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Der Umleger (1976) & Warte, bis es dunkel wird (2014)

*****ong Paar
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Themenersteller 
Der Umleger (1976) & Warte, bis es dunkel wird (2014)
Bevor ihr euch wundert, diese zwei Filme gehören zusammen und heißen beide im Original "The Town that dreaded Sundown" (zu deutsch "Die Stadt, die den Sonnenuntergang fürchtet").

Der Film von 1976 ist zum einen ein Prototyp des Slasher-Films. Zwar ist er zwei Jahre nach TEXAS CHAINSAW MASSACRE entstanden, aber noch vor HALLOWEEN (1978) und FREITAG DER 13. (1980), die den Hype endgültig auslösten. Und zum anderen ist er auch ein sehr früher Vertreter des True Crime Genres, da sich die Handlung lose an den sogenannten "Moonlight Murders" orientiert, die 1946 in der Stadt Texarkana passierten und nie aufgeklärt wurden.

Dazu noch folgender Hintergrund: Texarkana ist bis heute eine Zwillingsstadt, die genau auf der Grenze zwischen Texas und Arkansas liegt. Rein administrativ sind es zwei Städte, mit zwei Bürgermeistern usw., aber es gibt keine harte Grenze innerhalb der Stadt, die die Bezirke klar voneinander trennt.

Die Handlung des Films spielt sich ebenfalls 1946 ab und beginnt mit dem gewalttätigen Überfall auf ein junges Pärchen im Arkansas-Teil, dass an einer "Lovers Lane" geparkt hat (Orte wo die Jugendlichen im Auto knutschen etc.). Die beiden überleben schwer verletzt, können aber zum Täter keine Aussage machen, da er sein Gesicht mit einer Tuchmaske bedenkt hatte. Drei Wochen später passiert ein weiterer Überfall, diesmal aber mit tödlichem Ausgang für die Opfer. Die weiteren Ermittlungen führen der Polizist Ramsey, vom Bezirk aus Arkansas, und der Captain Morales, vom Bezirk aus Texas, zusammen fort und verfolgen etliche Spuren, wovon aber keine zum Täter zu führen scheint.

Wenn man sich bei Wikipedia mal die Zusammenfassung der echten Mordreihe durchliest, so gibt der Film vieles wieder, was damals wirklich passiert ist, auch wenn er sich nicht allzu strikt an die tatsächlichen Ereignisse hält. Der dokumentarische Charakter wird zudem durch einen Off-Sprecher verstärkt, der einleitend die Stadt vorstellt und auch zwischendurch Kommentare abgibt oder was erklärt. Die eigentlichen Morde sind teilweise brutal inszeniert, aber nicht vordergründig splatterig, manche passieren auch abseits der Kamera. Und bei einem Mord im Mittelteil des Films wird man Posaunen zukünftig mit ganz anderen Augen sehen...

Die Handlung bleibt die meiste Zeit spannend, zumal die Identität des Täters auch für den Zuschauer bis zum Schluß verborgen bleibt, und der Film ist äußerst gut inszeniert. Er wirkt trotz seines geschätzten Budgets von 400.000$ nicht wie eine billige Low Budget Produktion, sondern wie ein Mittelklasse Hollywoodfilm der Zeit.

Das einzige, was den einen oder anderen Zuschauer vielleicht stören kann, sind die vereinzelten spaßigen Momente. Insbesondere wenn ein bestimmter Polizist beteiligt ist, der auch schon mal ein Polizeiauto in einen See versenkt. Das konterkariert den ernsten Ton des Films etwas, aber macht ihn dadurch nicht unbrauchbar. Somit ist dieser Film ein durchaus besserer Vertreter des Slasher-Genres. Amüsant: am Schluß, scheinbar ein paar Jahre später, wird ein Kino gezeigt, in dem die Werbetafel "The Town that dreaded Sundown" ankündigt.

Und nun zum Sequel, das heutzutage spielt. Ein maskierter Mörder, wieder mit einer ähnlich aussehenden Tuchmaske, überfällt das Pärchen Jami und Corey und nur Jami überlebt diese Nacht. Nach dem zweiten brutalen Mord an einem Pärchen sieht sich Jami von dem Mörder verfolgt und versucht mehr über die Hintergründe der Morde von 1946 zu erfahren. Dabei hilft ihr der ehemalige Klassenkamerad Nick und sie erfahren von einem weiteren Mordopfer von 1946, das nirgendwo dokumentiert wurde.

Das Sequel bringt die Metaebene auf einen ganz anderen Level. Die Handlung spielt sich nun in der Gegenwart ab und beginnt in einem Autokino, in dem in alljährlicher Tradition der Originalfilm gezeigt wird. Im übrigen eine Tatsache, die tatsächlich der Wahrheit entspricht, denn der Film wird wirklich jedes Jahr zu Halloween in Texarkana vorgeführt. Die Morde passieren ähnlich wie in dem Originalfilm und als die Polizei vom Arkansas-Teil wieder einen Captain aus dem Texas-Teil als Leiter der Ermittlungen bekommen, verlangt dieser erstmal den Film von 1976 zu sehen.

Später dient der Originalfilm auch als Orientierung, wo evtl. der nächste Mord passieren könnte. Das Drehbuch ist extrem pfiffig, nutzt dieses Sequel den Originalfilm, dessen Nachfolger es ist, als wichtigen Bestandteil der Handlung, das Sequel ist sich also seines Vorgängers bewusst. Dies geht sogar soweit, dass Jami und Nick den (fiktiven) Sohn des Originalfilm-Regisseurs Charles B. Pierce aufsuchen und ihn nach den Recherchen seines Vaters befragen.

Im Gegensatz zu dem Original gibt es hier aber keine humoristischen Einsprengsel, der Film behält seinen ernsten Ton durch. Die Mordszenen sind auf heutige Sehgewohnheiten modernisiert und härter und es darf auch mal ein homosexuelles Pärchen dahingerafft werden. Ich war von der Art und Weise, wie der Film seine Handlung unter Einbeziehung des Originalfilms aufbaut, schwer begeistert und war nicht die Spur genervt von den Charakteren, wie es sonst bei anderen zeitgenössischen Slashern der Fall ist.

Einzig das etwas arg konstruiert wirkende Ende kann als Schwachpunkt herangeführt werden, aber selbst das konnte ich verschmerzen. Und wer seine Filme mit entsprechender Soundanlage hört, darf sich auch freuen, denn manchmal wummst es ganz ordentlich auf der Tonspur.

Somit ist dies einer der extrem seltenen Fälle, wo ein fast 50 Jahre älteres Original nicht von einem aktuellen Sequel/Prequel/Reboot/whatever entwertet wird, sondern beide zusammen eine interessante Einheit bilden. Für sich alleine betrachtet ist der 2014er-Film vielleicht nur ein netter Horrorthriller, aber zusammen mit dem Original wird ein Gesamtwerk daraus.

Da ich durch einen dummen Zufall am gleichen Abend beide direkt hintereinander geschaut habe (bei dem 2014er wusste ich zunächst gar nicht, dass das ein Sequel ist), entfaltete das ganze seine volle Wirkung. Solche netten Überraschungen darf es gerne öfter geben!


Trailer 1976:


Trailer 2014:

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