Wendung
Über das Internet kennengelernt, geht es ganz schnell. Ich missachte ein Signal in mir, das mir funkt: „Warte noch etwas“. Es ist mir egal, ich bin völlig ausgehungert. Ich überlege, wann ich zum letzten Mal Sex hatte und bin unangenehm überrascht. „Scheiß drauf“, denke ich, „Das wird schon...“.
Als du vor mir stehst, ist dein allererster Satz: „Das ist nun die Realität.“ Mein allererster Gedanke dazu: „Oh Gott, ein Selbstwertthema!“ Eine Sirene geht in mir an, auch das Signal wird übergangen. Der Hunger ist einfach zu groß. Es war zu viel los in den vergangenen Jahren. Dein Küssen ist viel zu druckvoll; ich merke sofort, dass du ein Programm abspulst. „Naja, ein One Night Stand und dann ist er ja wieder weg“, rede ich mir ein. Was man sich alles selbst erzählen kann.
Das Programm wird konsequent abgearbeitet: ausziehen, hinlegen, das unangenehme Küssen, irgendwie an den Körpern herumfummeln. Die Erektion bleibt aus und auch ich merke, dass bei mir nichts passiert. Es geht alles viel zu schnell. Gedanken wie „Was tue ich hier?“ schleichen sich ein. Du versuchst krampfhaft, eine Erektion zu bekommen. Es wird immer unangenehmer. „Das wird schon!“ Als du dann auch noch versuchst, deinen Penis irgendwie in mich hineinzudrücken, ist der Tiefpunkt erreicht.
„Shit“, denke ich, „Wie werde ich ihn denn nun wieder los?!“ Ich spüre deinen enormen Druck. Ich merke, dass du dir unbedingt etwas beweisen möchtest. Da kommt nun noch Mitleid hinzu… Hektisch überlege ich, wie ich die Situation retten kann… Derart schlechten Sex hatte ich lange nicht. Ich fange an, mich über mich selbst zu ärgern.
Ich schaue dich an und sage dir ruhig, dass du dir keinen Druck machen musst. Manchmal klappt es, manchmal eben nicht. Grinsend füge ich hinzu, dass wir uns ja auch eigentlich gar nicht kennen. Du lachst und legst dich neben mich. Tief durchatmen, runterkommen.
Als ich erneut überlege, wie ich dich freundlich, aber direkt nach Hause schicke, passiert es und ich werde wohl nie verstehen, was in diesem Moment den Schalter umlegt: Der Druck deiner Hände ändert sich; plötzlich fühle ICH mich wirklich von DIR berührt! Fest, langsam, verlangend streicht deine Hand über meinen Nacken, Rücken, Po und zurück. „Huch, was ist das?!“, denke ich fast erschrocken. Von selbst entspannt sich mein Körper, von DIESEN Berührungen will ich mehr!
Arme, Bauch, Brüste, Hals, Gesicht… Plötzlich ist mir, als würdest du eine Melodie in meinem Körper spielen! Das kenne ich nicht und ich spüre, wie meine Lust zunimmt. Später wirst du mir erzählen, dass du Instrumente spielst. Mein Becken drückt sich an deines, der Frust ist verflogen. Als deine Hand vorsichtig meine Vulva berührt, bin auch ich endlich wieder bei mir. „Warte“, sage ich leise zu dir. Du hältst inne. „Leg deine ganze Hand auf sie und tue gar nichts. Sie will dich kennenlernen“, sage ich grinsend.
Es ist schön, deine warme Hand zu spüren und ich freue mich, dass du dich auf meinen Wunsch einlässt. Das sage ich dir auch. Du lächelst. Ich habe den Eindruck, dass mir deine Hände etwas erzählen wollen und lasse mich auf die Empfindungen ein. Du nimmst den Rhythmus meiner leichten Beckenbewegungen auf und streichelst sanft meine Lippen… Was für eine Wendung.
Du wirst mir am Ende unseres ersten Treffens erzählen, dass du schon länger glaubst, eine Erektionsstörung zu haben. Es wird sich rasch herausstellen, dass da keine Störung ist
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