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ein aktueller Artikel :
Von einem, der das deutsche Schauspielhandwerk nach Hollywood brachte. Zum achtzigsten Geburtstag des Schauspielers Jürgen Prochnow.
Es gibt einen maßgeblichen Unterschied zwischen Hollywood und dem deutschen Kino: Niemand hat Hollywood je verlassen, um seine Filmkarriere woanders zu machen. Zu den erstaunlichsten Geschichten, die Jürgen Prochnow immer wieder mal erzählt hat, gehört die, wie es war, nachdem "Das Boot" 1983 seinen Triumphzug bis nach Amerika hinter sich hatte und für sechs Oscars nominiert worden war. Prochnow hatte sehr schnell einen Agenten in Hollywood und erste Rollenangebote - aber aus Deutschland kam erst mal nichts. Vielleicht ist der deutsche Film selber ein bisschen schuld, dass er nicht gerade mit Heerscharen echter Stars gesegnet ist.
In Hollywood gelangte er dann zu einiger Berühmtheit, mit David Lynchs "Dune" (1984) und als Bösewicht in "Beverly Hills Cop II" (1987). Er hat viele Filme fern der deutschen Heimat gedreht - manche, wie "Air Force One" (1997) mit dem "Boot"-Macher Wolfgang Petersen oder "Der englische Patient", waren großartig, andere vielleicht nicht, aber selbst dann hat er solide Arbeit abgeliefert. Er hatte vielen amerikanischen Kollegen etwas voraus: Ausbildung und Berufserfahrung. Jürgen Prochnow, am 10. Juni 1941 in Berlin geboren und in Düsseldorf aufgewachsen, hatte die Folkwangschule absolviert und unermüdlich, weil einem deutschen Schauspieler damals gar nichts anderes übrig blieb, am Theater gespielt.
Man könnte sagen: Jürgen Prochnow hat aus seinem Glück etwas gemacht. Besonders sein und begabt ist nicht immer genug. Prochnow brachte auch seine Erfahrung aus dem Repertoiretheater mit nach Hollywood. Die Aufgabe in Hollywood war dann meistens: harter Hund, auf unterschiedliche Weise, als komischer oder romantischer Typ war er weniger gefragt. Hätte er aber auch gekonnt. In den letzten Jahren hat er dann immer wieder in Deutschland gedreht - im vergangenen Jahr lief im Fernsehen beispielsweise "Der Alte und die Nervensäge", da spielt er einen Sturkopf, der mit seinem Campingbus durchbrennt und zu seinem Leidwesen einen blinden Passagier dabeihat. Inzwischen ist Prochnow ohnehin wieder nach Berlin gezogen, die Ära Trump ging ihm auf die Nerven.
Auf einen Film ist er bis heute ein wenig stolzer als auf die meisten anderen.
Es hätte ja eigentlich auch alles anders kommen können, ganz anders. In Deutschland war Prochnow eigentlich schon vor "Das Boot" berühmt. Er hatte Ludwig Götten gespielt, den Mann, mit dem in Volker Schlöndorffs Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" alles beginnt, und dann war er im Gespräch wegen eines anderen Films, auf den Prochnow bis heute aus gutem Grund ein bisschen stolzer ist als auf die meisten anderen: "Die Konsequenz", den er 1977 ebenfalls mit Wolfgang Petersen gedreht hat. Ein stilles Drama in Schwarz-Weiß und damals dennoch bei der Erstausstrahlung im Fernsehen in aller Munde - es ging um ein homosexuelles Paar und die Übergriffe und die Verfolgung, die die beiden erdulden müssen. Ein Riesenerfolg, den das Bayerische Fernsehen noch dadurch befeuerte, dass es sich wieder mal aus einer ARD-Sendung ausklinkte; ein Kinostart folgte. Prochnow, noch mit ganz weichen Zügen, spielte Martin Kurath, der sich in Thomas (Ernst Hannawald) verliebt - der ist noch nicht volljährig und wird deswegen von seinem Vater in eine Erziehungsanstalt gebracht, in der man ihm den Lebenswillen austreibt.
Was wäre gewesen, wenn der sanfte Martin Kurath, der kurz vor dem Ende des Films Thomas weinend seine Liebe beteuert, die prägende Rolle gewesen wäre für Jürgen Prochnow?
Dann wäre er, rein finanziell betrachtet, heute wahrscheinlich ein bisschen ärmer. Aber das deutsche Kino wäre, auf ganz andere Weise, ein bisschen reicher.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Susan Vahabzadeh