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KOMPONIST des Monats, X. Teil

*******sima Frau
2.540 Beiträge
Ravel - ganz schön jazzig!
Ravel interessierte sich sehr für den amerikanischen Jazz (vgl. Manuskriptauszug 14: KLASSIK: KOMPONIST des Monats, X. Teil) und verarbeitete dessen Harmonien, Rhythmen und Melodieführungen nach seiner Rückkehr aus den USA bewußt auch in seinen eigenen Werken.

Dass die musikalische Befruchtung auch in umgekehrter Richtung funktioniert, davon zeugt eine CD des katalanischen Pianisten Marco Mezquida, mit dem Titel "Ravels Dreams". Begleitet von Martin Mélendez am Cello und Aleix Tobias an Schlagzeug und Perkussion, wirbelt sich Mezquida durch eine Sammlung der bekannteren Werke des französischen Komponisten. Man muss nicht in Ravels Musik bewandert sein, um beim Zuhören immer wieder Melodiepassagen zu erkennen, so eingängig und bekannt sind viele von Ravels Werken. Es ist eine spannende Symbiose von Melodien, Stilen, Rhythmen und Farben, welche einem da vorgeführt wird.

Unter der Überschrift
"Ravel auf Jazz - Der Pianist Marco Mezquida interpretiert in der Romanshorner Reihe «klangreich» ein Programm bestehend ausschliesslich aus Werken Maurice Ravels. Ein Abend voll jazz-induzierter klassischer Musik."
findet sich unter dem folgenden Link (https://www.thurgaukultur.ch/magazin/ravel-auf-jazz-4022) eine lesenswerte Konzertkritik vom Mai 2019 im schweizerischen Romanshorn am Bodensee, sowie ein kurzes Video, das ich hier einstelle, um einen ersten Eindruck davon zu vermitteln. Des weiteren findet sich ganz am Ende des Artikels in den Kommentaren zu diesem Video folgender ergänzender Hinweis:
...June 10, 2019
...und das Schönste: Auf klangreich.ch/els-somnis-de-ravel-237.html lässt sich nun die integrale zweite Hälfte des Konzertes mit Marco Mezquida, Martin Melendez und Aleix Tobias nachhören, inklusive "Bolero de Maurice"

Hört dort auch mal rein. Mir gefällt vieles davon sehr gut!

Eine Besprechung der CD "Ravels Dreams" im St. Galler Tagblatt vom 10.5.2019 macht ebenfalls neugierig:

Jazz vom Feinsten: Ein Spanier träumt sich in Ravels Welt hinein

Martin Preisser,10.5.2019.

In Maurice Ravels Musik steckt Jazz. Wie viel, wie viel schöner und wie viel geheimnisvoller Jazz drinsteckt? Pianist Marco Mezquida aus Barcelona zeigt es mit seiner wundervollen Einspielung «Ravel’s dreams». Es sind nicht nur die Ahnungen von Ravels Träumen, die da einzigartig schön ausgelebt werden, sondern es sind vor allem Träume über Ravels Musik, die den Hörer in Bann ziehen.

Die einzige Liebesaffäre, die er gehabt habe, sei die mit der Musik gewesen, hat Ravel selbst einmal gesagt. Im Album «Ravel’s dreams» spürt man das in jedem Takt. Wie Minimal Music, leicht flockig, lässt es Marco Mezquida mit Perkussionist Aleix Tobias und Cellist Martin Meléndez im «Tombeau de Couperin» angehen. Die drei peppen Ravel nicht künstlich mit Jazz auf, sondern spüren dem Jazzigen nach, feinsinnig, faszinierend verästelt, voll eleganter Klangsinnlichkeit.

In diesen Ravel-Träumen hat auch das Experimentelle seinen –immer sinnvollen –Platz. Etwa in der Bearbeitung des Streichquartetts, das da perkussiv tönt, wo man es nicht erwartet, und das trotz Clustern und Klangballungen die Architektur des originalen Streicherklangs stets im Hintergrund mitgrooven lässt. Und manchmal ist Mezquida richtig frech, wenn er etwa die romantisch-nachsinnende «Pavane» fast boleroartig beginnen lässt. Feingefühl, Fantasie und Respekt vor der Vorlage Ravels prägen den Klang dieses speziellen Albums.

Träumen über Ravel, da darf natürlich der berühmte«Bolero» nicht fehlen. Das Trio steigert das rhythmische Grundmotiv nicht wie im Original, sondern startet mit einer atonalen Tonreihe und dann mit einem wuchtigen Klang-Hexenkessel. Ja, diese fast freejazzartige Bearbeitung tönt irgendwie melodischer als das Original.

Maurice Ravels zweiter Satz aus seinem G-Dur-Klavierkonzert gehört zu den ganz grossen Träumen in der Musikgeschichte. «Dieser fliessende Ausdruck! Wie ich ihn Takt für Takt überarbeitet habe! Er brachte mich beinahe ins Grab», schrieb Ravel selbst über den langen Kompositionsprozess. Nochmals eine riesige Liebeserklärung ist das, was das Mezquida-Trio hier abgibt. Diese CD ist etwas ganz Besonderes...

Hier aber erst einmal das oben angekündigte Video der Zugabe aus dem erwähnten Live-Konzert. Titel: Marco Mezquida - Ravel’s dreams - Valses nobles et sentimentales

*********vibus Mann
1.019 Beiträge
Mussorgsky/Ravel: Bilder einer Ausstellung
@*******sima hat schon schöne Beispiele für Ravels Instrumentierungen von Klavierwerken gegeben. Die Berühmteste und am häufigsten Aufgeführte, Ravels Version der „Schilder einer Baustelle“, zeigt meines Erachtens besonders eindrucksvoll Ravels Meisterschaft. (Wer Zweifel hat, höre sich zum Vergleich die blasse Instrumentierung an, die Mussorgskys Kollege Rimski-Korsakov verfasst hat.)
Drei Beispiele:

1. Samuel Goldenberg und Schmuyle
Indem er im Mittelteil die Oberstimme der gestopften Trompete anvertraut, erzeugt Ravel bei mir das Bild eines armen Juden, der mit Fistelstimme um Almosen bettelt. Der Gegensatz zu dem sonoren Klang der tiefen Streicher, der den reichen jüdischen Kaufmann charakterisiert, ist vortrefflich „inszeniert“.




2. Das Ballett der Küchlein auf ihren Eierschalen
Dieses Bild ist auch in der Klavierversion schon wunderbar vertont. Die Instrumentierung als Bläsersatz schärft dieses Profil noch.




3. Das große Tor von Kiew
Das letzte Bild wird in der Ravelfassung zum „Steigerungslauf“, der schon ahnen lässt, was Ravel wenige Jahre später im Bolero perfektioniert hat, nämlich die (endlose) Wiederholung eines Themas durch Steigerungs- und Instrumentierungskunst nicht nur erträglich, sondern spannend und mitreißend zu machen. Leider gilt für beide Werke, dass die Ravelschen Raffinessen in der „Konserve“ nur schwaches Abbild eines Live-Erlebnisses sein können. Wenn am Schluss des Bolero die Posaunen loslegen oder beim „Großen Tor von Kiew“ das volle Schlagwerk einsetzt, reißt es einen im Konzert quasi von den Sitzen.
Klangbeispiele erspare ich mir/Euch. Sie hat Tantrissima KLASSIK: KOMPONIST des Monats, X. Teil schon zur Verfügung gestellt.

(Die Videos, die YouTube anbietet, sind leider nicht die überzeugendsten Interpretationen. Aber ich hoffe, sie genügen zu untermalen, was ich meine.)
****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
Im April sind u. a. folgende Komponisten geboren:
Günther Becker 1.4.1924,
Julius Bittner 9.4.1874,
Leo Blech 21.4.1871,
Ferruccio Busoni 1.4.1866,
Luigi Cherubini 24.4.1760,
Karl von Feilitzsch 2.4.1901,
Vincenzo Galilei 3.4.1520,
Carlo Coccia 14.4.1782,
Edisson Wassiljewitsch Denissow 6.4.1929,
Jean Guillou 18.4.1930,
Rudolf Kattnigg 9.4.1895,
Franz Lachner 2.4.1803,
Josef Lanner 12.4.1801,
Louise Adolpha Le Beau 23.4.1850,
Isidore Legouix 1.4.1834,
Teodulo Mabellini 2.4.1817,
Siegfried Matthus 13.4.1934,
Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski 20.4.1881,
Matthias Georg Monn 9.4.1717,
Nicolas Nabokov 4./17.4.1903,
Mathieu Neumann 14.4.1867,
Louis Niedermeyer 27.4.1802,
Klaus Obermayer 20.4.1943,
Pietro Platania 5.4.1828,
Günter Raphael 30.4.1903,
Albert Roussel 5.4.1869,
Alessandro Stadella 3.4.1639,
Franz von Suppé 18.4.1819,
Jan Pieterszoon Sweelinck April 1562,
Germaine Tailleferre 19.4.1892,
Giuseppe Tartini 8.4.1692,
Heinrich Ferdinand Thieriot 7.4,1838,
Giuseppe Torelli 22.4.1658,
Werner Otto Trenkner 30.4.1902,
Peteris Vasks 16.4.1946,
Robert Volkmann 6.4.1815,
Ernst Widmer 25.4.1927,
Winfried Zillig 1.4.1905
****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
Wer will abstimmen ? *freu*
*********vibus Mann
1.019 Beiträge
Ich! Und zwar für Ferruccio Busoni.
********ador Mann
49 Beiträge
Busoni
****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
2 Stimmen für Ferruccio Busoni :

DoronCazador
plusquamavibus
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Ich stimme für Sweelinck.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Ich stimme für

Giuseppe Torelli
*****der Mann
6.987 Beiträge
Busoni könnte interessant werden
*******ltra Mann
1.393 Beiträge
Peteris Vasks
****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
3 Stimmen für Ferruccio Busoni :

DoronCazador
plusquamavibus
ludere_linguae

1 Stimme für Peteris Vasks:
john_coltra

1 Stimme für Giuseppe Torelli:
luccio

1 Stimme für Sweelinck:
tantrissima
*******uck Mann
138 Beiträge
Uups, bin etwas spät dran, aber Busoni finde ich auch interessant.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Ferruccio Busoni
Die Impulse, die von dem Komponisten, Schriftsteller und Pädagogen Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni (1866–1924) ausgingen, haben zweifellos die Kompositionsgeschichte, und in besonderem Maße die Musikästhetik des 20. Jahrhunderts geprägt. Als gefragter Klaviervirtuose, Komponist und Bearbeiter, Herausgeber und Dirigent zählt er zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten seiner Epoche. Neben Komponisten wie Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Béla Bartók, Igor Strawinsky gilt er als Wegbereiter der neuen Musik.

Durch die frühmusikalische Erziehung im Elternhaus gefördert, begann Busonis Karriere als Pianist bereits 1873. Der Weg führte ihn zunächst nach Wien, wo er mit einflussreichen Persönlichkeiten wie u.a. Anton Rubinstein, Franz Liszt, Eduard Hanslick, Baronin Sophie Todesco zusammentraf, die den außergewöhnlich begabten Jungen unterstützten und förderten.

Kompositionsstudien bei Wilhelm Mayer führten Busoni nach Graz und nach zahlreichen triumphalen Konzertreisen wurde er 1881 Mitglied der Reale Accademia Filarmonica Bologna. Es folgten Lehrtätigkeiten in Helsinki, Moskau und Boston. Im Jahr 1894 übersiedelte Busoni nach Berlin, wo er als Dirigent und Initiator zur Förderung des zeitgenössischen Musikschaffens („Berliner Konzertabende“ 1902–1909) beitrug. In Berlin blieb er bis zu seinem Tode 1924, abgesehen von einer fünfjährigen Züricher Episode während des Ersten Weltkrieges. 1920 folgte er dem Ruf an die Akademie der Künste zu Berlin und leitete hier die Meisterklasse in der Fachrichtung Komposition.

Während man dem Klaviervirtuosen Busoni eine internationale Anerkennung entgegenbrachte, blieb ihm diese jedoch als Komponist in weiten Teilen versagt. Besonders in seinen zahlreichen Bearbeitungen zeigt sich der Weg Busonis über die Aneignung und späteren kritischen Auseinandersetzungen mit dem traditionellen Erbe. Als Ergebnis von „langen und langsam gereiften Überzeugungen“ veröffentlichte er im Jahr 1907 seinen „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“, in dem er den Lösungsansatz entwickelte, dass die in einer von Konventionen befreiten Musik als Ausgangspunkt einer fortschreitenden Entwicklung zum „abstrakten Klang“ zu sehen sei. Damit begann seine Hinwendung zur Atonalität. Seine Experimentierfreude gipfelte schließlich in dem Konstruktionsplan zum Bau eines Drittelharmoniums sowie dem Vorschlag, die Drittel- und Sechsteltönen einzuführen, und scheiterte zugleich an der komplizierten Spieltechnik des Instrumentariums und einer nicht zu realisierenden Bauweise des Instruments.

Busonis Œuvre umfasst mehr als 300 Kompositionen, wobei die Klavierkompositionen und -bearbeitungen einen hohen Stellenwert dabei einnehmen. Sein herausragendstes und zugleich am häufigsten gespieltes Werk ist die „Fantasia contrappuntistica“ (1910), wovon mehrere Fassungen heute in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt werden. Zwei seiner insgesamt vier Opern – „Die Brautwahl“ (1912) und „Doktor Faust“ (1924/25, vervollständigt von Philipp Jarnach) – erweckten in letzter Zeit besonderes Interesse durch Aufführungen an Opernhäusern wie u.a. in Salzburg, München und Berlin. Obwohl die Rezeption von Busonis Werken kontinuierlich zugenommen hat, steht die Erforschung seines Einflusses auf die neuere Musik- und Kompositionsgeschichte noch aus.

Stand: Juni 2017, Quelle: Programm der Berliner Festwochen 2017

*******sima Frau
2.540 Beiträge
Ferruccio Busoni - Ein Bewahrer und Aufrührer
Ferruccio Busoni ist einer der großen Unbekannten des frühen 20. Jahrhunderts. Er hat als Komponist und Pianist seinen ganz eigenen Weg eingeschlagen – am besten nachhörbar in seinem grüblerischen Hauptwerk, der Oper „Doktor Faust“. Vor 90 Jahren ist er gestorben.

Von Wolfgang Schreiber

Der Artikel aus dem Jahr 2014 ist nachzulesen unter

https://www.deutschlandfunk. … .html?dram:article_id=349839
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Und Busoni zum Dritten....
...und zwar erneut mit einem Manuskript der SWR2 Musikstundenreihe vom 26.-30.9.2016, das ich im Verlauf des Monats April hier einstellen bzw. jeweils passagenweise daraus zitieren werde. Diesmal ist der Autor Reinhard Ermen.

Reinhard Ermen, 1954 in Moers am Niederrhein geboren, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln. Er arbeitete als Dramaturg bei den Städtischen Bühnen in Essen und Oberhausen. Promotion 1986 mit einer Arbeit über den Polemiker Hans Pfitzner. Anschließend war er Sachbuchlektor beim Bärenreiterverlag in Kassel, von 1992 bis 2019 war er Musikredakteur beim Kulturprogramm SWR2. Für «rowohlts monographien» schrieb er die Bände über Ferruccio Busoni (rm 50483, 1996) und Joseph Beuys (rm 50623, 2007). Daneben widmet er sich intensiv der Gegenwartskunst. Er ist ständiger Mitarbeiter beim «Kunstforum International» und Autor diverser Katalogbeiträge und Künstlerporträts.

Ich fange auch gleich damit an.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Manuskriptauszug (1)
Am Mikrophon ist Reinhard Ermen. - Vor 150 Jahren wurde Ferruccio Busoni geboren. Der Stichtag, der 1. April, liegt schon einige Monate zurück. Für die SWR2 Musikstunde ist das der Anlass, diesen wahrhaft universalen Musiker, der so richtig in keine Schublade passen will, vorzustellen. Und solche Künstler sind doch die Spannendsten.

Hauptberuflich, wenn dieser bürgerliche Terminus hier überhaupt geht, war er Pianist, und als solcher einer der berühmtesten seiner Zeit. Trotzdem misstraute er dem Klavierspiel, er wollte mehr sein, als nur ein reproduzierender Künstler. Er komponierte, natürlich auch für das Klavier, aber sein Werk ist weitläufig und umfassend. Er hat darüber hinaus versucht, die Musik weiterzudenken; im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Werk gehören zahlreiche Texte, doch einen Theoretiker, wie etwa Wagner einer war, möchte ich ihn nicht nennen. Möglicherweise hat er den Zweifel, an dem was bislang gültig war und ist zu einer produktiven Kategorie seines Schaffens gemacht. Ferruccio Busoni bewegte sich zwischen den Stühlen, die Tatsache, dass er Kind einer deutschstämmigen Mutter und eines italienischen Vaters war, kommt noch hinzu. Um es etwas klischeehaft zu sagen: Er versuchte das zu vermitteln, den deutschen Tiefsinn und die italienische Lust am Leben. Der Mann erscheint mir heute fast wie eine Romanfigur, in der sich Kunst und Künstlertum seiner Epoche symbolhaft spiegeln. Doch entscheidend ist letztlich das, was klingt. Seine Musik gehört zum Bedeutendsten, was die Zeit zu bieten hat. Deshalb diese Musikstunden. Der Zweifel spielt mit. Hinter jedem Kapitel steht also ein Fragezeichen. Heute: Pianist wider Willen?

Beginnen möchte ich mit Busonis Toccata K.287, einem Spätwerk von 1920:
„Busonis dreiteilige Toccata wendet sich an einen furchtlosen Virtuosen“ sagt Alfred Brendel über dieses Stück, „an einen furchtlosen Virtuosen mit überaus langen Fingern und Armen, die sich einmal fast bis an den äußeren Rand der Klaviatur überkreuzen müssen. Das eisige, neoklassizistische Feuer des Präludiums in der unwirtlichen Tonart as-moll schmilzt in der Fantasia zu Reminiszenzen aus dem Geiste César Francks. Über dem Anfang des Werks begrüßt den Spieler als Motto ein Satz Frescobaldis: ‚Nicht ohne Schwierigkeiten erreicht man sein Ziel‘. Es sind Schwierigkeiten, die in der Klavierliteratur ihresgleichen suchen.“ Soweit Alfred Brendel, der jetzt mit dem Präludium aus der Toccata in einem Wiener Live-Mitschnitt von 1979 zu hören ist, der anscheinend nur auf einer Langspielplatte überliefert ist.



Der Pianist Busoni zeigt in diesem Spätwerk von 1920 was er kann, er demonstriert aber auch, wo die Virtuosität aufhört. In die Toccata ist auch ein Bekenntnis zum eigenen Werk eingeschrieben. Im „Preludio“ verarbeitet er ein Zitat aus der Oper „Die Brautwahl“. Im zweiten Absatz, der „Fantasia“ taucht ein Thema aus dem Hauptwerk „Doktor Faust“ auf; nicht weil Busoni sich hier selber zitieren will, sondern eher weil ihn das Stück gerade beschäftigt und weil er sowieso der Meinung ist, dass eine Musik für die Oper auch Musik an sich sein darf und deshalb überall wohnen kann. Das Motto Frescobaldis, meint die ungeheuren Anforderungen an das technische Vermögen der „furchtlosen Virtuosen“ genauso wie den eigenen Weg. Der Komponist reflektiert sein Metier, der Pianist zieht daraus gleich die Konsequenzen.

Am Ostersonntag, den 1. April 1866 wurde Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni in Empoli bei Florenz geboren. Die Mutter Anna Weiß war eine respektable Gelegenheitspianistin, der Vater ein Klarinettenvirtuose. Der umtriebige Musikant Ferdinando, den es nie lange irgendwo hielt, hatte die Tochter aus einer deutschstämmigen Familie bei einem Auftritt in Triest kennengelernt und gleichsam im Sturm erobert und bald auch geheiratet. Busoni hat das unstete Leben des Virtuosen mit seiner Gattin und ‚Begleiterin‘ in einer autobiographische Skizze sehr anschaulich beschrieben. Das Kind wuchs zunächst in Triest beim Großvater auf. Die musikalische Begabung wurde bald bemerkt. Die Mutter unterrichtete ihn im Klavierspiel, Vater Ferdinando war unterwegs. Gefragt, wann er selbst das erste Mal auf dem Podium gewesen sei, sagte Ferruccio Busoni schon mal: „Acht Tage vor meiner Geburt.“ Der Fama nach soll bei diesem Konzert der hochschwangeren Mama in Rom Franz Liszt anwesend gewesen sein.

Man hat mittlerweile herausgefunden, dass Liszts Anwesenheit zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Vielleicht hat die transzendentale Begegnung mit dem Ungeborenen einige Wochen früher stattgefunden. Das ist nicht so wichtig, aber in der Anekdote steckt eine geradezu schicksalhafte Vorbestimmung zur Musik, insbesondere der von Liszt. Als der Vater 1873 wieder in Triest auftauchte, übernimmt er postwendend die musikalische Erziehung seines Sohnes. Das Debut des kleinen Ferruccio fand am 24 November 1873 im Schiller-Verein in Triest statt. Der Siebenjährige spielte zwei Stücke aus dem „Album für die Jugend“, den ersten Satz aus Mozarts C-dur Sonate und eine Sonatine von Clementi.

Eigene Kompositionen standen noch nicht auf dem Programm, doch mit sieben Jahren fing das Kind an zu komponieren.
********ador Mann
49 Beiträge
Ich habe die Beiträge zu Busoni hier alle gelesen und gehört. Und werde das weiter tun! Da ich nicht jedesmal auf "Danke" klicken will um einen Sturm von entsprechenden Nachrichten zu vermeiden an dieser Stelle für alles was hier gepostet worden ist und gepostet werden wird ein riesiges:
*********vibus Mann
1.019 Beiträge
Zitat von ********ador:
Ich habe die Beiträge zu Busoni hier alle gelesen und gehört. Und werde das weiter tun! Da ich nicht jedesmal auf "Danke" klicken will um einen Sturm von entsprechenden Nachrichten zu vermeiden an dieser Stelle für alles was hier gepostet worden ist und gepostet werden wird ein riesiges:
Ich kann mich da nur anschließen!
********ador Mann
49 Beiträge
Spiegel Artikel von 1967 (!) über Busoni.

https://www.spiegel.de/kultu … -0002-0001-0000-000046196155


Sklave der Triebe

Er galt als der größte Pianist seiner Zeit. Er wurde in Kanada und auf Norderney, in San Francisco, Weimar und Petersburg, in Moskau, London, Paris, Rom und New York umjubelt, doch sein legendärer Virtuosen-Ruhm ließ ihn kalt.

Denn Ferruccio Busoni, der Wahl-Berliner aus der Toscana, hatte als Komponist weit Gewichtigeres, Besseres zu bieten -- aber dafür wiederum konnte sich kein Publikum erwärmen. Seine Musik schien den Konservativen zu modern, den Modernen zu konservativ.

Sie klang vor allem in einer Zeit, als der düster-berauschende Verismo Mascagnis und Leoncavallos, als die süßen, erotischen, ekstatischen Musiken eines Richard Strauss und Gustav Mahler besonders mächtig durch Europa wogten, allzu streng und kühl und distanziert. »Man hat es fertiggebracht«, klagte Busoni, »mir die Etikette anzukleben des Mannes von Intellekt ohne Seele.« Das Etikett blieb haften.
Es haftet ihm noch heute an, 43 Jahre nach seinem Tod. Zwar werden -- neuerdings seine »Sonatina seconda«, »Berceuse élégiaque« und »Fantasia contrappuntistica«, sein monumentales Konzert für Klavier, Orchester und Männerchor, seine Opern »Arlecchino«, »Turandot«, »Die Brautwahl« und »Doktor Faust« in den Konzertsälen und Opernhäusern, in Rundfunk und Fernsehen allmählich wiederentdeckt. Für die sonst so entdeckungsfreudige Schallplattenindustrie jedoch ist Busoni noch immer ein toter Mann mit: toten Noten.

Der Musikschriftsteller Hans Heinz Stuckenschmidt, der den Meister seit langem als einen »Europäer von Goetheschem Geistesmaß« rühmt, weiß auch, warum das so ist. In einer Busoni-Biographie, die er im letzten Monat herausbrachte, macht er den Mangel an »europäischem Denken und Fühlen« für soviel Mißachtung verantwortlich: »Wenn Busonis Musik weiterhin unverstanden bleibt, obwohl sie in ihrer Sprache nicht annähernd so esoterisch ist wie viele andere Richtungen der Musik nach 1900, so liegt die Ursache zweifellos in ihrer übernationalen Haltung. Sie ist den Italienern zu deutsch, den Deutschen zu italienisch.«

Oder, anders gesagt: Busoni, der Mann mit den zwei Vaterländern, ein »Romane von großer Courtoisie und eigentümlicher Eleganz« (Stuckenschmidt), aber auch ein ironischer Deutscher und formstrenger Tonkünstler nach Bachscher Art, ging und geht seinen zis- und transalpinen Landsleuten, für deren deutsche Sentimentalität und italienischen Überschwang er viel Gelächter übrig hatte, gegen den Strich.

Diese zwiespältige Haltung war dem 1866 in Empoli bei Florenz geborenen Ferruccio Dante Michelangiolo Benvenuto Busoni schon in seiner Kindheit vertraut. Mutter Anna Weiß war eine Pianistin deutsch-italienischer Herkunft aus dem damals österreichischen Triest, Vater Ferdinando ein garibaldibärtiger italienischer Klarinetten-Virtuose, ein »Verehrer des Belcanto« (Busoni), der seinen Sohn mit vielen Ohrfeigen zum Studium Johann Sebastian Bachs anhielt -- er erzog ihn dazu, so Busoni, »ein »deutscher« Musiker zu sein«.

Mit sieben gab das Wunderkind in Triest sein erstes Konzert, mit neun trat es in Wien als Komponist und Improvisator auf und ließ sich als »Däumling unter den Pianisten« (so ein zeitgenössischer Kritiker) bestaunen. »Selten«, erläutert Stuckenschmidt, »ist wohl nach Mozart, Beethoven und. Liszt einem Musiker im kindlichen Alter seine schöpferische und nachschöpferische Begabung so voll Autorität bestätigt worden wie hier.«

Und weitere übernationale Bestätigungen folgten. Bevor sich der 28jährige Busoni 1894 mit seiner schwedischen Ehefrau Gerda im kaiserlichen Berlin zu festem Wohnsitz niederließ, hatte er bereits als Professor an den Konservatorien im finnischen Helsingfors, in Moskau und im amerikanischen Boston gelehrt.

Als Virtuose am Klavier (Busoni: »Ich spiele fast gar nicht mehr mit den Händen") war er gefeiert wie einst sein Vorbild Franz Liszt, allerdings war er, laut Stuckenschmidt, nie populär: »Der Zauber, den er auf sein Publikum ausübte, hatte etwas Hypnotisches, aber nichts, wofür der Durchschnittshörer sich erwärmen konnte.«

»Sein Auftreten«, illustrierte ein Mailänder Kritiker, »interessierte vor allem die Damen, die offenbar Gefallen fanden an seinem Nazarenergesicht, dem lang flutenden Haar, den begeisterten Augen, die ihm sofort den Namen »Lohengrin mit der weißen Krawatte« eintrugen.«

Doch das »Clavierüben« ("Es ist wie ein Tier, dem die Köpfe nachwachsen, möge man noch so viele abhauen"), seine Triumphe, das ganze Virtuosen-Dasein war ihm gründlich zuwider. Er wußte: »Des Publikums Verhältnis zum Künstler beruht seit jeher auf einem wohlwollenden Mißverständnis.
1910 ging der »geniale und exzentrische Mann« (Stuckenschmidt), »sehr gepflegt, sehr verwöhnt, emporgehoben durch den Beifall einer Welt« (so der Romancier Jakob Wassermann), sogar »ernstlich mit dem Gedanken um, mein Finger- und Handwerk im Stich zu lassen«.

Mit Eifer widmete er sich dafür der Bearbeitung und Transkription Bachscher Werke und der Suche nach der neuen Musik, nach »dem abstrakten Klang, der ungehemmten Technik, der Grenzenlosigkeit des Tons« (Stuckenschmidt).

Busoni experimentierte nach der Jahrhundertwende ähnlich wie seine neuerungsbegierigen Zeit- und Zunftgenossen. Er wollte »das Unbekannte«, eine visionäre Zukunftsmusik, und gelangte mit einer modernen Polyphonie und gewagter Harmonik bis an die Grenzen der Zwölftönigkeit -- so in der »Kontrapunktischen Fantasie« über Bachs unvollendete »Kunst der Fuge« (1910), so in seinen Spuk-Opern »Die Brautwahl« nach E. T. A. Hoffmann und »Doktor Faust«, die bereits tonartfreie Bauelemente enthalten, wie sie später erst Ives, Berg und Hindemith anwandten.

Den Zwölfton -- Expressionismus Schönbergs hat Busoni dennoch immer mit Skepsis betrachtet. Er erschien ihm als »Sackgasse«, als »Hysterie Für Radikalismus war Busoni ohnehin sowenig zu haben wie für Stimmungsmusik und erotische Emotionen. Der lateinische »Homme à femmes«, der »kein Organ für das Spießerglück der Entsagung« hatte (Stuckenschmidt), schätzte als Komponist nur die kühlen Ekstasen, die klassische Beherrschtheit, die »aristokratische Distanzierung des Ausdrucks«.
»Mit Freiheit der Form«, belehrte er, »meine ich nie Formlosigkeit« mit Einheit der Tonart nicht eine unlogische und ziellose Kreuz- und Querharmonik« mit Recht der Individualität keine vorlaute Äußerung irgendeines Stümpers.« Was Busoni propagierte, war eine »junge Klassizität« die das Alte im Neuen bewahren sollte. Stuckenschmidt: »Die besten Qualitäten dessen, was in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg als neoklassizistische Musik auftrat, sind hier vorweggenommen.«

Busoni, »in vielen raffinierten Kulturen zu Hause« (Stuckenschmidt), hat seine Lehren in etlichen Essays, Vorreden und Nachworten verkündet. Doch er schrieb auch anderes -- Libretti, »Gedanken über den Ausdruck in der Architektur«, einen Essay über »Das Klaviergenie«, einen ironischen Aufsatz über die Sinnenwelt der Blinden, einen weiteren über Sinn und Form von Zigarrenkisten.

Sein -- Rainer Maria Rilke gewidmeter -- »Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst«, der nach Nietzsches Vorbild eine Umwertung aller Werte in der Musik forderte, erschien im Weltkriegsjahr 1916 im Leipziger Insel-Verlag und erregte den Zorn des deutschen Patrioten und Tonsetzers Hans Pfitzner -- in einem Pamphlet beschimpfte er die Ästhetik des Kollegen als »Futuristengefahr«. Denn schließlich war der Berliner Busoni noch immer italienischer Staatsbürger und somit ein feindlicher Ausländer, der während des Krieges im neutralen Zürich Asyl hatte suchen müssen.

Busoni, in ganz Europa als Lehrer geschätzt, kehrte 1919 nach Berlin zurück und übernahm eine Meisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste -- Schüler Kurt Weill verehrte ihn als »geistigen Europäer der Zukunft«.

Seine letzte Wohnung am Viktoria-Luise-Platz, im fünften Stockwerk gelegen, beherbergte eine Bibliothek von 5000 Büchern, darunter 53 E. T. A. Hoffmann- und 176 Cervantes-Bänden. Ein Fahrstuhl, eigens installiert, führte in eine Trinkstube im Parterre. Ohne Weib, Wein und Zigarre mochte Busoni nicht leben, auch dann nicht, als ihm ein Arzt -- es war der erste, den er nach 30 Jahren konsultierte -- Nikotin und Alkohol strikt verbot.

»Als ich ihn im Dezember 1922 zum letztenmal sah«, berichtet sein Freund Jakob Wassermann, »war er sechsundfünfzig Jahre alt und ein Greis; das edle Gesicht zerwühlt, der Mund merklich verpreßt, die wunderbar gebaute Stirn von schneeweißem Haar gekrönt, angerührt von der Todeskrankheit bereits.«
Busoni, »End-Phänomen einer Epoche, Anfangsgestalt einer neuen« (Wassermann), fühlte bis zuletzt »in der Kunst als Autokrat«. Er lebte als Grandseigneur, nahm von seinen Privatschülern keine Bezahlung und verschwendete das Geld, das er mißachtete. In seinen letzten Lebensjahren schließlich, nachdem die Inflation ihn arm gemacht hatte, »nahm Busonis Aristokratismus im umgekehrten Verhältnis zu seinem irdischen Wohlstand zu« (Stuckenschmidt). Er starb, mit 58 Jahren, 1924 in Armut. Ehefrau Gerda und Busonis Söhne Benvenuto und Raffael ließen die Bibliothek versteigern.

Seinem eigenen Bekenntnis zufolge war er »ein schwacher Mensch, doch ein zäher Kämpfer, von Zweifeln hin und her gehetzt; im Denken ein Meister, ein Sklave der Triebe, allen Dingen auf den Grund gehend, doch keine Antwort findend«.
********ador Mann
49 Beiträge
Am meisten fasziniert mich das Zitat oben von Busoni: "Ich spiele fast gar nicht mehr mit den Händen."

Mich erinnert es an Aussagen großer Meister aus den fernöstlichen Kampfkünsten, wonach ab einer gewissen Stufe der Meisterschaft die Technik nicht nur "zurück tritt" sondern quasi "ganz verschwindet".

Gemeint ist sicher hier wie dort, dass ein freies Fließen der eigenen Achtsamkeit die Ausführung der Bewegung "hinter" oder vielleicht besser noch "unter" sich gelassen hat. Die Achtsamkeit des Geistes ist es auch, die Bewegung und Sinneseindruck immer weiter ausdifferenzieren kann, ohne gleichzeitig (!) das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch, dann nämlich wenn wir uns in der Welt der sprachlich formulierten Logik befinden.

Zur immer weiter sich verzweigenden und verästelnden Achtsamkeit des Übenden und Ausführenden passt auch ein weiteres Zitat von Busoni aus dem Artikel oben über das "Clavierüben":

"Es ist wie ein Tier, dem die Köpfe nachwachsen, möge man noch so viele abhauen"

Einen alten Kendomeister hörte ich einmal im Interview sinngemäß das Gleiche mit folgenden Worten sagen: "Ich praktiziere jetzt seit 40 Jahren intensiv Kendo, aber je mehr ich übe, desto mehr habe ich das Gefühl an der Oberfläche herum zu kratzen."
****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
Zitat von ********ador:
Ich habe die Beiträge zu Busoni hier alle gelesen und gehört. Und werde das weiter tun! Da ich nicht jedesmal auf "Danke" klicken will um einen Sturm von entsprechenden Nachrichten zu vermeiden an dieser Stelle für alles was hier gepostet worden ist und gepostet werden wird ein riesiges:

ja auch von mir ein riesengrosses *danke*
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Manuskriptauszug (2)
Das Komponieren gehörte bei Busoni von Anfang an dazu. Die meisten Virtuosen dieser Zeit haben das getan, oft genug für den eigenen performativen Gebrauch. Von denen, die Perspektiven darüber anstrebten, ging Busoni wohl am weitesten....

Schaut man auf seine Entwicklung, so fällt auf, dass das Kind anscheinend nie seriös und regelmäßig unterrichtet wurde, abgesehen von den frühen Klavierstunden bei der Mutter. Busoni erinnerte sich an hochdramatische Unterweisungen durch den Vater und an Konzertreisen, während derer er als Wunderkind herumgereicht wurde. Gelegentlich traten wohlhabende Gönner auf den Plan. Der Pianist holte sich da und dort Rat, aber er ließ sich nicht einzwängen.

Ferruccio Busoni wuchs primär im Selbststudium. Der einzige längere Studienaufenthalt war zwischen 1879 und 1881 in Graz bei Wilhelm Mayer-Remy, wo er primär zum Komponisten ausgebildet wurde. 1890 gewann er den erstmals ausgetragenen Rubinstein Wettbewerb, -allerdings nicht für sein Klavierspiel sondern für seine Kompositionen. Der Pianist entwickelt sich langsam, langsam verbreitete sich auch sein Ruhm. 1886 lässt er sich in Leipzig nieder, 1888 wird er Klavierprofessor in Helsinki. Das ist eine bedeutende Station seiner Karriere, denn hier lernt er Gerda Sjöstrand, seine spätere Ehefrau kennen. 1890 geht er nach Moskau, im selben Jahr auf Empfehlung des Klavierfabrikanten Theodore Steinway nach Boston, 1892 nach New York.

In den USA gerät er anscheinend in eine pianistische Krise, mit Konsequenzen: Er organisiert seine gesamte Klaviertechnik neu. In einem fundamentalen Selbststudium setzt er sich dabei mit dem Werk von Franz Liszt auseinander. In diesem Magier des Klaviers wächst ihm eine Art geistiger Lehrer heran,später wird man ihn als einen ideellen Nachfolger ansehen. Dass die Annährung fern von Europa stattfindet, zu einer Zeit als Liszt längst tot ist, unterstreicht eine fast schon spirituelle Beziehung zu dessen Klavierkunst. 1894 kehrt Busoni nach Europa zurück. Er lässt sich in Berlin nieder. Hier reift er zu einem Pianisten mit einem wirkungsmächtigen Nimbus heran. Viele halten ihn für den bedeutendsten der Zeit. – Den Werdegang könnte man noch viel ausführlicher erzählen, das war nur die kurz gefasste Virtuosenbiographie.

in Hörbeispiel sagt vielleicht mehr, es zeigt aber auch, wie schwer es ist, sich heute, ein Bild von der ungeheuren Wirkung dieses Künstlers zu machen. Für das Welte Reproduktionsklavier und ähnliche Verfahren, die mit einer gelochten Papierrolle das Spiel eines Pianisten festhalten konnten, hat er zahlreiche Stücke eingespielt. ...
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Apropos "Hörbeispiele"...
... Diesmal habe ich an mehreren Stellen des Manukripts Probleme damit, Hörbeispiele, die Reinhold Ermen während der Musikstunden erwähnt und einspielt, im Netz zu finden um sie hier an dementsprechender Stelle ebenfalls einstellen zu können.

Ich werde das im weiteren Verlauf jeweils kenntlich machen mit dem Hinweis "Keine Einspielung gefunden". Ergänzungen aus der Gruppe dazu wären selbstverständlich natürlich jeweils hoch willkommen!

Bezüglich der Klavierkompositionen des jungen Busoni habe ich hier eine in meinen Augen sehr anschauliche und absolut hörenswerte Alternative gefunden:

Unter dem Titel: "Busoni als Wunderkind - Frühe Klavierstücke (bis zum 16. Lebensjahr)"
existiert eine knapp einstündige Hörfunk-Sendung des Deutschlandfunks, welche als Podcast abrufbar ist unter dem Link

https://www.deutschlandfunkk … .html?dram:article_id=477204

(Hinweis: Die Schaltfläche "Beitrag hören" befindet sich gleich unter der Überschrift, über dem Porträtfoto Busonis - ich habe eine Weile gebraucht, um sie zu entdecken!)

Unter der Moderation von Stefan Lang spielt und kommentiert als Gast der Pianist Holger Groschopp Busonis Jugendwerke für Klavier. Am Ende der Sendung erklingt zusätzlich eine „Improvisata“, geschrieben von Busonis Mutter, Anna Weiß.

Hört's Euch an!

Groschopp hat inzwischen bei Cappriccio drei CDs eingespielt mit dem frühen Klavierwerk Busonis:

Klavierwerke "Early Masterpieces 1877-1883",

Künstler: Holger Groschopp (Klavier)
Label: Capriccio, DDD, 2018
Bestellnummer: 9883727
Erscheinungstermin: 7.8.2020,
bei jpc erhältlich
****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
mit 12 Jahren hat Busoni dieses KV geschrieben wow

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