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Drei Arten, einen Gote zu fesseln

Antwerp, 2019. Foto: Franck Stunn (not on JC)
********r_MA Mann
419 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Drei Arten, einen Gote zu fesseln
Der Gote ist die Basis. Es gibt nichts Komplizierteres als einen Gote. (Naka Akira, Turin 2019).

Die Gote ist das grundlegendste Muster der japanischen Seil-Bondage, das häufigste und das am meisten missverstandene. Ich verwende die Bezeichnung "Gote" für die Position „Arme auf dem Rücken gefesselt mit Wicklungen um die Brust“. Es ist eine typische "Gefangenen"-Fesselung.

Es wurde schon viel über den Gote geschrieben - über den richtigen Namen (gote oder takate kote?), das richtige Muster, die richtige Spannung und so weiter. All das überlasse ich Leuten, die mehr Erfahrung haben als ich. Ich mache mir hier Gedanken über den Prozess des fesseln eines Gote. Wie initiieren wir die Session? Was ist die Geisteshaltung beider Partner? In welche körperliche - und damit mentale - Position versetzen sie sich, noch bevor sie das Seil berühren?

Nach meiner Beobachtung gibt es drei Möglichkeiten, einen Gote zu fesseln:
  • Die Hojo-Jiu-Jitsu Art
  • Den kooperativen Weg
  • Die polare Art


Der Hojo-Jiu-Jitsu Weg
Einige Leute sehen Kinbaku als abgeleitet von Hojo-Jutsu, einer alten Kampfkunst. Da es sich bei dem Gote um eine Gefangenenfesselung handelt, macht es also durchaus Sinn, der Person im Seil überfallartig die Arme auf den Rücken zu ringen. Das kann sogar Spaß machen - so als würde man die Szene mit einem Playfight beginnen. Das etabliert auch, wer die Macht hat und setzt den richtigen Rahmen für ein Dominanzspiel, nicht wahr?
Ich habe diese Armbewegung in meiner Vergangenheit oft gemacht. Im Alter von 14 Jahren habe ich angefangen, japanische Kampfkünste zu studieren, als ich eine Art "Türsteher"-Job in der örtlichen Dorf-Diskothek annahm. Wir lernten, wie man die Arme einer sich wehrenden Person auf den Rücken bringt - die gleiche Technik, die die Polizei anwendet.
Meiner Meinung nach ist diese Technik nicht "schonend" für die Schultern und Gelenke der zu Boden gebrachten Person. Eigentlich ist sie dazu gedacht, genau diese Körperteile zu belasten, um eine sich wehrende Person zu kontrollieren. (Denkt an einen betrunkenen großen Kerl, der versucht, einen Kampf zu beginnen). Nach meiner Einschätzung ist dies genau dasselbe wie bei den ursprünglichen Hojo-Techniken. Da sie bei Gefangenen, Verdächtigen oder verurteilten Verbrechern angewandt wurden, zielten sie auf all diese Punkte die wir heutzutage zu vermeiden versuchen, wenn wir Liebende und nicht Verbrecher fesseln: Nerven, Gelenke, Einschränkung der Blut- und Luftzufuhr, usw.
Selbst wenn es eine Stufe weicher angeht, mit "Ki" und nicht mit der physischen Kraft arbeitet (wie im mehr philosophisch orientierten Aikido statt im Jiu-Jitsu), braucht es große Fähigkeiten, um diese Technik auf eine sichere, konservative Weise anzuwenden. Ich persönlich kenne vielleicht 2,5 Leute in der Seilszene, denen ich zutrauen würde, mit dieser Technik einen korrekten - konservativen und sicheren - Armlock in Gote-Position an einer unerfahrenen Person auszuführen, die sie fesseln wollen...
Im Aikido lernen wir, unter Stress loszulassen, uns in unbequeme Positionen zu entspannen - ein Prozess, der kontra-intuitiv ist und Zeit braucht. Unsere natürliche Reaktion, wenn uns jemand angreift, ist das Anspannen der Muskeln, das Hochziehen der Schultern, das Senken des Kopfes: Wir bauen einen Panzer auf. Ist das der richtige Ansatzpunkt für das fesseln eines guten Gote? Ich weiß es nicht... Ich denke, es hängt davon ab, was man damit machen will. Ich denke, wenn man „Playfight“, „Rough Body Play“ und andere Rollenspiele voller Adrenalin machen will - dann ist das genau die richtige Energie. Aber es ist wahrscheinlich nicht die gute Basis, um eine stabilen, sichere Gote als Basis für eine lange Suspension zu fesseln.

Der kooperative Weg
Die gängigste Art, Seilbondage in Europa auszuführen, ist heutzutage, sie zu einer gegenseitigen Übung zu machen. Die Fesselung selbst, die Positionen, die Aktionen (und die Nicht-Aktionen) werden alle ausgehandelt. In dieser Gegenseitigkeit übernimmt die gefesselte Person viel Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden. Im "Wheel of Consent"-Modell von Betty Martin sollte dies eigentlich eine Geben-Empfangen-Dynamik sein. Die gefesselte Person äußert einen Wunsch, wie sie gefesselt werden möchte und die fesselnde Person erfüllt diesen Wunsch, natürlich innerhalb ihrer eigenen Grenzen. Aber in der Realität sind sich viele Menschen darüber nicht so klar, so dass man sehr oft beobachten kann, dass die gefesselte Person ihren Wunsch nach Hingabe äußert und dann doch sehr viel Kontrolle behält.
Beim Fesseln des Gote drückt sich die Kontrolle oft in einer aktiven Bewegung in die Gote-Position aus. Mancherorts kann man Modelle beobachten, die ihre Arme aktiv auf dem Rücken verschränken, auch wenn der Rigger eigentlich gerade dabei ist, die Arbeit auszuführen. Auch wenn das nicht immer so offensichtlich ist - oft „helfen“ die Models zumindest ein bisschen mit.
Für die Gelenke und Muskeln sowie das somatische System im Allgemeinen ist das natürlich viel schonender als ein "Angriff". Es gibt viel weniger "Schock" und damit viel weniger Tendenz, einen Panzer aufzubauen. Es gibt aber immer noch viel Muskelspannung - genauso wie es eine aktive Bewegung gibt, die von der gefesselten Person ausgeführt wird. Aus unserer Sicht ist diese aktive Muskelarbeit ein Ausdruck der Kontrolle, die die gefesselte Person hat (oder behält). Diese Kontrolle ist gut, wenn man sich in einer "aktiven Bottoming"-Stimmung befindet. Aber es wird in dieser Stimmung und damit somatischen Haltung schwieriger sein, sich in die Seile zu ergeben.

Der Weg der Polarität
Woran wir glauben und was wir in unserem Kinbaku leben, ist, dass beide Partner eine aktive Rolle in der Szene haben - aber auf den entgegengesetzten Seiten eines polaren Spektrums. Die gefesselte Person will gefesselt werden - sie will sich den Seilen, dem Rigger, der Szene hingeben. Der Rigger will fesseln (natürlich!), aber vor allem will er die Kontrolle übernehmen. Im "Wheel of Consent"-Modell ist das eine Dynamik des Nehmens und Überlassens. Es geht um eine Absicht und eine Geisteshaltung.
In dieser Denkweise ist der Rigger nicht in einer Kampfkunst-Mentalität. Es fühlt sich für mich nicht passend an, meine Partnerin „zu überwältigen", bevor ich sie fessle. Sie will sich hingeben, sie will gefesselt werden - es ist ihr eigener Wille. Eigentlich ist das ihr Teil, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen: zu entscheiden, wann und von wem sie gefesselt wird und innerhalb welcher Grenzen... Wenn sie sich entscheidet, mir dieses "Geschenk" zu machen, muss ich meine Kontrolle nicht gewaltsam herstellen. Ich habe sie bereits, wenn ich das Geschenk annehme.

In einem Workshop, den ich kürzlich gab, fragte jemand, wie ich mit „bratty“ Modellen umgehe. Die Antwort lautet: Ich mache kein Kinbaku! Ich spiele vielleicht gerne mit ihr. Vielleicht kämpfen wir. Vielleicht warte ich einfach ab... Aber eigentlich kann ich in meinem Rahmen, in meiner gewohnten Denkweise nicht fesseln - zumindest nicht konservativ, nicht sicher. Wenn also jemand von mir erwartet, dass ich meine Dominanz demonstriere, kann ich das wahrscheinlich tun, aber dann werde ich höchstwahrscheinlich nichts von dem tun, was ich normalerweise fessle...

Wenn es also um den Gote geht, macht das Model, der oder die Bottom das Angebot. Sie knien sich in Seiza nieder. Sie warten auf mich, bis ich bereit bin zu fesseln. Und dann fangen sie an, ihren Körper meinem Willen zu überlassen - ohne aktive Arbeit.

Wie alles andere auch, ist es ein Prozess. Es ist irgendwie sogar "aktive" Arbeit - aber aktive innere Arbeit, nicht aktive Muskelanspannung und Armbewegung.
Ich muss die Arme positionieren, während mein Modell beginnt, sich zu entspannen, zu vertrauen, zu fühlen. Je mehr ich ihr Vertrauen spüre, desto mehr kann ich mich trauen, zu nehmen. Und das alles beginnt mit dem Gote - oder sogar schon vorher.

In der "Polarität" muss ich, der Rigger, die ganze äußere Arbeit machen. So habe ich die Kontrolle. Wenn wir die Basis - den Gote - mit dem ersten Seil geschaffen haben, können wir darauf aufbauen, Seil für Seil. Wir wissen beide nicht, wohin es führen wird - das ist der Zauber...

Alle drei Arten, einen Gote zu fesseln, haben ihre eigene Schönheit. Keine ist besser als die andere - in absoluten Begriffen. Es geht nur darum, einen Ausdruck für Eure Intention zu finden - für das, was Ihr im Moment tun wollt.

Was sind Eure Gedanken dazu? Was ist Eure innere Einstellung, wenn Ihr einen Gote fesselt?

https://discoverkinbaku.com/de/drei-arten-einen-gote-zu-fesseln/
Der Anfang.... (Von unserer letzten Live-Performance, vor dem Lockdown, Berlin Januar 2020, Photo: Tajo)
*******Mind Frau
485 Beiträge
Danke für die gute Zusammenfassung verschiedener Ansätze. Da es hier ja auch ein bisschen um eine Diskussion gehen soll, würde ich mal meine Gedanken dazu mitteilen.


Zum Hojojutsu-Ansatz:

Ich finde das Thema Hojojutsu an sich sehr spannend, weil ich generell Foltertechniken und das härtere Mindset dahinter sehr interessant finde. Allerdings sehe ich das gleiche Problem, welches du auch schon angesprochen hast: Die Techniken waren nun nicht unbedingt darauf ausgelegt, dass die Person möglichst körperlich schonend ins Seil kommt und körperliche Unversehrtheit war wohl in diesem Kontext auch eher nicht im Fokus. Darüber hinaus bekommt man recht schnell mit, dass nicht unbedingt alles was heute unter dem Label "Hojojutsu" herumgeistert auch zwangsläufig dem entspricht was damals wirklich praktiziert wurde... es gibt wohl auch viel Material dessen Authentizität durchaus angezweifelt werden kann. Ich bin wahrlich kein Experte für das Thema aber soweit ich verstanden habe waren die Techniken vor allem auf Folter und Töten ausgelegt und deshalb ziemlich anders als das was wir heute so fesseln (die Gote ist da vielleicht die Ausnahme). Weshalb die Annahme dass sich Shibari / Kinbaku daraus entwickelt haben soll von vielen inzwischen ja auch eher als Mythos abgetan wird. Zu Recht meiner Meinung nach. Nicht dass Foltertechniken keine Inspiration sein können, aber zu behaupten dass Shibari / Kinbaku da seinen Ursprung hat, wäre wohl das gleiche wie zu sagen, BDSM in Europa entspringt der Tradition der mittelalterlichen Folter.

Ähnlich wie du denke ich auch dass man für diesen Ansatz sehr viel Wissen und Fertigkeiten hinsichtlich der Körpermanipulation braucht um das Ganze einigermaßen sicher und authentisch praktizieren zu können. Was ich persönlich auch nur bei sehr wenigen Leuten gegeben sehe. Und selbst wenn man es schafft mit dem Energiefluss zu arbeiten und den Körper entsprechend zu manipulieren, bleibt trotzdem noch die Frage wie viel man von dem "ursprünglichen" Mindset des "Überfallen werdens" parallel noch rüber bringen kann (was ich in diesem Kontext schon essenziell finde). Es ist ja schon ein recht extremes, dunkles Mindset und liegt vielleicht auch nicht jedem da so tief rein zu gehen. Ich habe bisher zumindest nur sehr wenige Beispiele gesehen in dem beides (körperliche und mentale Manipulation) wirklich authentisch rüber kam.


Zum kooperativen Ansatz:

Das ist wohl der Ansatz mit dem ich inzwischen am meisten struggle bzw. auf den ich mich heute nicht mehr einlassen würde. Vor allem nicht bei einer Gote. Das hat nichts damit zu tun, dass ich Leute nicht respektiere, die diesen Ansatz bevorzugen, sondern damit dass er es für mich erschwert eine sichere, funktionale Gote zu fesseln. Wenn ich selbst die Arme positioniere kann ich viel besser kontrollieren, wo Hände und Arme genau liegen und inwieweit dabei die Schultern zurück genommen werden. Wenn das Model das selbst macht, habe ich darüber weniger bis keine Kontrolle. Aus eigener Erfahrung als Bottom weiß ich außerdem dass man die Arme und Schultern aus eigener Kraft niemals so weit zurücknehmend positionieren kann wie wenn das richtig durch eine andere Person gemacht wird (und das obwohl ich schon aus eigener Kraft recht flexibel in den Schultern bin), da man durch die Anspannung beim Bewegen automatisch an Flexibilität einbüßt. Und das kann tatsächlich zum Problem werden, wenn der Körper dann im Laufe der Session doch entspannt, die Arme und Schultern weiter zurück gehen und plötzlich die Seilspannung nicht mehr stimmt (und die Gote dann eventuell nicht mehr sicher funktioniert). Generell finde ich es auch viel schwieriger und anstrengender einen "angespannten" Körper zu fesseln und es gibt mir immer ein bisschen das Gefühl dass die Person nicht bereit ist, sich auf mich und meine Art zu Fesseln einzulassen. Ich weiß natürlich das Loslassen ein Prozess ist und ich bin bereit die Person da abzuholen wo sie steht um ihr das Loslassen zu ermöglichen. Die grundsätzliche Offenheit für diese Erfahrung muss aber vorher da sein (weshalb ich das auch vor der Session abstimme und im Zweifelsfall ablehne wenn die Vorstellungen da nicht zusammenpassen).


Zum Polaritäts-Ansatz:

Das ist wohl auch der Ansatz den ich momentan am ehsten verfolge bzw. der für mich aktuell am besten funktioniert. Allerdings mag ich Entwicklung und blicke gern über den eigenen Tellerrand hinaus, weshalb mich aktuell auch alternative Herangehensweisen zu dieser interessieren. Was ich z.B. in diesem Zusammenhang sehr spannend finde, ist die Manipulation des Mindsets über Körper und Geist, was tatsächlich in der (westlichen) Bondage-Szene bisher eher weniger Beachtung findet. Das Gefühl der Überwältigung oder Unterwerfung lässt sich ja nicht nur mittels körperlicher Kraft oder Überlegenheit erzeugen, sondern es gibt ja durchaus auch "leisere" Techniken die eher auf subtilere körperliche und mentale Manipulation abzielen. Dafür muss man natürlich ein Stück weit den Partner in seinen Bedürfnissen verstehen um damit arbeiten zu können, ich denke aber dass es in diesem Zusammenhang einige "Trigger" gibt die bei recht vielen Leuten funktionieren. Wenn man diese geschickt mit Bondage verbindet, kann man so über das Mindset die Kontrolle nehmen ohne dass man allzu viel körperliche Kraft aufwenden muss. Natürlich vorrausgesetzt dass genereller Konsens gegeben ist, Grenzen gewahrt bleiben und die Person sich darauf einlassen möchte. Und sicherlich ist das auch nichts für jeden. Für mich persönlich jedoch, ist dieser Ansatz super spannend und ich versuche gerade so viel wie möglich darüber zu erfahren *g* .
******321 Frau
642 Beiträge
Hallo Pepper_Mind ,
Zitat:
Zum Polaritäts-Ansatz:
Das ist wohl auch der Ansatz den ich momentan am ehsten verfolge bzw. der für mich aktuell am besten funktioniert. Allerdings mag ich Entwicklung und blicke gern über den eigenen Tellerrand hinaus, weshalb mich aktuell auch alternative Herangehensweisen zu dieser interessieren. Was ich z.B. in diesem Zusammenhang sehr spannend finde, ist die Manipulation des Mindsets über Körper und Geist, was tatsächlich in der (westlichen) Bondage-Szene bisher eher weniger Beachtung findet. Das Gefühl der Überwältigung oder Unterwerfung lässt sich ja nicht nur mittels körperlicher Kraft oder Überlegenheit erzeugen, sondern es gibt ja durchaus auch "leisere" Techniken die eher auf subtilere körperliche und mentale Manipulation abzielen. Dafür muss man natürlich ein Stück weit den Partner in seinen Bedürfnissen verstehen um damit arbeiten zu können, ich denke aber dass es in diesem Zusammenhang einige "Trigger" gibt die bei recht vielen Leuten funktionieren. Wenn man diese geschickt mit Bondage verbindet, kann man so über das Mindset die Kontrolle nehmen ohne dass man allzu viel körperliche Kraft aufwenden muss. Natürlich vorrausgesetzt dass genereller Konsens gegeben ist, Grenzen gewahrt bleiben und die Person sich darauf einlassen möchte. Und sicherlich ist das auch nichts für jeden. Für mich persönlich jedoch, ist dieser Ansatz super spannend und ich versuche gerade so viel wie möglich darüber zu erfahren *g* .

Dieser Ansatz ist auch für mich sehr interessant, da ich gerne Hypnose, als Mindset, einsetzte.
LG Francois
**********hen70 Frau
14.405 Beiträge
Zu Hojo-Jitsu habe ich eine andere Sicht auf die Dinge. Gefühlt hat jeder zweite Rigger mal Kampfsport betrieben (oder vllt. sind es auch die, mit denen ich in einen Austausch gehe, weil mich ihre Art anspricht). Yoroi lässt Kampfsport in seinen Stil einfließen, aber auch fast alle Italiener, die ich bisher so getroffen habe. Barkas kann damit auch gänzen. Da macht mir das Erlernen des "Bear hug" sehr viel mehr Probleme. Aus meiner Sicht gibt es viel Parallelen und in der Tat haben wir auf einem Judo-Bundeslehrgang seinerzeit von einem KGB-Trainer entsprechende Fesselungen gezeigt bekommen (Festnehmen und Festsetzen ohne selbst verletzt zu werden). Heute hab ich den Eindruck, ich bin zu alt für solche Spielchen geworden - die Reaktionszeit lässt mit dem Alter ja doch irgendwie nach. Aber viele Prinzipien finden sich in beidem wieder. Die Anatomie des Menschen (Gelenke sind nur in eine Richtung flexibel) ändert sich nicht, egal ob ich Kampfsport betreibe oder fessele. Auch der Atem und das Beobachten des anderen und auf ihn reagieren ist recht ähnlich.
Es gibt Literatur zu Hojo Jutsu, die aus der Kampfkunstecke kommt. Es würde ja niemand im Laufen jemandem einen Gote "überwerfen". Von daher bin ich da sehr zuversichtlich, dass auch der Ansatz ein äußerst praktikabler ist und gar nicht so weit hergeholt, wie es scheinen mag. Man arbeitet mit dem Körper, Restriktionen des Körpers und Hebeltechniken.
Hier mal zwei schönes Beispiele:



Zum kooperativen Weg bin ich da ganz bei euch. Einerseits durchaus auch schön z.B. im Hinblick auf aktives Bottoming, schwierig allerdings bei dem Arme selbst in Position bringen. Eigentlich fast in allen Workshops Bestandteil, dass ein Model dies nicht tun sollte. Auch wegen der hier schon genannten Muskelspannung.
Zitat von *******nin:
...
Der Weg der Polarität
Woran wir glauben und was wir in unserem Kinbaku leben, ist, dass beide Partner eine aktive Rolle in der Szene haben - aber auf den entgegengesetzten Seiten eines polaren Spektrums. Die gefesselte Person will gefesselt werden - sie will sich den Seilen, dem Rigger, der Szene hingeben. Der Rigger will fesseln (natürlich!), aber vor allem will er die Kontrolle übernehmen. Im "Wheel of Consent"-Modell ist das eine Dynamik des Nehmens und Überlassens. Es geht um eine Absicht und eine Geisteshaltung.
In dieser Denkweise ist der Rigger nicht in einer Kampfkunst-Mentalität. Es fühlt sich für mich nicht passend an, meine Partnerin „zu überwältigen", bevor ich sie fessle. Sie will sich hingeben, sie will gefesselt werden - es ist ihr eigener Wille. Eigentlich ist das ihr Teil, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen: zu entscheiden, wann und von wem sie gefesselt wird und innerhalb welcher Grenzen... Wenn sie sich entscheidet, mir dieses "Geschenk" zu machen, muss ich meine Kontrolle nicht gewaltsam herstellen. Ich habe sie bereits, wenn ich das Geschenk annehme.

In einem Workshop, den ich kürzlich gab, fragte jemand, wie ich mit „bratty“ Modellen umgehe. Die Antwort lautet: Ich mache kein Kinbaku! Ich spiele vielleicht gerne mit ihr. Vielleicht kämpfen wir. Vielleicht warte ich einfach ab... Aber eigentlich kann ich in meinem Rahmen, in meiner gewohnten Denkweise nicht fesseln - zumindest nicht konservativ, nicht sicher. Wenn also jemand von mir erwartet, dass ich meine Dominanz demonstriere, kann ich das wahrscheinlich tun, aber dann werde ich höchstwahrscheinlich nichts von dem tun, was ich normalerweise fessle...

Wenn es also um den Gote geht, macht das Model, der oder die Bottom das Angebot. Sie knien sich in Seiza nieder. Sie warten auf mich, bis ich bereit bin zu fesseln. Und dann fangen sie an, ihren Körper meinem Willen zu überlassen - ohne aktive Arbeit.

Wie alles andere auch, ist es ein Prozess. Es ist irgendwie sogar "aktive" Arbeit - aber aktive innere Arbeit, nicht aktive Muskelanspannung und Armbewegung.
Ich muss die Arme positionieren, während mein Modell beginnt, sich zu entspannen, zu vertrauen, zu fühlen. Je mehr ich ihr Vertrauen spüre, desto mehr kann ich mich trauen, zu nehmen. Und das alles beginnt mit dem Gote - oder sogar schon vorher.

In der "Polarität" muss ich, der Rigger, die ganze äußere Arbeit machen. So habe ich die Kontrolle. Wenn wir die Basis - den Gote - mit dem ersten Seil geschaffen haben, können wir darauf aufbauen, Seil für Seil. Wir wissen beide nicht, wohin es führen wird - das ist der Zauber...

Irgendwie habe ich bei deinen Worten eine Show von Barkas und Addie vor Augen und er überwältigt sie, obwohl auch ganz viel von dem hier als polarem Weg geschilderten Verhalten deren Fesseln prägt. Auch meine Präferenz liegt durchaus beim Polaren Ansatz. Allerdings würde ich trotzdem mit einem bratty Model fesseln, wenn mir der Mensch zusagt *zwinker*

Für mich sind Hojo Techniken und RoughPlay nicht praktikabel zum Fesseln einer Gote, da habe ich ein ganz anderes Mindset.

Der kooperative Ansatz passt auch nicht in meine Welt des fesselns, da ich mir dann vorkommen wie ein Fremdbestimmter Dienstleister.

Im Polaritätsansatz fühle ich mich wohl, hier habe ich alle Möglichkeiten eine Gote zu fesseln ob hart oder zart, ... etc.
Ich entscheide hier wie das fesseln seinen Lauf nimmt, wo es hingehen soll. Genauso kann ich hier auf das eingehen was meine Partnerin mir anbietet. Es kommt zu einer aktiven Kommunikation zwischen uns.
*******Mind Frau
485 Beiträge
Zitat von **********hen70:
Zu Hojo-Jitsu habe ich eine andere Sicht auf die Dinge. Gefühlt hat jeder zweite Rigger mal Kampfsport betrieben (oder vllt. sind es auch die, mit denen ich in einen Austausch gehe, weil mich ihre Art anspricht). Yoroi lässt Kampfsport in seinen Stil einfließen, aber auch fast alle Italiener, die ich bisher so getroffen habe. Barkas kann damit auch gänzen. Da macht mir das Erlernen des "Bear hug" sehr viel mehr Probleme. Aus meiner Sicht gibt es viel Parallelen und in der Tat haben wir auf einem Judo-Bundeslehrgang seinerzeit von einem KGB-Trainer entsprechende Fesselungen gezeigt bekommen (Festnehmen und Festsetzen ohne selbst verletzt zu werden). Heute hab ich den Eindruck, ich bin zu alt für solche Spielchen geworden - die Reaktionszeit lässt mit dem Alter ja doch irgendwie nach. Aber viele Prinzipien finden sich in beidem wieder. Die Anatomie des Menschen (Gelenke sind nur in eine Richtung flexibel) ändert sich nicht, egal ob ich Kampfsport betreibe oder fessele. Auch der Atem und das Beobachten des anderen und auf ihn reagieren ist recht ähnlich.

Ich glaube du hast meine (und vielleicht auch nawa_ronins) Argumentation in diesem Zusammenhang eventuell falsch verstanden. Es geht nicht darum, dass es prinzipiell nicht möglich ist, diese Elemente mit einfließen zu lassen. Allerdings ist das in diesem Zusammenhang mit folgenden Herausforderungen verbunden:

1. Diese Techniken sind ursprünglich nicht darauf ausgelegt dass die Person möglichst sicher und körperlich unversehrt ins Seil kommt. Weshalb sie vermutlich auch in den Beispielen die du geteilt hast mit anderen Seilen / Materialien praktiziert werden, als die meisten im Shibari / Kinbaku benutzen.

2. Wenn man das Ganze nicht intelligent anstellt schafft man es damit nur bedingt den Körper in eine optimale Ausgangslage zu bringen. Das hat vor allem etwas damit zu tun dass man sich bei Gefahr schnell anspannt und ein angespannter Körper sich nie so gut und flexibel bewegen lässt, wie ein entspannter Körper. Das heißt wenn die Person noch mental in einem Zustand ist, in dem sie sich innerlich wehrt / nicht darauf einlassen möchte, bringt Überwältigung im Zweifelsfall recht wenig. Im Kampfsport ist das wenig problematisch, da diese Anspannung / Energie für den weiteren Kampf genutzt wird, im Kinbaku kann es auf Dauer recht anstrengend werden, wenn die Person nicht loslassen möchte.

3. Auch wenn ich es schaffe jemanden körperlich zu überwältigen, heißt das noch lange nicht, dass dabei auch eine gewisse Stimmung / Erotik aufkommt. Es gibt natürlich Menschen die dadurch auch auf dieser Ebene automatisch angesprochen werden, aber dass das allein ausreicht trifft wohl für die wenigsten zu. Das heißt neben den körperlichen Überwältigungsfähigkeiten, sollte der aktive Part auch in der Lage sein das Mindset anzusprechen und nicht nur körperlich, sondern auch mental ein gewisses Szenario erzeugen, das die Person innerlich abholt. Ansonsten bleibt das Ganze nicht mehr als ein nettes, freundschaftliches Gerangel (was auch okay ist, aber nicht in jedem Fall dem entspricht was die Leute sich eigentlich wünschen) oder wird im schlimmsten Fall zu einer Grenzüberschreitung. Und dass beides in einem "überfallartigen" Szenario gut miteinander verbunden wird, habe ich bisher sehr selten gesehen. Häufig ist es eben doch eher der polare Ansatz, der mit Elementen aus dem "Überfall"-Szenario verbunden wird (wie auch in dem Barkas-Beispiel). Und das ist vollkommen legitim, aber im Kern dann eben doch eine andere Herangehensweise und ein anderes mentales Szenario für die gefesselte Person.
**********hen70 Frau
14.405 Beiträge
Zitat von *******Mind:
Ich glaube du hast meine (und vielleicht auch nawa_ronins) Argumentation in diesem Zusammenhang eventuell falsch verstanden. Es geht nicht darum, dass es prinzipiell nicht möglich ist, diese Elemente mit einfließen zu lassen.
...
Ja, vermutlich. Evtl. denken wir auch an verschiedene Dinge.
Auch du schreibst in deinem nachfolgenden Text von Techniken und der Fähigkeit des körperlichen Überwältigens.

Zitat von *******nin:
...
Der Hojo-Jiu-Jitsu Weg
Einige Leute sehen Kinbaku als abgeleitet von Hojo-Jutsu, einer alten Kampfkunst. Da es sich bei dem Gote um eine Gefangenenfesselung handelt, macht es also durchaus Sinn, der Person im Seil überfallartig die Arme auf den Rücken zu ringen. Das kann sogar Spaß machen - so als würde man die Szene mit einem Playfight beginnen. Das etabliert auch, wer die Macht hat und setzt den richtigen Rahmen für ein Dominanzspiel, nicht wahr?
...
Selbst wenn es eine Stufe weicher angeht, mit "Ki" und nicht mit der physischen Kraft arbeitet (wie im mehr philosophisch orientierten Aikido statt im Jiu-Jitsu), braucht es große Fähigkeiten, um diese Technik auf eine sichere, konservative Weise anzuwenden.
...
Der Übergang, in dem zwischen Technik und Mindset gewechselt wird, erscheint mir ziemlich fließend.

Ich habe bekennenderweise ein Faible für historische Foltertechniken. Vieles was im Mittelalter - egal ob in Japan oder Europa - Anwendung fand, war nicht darauf ausgelegt, dass das Opfer lebend oder gar auch nur unverletzt aus der Nummer raus kam. Trotzdem findet sich vieles davon in sehr viel abgemilderter Form im BDSM wieder.
Niemand von uns wird mit dem Hojo-Jiu-Jitsu Mindset eines Samurai oder auch nur eines Polizisten, der die Technik zur effektiven Gefangenenfestsetzung verwendet (in Asien übrigens teils bis heute - das Fesseln gehört dort teils bis heute zur Polizeiabschlußprüfung), fesseln.
Schon wenn jemand nur im Kampfsport-Mindset unterwegs ist, gilt für alle Kampfsportarten die Regel den Übungspartner (nach Möglichkeit) nicht zu verletzen. Der Respekt vor dem Übungspartner und als höchstes Gut seine Unversehrtheit anzustreben, ist einer der wichtigsten Werte des Kampfsports. Alle Verletzungen geschehen also unabsichtlich. Gleiches dürfte wohl beim Fesseln zu den Grundgedanken gehören.
Die Tatsache, dass es sich bei den Rollen Tori und Uke im asiatischen Verständnis nicht um unvereinbare Gegensätze oder Gegenspieler im dualistischen Sinne handelt, wird in den philosophischen Lehren, auf denen viele Kampfkünste begründet werden, gerne anhand des folgenden Beispiels illustriert: Aus den beiden Schriftzeichen 受 Uke und 取 Tori, die bei oberflächlicher Betrachtung konträre Bedeutung zu tragen scheinen, setzt sich auch ein japanisches Verb zusammen, welches man mit „bekommen“ übersetzen kann.

Das Verb uketoru (受け取る) wird so in verschiedenen Kampfkünsten gerne als Symbol für diesen nur scheinbaren Widerspruch angeführt, und soll das Prinzip Ki musubi (気結び, Vereinigung der Energien, hier von Uke und Tori) repräsentieren
Quelle: wiki

Gibt es dann wirklich drei Arten? Mit jemandem, mit dem kein Konsens zum Fesseln besteht, würde doch wohl kein Rigger ernstlich fesseln wollen, oder? Grundvoraussetzung scheint also wohl zu sein, dass sich alle Beteiligten darüber einig sind, dass gefesselt werden soll.

Zu viel Kooperation scheint den meisten hier nicht zu gefallen. Zu wenig vermutlich auch nicht. Die meisten sprechen sich für den Polaritätsansatz aus.

In diesen würde für mich auch z.B. die Überwältigung fallen oder auch die leiseren Töne oder Manipulationen (auf der Eurix gab es mal Workshops wie mit Körpersprache und nur dem Finger das Model bewegt werden kann). Auch wenn ich Hojo-Techniken fessele, dann tue ich das mit einem Model, das genau dieses will. Es ist also immer eine Art von Kooperation, die von der aktiven Mitgestaltung (welche für den Gote als kontraproduktiv angesehen wird) bis zum Polaritätsansatz reichen kann.

Einzig in dem Moment eines Fesselns außerhalb des Bondagekontextes, namentlich in dem von mir bekannten Budo-Lehrgang zur Gefangenenfesselung (mit der süffisanten Ergänzung des Instructors, dass die Camorra eine Abwandlung dieser Fesselung an Opfern verwendet, diese in einen Kofferraum sperrt und über die erschlaffende Muskelspannung, die zwangsläufig irgendwann eintritt, diese sich dann selbst strangulieren) gibt es bei dem Gedanken an die Verwendung in der Realität tatsächlich sowas wie ein Hojo-Mindset, in dem die Fesselung der Verteidigung oder gar der Verletzung dient. Aus meiner Sicht sollte niemand in unserer Gemeinschaft mit jemandem fesseln, der diese Absicht hat.

Wenn es bei dem Hojo-Jiu-Jitsu Weg jedoch darum geht über ebenfalls Körpersprache, weil auch da sehr wichtig, und Hebel sowie Hebelwirkungen jemanden, der als Model ja im Konsens gefesselt werden möchte, durch diese Dinge zu einer nachgiebigen Kooperation zu bringen, dann habe ich dafür schon sehr schöne praktische Ausführungen gesehen. Und auch wenn dabei vieles eher Mindfuck sein mag, so gibt es einiges, was in die Richtung geht. Aus meiner Sicht sogar sehr viel, wenn wir uns zum Thema der Gruppe, dem Semenawa, unterhalten. Für mich sind sehr viele schöne Anregungen zu Semenawa dem Hojo Jutsu entlehnt, etwas sehr inspirierendes sind für mich "The Four Tortures of Edo Japan" (Muchiuchi (鞭 打ち), Ishidaki (石抱き), Ebizeme (海老責め), Tsurizeme (吊責め)). Heutzutage wird die Art der "Folter" aber vermutlich anders verwendet als in Zeiten ihres Ursprunges um 1742. Es gab mal einen sehr schönen Artikel dazu, aber der ist leider wieder aus dem Netz genommen worden.

So kann ich mich @*******Mind insofern anschließen, als das ich eigentlich nur zwei Ansätze, nämlichen den polaren und den kooperativen, beim einvernehmlichen Fesseln feststellen kann.

Würde mich über einen Austausch dazu freuen.
Antwerp, 2019. Foto: Franck Stunn (not on JC)
********r_MA Mann
419 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Zitat von **********hen70:

... Schon wenn jemand nur im Kampfsport-Mindset unterwegs ist, gilt für alle Kampfsportarten die Regel den Übungspartner (nach Möglichkeit) nicht zu verletzen. Der Respekt vor dem Übungspartner und als höchstes Gut seine Unversehrtheit anzustreben, ist einer der wichtigsten Werte des Kampfsports. Alle Verletzungen geschehen also unabsichtlich. Gleiches dürfte wohl beim Fesseln zu den Grundgedanken gehören.
Die Tatsache, dass es sich bei den Rollen Tori und Uke im asiatischen Verständnis nicht um unvereinbare Gegensätze oder Gegenspieler im dualistischen Sinne handelt, wird in den philosophischen Lehren, auf denen viele Kampfkünste begründet werden, gerne anhand des folgenden Beispiels illustriert: Aus den beiden Schriftzeichen 受 Uke und 取 Tori, die bei oberflächlicher Betrachtung konträre Bedeutung zu tragen scheinen, setzt sich auch ein japanisches Verb zusammen, welches man mit „bekommen“ übersetzen kann.

Das Verb uketoru (受け取る) wird so in verschiedenen Kampfkünsten gerne als Symbol für diesen nur scheinbaren Widerspruch angeführt, und soll das Prinzip Ki musubi (気結び, Vereinigung der Energien, hier von Uke und Tori) repräsentieren
Quelle: wiki

Gibt es dann wirklich drei Arten? Mit jemandem, mit dem kein Konsens zum Fesseln besteht, würde doch wohl kein Rigger ernstlich fesseln wollen, oder? Grundvoraussetzung scheint also wohl zu sein, dass sich alle Beteiligten darüber einig sind, dass gefesselt werden soll.

Es geht mir in meinem Artikel vor allem um das körperlich umgesetzte "Mindset". Klar, in der Praxis vermischt sich das und es gibt Übergänge und 10000 individuelle Arten...

Aber um Dinge klar zu machen muss man zuspitzen...
Natürlich ist Konsens immer die Voraussetzung - ich schreib nicht über nicht-konsensuelles Überwältigen.

Ich schreibe darüber, was in unserem Körper passiert. Teilweise ist das aktives Mindset, teilweise ist das halt das was unsere Körper jahrzehntelang "eintrainiert" haben.
Und da ist es in meiner Erfahrung halt so, dass wir unter "Attacke" sei sie un-konsensuell (also auf der Straße, ein Überfall), konsensuell-sexuell (im Überwältigunsgspiel) oder beim Ki Musubi / Ukemi / Training in einer Kampfkunst NICHT entspannen - jedenfalls nicht spontan.
Ich habe jedenfalls in meinen 35 Jahren keine:n gesehen, der/die das kann, ohne das jahrzehntelang zu trainieren. Manche Kampfkünste akzeptieren das und bauen das System auf diesem Anspannungs / Schutzpanzerreflex auf.
Andere (Aikido, Systema) trainieren das weg, Schicht für Schicht.
Nun ist es wie gesagt in meiner Beobachtung so, das man diese gegen-Intuitive Reaktion eben nicht in 1.5 Stunden auf der Eurix lernt.

Also, meine Argumentation ist folgende: WENN man die Art des Semenawa von Akira Naka machen will (nicht eine andere, was ja genau so toll ist, nur hier nicht das Thema), was bedeudet, dass der Körper-Geist der Person im Seil physisch stark gefordert wird (also z.B. durch einen Gyaku-Ebi) um eine emotionale Reaktion zu erreichen, DANN ist es hilfreich / besser / angeraten sich zu entspannen. Weil entspannen ist der einzige Weg in so eine Fesslung zu gehen. Widerstand (Anspanung, Kampf, auch Playfight) funktioniert nicht. (Wenn ich dann weiter mache, wird das eine Konsensverletzung und / oder eine körperliche Verletzung). ALSO ist es hilfreich, von Anfang an ein Mindset der Hingabe aka Entspannung zu haben. Und das fängt eben damit an, wie ich das erste Seil fessel...

Alles andere ist super, macht Spass, mache ich auch gerne... Nur: ich fessle nach einem Playfight keinen Gyaku-ebi - also zumindest nicht so einen...

Und da wir solche Bilder auch veröffentlichen, und Leute dann nachfesseln ohne den Kontext zu haben, möchte ich zumindest bewusst machen, dass das nichts mit einer besonderen Flexibilität von Natasha noch mit speziellen magischen Fähigkeiten von mir zu tun hat, sondern eben eine Frage des Mindset ist... <3
*******Mind Frau
485 Beiträge
Zitat von **********hen70:

Der Übergang, in dem zwischen Technik und Mindset gewechselt wird, erscheint mir ziemlich fließend.

Ich habe bekennenderweise ein Faible für historische Foltertechniken. Vieles was im Mittelalter - egal ob in Japan oder Europa - Anwendung fand, war nicht darauf ausgelegt, dass das Opfer lebend oder gar auch nur unverletzt aus der Nummer raus kam. Trotzdem findet sich vieles davon in sehr viel abgemilderter Form im BDSM wieder.
Niemand von uns wird mit dem Hojo-Jiu-Jitsu Mindset eines Samurai oder auch nur eines Polizisten, der die Technik zur effektiven Gefangenenfestsetzung verwendet (in Asien übrigens teils bis heute - das Fesseln gehört dort teils bis heute zur Polizeiabschlußprüfung), fesseln.
Schon wenn jemand nur im Kampfsport-Mindset unterwegs ist, gilt für alle Kampfsportarten die Regel den Übungspartner (nach Möglichkeit) nicht zu verletzen. Der Respekt vor dem Übungspartner und als höchstes Gut seine Unversehrtheit anzustreben, ist einer der wichtigsten Werte des Kampfsports. Alle Verletzungen geschehen also unabsichtlich. Gleiches dürfte wohl beim Fesseln zu den Grundgedanken gehören.
[...]

Gibt es dann wirklich drei Arten? Mit jemandem, mit dem kein Konsens zum Fesseln besteht, würde doch wohl kein Rigger ernstlich fesseln wollen, oder? Grundvoraussetzung scheint also wohl zu sein, dass sich alle Beteiligten darüber einig sind, dass gefesselt werden soll.

Zu viel Kooperation scheint den meisten hier nicht zu gefallen. Zu wenig vermutlich auch nicht. Die meisten sprechen sich für den Polaritätsansatz aus.

In diesen würde für mich auch z.B. die Überwältigung fallen oder auch die leiseren Töne oder Manipulationen (auf der Eurix gab es mal Workshops wie mit Körpersprache und nur dem Finger das Model bewegt werden kann). Auch wenn ich Hojo-Techniken fessele, dann tue ich das mit einem Model, das genau dieses will. Es ist also immer eine Art von Kooperation, die von der aktiven Mitgestaltung (welche für den Gote als kontraproduktiv angesehen wird) bis zum Polaritätsansatz reichen kann.



Also ich habe tatsächlich schon Beispiele gesehen in denen das Hojo-Mindset recht authentisch umgesetzt wurde. Allerdings waren das keine Europäer. Ich denke es ist in diesem Zusammenhang auch recht wichtig zwischen dem was auf der körperlichen Ebene und was im Kopf passiert zu unterscheiden. Etwas mental zu induzieren heißt nicht zwangsläufig immer dass man alles was sich im Kopf abspielen soll auch 1:1 auf der körperlichen Ebene umsetzen muss. Und auch nicht dass es keinen vorherigen Konsens gibt.

Ich selbst habe es schon (auf der passiven Seite) erlebt, dass man den Kopf durch gezielte Trigger ziemlich gut "ficken" kann. In der Hinsicht dass man irgendwann wirklich glaubt in der Situation zu sein obwohl man ja genau genommen nur in einer "Spielsituation" ist und prinzipiell jederzeit aussteigen könnte. Aber im Kopf ist das Szenario plötzlich ziemlich real und der Körper reagiert entsprechend. Und ich glaube dass das für die "authentische" Umsetzung des Hojo-Mindsets viel entscheidender ist. Also es nicht darum geht möglichst ausgefeilte Überwältigungstechniken zu beherrschen, sondern gezielt Trigger setzen zu können, die den anderen in einen Zustand versetzen in dem er wirklich glaubt er wird überfallen und gefoltert. Wenn man das noch mit nem geschickten Handling des Körpers verbindet - heißt zum richtigen Zeitpunkt die Extremitäten an die richtige Stelle bewegt - kann das ganze schon zu einem sehr realen Szenario werden. Dass es für ein solches Spiel intensiver Vorgespräche und Konsensführung bedarf und so etwas auch nur auf ausdrücklichen Wunsch / Fantasie des Partners umgesetzt werden sollte, sollte in diesem Zusammenhang natürlich klar sein.

Und über das Mindset kann man ggf. auch die Problematik der körperlichen Anspannung etwas umgehen. Z.B. in dem man die Trigger erst dann setzt, wenn die Person bereits in die entsprechende Position gebracht wurde oder man aber auch das "bedrohliche" Szenario langsam / schrittweise aufbaut, oder man gezielt mit Reizen die zur Anspannung oder Entspannung führen arbeitet.
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