Danke, das ist doch gleich mal ein gute Einstimmung auf den neuen KdM!
Und zum Überblick über Ravels Lebensdaten hier zur Abwechslung mal kein Wikipedia-Artikel (obwohl der tatsächlich in diesem Fall sehr detailliert und lesenswert ist), sondern aus dem Programmheft der Berliner Festwochen von 2018, sowie, ergänzend dazu, aus dem Deutschen Ärzteblatt(!).
Programm der Berliner Festwochen 2018:
Maurice Ravel
Aus heutiger Perspektive ist es kaum vorstellbar, dass der Komponist des „Boléro“ von „La Valse“ oder „Ma Mère l’Oye“ und vieler anderer bekannter Werke zwar erfolgreich – im Sinne von zahlreichen Aufführungen –, jedoch als Komponist nie unumstritten gewesen war. Nicht nur der unselige Vergleich mit Claude Debussy, den der Ravel-Kritiker P. Lalo in die Welt gesetzt hat und der sich in der Rezeption seines Werkes fortsetzt, hat nachhaltig die Wahrnehmung seines Werkes beeinflusst. Der große Erfolg, den seine Musik beim Publikum hatte, wurde nach 1945 als Indiz eines mangelnden kritischen Bewusstseins interpretiert. Dieser Vorbehalt und die Wahrnehmung seiner Musik als eine eher an der Oberfläche des Klanglichen arbeitende und weniger um Wahrheit ringende hat auch eine produktive Auseinandersetzung mit seiner Musik nach 1945 behindert.
Ravel, 1875 als ältester Sohn des Ingenieurs und Erfinders Pierre-Joseph Ravel und seiner aus dem Baskenland stammenden Frau Marie in Cibourne (Basses-Pyrénées) geboren, pflegte eine durchaus kritische, wenn nicht gar geringschätzige Haltung akademischen Normen und Musikinstitutionen gegenüber. Diese Haltung beeinflusste sein Studium am Pariser Konservatorium nachhaltig. So scheiterte er zum Beispiel mehrfach im Wettbewerb um den begehrten Rompreis, dessen Gewinn nicht selten eine Komponisten-Laufbahn befördern konnte. Die nonkonformistische Haltung, die Ravel an den Tag legte, entsprach einem Dandytums, das er Zeit seines Lebens aufrecht erhielt. Eine Fotografie von 1928 zeigt Ravel in distinguierter Pose in einem Lederfauteuil sitzen. Ihn kleidet ein feiner Anzug mit Weste, eine Seidenkrawatte und Einstecktuch zieren die insgesamt gepflegte Erscheinung. Dieser sich im Äußeren manifestierende Lebensstil korrelierte allerdings mit einer inneren Haltung. Dazu gehörte vor allem Unabhängigkeit vom Urteil anderer, auch ein distanzierter Umgangsstil.
Für die künstlerische Entwicklung Ravels waren vor allem Einflüsse und Erfahrungen außerhalb der Institution Konservatorium prägend. Dazu gehörten die persönliche Begegnungen mit Emmanuel Chabrier und Erik Satie, die intensive Beschäftigung mit der russischen Musik, die Entdeckung der Literatur Edgar Allan Poes, Charles Baudelaires, Joris-Karl Huysmans und Arthur Rimbauds und die Begeisterung für Maler wie Odilon Redon und Eduard Manet. Auch die Künstlergruppe „Les Apaches“ war für Ravel ein wichtiger, aus Malern, Musikern, Kritikern und Schriftstellern bestehender Zirkel, in dem er seine ästhetischen Vorstellungen der Diskussion aussetzen konnte.
Als Komponist trat Ravel ab 1898 dann zunehmend in die Öffentlichkeit. Die Resonanz auf seine Musik war gespalten. Nach ersten Misserfolgen, brachten erst die Uraufführung der Klavierwerke „Pavane pour une infante défunte“ und „Jeux d’eau“ 1902 erste Anerkennung, die Uraufführung seines Streichquartetts 1904 den Durchbruch. Bereits in diesen Werken realisierte er seine spezifische musikalische Poetik der Indirektheit und Brechung, die er durch neuartige Verfahren in der Komposition von Harmonik und Klangfarben und in der Orchestrierung erzielte, sowie durch die Auseinandersetzung mit vorhandenen Musiken und ihren Formmodellen, die er neuformulierte.
Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs entwickelte Ravel sein Œuvre kontinuierlich und differenzierte seine musikalische Sprache aus. Und 1908 erreichte er mit der „Rapsodie espagnole“ auch das große Publikum. Endgültig festigte sich Ravels neue musikalische Richtung in den Liedern „Histoires naturelles“ nach Gedichten von Jules Renard, die allerdings in ihrer Neuartigkeit bei der Uraufführung am 12. Januar 1907 einen ähnlichen Skandal provozierten wie ein Jahr zuvor Schönberg mit seiner Kammersinfonie und den Komponisten zur Gründung eines eigenen Forums für die Präsentation seiner und anderer zeitgenössischer Musik anregten, der Société Musicale Indépendante.
Die Kriegsjahre waren für Ravel in mehrfacher Hinsicht einschneidend. Sowohl die Kriegserlebnisse als auch der Tod seiner Mutter 1917 stürzten ihn in eine tiefe Krise, die ihn fast 3 Jahre am Komponieren hinderte. Doch als er diese Krise überwunden war und er ins Konzertleben zurückfand, hatte sich das Musikleben in Frankreich geändert. Ravel traf auf eine jüngere Komponistengeneration, die andere musikalische Haltungen und Ästhetiken verfolgte und für die seine antibürgerliche Haltung aus dem Geist des Dandytums nicht mehr nachvollziehbar war. Er widmet sich in den 20er Jahren seiner Karriere als Pianist und Dirigent und unternimmt ausgedehnte Konzerttourneen durch Europa und auch Amerika. Trotz großer körperlicher Anspannungen entstehen in dieser Zeit seine bis heute erfolgreichen Werke wie der „Boléro“, „L’Enfant et les sortilèges“, das Konzert für die linke Hand, die „Chansons madécasses“. Bereits während dieser Zeit machte sich ein körperliches Leiden bemerkbar, das 1932 mach einem Autounfall verstärkt hervortritt. Ravel leidet an den Symptomen von Ataxie und Aphasie und dies hindert ihn zunehmend daran zu komponieren, zu reisen oder gar das Haus zu verlassen. Ravel stirbt 1937.
Dr. med. habil. Klaus Janowski, Deutsches Ärzteblatt Dtsch Arztebl 2007; 104(27): A-2002 / B-1768 / C-1704
Am Morgen des 28. Dezember 1937 schlief Maurice Ravel nach längerer Krankheit ohne Schmerzen ein. Ravel litt an der Pick-Krankheit. Arnold Pick (Prag) beschrieb erstmals 1892 eine spezielle degenerative Hirnerkrankung mit umschriebener Atrophie im Frontal- und/oder Temporallappen sowie Beteiligung sowohl der grauen als auch der weißen Substanz, daher auch die Bezeichnung lobuläre Sklerose. ...
Ravel beobachtete an sich seit 1918 eine zunehmende Schlaflosigkeit, ein vorzeitiges Ergrauen der Haare und seit 1927 apraktische Störungen mit Aphasie, Alexie und Agrafie. Anfang der 30er-Jahre traten Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit und Depression hinzu. In den letzten Jahren kam es zunehmend zu einer Sprachverarmung. Er verlor also ganz langsam seine Fähigkeit, zu sprechen und Klavier zu spielen. Der französische Neurologe François Boller beschrieb es so: „Er verlor nicht die Fähigkeit, Musik zu komponieren, sondern er verlor die Fähigkeit, sie auszudrücken.“
Maurice Ravel, geboren am 7. März 1875, war der Sohn des Ingenieurs Joseph Ravel, einem Pionier des Automobilbaus. Mit seinem Bruder Edouard wuchs er in gesicherten Verhältnissen auf. Mit 14 Jahren besuchte er das Pariser Konservatorium. In der Kompositionsklasse war sein Lehrer Gabriel Fauré. Fauré ließ keine Gelegenheit aus, ihn ständig zu ermutigen und zu fördern. Ravel galt als „sehr begabt, fleißig und sehr intelligent“. 1905 verließ er das Konservatorium. Es folgte eine schöpferische Phase mit solch bedeutenden Werken wie „Rapsodie espagnole“, „Ma Mère l'Oye“ („Meine Mutter, die Gans“), „Daphnis et Chloé“ und die „Sonatine“. Mit 33 Jahren befand er sich bereits auf dem Zenit seiner Karriere als Meister origineller Orchestermusik. Er begann als Impressionist, ging durch die Spätromantik und gelangte in eine Art von Neoklassik. Von Anfang an hatte Ravel einen individuellen Stil gepflegt, den er während seiner Schaffensjahre wenig veränderte. Seine wohl berühmteste Komposition von 1928 ist der „Boléro“. Diese Ballettpartitur hatte einen kometenhaften Aufstieg zu einer Popularität, die in der klassischen Musik selten zu finden ist.
Trotz aller Erfolge bereitete ihm sein Gesundheitszustand wachsende Sorge. Er fühlte sich von Tag zu Tag müder und verbrachte die Nächte ohne Schlaf. In der Phase zwischen Hoffnung und Mutlosigkeit erhält Ravel 1929/1930 den Auftrag des Wiener Pianisten Paul Wittgenstein (der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hat) für ein Konzert für die linke Hand, und er nimmt an. Parallel entstand noch ein anderes Klavierkonzert in G-Dur. Mitte 1933 bereitete es Ravel unerklärliche Mühe, zu schreiben und zu unterzeichnen. Manche Gebärden, manche Worte gehorchten nicht mehr ganz seinem Willen. Ravel beklagte sich selbst darüber, „im Nebel zu leben“. Da der Zustand Ravels sich weiter verschlechterte, brachte man ihn mit dem Verdacht einer Hydrozephalie mit zunehmender Hirndrucksymptomatik zu dem Hirnchirurgen C. Vincent. Am 19. Dezember 1937 öffnete Vincent den Schädel. Einen Gehirntumor fand er nicht; die linke Gehirnhälfte war in ihrer Kammer zusammengefallen. Eine Woche nach der Operation fiel Ravel sanft in Agonie und starb am 28. Dezember.
Außerdem habe ich erneut ein gut geschriebenes Manuskript zu einer 5-teiligen Musikfeuilletonsendung des SWR2 über Ravel entdeckt. Es wurde diesmal verfasst von Stephan Hoffmann, und ich werde es im Verlauf des Monats wieder in Häppchenform hier einstellen, wenn's Euch recht ist. Stephan M. Hoffmann, tätig als Dirigent und Sänger, hat einen Lehrauftrag für Dirigieren an der Musikhochschule Karlsruhe und unterrichtet am Hilda-Gymnasium Pforzheim. Er hat bei Professor Kern an der Musikhochschule Karlsruhe Gesang studiert und eine Ausbildung in funktionaler Stimmbildung.