Poor Things (2023)
Nach vielen Vorschusslorbeeren und Trophäen in Venedig und den Golden Globes, ist seit dem 18.01.2024 der neue Film von Yorgos Lanthimos auch in den deutschen Kinos zu sehen. Die Adaption von Alasdair Grays Roman erzählt die Geschichte von Bella (Emma Stone), ein Geschöpf eines Naturwissenschaftlers, den sie nur als „God“ (William Dafoe) bezeichnet. Mit kindlichem Verstand begegnet sie den Widrigkeiten einer ihr unbekannten Welt, mit all ihren Regel, Zwängen und Konventionen.
Ursprünglich wurde die Erzählung oft als eine Mischung aus Frankenstein und Pinocchio beschrieben. Die Verfilmung kommt jedoch zum perfekten Zeitpunkt, kurz nach dem Erfolg des „Barbie“-Films. Wieder haben wir eine Kunstgestalt, die eine Odyssee durch eine durch Männer be- und durchtriebene Welt erlebt. Wo „Barbie“ uns jedoch eine Schein-Realität vorspielt, die unsere Wirklichkeit abspiegeln soll, bietet „Poor Things“ eine offensichtliche Fantasiewelt mit surrealen Abwandlungen realer Orte, die mit den Problemen der realen Welt behaftet ist. Diesen Problemen begegnet unsere Protagonistin mit ihrer jugendlichen Naivität, Neugier, aber auch mit einer beachtlichen neutralen Logik und Unbedarftheit, die die gesellschaftlichen Konventionen ad absurdum führen. Mit bissigem schwarzen Humor und Esprit begegnet Bella so komplexen menschlichen Emotionen wie Liebe, Eifersucht und Weltschmerz, sowie gesellschaftlichen Konstrukten wie Kapitalismus, dem Patriarchat und Klassenunterschieden.
Es ist beeindruckend wie leichtfüßig und wenig mahnend Lanthimos dies gelingt. Das ist auch der Verdienst des Casts. Neben der wunderbaren Emma Stone, brillieren Willem Dafoe als monstererschaffendes Monster und Mark Ruffalo als herrlich überspitzte und bedauernswerte Machofigur. Bemerkenswert ist ebenfalls die Musik, die vor allem mit Disharmonien und Atonalität auffällt, in den bedeutenden Momenten aber dann doch Emotionen generieren kann.
Ich habe in anderen Kritiken gelesen, dass sich Lanthimos nun zu sehr in das Korsett Hollywoods schnüren lässt und sich zu sehr am Stil von Tim Burton und Terry Gilliam orientiert. Und ja, auch mir fehlen die raue Schroffheit und der Pessimismus eines „Dogthoot“ und mit einem wirklichen Magengrubenschlag entlässt einen „Poor Things“ nicht aus dem Kinosaal. Wie schon „The Favourite“ ist sein neuestes Werk viel gefälliger und extrovertierter, mehr geöffnet für ein breiteres Publikum. Meiner Meinung nach ist er dabei jedoch mehr eine Bereicherung für Hollywood, der mir bissige, skurrile und tiefsinnige Unterhaltung bietet… und Sex… sehr viel Sex.
Fazit: Modernes Puppenkino funktioniert auch mit Herz, Hirn und Humor - Formidable!