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KOMPONIST des Monats, X. Teil

*******sima Frau
2.540 Beiträge
Gut, dann erlaube ich mir, hier eine bereits gepostete Notiz zu Franck zu verlinken.
Die DVD ist inzwischen im Handel und beim Freiburger Theater erhältlich.

KLASSIK: News aus der Opern- und Konzertwelt
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Und für Clementi habe ich gestimmt, weil ich mich gelegentlich daran erinnere, wie stolz ich war, als ich im Klavierunterricht erstmals eine "ganze Sonatine" einüben und vorspielen durfte! Die stelle ich hier ein. Ich weiß aber eigentlich kaum etwas über den Komponisten und dachte, es wäre vielleicht mal an der Zeit, das zu ändern.


****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 


ein sehr schönes Klavierkonzert wie ich finde *anbet*
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Muzio Clementi im Portrait
(Quelle: https://portraits.klassik.com/people/template.cfm?KID=169)

Am 20. Dezember 1781 lieferte sich Muzio Clementi vor Kaiser Joseph II mit Wolfgang Amadeus Mozart ein Wettspiel am Klavier. Beide Künstler begeisterten ihr Publikum restlos. Zu diesem Zeitpunkt hatte der wahrscheinlich 1752 geborene Clementi eine fundierte musikalische Ausbildung in seiner Heimatstadt Rom und in England genossen. 1773 siedelte er endgültig nach London über. Als Pianist, Komponist und Kapellmeister war er bereits eine wichtige Größe im Musikleben Londons. Nachdem er 1786 das letzte Mal in der Öffentlichkeit gespielt hatte, beschäftigte er sich von da an als Musikalienhändler, Verleger und Instrumenten-Bauer und erwirtschaftete sich somit ein beträchtliches Vermögen. In seinem Verlag veröffentlichte er Werke bedeutender zeitgenössicher Komponisten wie Beethoven, Wesley und Moscheles. Lediglich Mozart und Haydn fanden keinen Platz in seinem Programm. Auch in seiner neuen Tätigkeit unternahm Clementi viele Reisen. Sein kompositorisches Schaffen setzte er ebenfalls fort und führte im In- und Ausland eigene Sinfonien auf, mit denen er 1823 und 1824 seine letzten großen Erfolge feierte. Acht Jahre später starb Clementi am 10. März 1832 in Worcestershire, England. Seine Grabstätte befindet sich in der Westminster Abbey in London.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
In Metzlers Komponisten Lexikon findet sich folgende Notiz zu Clementi:

Die Radikalität, mit der seine thematisch wie harmonisch geradezu ›primitiven‹ frühen Sonaten (besonders op. 2 Nr. 2, 1779) einen neuen spieltechnischen Standard setzen, zeichnet Cl. als Pionier der Entwicklung der Klaviermusik aus. Im Kontrast zur filigranen Auszierungsmanier des herrschenden galanten Stils markiert seine von den Zeitgenossen bewunderte Oktaventechnik den Beginn einer neuen Epoche, deren schöpferische Phantasie sich an den gegenüber dem Cembalo erweiterten klanglichen Dimensionen des Klaviers inspiriert.

Der Henle-Musikalienverlag schreibt über Clementi:

Ein aus Italien stammender Komponist, Pianist, Klavierfabrikant und Musikverleger. Seine Klavierbände, allen voran die Exercises aus Gradus ad Parnassum op. 44, nehmen bis heute eine herausragende Stellung im Klavierunterricht ein. Als Klavierfabrikant trug er zur Weiterentwicklung des Hammerklavieres bei. Seine Bemühungen als Verleger verhalfen u.a. der Klaviermusik Johann Sebastian Bachs zur weltweiten Etablierung und weiteren Komponisten des Barock zur Wiederentdeckung. Er komponierte größtenteils Werke für Klavier, sowie Orchester- und Kammermusik.

Leider finden die Werke von Muzio Clementi heute nur noch wenig Beachtung. Beethoven hat seine Sinfonien bewundert und auch Schumann hat Clementi sehr geschätzt.

Überblicksinfo zu Clementi findet sich natürlich auch wie immer bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Muzio_Clementi
*******sima Frau
2.540 Beiträge
CD-Tip des bayrischen Rundfunks zu Clementis Symphonien
CD - Muzio Clementi
Symphonien
04.02.2017 von Bernhard Neuhoff

Was wurde nicht gelästert über den armen Clementi! In die Musikgeschichte eingegangen ist er als Komponist eher harmloser Sonatinen, mit denen Generationen von höheren Töchtern traktiert wurden. Außerdem mit der eher trockenen Etüdensammlung "Gradus ad parnassum". Noch Claude Debussy machte sich mit einem ironischen Klavierstück in "Children’s Corner" darüber lustig.

Sehr viel heftiger teilte Wolfgang Amadeus Mozart gegen den Konkurrenten aus. An Weihnachten 1781 waren die beiden am Wiener Hof vor Kaiser Joseph II. zu einem Klavierwettstreit angetreten, der unentschieden ausging. In einem Brief an seinen Vater zeichnete Mozart ein miserables Bild von Clementi: "Er hat um keinen kreutzer geschmack noch empfindung - ein blosser mechanicus." Dass Mozart irrte, beweist die neue Doppel-CD mit vier der sechs Symphonien von Muzio Clementi. Das ist klangprächtige, ideenreiche, inspirierte Musik, stilistisch etwa auf halber Strecke zwischen Haydn und Beethoven.

Wahl-Brite aus Italien

Entstanden sind die vier Symphonien in den Jahren nach 1801, als Clementi meist auf Reisen quer durch Europa war. Geboren wurde er 1752 in Rom, schon mit neun Jahren bekam er eine Organistenstelle. Ein englischer Adeliger nahm das Wunderkind mit nach London, wo Clementi nicht nur als Pianist und Komponist Karriere machte, sondern auch erfolgreich einen Verlag und eine Klavierbaufirma betrieb. Wenn Mozart ihn verächtlich einen "Mechanikus" nannte, hatte er so gesehen sogar recht - Geschmack und Empfindung hatte Clementi allerdings sehr wohl. Beethoven hielt große Stücke auf seine Symphonien und Klaviersonaten. Und anders als Mozart bekam Clementi kein Begräbnis 3. Klasse, sondern ein Ehrengrab im Kreuzgang der Londoner Westminster Abbey. Schließlich hatte er den Geschmack der Briten gekonnt bedient: In der 1815 entstandenen Symphonie mit dem Untertitel "The Great National" huldigt er mit einem Zitat der britischen Nationalhymne seiner Wahlheimat.

Ziemlich knackiger Sound

Eine echte Entdeckung ist die Vierte Symphonie, die immer wieder bereits die Frühromantik erahnen lässt. Zu dieser kraftvollen, energiegeladenen Musik passt der historisch informierte, ziemlich knackige Sound, den Dirigent Ivor Bolton dem Salzburger Mozarteumorchester abverlangt. Das klingt lustvoll, dramatisch, aufgekratzt, manchmal allzu rustikal, aber keine Sekunde langweilig. Größter Schwachpunkt dieser Doppel-CD sind die mageren Booklet-Informationen. Man erfährt nicht mal, dass diese Musik teilweise rekonstruiert werden musste – geschweige denn, von wem und wie. Verdienstvoll ist Boltons zupackendes Plädoyer für Clementi trotzdem. Denn obwohl sich große Pianisten wie Vladimir Horowitz oder Arturo Benedetti Michelangeli für ihn einsetzten, wird Clementi immer noch unterschätzt. Das endlich zu ändern, ist eine exzellente Idee.

Muzio Clementi: Symphonien

Symphonie Nr. 1 C-Dur, WoO 32
Symphonie Nr. 2 D-Dur, WoO 33
Symphonie Nr. 3 G-Dur, WoO 34 "The Great National"
Symphonie Nr. 4 D-Dur, WoO 35

Mozarteumorchester Salzburg
Leitung: Ivor Bolton

Label: Sony Classical

*******sima Frau
2.540 Beiträge
Mozart und Clementi beim Klavierstreit
Dazu gibt es ein kleines Radiofeature (Länge 8 Minuten) in der ARD-Mediathek:

ARD Audiothek ›
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Zoom - Musikgeschichte, und was sonst geschah ›
Mozart und Clementi beim Klavierstreit
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Störenfriedliche Klaviermusik von Clementi
Als "störenfriedlich" bezeichnet Worfram Goertz Clementis Klaviermusik in einem Zeit-Artikel vom 19. Oktober 2000 zu einer Einspielung mit Andreas Staier am Fortepiano (Teldec 3984-26731-2 Vertrieb: Warner):

Bis zur nächsten Woche also den ersten Satz der Clementi-Sonatine! Achte bitte genau auf die Fingersätze! Und ja nicht hudeln bei den Sechzehnteln!

Mit solch unvermeidlichen Dressur- und Balancemanövern begannen Legionen von Klavierschülern ihren pädagogischen Lebenslauf. Bach, Mozart und Beethoven kamen erst später dran, fürs erste Eindringen in klassische Sphären genügten die so genannten Kleinmeister, die zurückhaltenden Knappen, die Steigbügelhalter in die Kunst der Geläufigkeit.

Muzio Clementi (1752 bis 1832), in Rom geboren, in England erwachsen, galt immer als einer von ihnen - als ausgewogener und unverdächtiger Lieferant artiger Melodien in der rechten und behaglich schaukelnder Dreiklänge in der linken Hand. Nun kommt der Pianist Andreas Staier daher (Teldec 3984-26731-2 Vertrieb: Warner) und zeigt uns den guten, vom Kindergemüt mitunter als lästig empfundenen Muzio von seiner anderen Seite: als spitzfindigen, von keines Gedanken Blässe angekränkelten Experimentator. Als cleveren Sonaten-Architekten. Als fantasievollen Miniaturisten. Als Orpheus des Kapriziösen. Beethoven wusste, was er an Clementi schätzte: die Kunst, kleine Gedanken spielerisch in große Form zu bringen.

Natürlich erweist sich Clementi, der sich als verlängerten Arm des Klaviergoldschmieds Domenico Scarlatti empfand und seinerzeit ein angesehener Virtuose war, in Staiers Sortiment als echter Brite. Jagt uns keine Schauer über den Rücken. Lugt in seinen Präludien versonnen und ehrerbietig zu Mozart (der Clementi nicht sonderlich mochte) oder Haydn hinüber. Setzt heitere Pointen, zitiert süffisant und windet schönste Kränze. Plötzlich jedoch bemerkt man sie bei Staier: diese merkwürdig subtilen Haken und Fallstricke, die in Clementis Sonaten den ruhevollen Tritt bremsen und aushebeln. Man muss sich nur die wundervolle, schier störenfriedliche F-Dur-Sonate anhören mit ihren seltsamen dreitaktigen Perioden, ihren verwegenen Spiralkräften und gleichsam abgerissenen Motivkurven, die durchs Finale jagen und in ihm erbeben.

Wer derlei pfiffige Fußnoten unter den pianistischen Sittenkatalog zu pflanzen versteht, kann kein Bleichling sein. Andreas Staier setzt Clementis doppelbödige Kunst durch den perlmuttenen, imperialen Klang seines Broadwood-Hammerflügels ins beste Licht. Brillanz verflüchtigt sich nicht ins Geklingel. Die Facts aus London bleiben hart. Ihre Dramatik hat noch nicht Beethovens revolutionäre Gesinnung. Aber gütig, nein, das ist Clementi in keinem einzigen Takt.

https://www.amazon.de/Clemen … Andreas-Staier/dp/B00004TA2W
*********vibus Mann
1.018 Beiträge
César Franck Sinfonie d-moll
Der Grund meines Votums für César Franck ist nicht zuletzt seine vergleichsweise bekannte Sinfonie. Alle drei Sätze haben ihren eigenen Charme. Schöne Melodien, speziell das wunderbare in verschiedenen "Gewändern" auftretende zweite Thema des ersten Satzes sowie der Gegensatz von triumphalem Gestus und lyrischem Gesang im dritten Satz sowie die typisch romantische Musiksprache gefallen mir sehr gut.


*******sima Frau
2.540 Beiträge
Clementi: Gradus at Parnassum
Gradus ad Parnassum (Stufe bzw. Stufen zum Parnass, einem Berg in Zentralgriechenland, der als Sitz der Musen gilt) ist das 1725 herausgegebene musiktheoretische Hauptwerk von Johann Joseph Fux in lateinischer Sprache.

Muzio Clementi verfasste zwischen 1817 und 1826 ein gleichnamiges Klavierlehrbuch, das aus 100 Studien bzw. Etüden besteht. Im folgenden das komplette Werk in insgesamt fünf Teilen von je ca. 50 bis 57 Minuten Hör-Dauer. Die Anordnung und Folge der Stücke entspricht allerdings nicht dem ursprünglichen Lehrwerk, sondern orientiert sich offensichtlich an den technischen Erfordernissen der Unterbringung auf jeweils zwei Schallplattenseiten. Wer die einzelnen Etüden genau zuordnen möchte, kann dies tun, indem er die Youtube-Version aufruft und dort die entsprechenden Begleitinformationen anklickt.

Ich selbst war tatsächlich überrascht beim Hören, da sich das gesamte Werk für mich keineswegs nach "langweiligen Etüden für geschundene Klavierschüler" anhört, sondern
sehr lebendige und teilweise hoch komplexe Musik ist. Im Netz findet sich, nach einigem Suchen, auch eine Version mit Notenbildern, und wenn man da mitliest, wird das ebenfalls deutlich. Insofern ist Clementi und seine Kompositionen für mich persönlich wirklich eine überraschende Neu-Entdeckung.











**********gosto Frau
16.056 Beiträge
César Franck

1890, ein Jahr nachdem seine Sinfonie in d-Moll uraufgeführt worden war, erlitt er einen schweren Unfall, bei dem er von einem Pferdeomnibus seitlich angefahren wurde. Er erholte sich nicht mehr und starb wenige Monate später an einer Brustfellentzündung. Er wurde 68 Jahre alt, so alt wie ich heute. Es berührt mich immer ein wenig, wenn ich älter werde als andere. Und macht mir deutlich, dass jeder Tag ein Geschenk ist.

Seine Kompositionen erlangten ihre Popularität erst nach seinem Tod. Sein letztes Werk, die Oper Ghiselle, habe ich leider nicht in einer szenischen Aufführung gefunden.


*******sima Frau
2.540 Beiträge
Clementi: Unter Klavier-Rivalen (I)
der Musikjournalist Wolfram Scherer beleuchtet in einem ausführlichen Radio-Manuskript im November 2010 die Klavierszene des 18. und 19. Jahrhunderts, in der Clementi eine wichtige Rolle einnimmt. Die folgenden Textpassagen mit besonderem Bezug zu Clementi sind daraus entnommen, teilweise allerdings von mir stark gekürzt.

„Mich überläuft ́s schon bei der bloßen Nennung dieses fürchterlichen Namens:
Clementi – brrrr! – Davor habe ich mich immer bekreuzigt!“ – so spottet Hugo Wolf
und wird darin nur noch von einem ziemlich bekannten Wiener Kollegen übertroffen,
der schon gut ein hundert Jahre zuvor den armen Clementi als Scharlatan
abgekanzelt hat.

Wer von Ihnen Klavierspielen gelernt hat, der ist unweigerlich auf seinen Namen gestoßen und Hugo Wolf wird beileibe nicht der einzige gewesen sein, den es dabei geschüttelt
hat. Der Siegeszug des Klaviers zum universalen Hausmusik-Instrument ist Clementi tatsächlich zuletzt zum Verhängnis geworden. Die musikalische Massendressur der
höheren Töchter, das ständige Klaviergetrommel in den Mietwohnungen, die
Klavierseuche als moderne Stadtplage des 19. Jahrhunderts, wie sie von Heinrich
Heine in Paris oder von dem Musikkritiker Eduard Hanslick in Wien diagnostiziert
wurde, sie war von Anfang an mit dem Namen Clementis verknüpft. Ein Erfolg seiner
leichten Klavierstücke, die ihm die Musikgeschichtsschreibung nicht verziehen hat.
Über Clementi hat sie den Stab gebrochen. Für diesen tatsächlich zweifelhaften
Erfolg steht sein berühmtestes und zugleich anspruchslosestes Klavierstück. Die C-
Dur-Sonatine aus op. 36. Bis heute ein Pflichtstück für jeden Anfänger.

Das muss man sich dann mal unter den Fingern eines tüchtigen Klavieranfängers
vorstellen... Aber, bleiben wir auf dem Teppich: was kann der gute Clementi dafür,
dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist? Jedenfalls war Clementis brave
Fingerübung ein gefundenes Fressen für Erik Satie alias Erik Satierik. Anders als
Hugo Wolf spottet der gut musikalisch: mit seiner Sonatine bureaucratique, seiner „bürokratische Sonatine“.

Da mag sich auch Saties berühmter Freund nicht zurückhalten. In Anspielung auf Clementis Etüden-Sammlung Gradus ad Parnassum mit ihren einhundert Übungsstücken schreibt Claude Debussy für seine damals dreijährige Tochter Chou-Chou „Doctor Gradus ad Parnassum“, das erste Stück seiner Sammlung Children ́s Corner. Und man hört, wie hier fleißig Tonleitern geübt und geübt werden, bis - tja bis alles Üben für kurze Zeit in Tagträumen übergeht, bevor es wieder zur Ordnung gerufen wird.

Clementis große Schule des Klavierspiels mit ihren einhundert Übungen – ein Werk an dem sich bis heute fleißige Klavier - Eleven abarbeiten. Eigentlich eine enorme
Erfolgsgeschichte, andererseits fatal für Renommee und Reputation Muzio Clementis.

Von dieser Zwiespältigkeit seines späteren Erfolgs ahnte freilich der junge Mann noch nichts, der Ende 1773 vom Landsitz seines Mäzens Sir Peter Beckford in der Grafschaft Dorset im Südwesten Englands Abschied nahm. Die sieben Jahre, für die ihn Beckford seinem Vater damals in Rom abgekauft hatte, waren nun vorbei. Jetzt brannte er darauf, sich in die turbulente Musikszene Londons zu stürzen, von der er schon so viel gehört hatte.

Allerdings: außer seiner stupenden Virtuosität hatte er nicht viel vorzuweisen. An Kompositionen waren von ihm bisher nur die sechs Beckford gewidmeten Sonaten für Cembalo oder Fortepiano op. 1 im Druck erschienen. Und in der englischen Musikmetropole war er damals nur einer von vielen italienischen und deutschen Musikern, die dort um die Gunst des Publikums wetteiferten. Die Konkurrenz war enorm. Kein Wunder also, dass ihn die Londoner Zeitungen zunächst gar nicht wahrnahmen und die Konzertveranstalter ihn kaum beachteten. Und der junge Mann tat aus kaum nachvollziehbaren Gründen zunächst ein Übriges, um nicht aufzufallen. Die Black-Joke
-Variationen
, die erste Publikation seiner Londoner Anfangszeit, erschienen nämlich
nicht unter seinem vollen Namen. Sondern: Composed by „Signore M.C.“ konnte man da lesen. Warum Clementi halb anonym bleiben wollte, obwohl diese Variationen über eine irische Volksmelodie zum besten gehören, was er bis dahin geschrieben hatte, das ist bis heute ein Geheimnis.

Bahnbrechendes Vorbild für ganz Europa war damals die Entwicklung des Konzertlebens in der englischen Millionenstadt. Es gab zahlreiche Konzertsäle – beliebt waren etwa die „Tottenham Street Rooms“, das „Pantheon“ in der Oxford Street, die „Devils Tavern“,
oder die „Anchor Tavern“–: hier traten einheimische Amateur-Ensembles oder professionelle Musiker ebenso auf wie durchreisende Virtuosen. Von den Musikszenen
in anderen reichen europäischen Hauptstädten unterschied sich das Londoner Musikleben
damals vor allem dadurch, dass es hier nicht mehr vom königlichen Hof oder vom Adel, sondern von bürgerlichen Abonnenten getragen wurde. Über Erfolg oder Misserfolg von Musikern und Komponisten entschied hier nicht mehr hochherrschaftliches Wohlwollen,
verbunden mit massiver finanzieller Unterstützung, sondern der bürgerliche Publikumsgeschmack.

Niemand zahlte die umgerechnet bis zu 200 Euro teuren Eintrittspreise für einige Stunden Musik,wenn davon nur die Hälfte gefiel. Clementi, ein musikalischer Nobody in der Miollionenstadt, bekam das zu spüren. Hin und wieder trat er nun bei Wohltätigkeitskonzerten auf, aber es wollte ihm zunächst nicht gelingen, im Londoner Musikleben Fuß zu fassen. Das wurde von anderen dominiert. Etwa von Johann Christian Bach und dem Gambisten Carl Friedrich Abel.

Beide waren seit Anfang der 1760er Jahre in London, wohnten zusammen in einer Art
Junggesellen-WG, konzertierten gemeinsam und gründeten bald eine eigene Konzertreihe, die Bach-Abel-Konzerte, in denen sie auch zusammen auftraten. Obwohl es in der Stadt
damals etliche andere Konzertreihen auf Subskriptionsbasis gab, waren die Bach-Abel-
Konzerte ein voller Erfolg. Zu dem Zeitpunkt, als Clementi nach London kam, waren die beiden geschäftstüchtigen Musik-Kollegen gerade dabei, einen eigenen Konzertsaal am eleganten und exklusiven Hanover Square zu eröffnen. Von solchen Erfolgen konnte Muzio Clementi bis dahin nur träumen.

Erst als Clementi mehr Klavierstücke drucken ließ, wurde er öfter für Konzerte verpflichtet. Sein Landsmann Gasparo Pacchierotti, damals der bedeutendste Sopranist der italienischen Oper in London, setzte sich für Clementi ein und ließ seine Kontakte nach
Paris spielen. Ende Mai 1780 überquerte Clementi den Ärmelkanal und erreichte die französische Hauptstadt. Ganz anders als beim eher reservierten englischen Publikum, fand er dort derart begeisterte Aufnahme, dass er selbst davon überrascht war. Und: er erfuhr die Gunst, vor der jungen Marie-Antoinette und ihrem Hofstaat konzertieren zu dürfen. Sein Konzert am Hofe wurde zu einem grandiosen Erfolg. Endlich ging es voran.
Fieberhaft arbeitete er an weiteren Klaviersammlungen, die er sofort noch in Paris in den Druck gab.

Dann reiste er ab. In seiner Tasche ein Empfehlungsschreiben von Marie-Antoinette an
ihren Bruder in Wien: Kaiser Joseph den Zweiten. Straßburg, München, Salzburg –
wo immer er konzertierte, erntete er frenetischen Applaus. In Wien, wo der vier Jahre jüngere Mozart gerade dabei war, sich nach seiner Kündigung in Salzburg als Klavier-Star
einen Namen zu machen, kommt es am Weihnachtsabend 1781 in der Hofburg unter den Augen von Kaiser Joseph dem Zweiten und seiner russischen Gäste, dem späteren Zaren Paul dem Ersten und seiner Gemahlin, zu jenem legendären Klavier-Duell, aus dem der Wiener Shooting-Star nur als „gefühlter Sieger“ hervorgehen wird. Dennoch wird sein Urteil Wertschätzung und Reputation Clementis bis heute schwer und negativ beeinflussen.

Clementi war von Mozart beeindruckt. Auch später sprach er von ihm stets mit großer
Hochachtung: „Ich hatte bis dahin niemand so geist-und anmutsvoll vortragen gehört.“ Ganz anders bekanntlich der Wiener Klavier-Star, der sich als Sieger des Klavier-Duells fühlte. Schließlich hatte der Kaiser auf ihn gewettet und seine Wette angeblich auch gewonnen. An seinen Vater in Salzburg schrieb er jedenfalls:
„Clementi ist ein braver Cembalist. Dann ist auch alles gesagt. Er hat sehr viele
Fertigkeiten in der rechten Hand. Seine Hauptpassagen sind die Terzen. Übrigens
hat er um keinen Kreutzer Geschmack noch Empfindung. Ein bloßer Mechanicus!"
Später, als seine Schwester Clementi-Sonaten spielen möchte, rät Mozart davon ab und legt sogar noch einmal nach: „Dass die Komposition davon nichts heißt, wird jeder, der sie spielt oder hört, selbst empfinden. Merkwürdige oder auffallende Passagen sind keine darin, ausgenommen die Sexten und Oktaven, und mit diesen bitte ich meine Schwester, sich nicht gar zu viel abzugeben, damit sie sich dadurch ihre ruhige und stete Hand nicht verdirbt. Denn was hat man am Ende davon? Clementi hat nicht den geringsten Vortrag, noch Geschmack, viel weniger Empfindung." Was Mozart nun allerdings nicht daran hindert, einige Jahre später genau aus der Sonate, die Clementi bei diesem Klavier-Duell gespielt hatte, das Thema des ersten Satzes zu klauen. Er verwendete es Note für Note in der Ouvertüre seiner Zauberflöte.

Und Clementi? Der hat sich darüber so geärgert, dass er in jeder Neuausgabe seiner Sonate op. 24 Nr. 2 darauf hinwies, sie sei vor Mozarts Oper erschienen.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Clementi: Unter Klavier-Rivalen (II)
Wolfgang Amadeus Mozart war heilfroh, als sein Klavier-Rivale Muzio Clementi nach jenem legendären Tasten-Duell am Weihnachtsabend 1781 in der Hofburg endlich Wien verließ. Jetzt hatte er die Musikstadt pianistisch gesehen wieder im Griff. Clementi reiste über Zürich nach Lyon, wo er konzertierte, komponierte, unterrichtete, neue Klavierstücke in den Druck gab und: sich unsterblich in eine Klavierschülerin verliebte: in die 16jährige Tochter eines Bankiers und Konzertveranstalters, die hübsche Marie-Victoire Imbert-Colomès. Vierhändig hat er mit ihr gespielt und ihr eine ganze Reihe von Sonaten gewidmet. Aber die Sache sollte keinen guten Ausgang nehmen.

Nur ein halbes Jahr bleibt er nach dieser Klavier-Liebelei in London, dann kehrt er zurück nach Lyon und hält bei ihrem Vater um ihre Hand an. Als der sich strikt weigert, in eine Heirat mit dem fast doppelt so alten durchreisenden Virtuosen einzuwilligen, brennt Clementi mit der jungen Dame einfach durch. Der Vater ist natürlich erbost und hetzt den beiden die Polizei auf den Hals. In der Schweiz werden die Verliebten aufgespürt und getrennt. Reumütig kehrt Marie-Victoire in ihr Elternhaus zurück. Clementi mit gebrochenem Herzen, wie es heißt nach London.

Nach seiner Rückkehr nach London mischte Clementi nach Kräften im Musikleben der Themsestadt mit, trat als Pianist in den Hanover Square-Konzerten auf und seine Sinfonien und Ouvertüren wurden in den beiden berühmten Konzertreihen, den Salomon-Konzerten und in den Professional Concerts gegeben. Bald war er aus dem Londoner Konzertleben nicht mehr wegzudenken.

Das änderte sich erst, als es dem Konzertveranstalter Johann Peter Salomon gelang, im Januar 1791 Joseph Haydn für seine Reihe in London zu verpflichten. Überflüssiger dürfte er sich niemals vorgekommen sein als zu der Zeit, da Haydn mit seinen Londoner Sinfonien triumphale Erfolge feierte. Tatsächlich drängten Haydn und sein ehemaliger Lieblingsschüler Ignaz Pleyel, dessen Musik vom Londoner Publikum kaum weniger geschätzt wurde, alle anderen Komponisten in den Hintergrund. Aber das war nicht der Grund, warum Clementi damit begonnen hatte, sich zumindest als Klavier- Virtuose allmählich aus dem Konzertleben zurückzuziehen. Bei aller Konkurrenz: Er mochte Haydn. Zum Abschied aus London verehrte er ihm später sogar einen kunstvollen Becher aus Kokosnuss mit silbernen Verzierungen. Und Haydn schätzte umgekehrt die Sonaten seines 20 Jahre jüngeren Kollegen.

Nein, der Grund für Clementis Rückzug aus dem Konzertleben lag ganz woanders. Cherchez la Femme! Darüber schrieben sogar Musikzeitschriften auf dem Kontinent: Weil der Bankier Imbert-Colomès aus Lyon seine Tochter partout nicht mit einem Mann verheiraten wollte, der nur Klavier-Virtuose war, verabschiedete sich Clementi trotzig von der Konzertbühne.

Während sich Clementi als Pianist im Londoner Konzertleben rarmachte, stattdessen als berühmtester Klavierlehrer seiner Zeit ordentlich Geld verdiente, Partner des befreundeten Klavierfabrikanten Collard wurde und ins Verlagsgeschäft einstieg, sorgte in Dublin ein nicht einmal zehnjähriger Junge am Klavier für Aufsehen: noch ein Wunderkind. Ein irischer Mozart. Sein Name: John Field. Den ersten musikalischen Unterricht hatte er von seinem Vater auf der Geige erhalten. Dann unterrichtete ihn sein Großvater, ein Organist, im Klavierspiel. Und das mitunter ziemlich handgreiflich. Die häufigen Prügel daheim brachten ihn immer wieder dazu, von zu Hause auszureißen. Aber er kehrte er immer wieder an die Tasten des Fortepianos zurück.

Das mit den Klavier- Schlägen wurde erst besser, als man ihn zu dem aus Neapel stammenden Komponisten Tommaso Giordani in den Unterricht schickte. Der war damals in Dublin als eher erfolgloser Opernunternehmer tätig. Umso beliebter war er als Komponist und Sänger. John liebte seine Musik. Am 24. März 1792 gab Master Field sein Debüt. Er spielte im Konzertsaal an der Sackville Street, Dublin, die Transkription eines Harfenkonzerts des damals berühmten Harfenvirtuosen Johann Baptist Krumpholtz und versetzte sein Publikum mit der Virtuosität und der Präzision, mit der hier ein Kind dieses schwierige Werk vortrug, in Erstaunen.

Im Sommer 1793 verlässt die Familie Field auf einem Paketschiff von Dublin in Richtung Bristol die irische Heimat. Das erste Reiseziel ist Bath in England. Laut Haydn eine der schönsten Städte Europas. Aber die Fields bleiben nicht lange und bald schon geht es von dem luxuriösen Badeort aus weiter nach London, wo Robert Field eine Anstellung als Geiger am Haymarket Theatre antritt.

Es ist erstaunlich, dass Robert Field nicht sofort alles daran setzte, aus dem außergewöhnlichen Talent seines Jungen Kapital zu schlagen. In London, damals auch die europäische Hauptstadt der gefeierten Klaviervirtuosen wie Ludwig Dussek, Adalbert Gyrowetz, Johann Baptist Cramer, Johann Nepomuk Hummel und natürlich! Muzio Clementi, in London wäre das ohne weiteres möglich gewesen. Hier gab es eine Bühne, ein Publikum für musikalische Wunderkinder. Aber Robert Field tat etwas ganz anderes. Er investierte sogar noch in seinen Sohn und brachte ihn zu Muzio Clementi. Damals der berühmteste und der teuerste Klavierpädagoge der ganzen Stadt. Bei Clementi & Co. gaben sich die Großen nicht nur der Londoner Musikszene die Klinke in die Hand. War nicht auch der junge deutsche Pianist Johann Baptist Cramer vor zehn Jahren - in einem ähnlich zarten Alter wie sein Sohn John - Schüler Clementis geworden? Und hatte der inzwischen nicht große Karriere gemacht und mit seinen Klavierkonzerten einen Erfolg nach dem anderen gefeiert?

Cramer war der erste Klavier-Star aus der Virtuosen-Schmiede von Muzio Clementi. Eine Karriere wie die von Johann Baptist Cramer mochte Robert Field im Sinn gehabt haben, als er seinen elfjährigen Sohn John im Winter 1793 zu Clementi & Co in die Tottenham Road brachte. Warum sollte ein solcher Aufstieg seinem Sohn John nicht auch möglich sein? Gut genug war der Junge schließlich. Und er griff dazu tief in die Tasche. Umgerechnet etwa 2000 Euro zahlte er Clementi pro Jahr, damit der seinen Sohn John als Lehrling in seinem Klavierladen einstellte. Und ihn auch als Klavierschüler annahm. Für einen einfachen Musiker war das eine Menge Geld. Und Clementi machte ein gutes Geschäft. So hatten sich die Zeiten geändert. In seiner Jugend hatte ein Engländer Clementi seinem Vater abgekauft, damit er ihn zur musikalischen Unterhaltung mitnehmen durfte. Jetzt bezahlte man ihm eine stattliche Summe dafür, dass er einen jungen Iren bei sich aufnahm und ihn unterrichtete. Allerdings: viel Unterricht wird der Meister dem stotternden Knaben nie geben. Hier mal einen Hinweis, dort einen Rat, gelegentlich einen Kniff oder Trick.

Clementi hatte ganz anderes im Sinn. Wer könnte besser für seine Instrumente werben, als dieser schlaksige Junge aus Irland? Und so kam es, dass John von nun an Tag für Tag im Laden von Clementi & Co in der Tottenham Road stand, umgeben von Klavieren, und den Kunden die neuesten Modelle vorführte. Und wenn manchmal die Nachmittage vergingen, ohne dass die Ladenklingel schellte, ohne dass auch nur ein einziger Kunde die Klavierhandlung betrat... dann hatte John Zeit. Viel Zeit sogar, für seine Klaviere. Zum Üben, um seine Technik zu verbessern, seine Fingerfertigkeit, seine Geläufigkeit, aber auch Zeit zum Träumen am Instrument, zum Improvisieren, um ganz allmählich eine eigene, unverwechselbare Musiksprache zu entwickeln, in der er aussprechen konnte, was ihm in der Sprache nur unter größten Anstrengungen gelingen wollte.

In der Londoner Musikszene sprach es sich schnell herum, was für einen außerordentlichen Klavierspieler Muzio Clementi in seinem Laden hatte. Kaum ein halbes Jahr nachdem John bei Clementi & Co angefangen hatte, erschienen die ersten Hinweise in der Londoner Presse. Clementi rieb sich die Hände. Eine bessere Reklame für seine Musikgeschäfte konnte es kaum geben. Im Mai 1794 spielte John Konzerte von Clementi und Dussek und es folgten weitere Auftritte in verschiedenen Konzertreihen. Und natürlich hörte auch Joseph Haydn während seines zweiten Aufenthalts in London den jungen John Field. Er war von dessen Spiel so beeindruckt, dass er in seinem Tagebuch auf Englisch notierte: Field a young boy, who plays the pianoforte extremly well. Dann wurde es stiller um John Field. In Konzerten war er nun nicht mehr zu hören. Dafür beschäftigte ihn Clementi immer gezielter als Vorspieler und Verkäufer seiner Klaviere. Bald kamen die Leute in den Laden, nur um sich von Master Field etwas auf dem Klavier vorspielen zu lassen.

Clementi & Co, wo Field jetzt angestellt ist, will expandieren und Niederlassungen auf dem Kontinent gründen. Dazu plant Signore Clementi eine größere Geschäftsreise und Master John soll ihn begleiten. Wer könnte besser für die Instrumente von Clementi & Co werben als dieser hochaufgeschossene und blasse junge Mann aus Irland, der wie verwandelt erscheint, sobald er sich ans Klavier setzt? Anfang August 1802 trafen Clementi und Field in Paris ein, im Haus von Ignaz Pleyel, der vor einigen Jahren zusammen mit seinem alten Lehrer Joseph Haydn in den Londoner Salomon-Konzerten große Erfolge gefeiert hatte. Auch Pleyel war inzwischen groß im Musikgeschäft -als Komponist, Konzertveranstalter und Musikverleger -und plante, wie Clementi in die Klavierfabrikation einzusteigen. Gerade hatte er die Taschenpartitur erfunden und in dieser neuen Bibliothèque musicale Sinfonien und Streichquartette von Joseph Haydn herausgegeben. Zum Komponieren hatte der Geschäftsmann jetzt längst keine Zeit mehr.

Bei ihm waren im August 1802 Muzio Clementi und John Field auf ihrer Geschäftsreise zu Gast. In Pleyels Salon brillierte John vor allem mit Musik von Händel und Johann Sebastian Bach. Seine Aufführung des gesamten Wohltemperierten Klaviers blieb in Paris für Jahre unvergessen. Und es war natürlich Clementi, der den Ruhm für seinen Schüler erntete. Was für ein Klavierpädagoge! Was musste der für Methoden anwenden, damit er so einen Meisterschüler hervorbringen konnte! Doch Meister und Schüler blieben nicht lange in Paris. Nach wenigen Wochen ging es –einen Geleitbrief Napoleons im Gepäck –weiter nach Wien, zu Clementis Geschäftspartner, dem Verleger Artaria.

Fields Ruf als exzellenter Klaviervirtuose eilte ihm voraus. In Wien sollte Field, der kein Wort deutsch sprach, beim Kontrapunkt-Meister Albrechtsberger Unterricht nehmen, der auch Beethoven zu seinen Schülern zählte. Clementi selbst wollte nach St. Petersburg weiterreisen, um dort eine Dependance zu eröffnen. Field sollte in Wien zurückbleiben. Aber er weigerte sich. Der Unterricht bei Albrechtsberger missfiel ihm, er hatte weder Geld noch Freunde in Wien. Was sollte er hier? Er wollte mit nach St. Petersburg. Widerwillig stimmte Clementi zu.

Sein Schüler wurde ihm allmählich zu teuer. Und Clementi war ein Geizkragen wie er im Buche steht. Als John während der langen Reise irgendwo im Baltikum seinen Hut verlor, war Clementi derart wütend, dass er sich über einen Monat lang weigerte, ihm einen neuen zu kaufen. Angekommen im kalten St. Petersburg, bezogen sie die billigsten Zimmer im „Hotel de Paris“. Clementi speiste an der „Table d ́hôte“, Field musste sich sein Essen auf dem Markt kaufen.Im Bürger-Club, in dem damals alle Künstler, Literaten, Musiker und Schöngeister von St. Petersburg verkehrten, begegnete Clementi dem Geiger Louis Spohr. Man spielte zusammen Billard und abends nach Tisch ging man oft zusammen in den Pianoforte-Laden, den Clementi gerade eröffnet hatte. Dort musste dann Field stundenlang vorspielen. Spohr erinnert sich: „Man erzählte sich schon damals manche Anekdote von dem auffallenden Geiz des reichen Clementi. So hieß es allgemein, Field werde von seinem Lehrer sehr kurz gehalten und müsse das Glück, dessen Unterricht zu genießen, durch viele Entbehrungen erkaufen. Von der ächt italienischen Sparsamkeit erlebt ich selbst ein Pröbchen, denn eines Tages fand ich Lehrer und Schüler mit zurückgestreiften Hemdärmeln am Waschkübel beschäftigt, ihre Strümpfe und sonstige Wäsche zu reinigen. Sie ließen sich nicht stören und Clementi riet mir, es ebenso zu machen, da die Wäsche in Petersburg sehr teuer sei.“ Soweit der Geiger Louis Spohr.

Noch Jahre später hieß es in einem russischen Journal: Es gibt noch Leute, die sich daran erinnern, wie Field ohne Mantel durch die Straßen ging, in Nanking-Wäsche bei Außentemperaturen von minus 25 Grad, erkältet,und gezwungen, sich die Nase –Pardon –in sein Hutband zu schnäuzen...“ Derweil spielte Clementi in den Soireen, die von den Clubs der Haut-Volée in St.Petersburg organisiert wurden, und kassierte pro Abend eine Gage von 500 Rubel; weltgewandt und –anders als Field –mehrerer Sprachen mächtig, führte er sich in die vornehmen Kreise der Stadt ein und brillierte in den Salons der Schickeria.

Bei seinen täglichen Gängen zum Markt lernt Field einen jungen Burschen kennen, der als Diener und Küchenhilfe in einem aristokratischen Haushalt in der Nähe beschäftigt ist. Die beiden freunden sich an und der Bursche lädt ihn nun gelegentlich ein, durch den Dienstboteneingang in die Küche zu kommen, um dort etwas Warmes zu essen. Eines Tages werden Clementi und Field gebeten, einer Soiree des Prinzen Demidov beizuwohnen. Field kennt das Haus. Vor allem die Küche. Nur: diesmal kommt er nicht durch den Dienstboteneingang. Und seinem Freund, dem Küchengehilfen, fallen fast die Augen aus dem Kopf als er den Salon ansteuert und sich vor der versammelten Gesellschaft ans Klavier setzt. Field hat es später immer gefallen, diese Geschichte zu erzählen. Immer öfter kommt es jetzt vor, dass er den vielbeschäftigten Clementi in den musikalischen Soireen vertreten muss. Auch er kassiert dafür 500 Rubel pro Abend. Aber: er muss das Geld Clementi abtreten und darf dafür höchstens mal im Hotel zu Abend essen. Nicht zum ersten Mal kommt sich Field ausgenutzt vor. Und irgendwann hat er die Nase einfach voll. Nach einem Abend im Bürger-Club lädt er die Leute, die er dort inzwischen kennen gelernt hat, zum Essen ins „Hotel de Paris“ein. Es sind so um die zwanzig Bekannte und Freunde von ihm, die da dinieren. Die Rechnung lässt er am nächsten Tag Clementi präsentieren. Der schäumt vor Wut. Und es kommt zum endgültigen Bruch zwischen den beiden. Clementi reist ab. Nach Berlin, wo er ein junges Mädchen heiraten wird. Endlich ist Field den eifersüchtigen alten Geizkragen los.

Als Field nach dreißig Jahren aus Russland nach London zurückkommt, ist er ein schwerkranker Mann. Einer der damals führenden Chirurgen operiert ihn, aber das bringt keine wirkliche Linderung seiner chronischen Leiden. Clementi & Co, der Klavierladen in der Tottenham Road, wo er jahrelang Tag für Tag geübt und Klaviere vorgespielt hat, den gibt es so nicht mehr. Sein alter Lehrer hat sich aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. Später wird Field behaupten, er habe den alten Clementi in einer Irrenanstalt besucht.Am 10 März 1832 stirbt der „Vater des Klaviers“. Wie die gesamte musikalische Prominenz Londons nimmt auch Field an der Trauerfeierin der Westminster Abbey teil.
*********vibus Mann
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César Franck: Violinsonate A-Dur
Ein weiteres Highlight aus dem Schaffen von César Franck ist dessen Violinsonate. Melodiös, romantisch, vielfarbig.

*******sima Frau
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Der Musikalienverleger und Instrumentenhändler Clementi
Gegen Ende der 1790er Jahre begann Clementi sich verstärkt als Unternehmer im Londoner Musikalienhandel zu betätigen. 1798 übernahm er die insolvente Firma „Longman & Broderip“. Für kurze Zeit agierte die Firma unter dem Namen „Longman, Clementi & Co.“ (einige wenige Tafelklaviere aus dieser Zeit sind erhalten). Nachdem James Longman im Jahr 1800 ausschied, gründete er dann die Firma „Clementi & Co.“ (mit teilweise wechselnden Partnern). Die Adresse der Firma war damals No. 26 Cheapside und ab 1802 auch in der Tottenham Court Road angesiedelt.

Am 20. März 1807 zerstörte ein verheerendes Feuer das Gebäude in der Tottenham Court Road. Der Gesamtschaden belief sich auf über 40.000 Pfund. Durch gebildete Rücklagen und der Unterstützung verschiedener Geschäftspartner konnten die Räumlichkeiten jedoch sehr schnell wieder aufgebaut werden. Dieser schnelle Aufbau war essentiell, da Clementi in großer Konkurrenz mit der Klavierfirma von John Broadwood (zu dem er selbst hervorragende persönliche Kontakte unterhielt) stand. Ebenfalls im Jahr 1807 schloss Clementi einen Exklusivvertrag mit Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) ab, welcher ihm sämtliche Rechte an der Veröffentlichung aller seiner Werke sicherte. Clementi edierte die Werke und veröffentlichte sie in seinem Verlag. Er musste jedoch einige Kritik hinnehmen, da er selbst an einigen Werken von Beethoven „harmonische Korrekturen“ vornahm.

Clementi interessierte sich sehr für technische Neuerungen an Instrumenten und trug aktiv zu Verbesserungen der Spieltechnik und des Klanges bei. Während der Zeit von 1802 bis ca. 1810 steigerte sich seine Reisetätigkeit wieder und er bereiste Städte wie Riga, St. Petersburg, Zürich, Prag oder Mailand, um seine Instrumente zu verkaufen und Kontakte zu verschiedenen Verlagen und Musikalienhändlern zu knüpfen und auszubauen. Sein Geschäft florierte ausgesprochen gut und er war wirtschaftlich sehr erfolgreich.

1811 heiratete er Emma Gisborne, mit der er vier Kinder hatte: Vincent, Caecilia Susannah, Caroline und John. Das bisher einzig erhaltende Portrait vom Emma Gisborne Clementi wurde von Thomas Hardy gemalt (1756 – 1804) und befindet sich in der Eric Feller Collection. Es zeigt sie vor einem Clementi Tafelklavier mit einem Notenbuch in der Hand.

1822 kauften sich die Brüder Frederick William und William Frederick Collard in die Firma ein (fortan „Clementi, Collard & Collard“). Clementi verkaufte jedoch seine kompletten Anteile 1830 an die beiden Brüder und setze sich in Lyncroft House zur Ruhe.

Am 10. März 1832 verstarb er auf seinem Landsitz in Evesham, Worcestershire. Die Firma wurde danach von den beiden Brüdern unter dem Namen „Collard & Collard“ übernommen und weitergeführt. Sein Nachlass ging an seine Witwe Emma über, welcher zahlreiche unveröffentlichte Manuskripte enthielt, die dann an seinen Enkel weiter vererbt wurden.

Mit seinen Kompositionen beeinflusste Muzio Clementi nachhaltig die Klassik und seine Zeitgenossen. Lange Zeit stand der Komponist im Schatten von Mozart, Beethoven oder Haydn, obwohl er zu Lebzeiten gefeiert wurde, jedoch dann fast in Vergessenheit geriet.

Bis zu seiner Wiederentdeckung von verschiedenen zeitgenössischen Pianisten lag das Hauptaugenmerk jedoch auf den didaktischen Kompositionen und dem methodischen Aspekt.
Neben seinen Lehrwerken prägte Clementi mit seinen weiteren Kompositionen den Musikgeschmack seiner Zeit bis weit über die Grenzen Englands hinaus und nahm tiefen Einfluss auf seine Zeitgenossen. Seine Werke werden heute wieder verstärkt gespielt und man findet sie auch vermehrt in Konzertsälen und in Rundfunksendungen.
*******sima Frau
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Clementi : 3 Trios

*******sima Frau
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Clementi: Didone abandonata
Clementis letzte Klaviersonate in g-Moll Op. 50, No 2 entstand um 1800 und wurde 1821 veröffentlicht. Sie wurde bekannt unter der Bezeichnung "Didone abandonata" (Die verlassene Dido) und weist bereits weit über die Klassik hinaus und hinein in die Romantik. Teilweise meint man Anklänge an Chopin oder Modulationen im Stile Richard Wagners zu entdecken.

Hier in einer Aufnahme mit Maria Tipo, die sich sehr um die Wiederentdeckung Clementis bemühte und seine Sonaten häufig in ihre Konzertprogramme aufnahm.

Das Video zeigt die Reproduktion eines Schallplattencovers mit einer Gedenkplakette am Wohnsitz Clementis in den 1820er Jahren, 128 Kensington Church Street, sowie ein Aquarell dieses Hauses.

****ga Frau
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*******sima Frau
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Clementi
Hier eine sehr gelungene Aufnahme von 4 Sonaten und 2 Preludien Clementis mit der koreanischen Pianistin Ilia Kim


*******sima Frau
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Clementi: Capriccio in A-Dur op. 34, No. 3
... gespielt auf einem historischen Clementi-Flügel von ca. 1805. Der Pianist ist Randall Love.


****ga Frau
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Themenersteller 
KDM für Januar
hallo liebe Klassikfans,

wollt ihr noch weitermachen mit dem KDM des Monats?
Wenn ja, dann würde ich mir die Mühe machen und
Kanditaten für Januar heraussuchen. *g*
GLG ananga
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