Hagen - Im Tal der Nibelungen (2024)
Ich war schon sehr gespannt auf diese deutsche Produktion von Cyrill Boss und Philipp Stennert, da ich von Kindestagen an großer Fan des Nibelungenstoffes bin, in all seinen literarischen, (musik)-theatralischen und filmischen Variationen. Der Film erzählt die Geschehnisse um Siegfried, dem Drachentöter, vor allem aus der Perspektive von Hagen von Tronje, der ihn laut Sage getötet haben soll.
Zuvor muss man wissen, dass dieser Film eine kommende Serie rund um die Ereignisse der Nibelungen vorbereiten soll, die vor allem das beleuchtet, was in der zweiten Hälfte der deutschen Nibelungensage, dem Nibelungenlied, geschieht. Schon Fritz Lang teilte sein Monumentalwerk der Nibelungen in zwei Teile, „Siegfrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“. „Hagen“ behandelt die Ereignisse des ersten Teils, die kommende Serie soll die Ereignisse des zweiten Teils thematisieren, der mehr Stoff für Intrigen und Verrat, also Potenzial für ein deutsches „Game of Thrones“, bietet.
Zunächst richtet sich ein großes Lob an das komplette Team rundum Kamera, Make-Up, Kostüme und Sets. Das sieht in „Hagen“ wirklich sehr hochwertig aus, die Schlachten und Kampfszenen sind ordentlich dreckig und blutig. Wer Fan von Serien wie „Game of Thrones“ oder „Vikings“ ist, kommt hier visuell vollkommen auf seine Kosten. In Details gibt es sogar immer mal Jugendstilelemente in den Kostümen, eine kleine Verbeugung an den Lang-Klassiker, die ich sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen habe.
Inhaltlich muss man voranstellen, dass es ja nicht die eine endgültige Version der Nibelungensage gibt. In etlichen Ländern gibt es Abwandlungen der Sigurd-Saga und dementsprechend nimmt sich der Film auch seine erzählerischen Freiheiten und ändert einige Details zugunsten seiner eigenen Version ab, wie es auch einst Wagner für seine Oper-Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ getan hat. Das funktioniert über Zweidrittel des Films hervorragend, ich mochte vorallem wie der Film die Mischung aus nordischer Mythologie, christlicher Symbolik und historischer Ereignisse einfängt, wie es ja auch das Nibelungenlied selbst macht.
Leider versteift der Film sich dann doch zu sehr darauf, unbedingt die Siegfried-Figur zu dekonstruieren und uns Hagen als nahbare Figur näher zu bringen. Das führt zum einen dazu, dass die Figuren doch zu klar gezeichnet, nicht nuanciert genug sind. Zum anderen führt dies dazu, dass die weiblichen Figuren sehr verblassen. Zwar inszeniert der Film Brunhilde als starke Kriegerin (und ich liebe die Figur, wie ich generell Walküren liebe), doch werden ihre Motive und ihre Tragik nicht wirklich herausgearbeitet, genauso wenig wie die von Kriemhild. Im Nibelungenlied ist der Königinnenstreit ein zentrales dramaturgisches Element, dieser Film besteht nicht mal den Bechdel-Test.
Gerade in diesem Punkt weicht der Film inhaltlich von den bisherigen Interpretationen und Versionen ab… das ist auch per se nicht schlimm. Da es kein festes Nibelungenwerk gibt, bietet sich ja auch Raum für Interpretationen. Aber wenn man interessante Konflikte herausnimmt, muss man diese auch mit einer eigenen Interpretation füllen. Vorallem zum Ende hin entwickelt sich so ein dramaturgischer luftleerer Raum, der seine Figuren nicht gut genug herausarbeitet. Es gibt nun mal einen Grund, warum Wagner Brunhilde eine ganze Oper gewidmet hat und der Tod von Siegfried in der „Götterdämmerung“ einen knapp 12-stündigen Vorlauf benötigt. Mut macht also nur, dass sich die kommende Serie mehr Zeit nehmen kann, um seine Charaktere besser ausarbeiten zu können.
Fazit: „Hagen“ ist handwerklich sehr starke High-Fantasy, die leider erzählerisch schwach ist und an der Last seiner Vorlage und anderen Adaptionen zerbricht.