Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Gothic
1015 Mitglieder
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

KOMPONIST des Monats, X. Teil

*********vibus Mann
1.019 Beiträge
Noch einmal "Hoffmanns Erzählungen":

In der Ballade von Klein-Zack erzählt Hoffmann auf Wunsch seiner Freunde eine Geschichte, ist aber nicht richtig bei der Sache. Der frisch Verliebte verliert den Faden und seine Erzählung geht in eine seiner neuen Liebe gewidmete Träumerei über, bis ihn die Freunde wieder in die Wirklichkeit zurückholen und er die Geschichte abschließt.

Offenbach setzt dieses Programm musikalisch wunderbar plastisch um. Die Erzählung ist ein eingängiges Strophenlied. In Strophe 3 geht es in einen schwärmerisch-lyrischen Teil ("quasi una fantasia") über, der schließlich wieder in das Strophenlied mündet.

Die Zerrissenheit ETA Hoffmanns zwischen Freunden (einschließlich Alkohol), Frauen und literarischem Werk in einer Arie!


*******sima Frau
2.540 Beiträge
Manuskriptauszug Struck-Schloen (13)
Sie hören die SWR 2 Musikstunde mit Michael Struck-Schloen.

Und ruhelos wie der Dichter Hoffmann war auch der Komponist Jacques Offenbach, den ich in dieser Folge auf seinen Reisen begleite. Die führten ihn nicht nur in die Kurbäder Ems, Homburg oder Baden-Baden, wo Offenbach dirigierte und sein eingespieltes Geld in den Kasinos gleich wieder auf den Kopf haute. Auch Wien war für Offenbach, obwohl es dort keine Spielbank gab, ein festes Reiseziel. Die Wiener hatten sich in den ersten Jahrzehnten der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph als treue Fangemeinde entpuppt. Man liebte die Atmosphäre der Frivolität und der Respektlosigkeit gegenüber den Behörden, worin man durchaus Momente des Wiener Volkstheaters erkannte. Und der Schauplatz von Offenbachs Wiener Triumphen war das Carltheater in der Leopoldstadt, das von den damaligen Stararchitekten Sicardsburg und van der Nüll einen pompösen Neubau erhalten hatte.

Weniger pompös waren die Tantiemen, die man Offenbach anfangs in Wien zahlte ‒ nämlich gar keine. Als Geschäftsmann, der Offenbach war, protestierte er gegen diese Ausbeutung und erreichte sein Ziel: Er bekam sein Geld ‒ und ein begeistertes Publikum. Das Problem, dass man den französischen Humor und die französischen Spottzielscheiben durch ur-österreichische ersetzen musste, lösten zwei geniale Theaterpraktiker. Der eine, Johann Nestroy, ist eine Legende des Wiener Volkstheaters; der andere, der aus Berlin stammende Karl Treumann. Während von Nestroys Anverwandlungen wenig überliefert ist, bestimmen vor allem Treumanns Texte bis heute die deutschen Übersetzungen von Offenbach.

Sogar der Wiener Karl Kraus, ein spitzzüngiger Analytiker des österreichischen Wesens vor und nach dem Ersten Weltkrieg, hat sich auf Treumann berufen, als er in den 1920er Jahren seine öffentlichen „Vorlesungen“ über Offenbach begann. Kraus hielt Offenbach „für den größten satirischen Schöpfer aller Zeiten und Kulturen“ und liebte seine „phantasiebelebende Unvernunft“. Ein wenig davon wollte der Schriftsteller in seinen Abenden vermitteln, die halb gelesen, halb zu Klavierbegleitung gesungen wurden. Hier eine Kostprobe von 1930: Karl Kraus singt ‒ mit verteilten Rollen ‒ eine Szene aus Offenbachs "Schwätzerin von Saragossa". Im Zentrum steht der reiche und 11cholerische Sarmiento, der unter den nie endenden Wortkaskaden seiner Frau Beatrix leidet. Damit endlich Schluss ist, hat er den Neffen Roland eingeladen, seine Frau zum Schweigen zu bringen ‒ indem er sie an Geschwätzigkeit noch übertrifft! Während des Diners erreicht die Schlacht der Worthülsen ihren Höhepunkt.



Der Wiener Schriftsteller und Kulturkritiker Karl Kraus in Hochform: Mit verteilten Rollen und Stimmlagen hat er im Jahr 1930 eine Szene aus Jacques Offenbachs Opéra comique "Die Schwätzerin von Saragossa" nachgestellt: ein Erfolgsstück auf französischen und deutschsprachigen Bühnen ‒ und eben auch in Wien, wo Offenbach geniale Übersetzer und ein ziemlich treues Publikum hatte. So treu war diese Anhängerschaft, dass 1864 sogar Offenbachs erste Oper Die Rheinnixen in Gegenwart des Kaiserpaares uraufgeführt wurde.

Offenbach auf Reisen ‒ das ist oft auch ein heikles Kapitel in Offenbachs Biografie, denn nicht immer waren diese Reisen ganz freiwillig. Wenn in Paris ein Theaterunternahmen Bankrott machte oder eine Produktion die Ausgaben nicht wieder einspielte ‒ dann machte sich Offenbach manchmal über Nacht aus dem Staub und begab sich zur Familie nach Köln, nach Ems oder Wien, um neue Pläne zu schmieden, zu komponieren und die Beruhigung der Turbulenzen abzuwarten. Offenbach lebte und arbeitete meist auf eigene Rechnung; und er musste 56 Jahre alt werden, bis er wirklich einmal ein finanzielles Angebot bekam, das ihn auf einen Schlag sanierte. Und das kam aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Im April 1876 bestiegt er in Le Havre den Transatlantikdampfer Canada, der ihn durch Seestürme und Unwetter nach New York brachte, wo er von einer Kapelle mit eigenen Melodien empfangen wurde: „Welcome Offenbach!“

Über sein Amerika-Abenteuer hat der Komponist ein Büchlein veröffentlicht: "Offenbach in Amerika". Diese Reisenotizen eines Musikers, wie der Untertitel lautet, zeigen Offenbach als staunendes Kind angesichts der Merkwürdigkeiten, die ihn in New York und später in Philadelphia erwarteten: von der gigantischen Auswahl der Speisen in den Hotels über die Straßenbahn bis zum Alkoholverbot an Sonntagen. Alles schien ihm interessant, nicht nur die imposanten Niagarafälle. Offenbach beobachtete, wie in den Theatern dieselben Musiker mal mit weißen, mal mit geschwärzten Gesichtern spielten, er wunderte sich, dass man in jeder Lebenslage einen mobilen Fernschreiber erhalten konnte ‒ eine Art Vorläufer der Mobiltelefone ‒ und interessierte sich für die aggressive Reklame in den Städten. Daneben dirigierte er hin und wieder Konzerte mit eigenen Ouvertüren in Konzertgärten mit künstlichem Wasserfall und exotischen Pflanzen ‒ immer waren die Veranstaltung gut gefüllt, vor allem bei der Weltausstellung in Philadelphia, wo er die unglaubliche Gage von 1000 Dollar pro Konzert erhält.

Die Widersprüche des Landes blieben ihm dabei nicht verborgen. Bei der Weltausstellung verzichtete man auf eine Präsentation von Indianern, nachdem General Custer und seine Kavallerieregiment am Little Big Horn von einem vereinigten Indianerheer vernichtend geschlagen worden war. Antisemitismus war in den Großstädten ebenso präsent wie die Diskriminierung der Schwarzen, die zwar offiziell frei waren, aber in vielen Bereichen ausgegrenzt wurden. Und nur einmal gerät Offenbach in seinem Reisebuch wirklich ins Schwärmen. „Es muss zugestanden werden“, schreibt er, „dass es wohl kaum bezauberndere Frauen geben kann als die Amerikanerinnen“. Offenbach bewundert ihre Figuren genauso wie ihr selbstverständliches Auftreten in der Öffentlichkeit und in den Restaurants. Und zieht den euphorischen Schluss: „Nur die Frauen sind die wirklich Freien im ‚freien‘ Amerika.“ Diesen freien Menschen hat er einen Walzer gewidmet: Les belles américaines ‒ Die schönen Amerikanerinnen.



Die schönen Amerikanerinnen, ein Huldigungswalzer von Jacques Offenbach an die eleganten und selbstbewussten Damen von New York. Erich Kunzel leitete das Cincinnati Pops Orchestra.

Im Juli 1876 war Offenbach mit gut gefüllter Brieftasche wieder zurück in der Heimat und erholte sich von den Strapazen in seinem Landhaus an der Küste in Étretat. Bald stürzte er sich wieder ins Pariser Theaterleben, komponierte unaufhörlich und studierte seine Werke ein ‒ aber die Pausen wurden häufiger, denn Offenbachs Gesundheit war in einem beklagenswerten Zustand. Seit Jahren schon wurde er geplagt von schmerzhaften Gichtanfällen, die ihn bewegungsunfähig machen; hinzu kam vielleicht eine Tuberkulose oder Lungenkrebs, verursacht durch seinen exzessiven Zigarrenkonsum. Ein Jahr vor seinem Tod reiste er ein letztes Mal nach Wien ‒ und selbst sein Freund und Bewunderer, der Kritiker Eduard Hanslick, war entsetzt von seinem Äußeren. „Er glich einer zerbröckelnden Ruine, die über Nacht lautlos in sich zerfallen kann. Mit Bestürzung bemerkten die Freunde das todmüde Gesicht des sonst so heiteren Mannes und ahnten Abschied nehmend, es sei diesmal für immer. Diese letzte Fahrt des kranken Offenbach nach seinem zärtlich geliebten Wien war einer der zahlreichen Beweise seiner erstaunlichen, alle körperlichen Leiden bezwingenden Willensstärke und Arbeitslust“.

Sogar nach Deutschland fuhr Offenbach noch einmal, obwohl er sich nach dem deutsch-französischen Krieg geschworen hatte, nie mehr heimatlichen Boden zu betreten. Nach einer Kur im Schwarzwald kam er nach Köln, betete am Grab der Eltern und ließ sich von seiner Schwester Netta die Speisen seiner Jugendzeit kochen. „Wir sehen ihn noch in Pelz gehüllt auf dem großelterlichen roten Plüschsofa sitzen“, erinnerten sich später die Enkel.

Am 5. Oktober 1880 ist Jacques Offenbach in seiner letzten Pariser Wohnung am Boulevard des Capucines gestorben, 61 Jahre alt ‒ am Ende wurde selbst die Arbeitswut von seinem hinfälligen Körper besiegt. Bis zuletzt hat er an Hoffmanns Erzählungen gearbeitet und erste Proben an der Opéra-Comique beaufsichtigt, wo das Werk erst nach seinem Tod in ziemlich verstümmelter Gestalt herauskam. Zwei Tage später fand Offenbachs letzte Reise auf den Friedhof Montmartre statt.

Ganz Paris erschien zum Trauerzug, 3000 Menschen begleiteten den Sarg zur Madeleine-Kirche, wo die Trauermesse stattfand. Allerdings war die Kirche schon so sehr mit Schaulustigen gefüllt, dass nur die Familie und wenige Trauergäste Platz fanden. Als Musik erklingt einer seiner Schlager, der in allen Theatern und auf den Straßen von Paris gesungen wurde: Fortunios Lied. Hier eine Aufnahme mit dem Tenor Michel Cadiou.


****ga Frau
18.014 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank liebe Tantrissima für dein tolles Engagement
hallo liebe Klassik *fans*,

da die aktive Themen Beteiligung hier beim KDM
doch immer recht mau ist, würde ich vorschlagen,
das wir in den Monaten Juli und August pausieren,
weil ja eh Urlaubszeit ist und dann kann sich unsere
liebe tantrissima mal erholen *sonne*


*danke*

GLG ananga
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Ich halte das für eine gute Idee und eine angemessene Frist für alle Gruppen-Mitglieder, sich darüber klar zu werden, wie wichtig ihnen der Weiterbestand der Klassik-Gruppe ist. Sollte sich herausstellen, dass kein Interesse mehr vorhanden ist, bzw. keine genügend große Anzahl mehr bereit ist, die Gruppe aktiv mit input zu versorgen, der über das bloße, unkommentierte Einstellen von Musikstücken hinausgeht, ist es auch möglicherweise Zeit, die Gruppe aufzulösen. Ich würde das zwar sehr bedauern, denn diese Gruppe ist mir einerseits tatsächlich sehr ans Herz gewachsen und diejenige meiner JC-Gruppen, in der ich mich am aktivsten beteilige - ich bin aber andererseits dennoch der Meinung, dass man auf einem toten Gaul nicht reiten kann.

Zu Offenbach habe ich noch ein paar Beiträge, die ich heute und in den nächsten Tagen noch einstellen werde.
*******ack4 Mann
2.578 Beiträge
*meld*
Ihr Lieben,
529 Mitglieder soll es in dieser Gruppe geben... *gruebel*
Da fragt man sich, wann bieten die anderen 520, so schätze ich jetzt mal ab, einen kreativen Beitrag?
*ungeduldig*
*******sima Frau
2.540 Beiträge
1871 - die Macht und die Musik (Manuskript Pasz (1))
... das war der Titel einer anderen SWR2-Musikstundenreihe im Januar diesen Jahres. Eine Folge davon war Jacques Offenbach gewidmet. Autorin war die Cellistin und Musikjournalistin Ines Pasz.

Als gebürtige Bonnerin kannte Ines Pasz in ihrer Jugend nur einen Helden: Ludwig van Beethoven. Um dessen Tripelkonzert auch allein spielen zu können lernte sie Geige, Klavier und Violoncello und blieb bei Letzterem hängen. Ein Studium des sperrigen Instruments in Essen und Würzburg beendete sie mit der Künstlerischen Reifeprüfung und hielt dem Cello auch weiterhin die Treue, als Musikerin und als Pädagogin. Allerdings ging ihr Interesse an der Musik bald über die rein klanglichen Exerzitien an den vier Saiten hinaus: Seit mehreren Jahren ist sie tätig als Konzertmoderatorin und beim SWR als Programmmacherin, Autorin und Moderatorin unter anderem in den Sendungen „Treffpunkt Klassik (extra)“, „Zur Person“ und Musikstunde.

Ein paar inhaltliche Überschneidungen mit dem längeren Manuskript von Struck-Schloen sind da natürlich vorhanden, aber ich fand den Aspekt, wie die poltischen Verhältnisse die Musik betreffen oder sich in ihr spiegeln bzw. ihre Entstehung und Verbreitung beeinflussen, interessant genug, um diese Überschneidungen dennoch in Kauf zu nehmen.

Einen schönen guten Morgen, ich bin Ines Pasz. 1871 –Die Macht und die Musik, darum geht es in dieser Woche in der SWR2 Musikstunde. Gemeint sind damit der deutsch-französische Krieg und die deutsche Reichsgründung und was sie für Deutschland und Frankreich bedeuten. Einer, der zwischen beiden Nationen steht, ist der Komponist Jacques Offenbach. Ihn treffen wir heute im 4. Teil und seinen Kontrahenten im Geiste, Napoleon den Dritten.

Wenn es jemand schwer hat in Frankreich im Jahr 1871, dann ist es Jacques Offenbach. Er, der in Paris Jahrzehnte lang rauschende Triumphe feiert mit seinen Operetten, der einer ganzen Gesellschaft den Spiegel vorhält, sich die bissigsten Satiren erlaubt, er ist plötzlich nur noch „Der Deutsche“, und „Der Preuße“. Und das ist das mit Abstand Schlimmste, was einem in Frankreich in diesem Moment passieren kann. Denn die Deutschen, die haben nicht nur einen Krieg gewonnen, sie haben Frankreich gedemütigt, haben sich im Schloss des Sonnenkönigs die Kaiserkrone aufgesetzt, und stehen jetzt da als Deutsches Reich mit geschwellter Brust. Nein, ein gebürtiger Deutscher hat seine Gunst verspielt in den Herzen der Franzosen. Da sind die Ehre und die Erfolge vergangener Zeiten ganz schnell vergessen.



Auch wenn man damals, im 19. Jahrhundert, nie in Paris war, man brauchte sich bloß die Operetten von Jacques Offenbach anhören und hatte alles parat: den Schwung, den Charme, die Eleganz. Die Ouvertüre zur „Pariser Leben“ war das, mit dem Harmonia Symphony Orchestra & der Wiener Staatsoper unter Andriy Yurkevych.

Es ist die große Zeit von Jacques Offenbach in seiner Wahlheimat Paris. Er, der ungekrönte König der französischen Operette, ist dabei nicht nur Komponist, der wahrscheinlich erfolgreichste in ganz Paris, sondern vor allem Theaterunternehmer. In seinem „Théâtre des Bouffes-Parisiens” zündet er ein Bühnenfeuerwerk nach dem anderen und darf sich ganz offensichtlich alles erlauben. Selbst diejenigen, die er durch den Kakao zieht applaudieren, wenn auch mit einem gequälten Lächeln.

Dazu gehört auch der Kaiser selbst, Napoleon der Dritte. Los geht es 1858 mit Offenbachs Mythenparodie "Orpheus in der Unterwelt"."Dieses Regime ist stumpfsinnig!", damit rebellieren die Götter gegen Jupiter, ihren obersten Chef, der genusssüchtig und langweilig niemand anderes sein soll als Napoleon der Dritte. Aber Offenbach ist zu diesem Zeitpunkt schon so berühmt, dass selbst dem Kaiser und seiner Entourage nichts Anderes übrig bleibt, als gute Miene zum giftigen Spiel. Ansonsten sind alle hin und weg von Offenbachs Frechheit und Eleganz, seinem Witz und seiner mitreißenden Musik.



Chor infernal nennt Jacques Offenbach das Finale zum 4. Akt seiner Opera bouffe „Orpheus in der Unterwelt“.

Jacques Offenbach und Napoleon der Dritte, immer wieder stoßen sie aufeinander. Und je mehr der selbst ernannte Kaiser sich groß inszeniert, desto sarkastischer der Gegenschlag von Offenbach. 1867: Weltausstellung in Paris, Napoleons mächtiger Auftritt. Auf einem halben Quadratkilometer zeigen die Nationen, was sie zu bieten haben. Russische Bauernhöfe, ungarische Wirtshäuser und orientalische Cafés gibt es da, dazwischen die neuesten Errungenschaften der modernen Technik wie ein hydraulischer Fahrstuhl und Stahlbeton. Die Deutschen, mal wieder alle Vorurteile bestätigend, präsentieren eine Kanone aus Kruppstahl. Regisseur und Hauptdarsteller des Riesenevents ist Napoleon der Dritte.

Er ist schon deutlich in die Jahre gekommen. Zunehmend beleibt, mit dünnem, gefärbtem Haar, zwirbelt er seinen noch dünneren Schnurrbart und schlurft träge durch die Reihen. „Ein ganz einfacher, ziemlich kleiner Mann“ staunt ein deutscher Korrespondent, „ruhig und verschlossen“. „Den großen Schweiger“ nennt ihn Feldmarschall Moltke, aber einen den man nicht unterschätzen sollte. Napoleon der Dritte ist ein Machtmensch und räumt politisch alles beiseite, was sich ihm in den Weg stellt, trotz eines nicht unerheblichen Phlegmas und einem fatalen Hang zur Bequemlichkeit.

Seinen Schreibtisch meidet er, wo er nur kann und legt sich zum Nachdenken am liebsten ins Bett. Da wartet dann oft schon eine seiner zahlreichen Geliebten auf ihn. Napoleons erotische Abenteuer sind legendär, Mätressen geben sich die Klinke in die Hand, und das nicht nur wegen seiner Macht, meint Pauline Metternich. „Sein Gesicht war entschieden hässlich“, so die österreichische Diplomatengattin. „Dennoch: er gefiel und mehr als das, er bezauberte. Seine Augen, von denen man sagte, sie seien glanzlos gefielen mir unbeschreiblich gut, denn sie spiegelten unendliche Güte und Milde wider.“ Allerdings kann sich der liebestolle Kaiser nicht vorstellen, dass andere Männer irgendwie anders ticken.

Zum Beispiel Otto von Bismarck. Als der 1862 als Gesandter nach Paris kommt, spürt Napoleon gleich, dass der preußische Hüne nicht leicht zu knacken ist. Um die Gespräche etwas aufzulockern bietet er ihm eine Mätresse an für die Nacht. Dazu habe er weder Zeit noch Verlangen verkündet der ostelbische Junker, was Napoleon Schlimmes ahnen lässt. Mit solchen Leuten sollte man lieber keine Geschäfte machen - und in der Tat wird der sittenstrenge Preuße ihm bald ziemlich zu Leibe rücken. Bei ihrem nächsten Treffen bei der Pariser Weltausstellung ist Bismarck nicht mehr nur Diplomat, sondern inzwischen Ministerpräsident von Preußen, und bis zum folgenschweren Krieg sind es gerade mal noch drei Jahre.



Der Eingangschor aus „Die Großherzogin von Gerolstein“ mit dem Chor und dem Orchester der Kölner Oper.

Uraufgeführt wird diese Opera bouffe bei der Pariser Weltausstellung 1867. Die Hauptstadt, Kaiser Napoleon und damit ganz Frankreich zeigen sich von ihrer schillerndsten Seite. Modern, reich, aufgeschlossen, mächtig sind wir, das ist die Botschaft. Nur Jacques Offenbach und sein Librettist Ludovic Halevy schlagen eine Kerbe in diese glitzernde Fassade. Ihre Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ ist auf den ersten Blick eine vergnügte Parodie auf das Militär, auf den zweiten nimmt sie das drohende Unheil voraus. „Dieses Mal mokieren wir uns über den Krieg und der Krieg steht vor den Toren“, notiert Halevy verheißungsvoll in seinem Tagebuch. Aber noch sitzen Bismarck, inzwischen Ministerpräsident von Preußen, und der französische Kaiser im Theater und amüsieren sich über Offenbachs neuesten Geniestreich.

Die Großherzogin von Gerolstein, halb Salonlöwin halb Flintenweib, regiert einen dieser lächerlichen Miniaturstaaten, wie es sie in Deutschland zuhauf gibt und die Bismarck lieber heute als morgen liquidieren möchte. Dazu ein General Bumm, der statt Tabak lieber Pulverdampf schnupft, ein Gefreiter, der ein leeres Stück Rasen bewachen muss, und ein Krieg, der mal eben so vom Stapel gebrochen wird, damit die Regentin sich nicht so langweilt. Dazwischen Komplotte, Winkelzüge und Generäle, die sogar für eine Operette zu dumm sind. Bismarck ist begeistert, weil er glaubt, das Ganze sei eine Persiflage auf die zunehmende Dekadenz des französischen Militärs. Napoleon dagegen hofft, die Deutschen seien gemeint. In Wahrheit dreht diese brillante Parodie alles durch die Mangel, was überall gleichermaßen grassiert: militärischer Bombast, dümmliche Herrscher und eine aufgeblähte, korrupte Bürokratie.



„Ach, wie liebe ich die Soldaten“ singt die Großherzogin von Gerolstein bei Jacques Offenbach in der gleichnamigen Operette, Stefanie Schäfer war das bei Einer Aufführung der Eutiner Festspiele 2009.

Mal wieder, wie auch schon in „Pariser Leben“ und „Orpheus in der Unterwelt“, hält Jacques Offenbach mit der „Großherzogin von Gerolstein“ der Gesellschaft rund um Napoleon den Dritten den Spiegel vor. Eine Spaßgesellschaft würde man heute sagen, gelangweilt und vergnügungssüchtig. Ein Kaiser, der sich eine Mätresse nach der anderen ins Bett holt und gleichzeitig mit einer sittenstrengen Spanierin verheiratet ist. Eugenie, heißt sie. Mit herablassender Gleichgültigkeit blickt sie auf all die Kurtisanen und spielt sich als Regentin auf, als ihr Gatte noch im Amt ist.

Das alles erscheint Offenbach wie das Libretto zu einer Operette. Schon einmal hat sich in Frankreich ein Napoleon selbst zum Kaiser gekrönt, aber dieser hier, sein Neffe, wirkt fast wie eine Karikatur der einstigen Größe, wenn es nicht so tragisch enden würde.

Louis Napoleon Bonaparte, so kommt der spätere Kaiser auf die Welt, wird zuerst Staatspräsident der Zweiten Republik, macht sich dann zum Diktator und zuletzt per Volksabstimmung zum Kaiser der Franzosen. Ja, die meisten Franzosen stimmen für ihn als Kaiser, weil sie ihm und seinen populistischen Parolen glauben. Er will Frankreich angeblich groß machen, reich und mächtig und muss nun ständig beweisen, dass er das auch kann. Untergehen wird er zuletzt zusammen mit der Niederlage gegen die Deutschen. Er wird abgesetzt, gefangen genommen und stirbt zwei Jahre später im Exil. Und Jacques Offenbach? Er wird von Napoleon, den er immer so treffend karikiert hat, mit hinabgerissen. Nicht so vollständig und nicht so tragisch wie der Kaiser selbst, aber für Offenbach ist die militärische Niederlage Frankreichs der Anfang vom Ende. Er strauchelt und wird vom umjubelten Megastar für eine Weile zur „persona non grata“. Und das in seinem heiß geliebten Paris.
*********vibus Mann
1.019 Beiträge
Zitat von ****ga:
da die aktive Themen Beteiligung hier beim KDM doch immer recht mau ist, würde ich vorschlagen, das wir in den Monaten Juli und August pausieren (...)
Zitat von *******sima:
Ich halte das für eine gute Idee und eine angemessene Frist für alle Gruppen-Mitglieder, sich darüber klar zu werden, wie wichtig ihnen der Weiterbestand der Klassik-Gruppe ist.
Die Beteiligung in der Gruppe und speziell in diesem Thread ist in der Tat gering. Das ist schade, aber vielleicht nicht zu ändern. Auch in anderen Gruppen ist das ähnlich, soweit ich sehe. Der Kreis der Klassik-Interessierten ist eben exklusiv.
Dem vorgeschlagenen Abhilfekonzept gegenüber bin ich skeptisch. Dass eine Sendepause die Attraktivität des Programms erhöht, scheint mir nicht selbstverständlich.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Manuskriptauszug Pasz (2)
Eine „Träumerei am Meeresufer“für Orchester und Cello solo:



Im Dezember 1869 sind Jacques Offenbach und ganz Frankreich von solch einer Idylle meilenweit entfernt, nur noch wenige Monate sind es bis zum großen Krieg gegen Deutschland, oder gegen das, was sich damals Deutschland nennt: der Norddeutsche Bund und einige süddeutsche Staaten. Die Führung jedenfalls hat Preußen, so viel ist sicher, und Preußen bedeutet zu diesem Zeitpunkt Otto von Bismarck. Zwei Staaten mit großem Ehrgeiz, beide strotzend vor Selbstbewusstsein. Aber vor allem Frankreich hat enorme wirtschaftliche Probleme und einen Kaiser, der mit allem heillos überfordert scheint.

" Napoleon schwankt dauernd zwischen Demokratie und Autokratie“, rüffelt ein Zeitgenosse, „zwischen Fortschritt und Reaktion. Er schwankt zwischen den Traditionen eines kaiserlichen Regimes und einem populären Sozialismus und kommt nicht zurecht mit den Widerständen der Gesellschaft.“

Die Franzosen wollen endlich Erfolge sehen bei ihrem Kaiser. Innenpolitisch geht einiges schief, also hole ich mir meine Erfolge eben in der Außenpolitik - denkt sich Napoleon. Aber auch hier produziert er ein Desaster nach dem anderen, verstrickt sich in unheilige Allianzen und spielt mit Muskeln, die er gar nicht hat. So wird ein Krieg Ende der 1860er Jahre immer wahrscheinlicher, Krieg mit dem neuen, mächtigen Nachbarn jenseits des Rheins.

Und wieder liefert Jacques Offenbach dazu die passende Blaupause: „Les Brigands“, „Die Banditen“, diese Opera bouffe legt den Finger in die Wunden der Zeit: ein Fürst mitten unter schmierigen Höflingen, eine Staatsmacht, die zu dumm ist, für Ordnung zu sorgen, echte und vermeintliche Räuber und zuletzt bleibt alles beim Alten. Die Mächte wanken, machen dabei eine traurige Gestalt und verprassen ein Vermögen, das sie gar nicht haben.



„Les Brigands“ oder auf Deutsch „Die Banditen“ bzw. "Die Räuber" nennt Jacques Offenbach seinen neuesten Geniestreich kurz vor dem Krieg, hier war das eine Szene aus dem 1.Akt in einer Inszenierung des Staatstheaters Braunschweig.

Diese Opera bouffe ist nicht nur der Soundtrack zum neuen militärischen Abenteuer, das Frankreich 1870 bevorsteht. Jacques Offenbach zündelt auch mal wieder mit kleinen Sticheleien in Richtung Herrscherpaar. Seine „Banditen“ spielen in Spanien, und daher stammt auch Eugenie, die Gattin des Kaisers. Lange Zeit gilt sie als die schönste Frau Europas, bis, ja bis eine gewisse Elisabeth von Österreich ihr den Rang streitig macht.

Als Eugenie mit 23 Jahren Louis Napoleon zum ersten Mal begegnet - da ist er noch Präsident und noch nicht Kaiser - macht sie enormen Eindruck auf ihn. George Sand beschreibt sie als „mittelgroß, wunderbar proportioniert und mit Händen und Füßen so klein, wie bei einem 10jährigen Kind. Ihr Kopf, der sich sehr stolz über einem leuchtendweißen Hals erhebt, wird von einer Masse gewellten Haares gekrönt. Ihre Züge sind wie gemeißelt und haben die Vollkommenheit einer griechischen Statue“. Aber Eugenie ist nicht nur schön und auch ziemlich klug, sie ist vor allem ehrgeizig und eine begnadete Strategin. So lässt sie den erfolgsverwöhnten Verführer erst mal gekonnt abblitzen. Napoleon ist darüber so verdutzt, dass er gar nicht anders kann als sie zu begehren. Zuletzt mündet das Ganze tatsächlich vor dem Traualtar und von Stund‘ an hat Frankreich zwei Herrscher, ihn und sie. Eugenie will nicht nur bestimmen, was man in Frankreich anzuziehen hat, sie will mitregieren, und je schwächer Napoleon wird, desto mehr wachsen ihre Gelüste auf die Macht. Dabei steht sie nicht gerade für den Fortschritt, weder politisch noch gesellschaftlich. Eugenie liebt das Rokoko, erscheint auf Kostümbällen mit Reifrock und gepuderter Perücke, und verehrt vor allem die einst enthauptete Marie-Antoinette.

Über so Jemanden kann sich ein Jacques Offenbach nur lustig machen. Aber die Kaiserin rächt sich: als Offenbach nach dem verlorenen Krieg bei den Franzosen in Ungnade fällt, entzieht auch Eugenie ihm die Honneurs und streicht ihn von der Liste der Anwärter auf die Ehrenlegion, dabei wäre Offenbach eigentlich dran gewesen.

Überhaupt schätzt sie den Komponisten nicht besonders, seine Stücke sind ihr einfach zu frivol und zu frech. Die prüde Spanierin kann damit nichts anfangen. Und Offenbach macht sich auch keine Mühe, ihr zu gefallen. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Giuseppe Verdi. Der erweist ihrer Majestät die Ehre und widmet ihr die Ballettmusik seiner Oper „Don Carlos“. Bei der Uraufführung 1867 in Paris sitzt Eugenie in der Kaiserloge und strahlt in ihrer ganzen Schönheit. Sie hat Glück, das österreichische Kaiserpaar ist auch eingeladen, aber Elisabeth ist schwanger, Franz Joseph kommt allein. Also Vorhang auf für Eugenie. Prächtig ausstaffiert ist sie, Frisur, Kleidung, Schmuck, alles von großer Raffinesse. Doch vor allem ein Schmuckstück zieht alle Blicke auf sich,es ruht auf ihrem Dekolleté, „La Peregrina“, die bis heute berühmteste Perle der Welt, geformt wie ein Tropfen und so groß wie ein Taubenei.

„La Peregrina“ nennt Giuseppe Verdi auch die rund 15minütige Ballettmusik in seiner Oper, als Hommage an die Gattin von Napoleon dem Dritten und an die Grande opera, die große französische Oper.



Um die größte und schönste Perle der Welt geht es in der Ballettmusik „La Peregrina“ aus der Oper „Don Carlos“ von Giuseppe Verdi, in der SWR2 Musikstunde mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai unter Roberto Abbado.

1867 ist die Uraufführung von „Don Carlos“ bei der Weltausstellung in Paris, drei Jahre später befindet sich Paris im Ausnahmezustand, denn die Deutschen rücken immer mehr auf die Stadt zu.

Derweil sitzt Jacques Offenbach an zwei neuen Bühnenstücken. Doch er spürt die angeheizte Stimmung. Je öfter die Deutschen eine Schlacht gewinnen, desto häufiger wird Offenbach angegriffen. Er sei ein Spion Bismarcks, heißt es in der Presse, oder noch besser sein Statthalter. „Monsieur Offenbach“, lästert Le Figaro „dessen widerwärtige und dummdreiste Musik uns aufs Ärgste zugesetzt hat, hat mit seinem unverschämt dummen Gelächter die Kunst vertrieben zugunsten des obszönen Irrsinns seiner Operetten.“ Aber auch die Deutschen fallen über Offenbach her, beschuldigen und beschimpfen ihn als Kollaborateur mit dem Feind.

Nach der verlorenen Schlacht von Sedan am 2. September 1870 geht dann alles ganz schnell: Der Kaiser dankt ab, Eugenie flieht nach England, am 9. September gibt es einen, heute würden sagen wir kompletten kulturellen Lockdown. Alle Theater und Konzerthäuser werden geschlossen, alle Musik– und Theaterzeitschriften eingestellt, am 19. September beginnt die Belagerung von Paris und Jacques Offenbach flieht über Bordeaux ins spanische San Sebastian.

Gianluigi Trovesi: La Voix (Bitte Soundtrack Nr. 7 abspielen. Allerdings ist die CD, die sich ausschließlich mit der Musik Offenbachs auseinandersetzt, auch insgesamt sehr empfehlenswert!)

https://music.apple.com/de/album/la-voix/1443782010?i=1443782625

„La Voix“ nennt der Jazz-Saxofonist Gianluigi Trovesi seine Auseinandersetzung mit der Oper Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach, zusammen mit dem Akkordeonisten Gianni Coscia. Traumhafte Emotionen und Nostalgiegefühle verbindet Trovesi mit der Musik von Jacques Offenbach, jedenfalls ergründet er die meditativen und sogar melancholischen Momente des Komponisten, die man sonst nicht so kennt.

Anfang 1871, als die Deutschen in Versailles ihren Triumph feiern, ist Jacques Offenbach gar nicht zum Lachen zumute. Er sitzt im fernen Spanien, leidet an der Gicht und der ganzen schrecklichen Situation.

Paris ist belagert, dann verwüstet und die Deutschen führen sich auf, als sei alle Kultur aus ihnen entwichen. „Ich hoffe“, so schreibt Offenbach, „dass Wilhelm Krupp und sein schrecklicher Bismarck für all das bezahlen werden. Ach, was für entsetzliche Menschen sind diese Preußen, und ich bin aufs tiefste betrübt bei dem Gedanken, dass ich an den Ufern des Rheins geboren bin, und mich irgendwelche Bande an diese Menschen knüpfen. Ach, mein armes Frankreich, wie dankbar bin ich ihm, dass es mich unter seine Kinder aufgenommen hat.“

Und wo steht er selbst, Jacques Offenbach? Als Sohn eines jüdischen Kantors im preußischen Köln geboren, dann erfolgreich in Paris, der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, und jetzt geschmäht als Ausländer.

Nicht nur die Person Jacques Offenbach wird angegriffen, als Preuße, als Deutscher, sondern mit ihm gleich das gesamte Genre Operette. Frankreich wurde besiegt, so die Meinung der Pariser Intellektuellen, weil der Staat, weil die Regierung versagt haben. Und warum haben sie versagt? Weil sie durchdrungen sind von Korruption und Skeptizismus. Und daran, so unkt man in Paris, hat die Operette ihren Anteil, mit ihrer Dekadenz, ihrem Materialismus und ihrer sozialen Ungleichheit“.

Als Jacques Offenbach im Sommer 1871 nach Paris zurückkehrt, ist er entsetzt über die Verachtung, die ihm entgegenschlägt. Erst als die ersten Theater in Paris zwischen allem Schutt und den Ruinen wieder zögerlich öffnen, normalisiert sich die Stimmung. Offenbach liefert auch gleich zwei neue Bühnenwerke, „Le roi carotte“ und „Fantasio“.

Aber auch jetzt setzt es Hiebe von den Kritikern: „Überall Offenbach“, steht da, „Offenbach hat sich vervielfältigt und fällt nun über uns her. Und im letzten Bild der Oper besingt er auch noch den Frieden. Nicht jeder hat das Recht, solche sehr sensiblen Themen öffentlich anzusprechen. „Offenbach“, so schließt der Artikel, „soll Platz machen für andere und Platz für die unsrigen.“

Jacques Offenbach: „Fantasio“, Duett Fantasio-Elsbeth



Eine wundervolle Szene, Fantasio und Elsbeth singen zusammen, ohne sich zu sehen, und verlieben sich ineinander nur über ihre Stimmen. Das Duett aus dem 1. Akt der Opera bouffe „Fantasio“ war das mit Sarah Connolly und Brenda Rae, am Klavier begleitet von Nicholas Bosworth.

Nach dem deutsch-französischen Krieg wird Jacques Offenbach noch neun Jahre lang leben. Die chauvinistischen Schmähungen hören bald wieder auf, aber der Geschmack der Pariser hat sich verändert, die großen Erfolge von einst wird er nicht mehr feiern. Sein persönlicher Triumph aber ist, dass er seine Aktualität bis heute hält. Deutsche, jüdische, französische Musik? Die Kunst des Jacques Offenbach steht über oder jenseits solcher Klassifizierungen, gerade mit seiner letzten Oper, „Hoffmanns Erzählungen“, einer genialen Mischung aus deutschem Tiefsinn und französischer Leichtigkeit, aus Geist und Esprit. Weil er sich der Macht, der gesellschaftlichen und politischen Macht seiner Zeit widersetzt, bleibt er ungebrochen aktuell und modern, und hält auch uns auch heute noch immer den Spiegel vor.
*******uck Mann
138 Beiträge
Guten Morgen!
Erstmal wieder Danke an die unermüdliche Tantrissima.
Den Vorschlag von Ananga einer Sommerpause, finde ich erstmal gut.
Ob diese den gewünschten Effekt bringen wird, denke ich eher nicht.
Die Gruppe aufzulösen fände ich sehr schade.
Ich mag diese Gruppe und die Mitglieder hier, mit denen ich Kontakt hatte.
Ihr habt für mich Gesichter bekommen und die Vielfalt, frei von Vorurteilen, ist sehr schön.

Mehr Kommentare zu der 'gerade gehörten Musik', wären allerdings durchaus eine gue Idee.
Es macht mich etwas neugierig, nachzuhören, wie z.B. bei den Goldbergvariationen, bei denen ich auf Glenn Gould fixiert war und entdecken durfte, es darf mehr sein (wie in anderen Dingen des Lebens eben auch *zwinker*).
Die Idee ist ja eher Musik zu teilen, die gerade im Moment besonders für jemand ist.
Vielleicht könnte das zur Belebung beitragen.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Jacques Offenbach heute
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber für mich steht am Ende dieses "KdM Juni-Offenbach-Intensivkurses" die persönliche Erkenntnis, dass Offenbachs musikalisches Werk in seiner Gesamtheit tatsächlich weniger belanglos ist, als ich ihm bisher aus meiner Unkenntnis der musikalischen Dilettantin heraus aufgrund seiner generellen Einordnung in die Kategorie "leichte Muse" (oder gar abfälliger: "Klamotte") zugeschrieben hatte.

Und das Offenbach-Jubiläumsjahr 2019 scheint da auch einiges dazu beigetragen zu haben, dass er nicht nur von einigen Spezialisten weiter beforscht wird, sondern auch seine weniger bekannten Werke seitdem wieder häufiger auf die Bühnen zurückkehren und in den öffentlich-rechtlichen Medien vorkommen, als davor.

Es gibt tatsächlich auch zwei Vereine, die sich ganz der Aufgabe verschrieben haben, Offenbach wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken: zum einen ist das die Kölner Offenbach-Gesellschaft e.V. (https://www.yeswecancan.koeln), zum anderen die
Jacques-Offenbach-Gesellschaft e.V. Bad Ems (https://www.j-o-g.org). Beide Vereine machen sich Offenbach natürlich auch für ihr jeweiliges Stadtmarketing zu Nutze, aber das ist in meinen Augen legitim, ist Köln doch seine Geburtsstadt und Bad Ems der Ort, an den er sich zwölf Jahre lang regelmäßig zur Kur begab.

Ich habe ja bereits eine Diskussion zur Frage: "Wer ist Jacques Offenbach?" hier verlinkt, die die der Kölner Verein organisiert hatte: KLASSIK: KOMPONIST des Monats, X. Teil
und habe den Eindruck, dass der Schwerpunkt der Kölner überwiegend auf der Organisation solcher öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen liegt - potente Sponsoren und Förderer machen es möglich - aber informiert Euch am besten selbst auf deren Website. Da gibt es einiges Interessante zu entdecken und nachzulesen- bzw. zu sehen oder -hören.

Es lohnt sich aber mindestens ebenso sehr, auch bei den Emsern zu stöbern, die wohl vergleichsweise über insgesamt weniger finanzielle Mittel verfügen, aber doch seit vielen Jahren seit der Vereinsgründung im Oktober 1979 Erstaunliches damit geleistet haben und weiterhin leisten.

Ich zitiere hier eine Passage aus der Selbstdarstellung des Emser Vereins:

Die Jacques-Offenbach-Gesellschaft hat ihren Sitz in Bad Ems, was sich dadurch erklärt, daß sich Jacques Offenbach zwischen 1858 und 1870 wiederholt zur Kursaison im Hochsommer an die Lahn begab. Erst in zweiter Linie der Erholung wegen. In erster Linie suchte und fand er dort sein Publikum, denn ein maßgeblicher Teil der Gäste stammte aus Frankreich, insbesondere Paris. So kam es, dass Offenbach sein eigenes Ensemble mitbrachte, als Dirigent seiner Werke in Erscheinung trat und an neuen Stücken für den Winter in Paris weiterarbeitete. Wesentliche Teile seines "Orpheus" etwa sind in der entspannten Atmosphäre des mondänen Kurbads Ems entstanden. Zum Emser Stolz gehören auch die acht Werke, die im heute noch erhaltenen Marmorsaal ihre Uraufführung erlebt haben, darunter "Les Bavards" (1862), "Il Signor Fagotto" (1863), "Lischen et Fritzchen" (1863), "Jeanne qui pleure et Jean qui rit" (1864) und "Coscoletto" (1865).

Die Jacques-Offenbach-Gesellschaft ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Aufgabe verschrieben hat, das Werk Offenbachs bekannt zu machen, durch Aufführungen wie durch wissenschaftliche Forschung. Ist das nötig? Wird Offenbach nicht landauf landab gespielt? Schon, aber es sind fast immer dieselben Stücke. Der Werkkatalog von Jean-Claude Yon verzeichnet 110 Nummern. Aber wer kennt schon "Tromb-Al-Ca-Zar" (1856), "Les Trois Baisers du diable" (1857), "Mesdames de la Halle" (1858), "Geneviève de Brabant" (1859/67), "Le Fifre enchanté" (1864/68), "Les Bergers" (1865), "La Diva" (1869), "Madame l'Archiduc" (1874) oder "La Foire Saint-Laurent" (1874)? Es gibt viel zu tun!...

(...) An historischer Stätte, also rund um den architektonisch bedeutenden Marmorsaal des Kursaalgebäudes, sollten Konzerte, Aufführungen und andere Veranstaltungen an den „Mozart der Champs-Elysées“ erinnern und anspruchsvolle Kultur in das einstmalige Weltbad bringen, das unter den verschiedenen Gesundheitsreformen zu kränkeln begann.(...)

Die JOG unter dem Vorsitzenden Dr. Ralph-Günther Patocka (seit November 2008), Theaterwissenschaftler aus München, wird sich in Zukunft der Pflege des Offenbachschen Andenkens auf andere als die bisherige Weise zu widmen haben: mit wissenschaftlicher Arbeit und Koordination der so zahlreichen, aber auch so verstreuten Aktivitäten rund um ihren Lieblingskomponisten. „Die ‚Offenbach-Gemeinde’ ist insgesamt gar nicht so klein und unbedeutend, wie man gemeinhin annehmen könnte. … Die Offenbachianer sind nur weit verstreut in Europa und Übersee, so daß das eigentlich anstehende Problem in einer gezielten und wirkungsvollen Information über die kulturellen Aktivitäten der ‚Jacques-Offenbach-Gesellschaft’ steckt.“ So Günther Obst schon 1988. Die 1994 anvisierte Gründung eines Forschungszentrums zu Jacques Offenbach scheiterte an mangelnden finanziellen Ressourcen und damit auch an personellem Potential. Wir wollen die damals geäußerten Ideen unter geänderten Vorzeichen wiederbeleben.


Besonders eindrucksvoll fand ich die auf der Emser Website abrufbare Liste der Werke Offenbachs in der Aufgliederung in die Kategorien: Opern und Operetten, Bühnenmusiken, Ballette und Revuen, Instrumentalwerke, Vokalwerke, Gemeinschaftswerke, sowie eine umfangreiche Link-Liste, die Verbindungen zu vielen weiteren Einrichtungen enthält, die sich mit Offenbach befassen, oder auch eine Zusammenstellung von verfügbaren Aufführungsdokumentationen Offenbach'scher Werke auf Video.

Verdienstvoll auch eine Liste unter der Bezeichnung "Spielplan - Theater/Konzerte", der man entnehmen kann, wo und an welchen Bühnen überall auf der Welt(!) aktuell Offenbach gespielt wird. Sämtliche Seiten übrigens sehr benutzerfreundlich immer auch in einer druckbaren Version.

Insgesamt sind beide Webseiten also tatsächlich wahre Fundgruben, die sowohl einiges an Wissenszuwachs als auch kurzweiliger Unterhaltung versprechen.
Und somit sind sie unter anderem perfekt auch z.B. für die Überbrückung der vorgeschlagene Sommerpause hier geeignet, ganz ungeachtet aller möglichen Streiche, die uns allen unter Umständen durch das Auftreten neuer Covid-Varianten gespielt werden und unangenehmen Einschränkungen, die damit eventuell verbunden sein mögen.

In diesem Sinne wünsche ich uns einen wunderbaren Sommer mit vielen musikalischen Neuentdeckungen und (Wieder-) Begegnungen, sowie eine allseits neu erwachende und wahrnehmbare Lust auf einen neuen, kreativen und pro-aktiven KdM-Input im September.
*********vibus Mann
1.019 Beiträge
Nachdem ich mir dank der vielen KdM-Beiträge einiges angehört habe, das weniger bekannt ist, scheinen mir „Hoffmanns Erzählungen“ eine Art „Best of“ von Offenbachs Schaffen. Er kombiniert niveauvolles Neues mit „recycelten“ Werken, die sich bewährt hatten. Der Mix macht es.
Zu den Originalen zählt meines Wissens die Auftrittsarie der Antonia, mit der sie ihre Liebe zu Hoffmann besingt und die schon von vielen großen Operndiven (einschließlich der Netrebko) dargeboten wurde. Diana Damrau gefällt mir gut:


Im Finale des Akts stirbt Antonia mit einer Reminiszenz an ihre Liebe zu Hoffmann auf den Lippen, einem Zitat aus der Auftrittsarie, einen (satirisch?) auf die Spitze getriebenen Operntod: Sie singt sich vom Dämon Krespel befeuert in den Exitus! Ein passendes Ende des Offenbachmonats, wie ich finde (aber hoffentlich nicht von Thread oder Gruppe...).

Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.