Mette | Elfter und letzter, in Worte gefasster ,-) Teil
Was zuvor geschah .... Reynhardt hatte sich mit Stromer zu Reichenbach und dem Patrizier Eisvogel zu besprechen und Mette wollte Imagina um Hilfe bitten, wenn sie sich von Sophies Wohl und Weh erst selbst ein Bild gemacht.
Mette küsste Edwina und sie prosteten sich gerade zu, als die Türe mit so viel Schwung aufgestossen wurde, dass sie fast aus den Angeln brach und an die Wand krachte.
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„Verflixt und zugenäht! Wer..?” Konrad sprang auf, fing das kostbare Glas gerade noch rechtzeitig, das an der Tischkante vor Edwina bedenklich wankte und das er schon zerspringen und auf den blank gescheuerten Bohlen in Scherben liegen sah. Reynhardt tupfte Mette, die den letzten Schluck Wein eher eingeatmet hatte und ihn nun, nach einem reichlich kräftigen Schlag auf den Rücken, den die beherzt beigesprungene Wirtin ihr verabreicht hatte, als feine Fontäne wieder zurückgab, galant und lächelnd mit seinem Sacktuch die rubinroten Tröpfchen vom Dekolleté und flüsterte nahe ihrer Halsbeuge: „Sicher wäre es unangemessen, wenn es auch der Verschwendungssucht ein Zeichen entgegen setzte, sie mit der Zunge aufzunehmen.” Mette lachte aus tiefstem Herzen und lächelte ihren Gatten an.
Der Lärm war überhaupt beachtlich angeschwollen in der Stube... Das unerwartete Hereinplatzen Mechthilds und ihr überhasteter Bericht, taten ihr übriges und es dauerte eine geraume Zeit, bis die Gemüter sich beruhigten und die Stimmen sich zusammen mit den Gesäßen ihrer Besitzer wieder senkten. Nach geraumer Zeit war alles Wesentliche gesagt, die Wirtsleute erinnerten an die Einladung zur großen Festivität des Schandmauls anderntags und jeder ging seiner Wege. Mette stieg unters Dach und öffnete leise die leicht schiefe Tür zur Kammer in der sie Sophie untergebracht wußte.
„Mein rettender Engel! Meine Familie, du Einzige. Nach so vielen Jahren!” Sophie richtete sich halb von ihrer Bettstatt auf und atmete dankbar den Geruch von Frische und Reinlichkeit ein, den die linnene Wäsche verströmte, die die reizende Wirtin für sie aufgelegt hatte. Sophie streckte die Arme aus, Mette trat hinzu und umarmte ihre Schwester vorsichtig. Knapp zwei Dekaden sicherlich hatten sie sich nicht gesehen und Mette erkannte sie kaum wieder. So abgemagert, so geschunden! Die vertraute Stimme, wenngleich etwas gebrochen und fast flüsternd, und noch viel mehr ihr Herz, sagten ihr jedoch, das es so sei und wischten jeden Zweifel fort.
Sophie rannen lautlos Tränen der Erleichterung wie der Freude über ihr, trotz der Strapazen der vergangenen Monate, unverkennbar ebenmäßiges und eindrucksvolles Gesicht. Die Ähnlichkeit der Schwestern war kaum zu leugnen, die gleichen großen Augen von leuchtendem Grün mit Einsprengseln, die an Bernsteinsplitter gemuteten. Mette wischte ihr mit zarter Hand über die Wange, reichte ihr einen Becher, wartete geduldig, bis Sophie das warme Honig-Melisse-Gebräu mit langsamer Geste an ihre aufgerissen trockenen Lippen setzte und vorsichtig schluckte. „Was ist dir geschehen, Liebste? Magst du mir...” Mette ließ ihre Worte in der abendlich klaren Luft, die durch das schmale Fenster der Dachschräge drang, bewußt in der Schwebe, nahm den Becher entgegen und stellte ihn neben dem Hocker ab, auf dem die umsichtige Edwina schon saubere Kleidung für Sophie bereitgelegt hatte.
Die Talgkerzen flackerten nur ganz wenig und gaben dem Kämmerchen etwas Friedliches und Anheimelndes. Von unten hörte man, ganz gedämpft nur, geschäftiges Treiben aus Hof und Küche. Ein polternes Lachen und einzelne Rufe schälten sich gelegentlich heraus und riefen ins Bewußtsein, dass in der Schankstube besonders zu dieser Stunde, Hochbetrieb herrschte und sich das Schandmaul ganz offenkundig zum Auge des gesellschaftlichen Wirbelsturms gemausert hatte und alle sich so geschäftig und aufgestachelt benahmen, als ginge es um den letzten Tanz vor dem erwarteten Fegefeuer.
Sophie räusperte sich und Mette nahm ihre Hand, streichelte sie, aufmerksam darauf bedacht, nicht die schon nahezu verheilten Schrunden am Handgelenk zu berühren, die von quälenden Stunden in feucht-dunklem Kerker und dem sinnlosen Aufbäumen in metallenen Fesseln zeugten. „Clemens hat mich gerettet... ohne seine Intervention wäre ich elendiglich zugrunde gegangen! Er war es, der meine Ausweisung aus Avignon verfügte und so konnte ich mich durchschlagen mit einer Truppe des fahrenden Volkes bis zum Lac Léman und fand in den Stallungen eines Vasallen des Grafen von Montbéliard in St. Sulpice halbwegs sicheren Unterschlupf. In diesem Stall nächtigte auch ein weiterer Armseliger, ein mittelloser Glasmaler aus Chartres, der sich anschickte, in der Schule des gerühmten Meisters der Rose von Lausanne, Peter von Arras, der den „Mirror mundi”, den Weltspiegel, in der dortigen Kathedrale erschaffen hatte, um Aufnahme zu ersuchen. Du kennst mich, Mette...”, sagte Sophie mit einem schiefen Lächeln und festerer Stimme nun. „Trotz meiner schwächlichen Verfassung... Ich musste das Glasfenster sehen und schlich mich mit ihm noch in derselben Nacht in die Kathedrale. Und ich sage dir, es gehört mit zum Schönsten was mein Auge je erblickt! Es stellt den Menschen in einen kosmischen Kreis und als Teil inmitten der Naturelemente dar.”
Sophies Augen strahlten, sie spielte gedankenverloren mit einer Haarsträhne Mettes und fuhr fort: „Wir standen starr, wie vom Blitz der Erkenntnis getroffen! Die Farben glühten im sie durchdringenden Mondlicht und direkt in uns hinein. Ich vergaß jeden Schmerz und wir sanken gemeinsam zu Boden inmitten des menschenleeren Hauptschiffes der Kathedrale. Unsere Hände fanden sich wie unsere Münder. Unser Zustand war völlig nebensächlich, denn unsere Seelen waren berührt und in einem Gleichklang, der keine Fragen mehr stellt und keinen Zweifel kennt. Wir versanken ineinander und empfanden uns als Teile eines göttlichen Plans und mich erfüllte zum ersten Mal seit Monaten die Hoffnung, alles würde sich zum Guten wenden und auch mein zertretenes Leben habe noch einen Sinn.
Da lagen wir, zwei Weltversprengte, eine Künstlerseele aus Chartre und ich, die als Christin aus dem Geschlecht der von Ramungen zu Kammerstein ausgerechnet einen sephardischen Juden lieben und ehren lernen musste! Jahrelang hatte ich mit meinem Mann, Menachem ben Saruq, arabische und hebräische Schriften zur Astronomie und Arithmetik in Toledo studiert und ins Lateinische übersetzt und war in dieser Bestimmung aufgegangen. Wir fühlten uns wohl inmitten dieses Zentrums der Wissenschaften, das sich aus dem zunächst noch friedlichen Nebeneinander der maurischen, jüdischen und christlichen Kultur speiste und arbeiteten wie besessen. Sophie hielt inne und bedeutete Mette, sie möge ihr den Becher abermals reichen. Mette gab ihn ihr und setzte sich still wartend wieder auf die Bettkante, wohl spürend, dass Sophies tiefer Schmerz und ihre Aufgewühltheit bestimmen würden, was und in welcher Reihenfolge, sie zu berichten gedachte.
Es klopfte und Edwina erschien mit einer Schüssel dampfender Suppe, zog in gut eingeübter Gewohnheit den Kopf unter dem niedrigen Balken ein, nahm die Kleider vom Hocker, legte sie auf die schlichte Holztruhe und stellte ab. „Ich bringe euch etwas zur Stärkung und jemanden, der sich deine Blessuren, Sophie, einmal ansehen und dir vielleicht helfen kann...” Weiter kam sie nicht. Ein sympathisch wirkender Lockenkopf, der ihr dicht auf den Fersen war, trat mit offenem Gesicht und herzlicher Geste ein. „Gina?” Ein Ausruf der Einen, gefolgt von einem überraschten „Sophie?!” der Anderen. Imaginas freundliche graue Augen blitzten und sie küsste die Wiedergefundene auf die Stirn. Mette und Edwina sahen sich staunend an und schüttelten verwundert und lachend die Köpfe.
„Wie groß und klein zugleich die Welt ist!” Sophie war überwältigt und zu Mette und Edwina gewandt: „Gina hat mir schon ein entscheidendes Mal geholfen. Ich fand dank ihrer Fürsprache zwischen all dem fahrenden Volk Unterschlupf und konnte auf einem ihrer Wagen liegend aus Avignon verschwinden und einige Tage mitfahren, bis ich wieder laufen konnte und sich unsere Wege trennten.” Nachdem das freudige Herzen und Wundern sich etwas beruhigt hatte, half Mette ihrer Schwester aus dem dünnen Hemdchen und Imagina kramte in ihrem Beutel, strich Salbe auf die letzten sichtbaren Peitschen- und Kettenstriemen und betupfte vorsichtig Sophies Hals, in den die Eisen der Garotte eines Prangers sich offensichtlich besonders tief gegraben hatten. Imagina überließ Mette ein wenig Salbe sowie eine Tinktur zur Stärkung und schärfte ihr ein, wie sie Sophie damit zu behandeln habe und Edwina und sie verabschiedeten sich nach einigen dankbaren Umarmungen und den gebotenen Hellern fürs Erste.
Mette schickte nach einem der Knechte, schrieb eine kurze Botschaft und bat um zügige Überstellung. Dann legte sie sich zu Sophie, zog das Tuch über deren schmale Schultern, legte ihr die Hand auf die Hüfte und wandte sich ihr zu. Sophie wollte sprechen, das spürte sie und sie hatten alle Zeit der Welt. Sophie drückte ihr Gesicht an Mettes Hals, sog die süße Wärme ein und flüsterte: „Wie schön. Du riechst so vertraut. So, als sei ich angekommen.” Mette küsste sie, kuschelte sich eng an sie und schloss die Lider. „Keine Sorge, ich höre dir genau zu und möchte nur ein wenig meine Augen nach innen richten und die Bilder deiner Worte in mir sehen.” Sophie lächelte versonnen.
„Toledo! So viele Jahre! Die unermessliche Schönheit der Hauptstadt des Königreichs Kastilien. Die prächtigen Kirchen, Synagogen, Moscheen. Gelehrte der großen Kulturen arbeiteten einträchtig nebeneinander und disputierten in den Wandelhallen und im Schatten vor dem Parador. Ich war so glücklich und ging in meiner Arbeit auf bis eines Abends ben Saruq... Mette, du hättest ihn sehen sollen! Was für ein wunderbarer Gefährte, klug, wortgewandt, feinsinnig. Und mit den tiefsten Augen, die ich je an einer Menschenseele sah!” Sophie liefen Tränen über ihr durch den geschorenen Kopf noch zerbrechlicher wirkendes Gesicht und rannen verstohlen über die Wangen, bahnten sich einen Weg in Richtung Ohr, um sich dann verstohlen zu einer kleinen Feuchte auf dem Kissen zu ihresgleichen zu gesellen. „Ben Saruq war auf dem Weg zur Synagoge del Tránsito und wurde auf der Alcántara-Brücke, die mit ihren großen Doppelbogen den Fluss Tajo überspannt, von einem fanatischen Christen niedergestochen und starb noch in derselben Nacht.” Mette stockte der Atem. Sie drückte Sophie an sich und strich ihr zärtlich über den Rücken. Beide schwiegen sie und wiegten sich in der stillen Gewißheit ihrer beider Nähe.
„Wenig später verließ ich die Stätte meines Lebens und meiner zwei großen Lieben, die zur Astronomie und Mathematik und die zu ben Saruq und ich beschloss zurückzukehren zu meinen Wurzeln und zu dir. In dieser Zeit bedrängte mich der Zweifel noch mehr als sonst am unbedingten Glauben an den
einen Allmächtigen und ich brauchte Zeit, um nachzudenken. So packte ich zuvorderst die wichtigsten Schriften ein und nur wenige Habseligkeiten und machte mich auf den Weg in Richtung der Pyrenäen. Ich wollte zum Montségur, dem Schutzberg, und Burg der Katharer, die sich der „reinen Lehre” verschrieben hatten und die sich im Languedoc, besonders um Carcassonne, der Verfolgung der katholischen Kirche ausgesetzt sahen. Ich hatte gehört, dass die Schrift „Dedo dos principies, Von den zwei Prinzipien” als die Bibel der Katharer und Ketzer galt und dass sie nie vernommene Ansichten über Gott und den Teufel, über das Gute und das Böse enthielte, ja, dass Gott selbst das Dunkle, die Finsternis und die Verdammnis erschaffen haben müsse.
Welch frevlerischer Gedanke! Mir kam sogleich das Jüngste Gericht in den Sinn.” Sophie richtete sich auf und zitierte aus dem Gedächtnis: „Am Ende der Welt wird Gott der Allmächtige seine Engel aussenden, um von den Gerechten, die Bösen abzusondern und sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. Das ist die Hölle, die ewige Verdammnis. Die Guten werden das Licht sehen und die Auferstehung erfahren.” Sophie legte sich wieder zu Mette, strich ihr über die ernste Stirn, küsste sie auf dem Mund und sprach weiter: „Die Grausamkeit der Welt ein Werk und der Wille Gottes?
Das beschäftigte mich und tatsächlich konnte ich auf dem Montségur eine Abschrift des „Dedo dos principies” erstellen und so ich reiste weiter, die Schrift doppelt eingeschlagen und gut versteckt in meiner Habe nach Avignon... in die Stadt des Papstes, ausgerechnet. Die Universität dort genoss einen guten Ruf und Papst Clemens VI. galt als äußerst gebildet, in den Künsten und Wissenschaften bewandert, allerdings auch als Lebemann, der ein ausschweifendes Leben führte und der Avignon zu einer wahrhaft prunkvollen Perle hatte erblühen lassen.
Aber nun habe ich Hunger, Mette, ich fühle mich wohl und geborgen bei dir, bei euch und meine Lebensgeister kehren zurück.” Sophie sprang auf, holte die Suppe, die längst nicht mehr dampfte und das kräftige Roggenbrot. Die Nacht war tiefschwarz und der Himmel klar. Mettes Blick glitt über Sophie, die mit Heißhunger die Zähne in den Brotkanten schlug und schweifte hoch zu den leuchtenden Sternen und sie dachte für sich: „Was für ein Leben wir haben, so grausam wirr und doch wundersam schön und einzig zugleich.”
Schon fast in den Morgenstunden erwachte Mette von einem Laut, der Sophie im Traum entfleucht sein musste. Sie strich ihr über den Kopf und Sophie räkelte sich und flüsterte: „Bist du wach, Schwester?” Mette nickte und schlug die Augen auf. Ein Hauch von Dämmerung lag wie ein Schleier in der Kammer, noch völlig ruhig war es draußen in den Gassen.
„Weißt du Mette, dass Papst Clemens VI. höchstselbst mich von der Anklage der Häresie, der Gotteslästerung auf bloßes Maleficum und einfache Hexerei begnadigte, was vor der Inquisition zur Ausweisung in Schande berechtigte und vor dem Scheiterhaufen bewahrte? Wie dies kam, muss ich dir erzählen, Mette, denn ich kenne Papst Clemens gut, sehr gut sogar und ohne Beinkleid mit blankem Hintern und brünftig wie ein Hirsch.” Sophie lachte angesichts der widerstreitenden Gefühle von Entsetzen und Belustigung, die sich auf Mettes Gesicht abzeichneten.
„Ich geriet in der Studierstube der Universität in einen Disput über das Studium Generale mit einem hochgewachsenen, gut aussehenden Mann, der mich sowohl durch seine Argumentation als auch durch seine Galanterie und ein wahrhaft unwiderstehliches Lächeln für sich einnahm. Er lud mich an den Hof und stellte sich als ein Vertrauter des Papstes vor. Ich nahm an und verbrachte einen Abend wie im Traum... Ein Bankett. Überall Musik, kostbare Wandgemälde, Tapisserien und feinste Intarsienarbeiten. Zahlreiche Lüster, die das Licht in tausend Fünkchen brachen und die wie Derwische über die Tafel tanzten, die sich unter nie gesehenen Köstlichkeiten geradezu zu biegen schien.
Jede Minute genoss ich und jede erdenkliche Aufmerksamkeit und war wie in einem Rausch. Mein Galan führte mich schließlich in einen Saal mit rotsamtenem Diwan, der von goldenen Löwen getragen wurde. Wir küssten uns und das Feuer des Geistigen mischte sich mit dem des Leiblichen und entzündete uns. Tage vergingen... und ich wußte inzwischen, dass er selbst Papst Clemens war. Wir brannten für einander und standen bald gänzlich in Flammen. Sein Erfindungsreichtum, sein Esprit, sein Charme und seine unglaubliche Lüsternheit, machten mich zu einer Besessenen und zu seiner Göttin. Wir liebten uns in den Gärten, in jedem Winkel des Schlosses, am Tage und in der Nacht.
Eines Abends bat er mich zu sich, entkleidete mich, bedachte jede Spanne Haut, die er entblößte, mit Küssen, verband mir die Augen mit chinesischer Seide und legte mich auf die Tafel des großen Salons. Er strich über meine Nacktheit, mal mit Händen, mal mit Seide, mal mit einer Feder? Etwas überraschend Warmes berührte mich, dann dieses Kalte... ich bebte, glühte und zitterte sodann, nur um wieder zu glühen, währenddessen er mir mit seiner melodischen Stimme ohne Unterlass zuflüsterte, was er sah und wie er empfand. Als er endlich meinen fiebrigen Leib umfing und mit seinem fast berstenden Zepter der Lust in mich eindrang, riss mich ein Strudel unbändiger Leidenschaft in die Tiefe und trieb mich in die höchsten Höhen und dem Licht entgegen. Ein Blitz schlug ein in uns und erleuchtete uns. Niemand mag die Zeit bestimmen, sie stand einfach still... bis wir wie Versengte, in die Weichheit unserer erschlaffenden Körper sanken und glückseelig ineinander verschlungen einschliefen.
Ich war eine Göttin. Eine, die uneingeschränkt dem Leben huldigte.
Sophie hielt inne und sowohl sie wie auch Mette, folgten ihren eigenen Gedankenfäden angesichts der Grandiosität dieser Beichte. Sehr viel später, fasste Sophie das gütliche Ende ihrer Verbindung zu Clemens in Worte und berichtete von der infamen Intrige am Hofe, die ihr den Vorwurf der Häresie einbrachte und wollte es dann dabei bewenden lassen. Beide Schwestern lagen sich in den Armen, jede weinte ein wenig, vor Grauen und vor Freude, zu beidem gab das Leben Anlass.
Die Sonne stand schon hoch, als Mette schließlich vom großen Fest im Schandmaul berichtete, das noch am selben Abend beginnen solle. Und sie, Mette, habe im Hause der Muffels schon alles Nötige hierzu vorbereiten lassen.
Griet, das Perlhühnchen, sowie die alte Magd Gerlind, hätten prächtige Roben und den Badezuber gerichtet und für Sophie, so sie denn dabei zu sein gedächte, sei eine gestickte Haube aus Antwerpener Spitze und geschickte Kleidung, die ihre Wunden bedecke, bereits gewählt. Reynhardt käme ebenfalls zur rechten Zeit, sodass sie drei, nebst dem Stallmeister Kuntz und der kleinen Griet, die sie heute zum ersten Mal zu einem solch’ großen Ereignis begleiten dürfe, sich freuen könnten und Sophie habe hierbei zudem die Möglichkeit, sich bestens in die Gesellschaft einzuführen. Und Mette fügte verschmitzt hinzu: „Selbst der Kaiser Karl IV. soll vorgeblich und inkognito unter den Gästen weilen!”. Sophie verlautete, sie traue sich dieses Abenteuer durchaus zu – mehr noch, sie schien nachgerade sogar begeistert – und so hüllten sie sich in die Mäntel, sagten kurz den Wirten bescheid und schickten sich an, sich für diesen besonderen Abend tunlichst hübsch herauszuputzen.
Wenige Stunden später fuhr die prunkvolle Kutsche aus polierter schwarzer Mooreiche mit dem Wappen der Muffels vor dem Schandmaul vor und sechs ganz unterschiedliche Charaktere schritten einer vermutlich so hinreißenden wie aufregenden Nacht inmitten einer bunten Schar der Nürnberger Gesellschaft entgegen.