Napoleon (2023)
Anders als Streaming-Marktführer Netflix gönnt Apple seinen Prestige-Projekten wie „Killers of the Flower Moon“ von Scorsese eine breitere und längere Kinoauswertung - so auch dem neuesten Historienepos von Ridley Scott, der seit dem 23.11.2023 in den Kinos läuft.Der Film beginnt mit dem militärischen und politischen Aufstieg Napoleons (Joaquín Phoenix) während den Wirren der französischen Revolution bis zu seinem Niedergang. Ein zentraler Handlungsstrang fokussiert parallel dazu die Beziehung zu seiner ersten Frau Joséphine (Vanessa Kirby).
Während des Films musste ich unweigerlich an die zwei grundlegenden Aufgaben eines Regisseurs denken. Ridley Scott, der Handwerker: Schon die Trailer ließen erahnen, dass er wieder imposante Schlachtenbilder für die große Leinwand kreiert. Hier merkt man dem 86 jährigen Scott seine jahrzehntelange Erfahrung einfach an. Große Sets, unzählige Statisten, nur in wenigen Szenen sieht man, dass mit CGI unterstützt wurde. Farblich ist das Bild zwar für meinen Geschmack etwas zu entsättigt, aber stilistisch ist es immerhin stimmig und homogen.
Doch dann gibt es nun mal auch Scott den Geschichtenerzähler. Es ist bekannt, dass eine längere Version mit über 4 Stunden Laufzeit für Apple TV+ geplant ist. Das merkt man dem Film auch an. Die historischen Stationen Napoleons werden nicht organisch inszeniert, sondern in Etappen, in deren Zwischenräumen immer wieder die Beziehung zu Joséphine thematisiert wird. Dieser Erzählstil wirkt irgendwann sehr repetitiv und räumt der Liebesbeziehung sehr viel Raum ein. Diese wirkt nur leider nie wirklich glaubhaft oder interessant genug, was auch der fehlenden Chemie von Joaquín Phoenix und Vanessa Kirby geschuldet ist. Phoenix legt seinen Napoleon generell etwas kühl und unsozial an, weshalb ich nie einen charismatischen Heerführer, sondern immer nur Joaquín Phoenix in einem Napoleonkostüm gesehen habe.
Noch zwei Warnungen: Der Film ist an manchen Stellen sehr brutal… über die neuen Kriterien der FSK muss ich mich aber in letzter Zeit eh immer wieder wundern. Und die Geschehnisse werden alles andere als historisch akkurat inszeniert. Scott biegt sich hier die Fakten zu Gunsten seiner Dramaturgie so zusammen, dass in mir immer wieder das Störgefühl aufkam, dass europäische Geschichte typisch amerikanisiert vereinfacht und simpel dargestellt wird… doch die dadurch erschaffene Bildgewalt entschädigt zumindest etwas.
Fazit: Optisch ist „Napoleon“ geschaffen für die große Leinwand, inhaltlich müssen wir wohl hoffen, dass die Langfassung das Kriegsgeschick wenden kann.