundtief mißtrauisch gegen Menschen und ihre Absichten - ich kenne ja die Vorgeschichte nicht.
Am nächsten Morgen entwischte sie mir doch und weg war sie.
Überall gesucht, vergebens.
Schließlich im Niemandsland zwischen den Zäunen entdeckt. Dort lag sie, notdürftig gegen den Eisregen geschützt im Gestrüpp.
Wissend, daß dort kein Mewnsch an sie herankommt, das Areal ist unbegehbar.
Frierend, denn ihr fehlte das halbe Fell.
Aber nicht bereit, sich nochmal in Menschenhand zu begeben.
Meine Versuche, dorthin vorzudringen, blieben erfolglos. Hatten nur weiteren Rückzug zur Folge.
Futter und alles Locken vegebens.
Ein erneuter Arztbesuch unmöglich, ließ ich mir Antibiotikum als Suspension geben. Mischte es ins Futter, stellte es vor den Zaun.
Manchmal nahm sie es, wenn ich weg war.
Aber nicht immer.
Meine Sorgen um sie kann ich gar nicht beschreiben!
Ich wartete. Lockte. Flehte.
Ließ sie in Ruhe.
Lehnte die Hoftür an, legte Decken in den Korridor.
Wer morgens gemütlich darauf schlief, war aber nur der Nachbarskater.
Gut zwei Wochen später kam sie: elend, fiebernd, abgemagert. Die Wunde vereitert. Wenigstens war sie wieder drin!
Es wurde ein langes Krankenlager, bis sich diese riesige Wunde geschlossen hatte. Erst im März konnten die Fäden gezogen werden.
Mein armes armes Miez!
Eine Zeit nach dem Unglück sah ich den Rassekater von oberhalb. Mit einer ganz ähnlichen Narbe, inzwischen ziemlich verheilt.
Hatte es ihn also auch erwischt!
Ich kann nur vermuten, daß dies kein Zufall war.
Einen solch sauberen Schnitt holt man sich nicht einfach so, beim zufälligen Hängenbleiben.
Katzen sind vorsichtig. Sowieso. Meine ganz besonders.
Durchaus möglich, daß ein hier in der Umgebung schon öfter umgehender Katzenhasser irgendwo eine Rasierklinge angebracht hatte.
Es gab hier schon mehrfach schwer verletzte Tiere, die sogar eingeschläfert werden mußten.
Bei mir fällt seit diesem Erlebnis Weihnachten aus.
Wird weder gefeiert noch dekoriert. Ganz normale Tage eben.
Zu weh tut die Erinnerung an diesen Alptraum.
Die Schmerzen der Katzen bekommt niemand mit.
Sie zeigen es nicht.
Merula erlangte ihre Beweglichkeit wieder, aber in Übergangszeiten, bei feuchtem Wetter bemerke ich schon ihre Mühe. Und wie sie Strategien sucht, an bestimmte Plätze zu kommen. Was ich natürlich durch Fußbänke, Hocker etc. unterstütze.
Schmerz, der sie nie wieder verlassen wird. Ihr ganzes Katzenleben lang.
Falls noch einmal jemand Weihnachtsfrust haben sollte... möchte er mir bitte die Fensterscheiben einwerfen, den Garten zertrampeln oder den Briefkasten anzünden.
Aber nicht einem unschuldigen Tier so viel Leid zufügen!
• Sorry, das war jetzt keine schöne Geschichte. -