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Piraten in Hamburg!

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****012 Frau
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Isabella (23)
Gedankenverloren saß Isabella mit den anderen auf Thorsteyns mondbeschienener Terrasse und spielte an ihrem neuen Seepferdchen-Ring. Was für eine schöne Idee von Gödeke, ihre dreiste Fälschung so zu legalisieren! Wer hätte gedacht, dass der Hauptmann der Likedeeler eine so romantische Ader besaß? Und dass er dem Tierchen dann auch noch einen goldenen Schwanz verpasst hatte, zeugte von einem Humor, der ihr sehr gefiel. Immerhin kursierte in gewissen Kreisen der Hamburger Damenwelt ja das Gerücht, dass der Pirat selbst auch über ein solches Edelmetall-schimmerndes Körperteil verfüge…

Lächelnd sah sie ihn von der Seite an. „Was?!“, fragte er leicht irritiert. „Jana und ich haben uns überlegt, dass wir heute Nacht die Zimmer tauschen könnten“, raunte sie ihm so leise zu, dass Thorsteyn es nicht hören konnte. „Deine angebliche Ehefrau möchte sich von unserem Käpt’n gern etwas über Schiffsbau erklären lassen. Du weißt schon: Kielschweine und dergleichen.“ „Ach nee!“ Gödeke grinste reichlich piratisch. „Und Du, Isabella? Warum bist Du mit dem Wechselspiel einverstanden?“ „Ich muss dringend etwas mit Dir besprechen. Ich hätte da vielleicht einen neuen Plan.“

Noch war es nur eine vage Idee. Doch Isabella spürte bereits, wie sich die Mosaiksteinchen in ihrem Kopf zu ordnen begannen. Es war eine von Thorsteyns Informationen gewesen, die sie darauf gebracht hatte. Keine der wichtigen, die sie ihm während des Verhörs entlockt hatten. Eher ein beiläufig dahingeworfenes Häppchen. Doch Isabella hatte im Laufe ihrer Karriere gelernt, dass sich daraus mitunter die schmackhaftesten Gerichte zaubern ließen. Allerdings duldete die Sache keinen Aufschub. Wenn sie handeln wollten, dann musste es heute Nacht sein!

Sobald sie mit Gödeke allein war, kam sie also gleich zur Sache: „Hast Du gehört, was Thorsteyn vorhin gesagt hat? Über diesen reichen Kaufherren Petersen, der kürzlich bei einem Schiffsunglück das Zeitliche gesegnet hat und dessen Testament morgen im Gildehaus der Hanse verlesen werden soll?“ Gödeke runzelte die Stirn. Er hatte Thorsteyns Ausführungen über dieses Thema keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Was konnte an einem ihm unbekannten, hochbetagten und noch dazu toten Pfeffersack so interessant sein? „Er hatte keine Familie“, erinnerte ihn Isabella mit einem feinen Lächeln. „Frau und Söhne dahingerafft von der Pest, sehr tragisch…“ Und dann erläuterte sie Gödeke Michels ihren Plan.

Der Likedeeler hatte ja im Laufe seines Lebens selbst so manches tolldreiste Schurkenstück über die Bühne gebracht. Aber das hier… Boshafte Vorfreude und auch ein Funken Bewunderung glommen in seinen Augen auf, als er begeistert zustimmte. „Du denkst wirklich wie ein Pirat!“, sagte er anerkennend. Isabella grinste und schwieg dazu. Sie wusste ein ernstgemeintes Kompliment durchaus zu würdigen.

So kam es, dass kaum zwei Stunden später zwei schattenhafte Gestalten die Villa des Gewürzhändlers verließen. In unauffällige, dunkle Umhänge gehüllt, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, eilten sie über das Kopfsteinpflaster. Sobald sie die schweren Schritte eines Nachtwächters hörten, drückten sie sich in einen Torbogen und verschmolzen mit den Schatten. Heimlich und huschend wie die Ratten der Stadt erreichten sie so ihr Ziel.

Das Gildehaus der Hansekaufleute war ein repräsentatives Gebäude, das sogar über einen Turm verfügte – eine Demonstration von in Stein gegossener Macht. Zu dieser nächtlichen Stunde lag es verwaist und dunkel da. Isabella sah sich vorsichtig um und eilte dann mit wehendem Umhang auf die schwere Holztür zu. Wieder einmal wurde ihr klar, wie nützlich ihre längst verflossene Affäre mit dem König der Diebe gewesen war: Schon hatte sie ein zierliches Metallwerkzeug ins Türschloss gesteckt und versuchte, den Mechanismus zu erspüren und die richtige Drehung zu finden. Zack! Im Handumdrehen sprang das Schloss auf. Isabella strahlte. Seine einbrecherkönigliche Majestät wäre stolz auf sie gewesen! Und auch der heutige Vogelfreie an ihrer Seite grinste anerkennend. Gemeinsam huschten sie in die Dunkelheit des Gebäudes und schlossen die Tür.

Isabella zündete eine Kerze an und schirmte den Lichtschein mit der Hand ab. So geisterten sie unbemerkt durchs Halbdunkel und spähten der Hanse ins Herz. Das Gildehaus verfügte über prunkvolle Säle, in denen die Kaufleute und ihre Gäste zu Banketten und Festen zusammenkamen. Es gab Räume für Besprechungen und Verhandlungen, Büros und eine Bibliothek. Und hoch oben im Turm stießen sie schließlich auf ein großes Archiv, in dem Urkunden und andere wichtige Dokumente aufbewahrt wurden. Isabella hätte gar kein Licht gebraucht, der leicht staubige Geruch nach Papier und Tinte war verräterisch genug: Hier waren sie richtig!

Mit fliegenden Fingern durchsuchte sie Schubladen, Regale und Papierstapel. Irgendwo musste das Testament dieses dreimal verfluchten Kaufmanns doch sein… „Ha!“ Triumphierend hielt sie einen schweren, versiegelten Bogen hoch, der mit dem Namen Petersen gekennzeichnet war. Kurzerhand brach sie das Siegel und las. „Das ist es!“, wandte sie sich zufrieden an Gödeke. „Kriegst Du den Schrank dort drüben auf? Ich glaube, darin haben sie das Siegel der Hanse eingeschlossen.“ „Du bist nicht die einzige Person auf der Welt, die schon mal ein Schloss geknackt hat“, gab der Freibeuter leicht beleidigt zurück. Doch er machte sich mit Feuereifer ans Werk.

Isabella kopierte derweil den Teil des Testaments, der sich mit den für sie uninteressanten Bestandteilen des Petersen’schen Erbes befasste. Dann fügte sie noch eine kurze, aber entscheidende Passage hinzu. Günstigerweise war der Notar, der das ursprüngliche Testament beglaubigt hatte, mitsamt dem Kaufmann Petersen und dessen Kogge auf den Grund der Nordsee gesunken. So würde niemand bemerken, dass ein Teil dieses Dokuments nicht echt war.

Wenn es morgen offiziell verlesen wurde, dann würde alle Welt erfahren, dass der alte Petersen doch noch Angehörige gehabt hatte. Allerdings weit weg. In Norwegen. In seinem angeblichen Testament gab sich der Verblichene als reuiger Sünder: Es tue ihm sehr leid, dass er Zeit seines Lebens auf seine dortige Verwandtschaft herabgesehen und sie als „bucklige Bande von Fischfressern“ tituliert habe. Als Zeichen seiner Umkehr hinterlasse er seinem Vetter, dem ehrenwerten Kaufmann Gunnar Michelson aus Bergen, ein parkähnliches Anwesen an der Elbe mitsamt herrschaftlicher Villa, Nebengebäuden und Schiffsanleger…

„Genial, Isabella!“, strahlte Gödeke und reichte ihr das Hanse-Siegel, damit sie die Fälschung perfekt machen konnte. „Ich werde Hausherr eines Anwesens an der Elbe! Und ich weiß auch schon, was ich damit machen werde. Oder was wir damit machen werden…“ Er sah sie an. Sein Gesichtsausdruck war im Kerzengeflacker schwer zu deuten. Wie flüchtige Schatten schienen Emotionen und Gedanken über seine Züge zu geistern. „Warte einen Moment!“, sagt er dann und verschwand.

Isabella siegelte sorgfältig das gefälschte Dokument und legte es an seinen Platz. Das Original riss sie in undefinierbare kleine Fetzen und warf sie aus dem Fenster. Sofort begann der Wind damit zu spielen und trug sie in alle Himmelsrichtungen davon. Blass schimmerten sie im Mondlicht wie Gespenster-Gedanken. Vielleicht waren es ja ihre eigenen. Viel mehr Substanz schienen die im Moment auch nicht zu haben. Wie sollte es weitergehen, nachdem sie die Seiten gewechselt hatte? Sie hatte noch keine Ahnung. Doch Gödekes Andeutung eben… Meinte er damit, dass es für sie in der Talisker-Bande eine Zukunft gab? Wie auch immer die aussehen mochte?

Die Stimme des Likedeelers riss sie aus ihren Grübeleien. „So, meine Liebe“, sagte er und knallte grinsend eine Flasche und zwei Becher auf den Tisch des Archivs. „Jetzt wollen wir anstoßen. Und weil wir der Hanse diesen edlen Tropfen geklaut haben, wird er uns nochmal so gut schmecken!“ Er hatte im Weinkeller des Gildehauses gestöbert und es sich nicht nehmen lassen, eine der wertvollsten Flaschen zu entwenden. Sorgfältig entkorkte er den Wein und schenkte ihnen ein. „Auf die Zukunft!“, sagte er dann, als habe er Isabellas Gedanken gelesen. Sie lächelte. „Auf die Zukunft!“

Diesmal war kein Auf-Ex-Trinken gefordert. Also genoss Isabella den Wein und lehnte sich in die Fensterbrüstung. Was für einen Blick man von hier oben hatte! Weit über die mondbeschienenen Dächer hinweg… „Beeindruckend, nicht wahr?“, sagte Gödeke leise und trat hinter sie. „Ich hatte immer eine Schwäche für diese Stadt. Und ich möchte, dass Du sie mit allen Sinnen genießt!“

Damit drehte er sie zu sich um und nahm ihr den Becher ab. Hart war sein Griff um ihr Handgelenk, von trügerischer Sanftheit seine Stimme. Isabella lehnte sich gegen den großen Kartentisch, um den sich die Kaufleute oft zur Planung von Handelsrouten versammelten. „Schnür Dein Kleid auf“, befahl der Pirat leise. „Zeig mir Deine Titten!“ Sie folgte seinen Anweisungen auf den Buchstaben genau. Doch es war kein Gehorsam in ihrem Blick. Sondern die pure Provokation. Schweigend sahen sie sich einen Moment lang an. Gödeke tauchte seinen Zeigefinger in seinen Weinbecher und zog eine feuchte, rote Spur um Isabellas hart geschwollene Nippel. Sie biss sich auf die Unterlippe. Die Sekunden schlichen atemlos dahin. Der Mond malte lange Schatten in den Raum.

Sie fielen quer über den großen Kartentisch. Erst nur die Schatten. Dann zwei Körper, verschlungen in wilder Gier. Lippen pressten sich aufeinander, als wollten sie sich gegenseitig den Atem nehmen. Hände zerrten an Haaren und Kleidungsstücken. Zähne verbissen sich in warmer Haut. Isabellas Körper bäumte sich auf. Gödeke versuchte sie zu bändigen, trieb sie aber nur weiter hinein in die lustvolle Raserei. Und schoss selbst mit vollen Segeln hinterher.

Noch war er nicht einmal in sie eingedrungen. Sie wälzten sich nur gemeinsam auf dem Tisch, rieben ihre erhitzten Körper aneinander und katapultierten sich in neue Dimensionen der Geilheit. Stapelweise wischten sie wichtige Dokumente aus den Federn der Hanse-Schreiber von der Platte. Knochentrockene Traktate tränkten sich mit feuchter Wollust und flatterten in alle Ecken des Raumes. Die beiden Einbrecher würden nachher ein Fenster offenlassen müssen, um das Chaos dem Wind in die Schuhe schieben zu können…

„Wir treiben es im Herzen der Hanse!“, knurrte Gödeke erregt. „Und die verfluchten Pfeffersäcke werden keine Ahnung davon haben, wenn sie sich das nächste Mal hier versammeln…“ Damit sprang er auf die Füße, zerrte Isabella vom Tisch und drängte sie zum geöffneten Fenster. Mit nackten Brüsten und gerafften Röcken lehnte sie sich über die Brüstung. Sie stellte die Beine auseinander, streckte Gödeke den Hintern entgegen… Piratenbeute…

Er konnte nicht anders, musste sie nehmen… Jetzt! Seine kräftige Hand klatschte auf ihren Arsch. Wie geil dieses Stöhnen… Vor allem, wenn es in erregtes Winseln umkippte! Freibeuter-Gelüste verbissen sich in Spioninnen-Erregung. „Luder!" Gödekes Hände krallten sich in Isabellas Hüften. Sie warf den Kopf in den Nacken. Kein Zurück mehr… Hart stieß er in ihre zuckende, nasse Meerestiefe. Schneller…

„Sieh hin, Isabella!“, keuchte er, während er sie über die Klippe trieb. „Sieh hinaus auf die Stadt! Sie ist Dein! Unser! Eines Tages werden wir hier die heimlichen Herrscher sein…“ Seine Hand legte sich auf ihren Mund. Und nur das verhinderte, dass Isabella ihre Lust gefährlich laut in den Hamburger Nachthimmel schrie…

Der Morgen dämmerte schon, als die beiden Abenteurer trunken vor Übermut in Thorsteyns Villa zurückkehrten. Den Rest der Talisker-Bande hatte die Sorge über ihr Verschwinden bereits aus dem Bett getrieben. „Wo wart Ihr denn, beim Klabautermann?“, wollte Käpt’n Walhorn wissen. „Was habt Ihr gemacht?“ „Das, was wir am allerbesten können“, gab Gödeke grinsend zurück. „Das, was wir genießen, wie kaum etwas sonst“, schnurrte Isabella. „Und das, was wir auch in Zukunft so oft wie möglich machen werden“, schloss der Hauptmann der Likedeeler. „Wir haben die Hanse gefickt!“


© Kea2012, April 2018
Der Drang nach Freiheit – (29)
Marlis und Piet gaben nicht auf, näherten sich jeden Tag Hamburg. Die Reise war schwierig, das Baby behinderte sie. Zumindest wurde die Besiedlung allmählich dichter und eigentlich fand sich überall Milch für den Kleinen. Marlis war besorgt, beobachtete Piet. Sie wollte es ihm nicht sagen, aber der Bulle hatte anscheinend die Wasserscheu. Sollte er Piet angesteckt haben, würde er mit Sicherheit sterben. Innerlich betete sie, dass das nicht passieren würde.

Endlich, nach vier Tagen erreichten sie ein etwas größeres Dorf mit einem Gasthaus und konnten sich ein kleines Zimmer mieten. Hungrig und doch appetitlos machten sie sich über den Eintopf her, organisierten für den kleinen Piet einen Schlauch mit Ziegenmilch. Piets Wunde hatte sich sichtlich entzündet, Marlis war immer noch traumatisiert, der kleine Piet schrie erbärmlich. Anscheinend spürte er, dass seine Mutter nicht mehr da war.

Es dauerte ein wenig länger bis sie merkten, dass sie von finsteren Gestalten beobachtet wurden. Inzwischen hatten sie durch das Vorhandensein monetärer Mittel ungewünschte Aufmerksamkeit erlangt. Und irgendwie ließen die drei finster aussehenden Männer Piet nicht mehr aus den Augen, dachten wohl, das Geld würde sich bei ihm befinden. Marlis war das so unheimlich, dass sie in der dritten Nacht das Gasthaus verließ, zum Bach lief und den Beutel mit dem Gold in einem versiegelten Tonkrug, der dazu auch noch mit Sand gefüllt war, so tief wie möglich vergrub. Sie versuchte, sich den Ort so gut wie möglich einzuprägen, schlich sich zurück zur Herberge.

Ein paar Tage später wollten sie weiter, machten sich erst mal auf den Weg zum Bach um den Krug wieder auszugraben. Plötzlich standen die drei Männer vor ihnen und verlangten das Geld. Piet war eingekreist, wurde bedroht, musste seinen Säbel herausgeben. Der Überfall kam einfach zu überraschend. „Sooo, und nun gib mal das Geld her...“, sagte der Anführer gemütlich. Er sah aus, als würde er nicht viel Federlesens machen, sollte Piet seiner Aufforderung nicht nachkommen. Also griff er widerwillig in sein Wams und gab dem Anführer seine „kleine“ Geldkatze. Die Zweite natürlich nicht.

Der Anführer sah sich den Inhalt der Geldkatze an und grunzte zufrieden. Sah Marlis an, fragte: „Und, was hast Du so dabei?“ Marlis schüttelte den Kopf und hielt Piet fest im Arm. Der Anführer lachte. „Nun tu' mal nicht so, als könntest Du nicht mal bis drei zählen. Zieh Dich aus. Du hast bestimmt auch was dabei.“

Marlis wollte nicht, aber Piet hatte einen scharfen Dolch am Hals. Also legte sie das Baby auf einen Grasbüschel und zog sich aus, stand nur noch im Hemd da. Die Männer feixten, wurden geil. Der Anführer fuhr seine Männer an. „Wir tun ihr nichts! Das Geld sollte wohl genügen.“

Marlis wollte sich wieder anziehen, aber da fiel der Blick des Anführers auf ihr Messer. Er lachte milde, nahm sich ihre Stiefel. „Hmm, die sind hübsch. Meine Frau wird sich freuen!“ Wütend sah Marlis ihn an, konnte aber nicht wirklich etwas dagegen tun. „Dein Rock gefällt mir übrigens auch. Den behalte ich. Oder hast Du etwas dagegen?“ Marlis antwortete ziemlich genervt: „Viel Spaß damit, mir steht er aber bestimmt besser!“ Die Räuber lachten schallend und ließen sie laufen.

Nur mit ihrer Bluse bekleidet durfte sie mit Piet und dem kleinen Piet weiterziehen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Das meiste Geld gesichert, das Gold immer noch gut versteckt, unverletzt und unversehrt davongekommen. Piet griff ins Gepäck, gab ihr ihre alten Schuhe zurück und zerschnitt eine Decke, schneiderte ihr ziemlich geschickt einen Ersatzrock. Sie war völlig fasziniert.

Sie liefen nicht direkt zum Goldversteck, fühlten sich immer noch beobachtet. Liefen zunächst Richtung Elbe. In einer kleinen Bucht glitzerte etwas. Sehr argwöhnisch gingen sie darauf zu, betrachteten den großen silbernen Behälter. Piet fasste ihn an, er fühlte sich kühl und glatt an. Vorsichtig klopfte er mit seinen Knöcheln dagegen. Es klang interessant. Sie umrundeten den Gegenstand, konnten hineinsehen!

Marlis und Piet hatten in ihrem Leben schon Glas gesehen, aber das war immer farbig und trübe. Dieses Glas war klar. An einer Seite war die Scheibe zerbrochen, das Innere des Behälters war feucht. Plötzlich öffnete sich der Behälter auf beiden Seiten und Piet kroch magisch angezogen hinein. „Lass das mal lieber...“, sagte Marlis besorgt. Piet saß in diesem silbernen Behälter und überall gingen Lichter an. Es ertönte eine seltsame Musik (?) mit heidnischen Instrumenten.

„Du, das ist echt gemütlich hier. Komm mal rein. Ich muss mich kurz ausruhen, bin sehr müde.“ Marlis kletterte mit etwas Mühe in den Behälter, ließ den kleinen Piet nicht los. „Wie geht es Dir?“ „Nicht so gut. Ich sollte auf jeden Fall einen Bader aufsuchen.“

Marlis war besorgt, sah ihm lieber nicht in die Augen, betrachtete die bunten, blinkenden Lichter. Der kleine Piet strampelte in ihrem Arm, kam mit seiner kleinen Faust auf einen Knopf. Zischend schlossen sich die Türen, Marlis schrie panisch los. Die bunten Lichter flackerten jetzt viel stärker und sie sah leuchtende arabische Ziffern. Also doch etwas Heidnisches! Bestimmt würden sie nun in die Hölle fahren.

Plötzlich wurde alles dunkel und sie sah Sterne, die rasend schnell auf sie zukamen. Sie riss den Kopf rum, sah Piet wie er rasend schnell alterte, seine Haare ausfielen, er zu Staub zerfiel. Sie versuchte zu schreien, aber ihre Stimmbänder lösten sich auf. Der kleine Piet in ihrem Arm zerfiel. Sie zerfiel, das Leben endete abrupt.

Vorsichtig öffnete sie die Augen wieder. Ein vorsichtiger Blick nach rechts, Piet lag halb bewusstlos neben ihr. Der kleine Piet schrie panisch. Was um Himmels Willen war bloß geschehen? Die Sonne stand viel höher als vorhin. Die Bucht war verschwunden. Überall um sie herum standen solche Behälter und glänzten in der Sonne. Und überall riesige Häuser aus Stein.

Der Behälter öffnete sich und sie stieg aus. Um sie herum viele Menschen. Unglaublich fette Menschen, so etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie lief um den Behälter herum und zog Piet heraus. Von allen Menschen wurden sie groß angestarrt. Plötzlich kippte ihr Kopf in den Nacken und sie starrte ungläubig in den Himmel, als ein großes glänzendes Kreuz mit Lärm über sie hinwegflog. Eilig bekreuzigte sie sich.

Noch mehr Behälter mit Menschen drin, und die bewegten sich auch noch! Es war laut, es roch komisch. Einige Männer saßen in den Sonne und hatten Stäbe im Mund, die brannten. Und sie hatten rechteckige Kästen in der Hand, die leuchteten und Geräusche machten. Einige dieser Kästen waren aktuell auf sie gerichtet.

Sie hatten Angst, liefen auf das nächste Gebäude zu. Das Gebäude hatte keine Tür, es öffnete sich leise ein gläsernes Maul. Sie zuckte zusammen, da stand ein völlig schwarzer Mensch. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Piet packte sie. „Bloß keine Angst zeigen. Das ist bestimmt ein ganz komischer Traum.“

Vorsichtig gingen sie weiter. Überall Regale mit Handelsgut (?), Truhen, Körbe mit Sachen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es piepte rhythmisch. Die Leute starrten sie groß an und sie versuchte, mit ihnen zu reden.

„Wir brauchen Hilfe. Wo ist Euer Bader?“

Dicht an ihrem Ohr ertönte eine harte, gutturale Stimme wie von einem besoffenen Mann: „Tschackeline, komma bei de Omma. Weg von den Leuten da, sonst gibt es auf den Poppes!“ Völlig entsetzt wirbelte Marlis rum und sah eine ….bunte Frau. Bunte Augen, Lippen, fette Arme (sie trug nur ein Unterhemd), richtig enge Beinkleider.... Vorsichtig wich sie zurück, stieß mit dem Rücken an ein Regal. Drehte sich um, sah überall Fleisch. Was für ein Reichtum!

Sie hörte Stimmen, hatte aber Probleme mit der Sprache. Eine andere Frau kam, hörte Marlis zu und schrie durch das Haus: „Kann hier Jemand holländisch?“ Marlis verdrehte die Augen.

Kurze Zeit später kamen zwei Herren in blauen Anzügen und nahmen sie mit, brachten sie mit so einem blau-weißen Behälter zum Verhör. Es dauerte lange, dann wurde ein Arzt zu Rate gezogen, um sich diese verwirrten Leute anzusehen. Marlis begriff, dass ihr ein Heiler gegenüber saß und redete vorsichtig mit ihm. Er verstand nichts. Sie griff sich Piets Arm, zeigte dem Arzt die Wunde, schnaubte, verdrehte die Augen, produzierte schaumigen Speichel. Plötzlich fiel bei dem Arzt der Groschen.

Er wandte sich an die Polizeibeamten. „Der Mann wurde von einem Tier verletzt. Ich bin mir nicht sicher, aber möchte ihn gegen Tollwut impfen. Bisher zeigt er noch keine manifestierten Symptome, aber die Wunde ist schon mehrere Tage alt. Es eilt.“ Er telefonierte und kurze Zeit später lieferte ein Kurier den Impfstoff. Marlis starrte den Kurier an, sie hatte noch nie zuvor ein Fahrrad gesehen. Piet wollte sich zunächst wehren, aber der Arzt schaffte es tatsächlich, ihn zu beruhigen und ihm Vertrauen einzuflößen. Und ihm die Injektion zu setzen.

Er hörte genau hin und war in der Lage, etwas von dem altertümlichen Deutsch zu verstehen. Und wenn er sehr langsam und verständlich sprach, konnten die unfreiwilligen Zeitreisenden auch ihn verstehen.

Er fragte den Polizisten, ob irgendein Straftatbestand vorläge und bekam eine abschlägige Antwort. „Okay, dann müssen sich die Leute eigentlich auch nicht ausweisen. Darf ich sie mitnehmen? Ich hoffe, ich kann Licht ins Dunkel bringen.“



2023:

An einem warmen Frühlingstag machten Marlis und Piet einen kleinen Ausflug. Piet war zurecht stolz auf seinen Führerschein, sie fuhren einen kleinen Polo. Marlis saß gutgelaunt auf dem Beifahrersitz, trug hautenge Jeans, eine luftige Bluse, war dezent geschminkt, hatte sich eine modische Frisur zugelegt. Verliebt schaute sie ihn an, legte die Hand auf ihren Bauch, worin gerade neues Leben heranwuchs.

Am Zielort angekommen sondierte Marlis die Lage der uralten kleinen Kirche, zweifelte etwas, besah sich den Bachverlauf. Irgendwie sah alles etwas anders aus. Schnappte sich den Spaten, ging ins Wasser und stieß den Spaten in den weichen Boden. Es dauerte lange, aber irgendwann spürte sie, wie etwas unter dem Spaten zersprang. Sie begann zu lächeln und gemeinsam hoben sie den Goldschatz.

Wieder in Wandsbek angekommen fuhren sie zur Tagesmutter und holten ihren kleinen Jungen ab. Der kleine, vor Gesundheit strotzende Junge mit den kornblumenblauen Augen lachte, winkte und stürzte sich in ihre Arme. „Mensch Mama, Papa, da seid Ihr ja wieder! Ich habe ein Bild gemalt, das muss ich Euch unbedingt zeigen!“
****orn Mann
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Gödeke Michels Teil 35 – Horizont
Die Talisker-Bande schrak heftig zusammen, als sie – noch beim Frühstück in der Küche sitzend – durch lautes Schlagen gegen die Haustür aus der Idylle gerissen wurden. Gödeke Michels und Isabella del Bosque wirkten den ganzen Morgen über etwas unausgeschlafen, doch plötzlich wurden sie munter, denn sie sahen, dass draußen mehrere Soldaten standen und auch eine Kutsche.
„Verdammt“, flüsterte Käpt`n Walhorn, „sind wir entlarvt? Holen sie uns jetzt ab?“
Alys Thorsteyn öffnete mit klopfendem Herzen und etwas bangbüxig die Haustür und führte mehrere Herren herein. Die Soldaten bewachten die Kutsche.
„Wohnt bei Euch ein gewisser Gunnar Michelson aus Bergen?“
„Ja, wieso?“
„Ich bin der Amtmann und Nachlassverwalter der Freien und Hansestadt Hamburg. Thaddäus Dürnberger. Ich möchte Euren Gast bitten, mich ins Gildehaus zu begleiten, die Formalitäten erledigen, sollte er gewillt sein, das Erbe, das bei der Testamentseröffnung heute Morgen verlesen wurde, anzunehmen.“
Gödeke tauschte mit Isabella einen heimlichen Blick, beide konnten sie nur mühsam ein Grinsen unterdrücken. Zusammen mit Käpt`n Walhorn bestieg er die Kutsche und rappelte unter Eskorte in die Stadt. Ein feines Gefühl, wie er bemerkte und hatte sogar Muse, aus dem Fenster zu blicken und sich von Dürnberger die Sehenswürdigkeiten erklären zu lassen und ein Gespräch über den Zustand der Stadt Hamburg zu führen.

„Ja! Ich nehme das Erbe an!“, hatte Gödeke verkündet, die Papiere unterzeichnet, noch ein paar Fragen beantwortet und versprochen, dass er sich in Bälde um das Anwesen kümmern wolle, derzeit aber sei er indisponiert, er sei im Auftrag der Hansestadt Bergen unterwegs und müsse zurück, um die Angelegenheiten zu regeln. Danach aber wolle er zurückkehren und sehen, was geht.
„Wir – also die Hansestadt Hamburg und ich – würden uns sehr freuen und es begrüßen, Euch als neuen Ehrenbürger zu empfangen. Wenn Ihr uns jetzt die Ehre erweisen würdet, der Bürgermeister, Marquard Schreye, möchte Euch kennenlernen, und noch jemand, der ein paar Auskünfte erwünscht. Simon von Utrecht, der Piratenjäger.“

Das Shake Hands bei Marquart war schnell erledigt, jetzt nahm Gödeke Michels in einem anderen Raum Platz. Rechts von ihm zog sich Käpt`n Walhorn den Stuhl heran. Ihnen gegenüber saß ein Mann, der ihnen augenblicklich unsympathisch war. Nicht nur wegen dessen Stellung, sondern wegen der Ausstrahlung, die ihm entmuffte. Simon von Utrecht war ein hagerer Mann. Nicht groß von Statur und auch nicht kräftig. Das schüttere, aschblonde Haar wirkte ungepflegt, das Gesicht hatte mehr mit einem Raubvogel gemein als das eines Mannes. Eine große Hakennase und geierhafte, graue Augen, denen die pure Bosheit entsprang, waren das einzig Auffällige. Der Mann sprach mit starkem, niederländischem Dialekt.

Ohne Holland … fahren wir zur See! Dachte Gödeke und der Wunsch trieb ihn um, diesem miesen Vogel unverzüglich den Dolch links in den Hals zu stechen, seitlich durchzuziehen bis zum Kehlkopf und … Langsam tastete seine rechte Hand hinab, hin zum Gürtel, erfühlte unter dem Hemd die lederne Scheide, in der die spitze, scharfe Waffe sicher steckte. Nur eine Bewegung, dachte er, eine einzige nur und zack! Zumal von Utrecht jetzt eine kleine Ansprache hielt, wofür man in engagiert hatte.

„Es ist mir ein ganz außerordentliches Vergnügen, der Stadt Hamburg behilflich zu sein, das Piratengesindel aufzuspüren und nach der Aburteilung eigenhändig zu richten. Insbesondere auf Klaus Störtebeker und Gödeke Michels habe ich es abgesehen. Sagt, verehrter Herr Michelson, Ihr habt doch sicherlich in Bergen Bekanntschaft mit den beiden Piraten gemacht. Wie Störtebeker aussieht, wissen wir, aber … könnt ihr uns etwas über den brutalen Gödeke sagen? Wie sieht er aus? Wie erkennen wir ihn? Ihr versteht, wir benötigen jemanden, der ihn – wenn wir ihn denn geschnappt haben – für uns identifiziert. Gerne laden wir Euch als Gegenleistung bei der Hinrichtung ein, in der ersten Reihe zu sitzen. Da sieht man besser!“

Gödeke war drauf und dran seinen Spontanimpuls in die Tat umzusetzen, die Zornesröte im Gesicht, diesem Widerling den Garaus zu machen und nestelte bereits unterm Hemd an der Scheide seines Mordinstruments, da spürte er im letzten Augenblick unter dem Tisch Walhorns Hand an seinem Handgelenk. Ein stummer, kräftiger und entschlossener Griff. Diese Intuition des Käpt’ns, genau zu wissen, wo Gödeke in dem Moment stand, rettete ihnen allen vermutlich das Leben. Und so kam es, dass Gödeke Michels und Simon von Utrecht ein launisches Gespräch führten, das mehr und mehr in heitere Plauderei wechselte.
„Prost, Gunnar! Ihr seid ein höchst interessanter Mann!“
„Die Ehre ist ganz meinerseits, verehrter Simon!“, gelang es Gödeke zu erwidern, und er vermied sogar ein Zähneknirschen. Kenne deinen Feind! So hatte Störtebeker es ihn vor vielen Jahren gelehrt. „Und du trägst deinen Kopf länger auf den Schultern.“

Es war absurd, dass er just mit seinem Todfeind an einem Tisch saß und man sich gemeinsam mit starkem Rotwein aus dem Badener Land antüderte. Geflissentlich vermied er es, den Becher auf Ex zu kippen oder ihn gar auf den Tisch zu knallen. Vielmehr köderte er den Schlächter noch weiter, indem er versprach, dafür zu sorgen, dass Bergen ausschließlich Handel mit Hamburg betreiben wird. Bremen und Lübeck leer ausgehen zu lassen, was von Utrecht natürlich sehr begrüßte. „Mit mehr Leuten wie Euch würde die Welt sehr viel besser aussehen.“
„Das sehen wir auch so, nicht wahr, Kapitän Walhorn?“
„Auf jeden Fall!“, beeilte sich der Angesprochene zu bestätigen und vermied nur mit Not, sich am Wein zu verschlucken.

„Aber zurück zu Eurer Frage, Simon, tatsächlich habe ich Gödeke Michels nie zu Gesicht bekommen. Ich tat gut daran, mich im Hintergrund zu halten während dieser fürchterlichen Tage, als die Vitalienbrüder in Bergen wüteten. Von der Ferne aus sah ich ihn immer mit einem roten Stirnband und …“, Gödeke überlegte, welche falsche Fährte er legen konnte. „Michels schien mir immer etwas hochnäsig zu sein. Er lief ständig in einem langen, schwarzen Pelzmantel herum, wie ein Gockel. Ein gallo nero. Entdeckt Ihr bei der Festnahme einen solch gekleideten Mann, könnte es sich um den Anführer der Likedeeler handeln.“

Was Gödeke Michels in dem Moment nicht ahnen konnte, dass sich einige Jahre später tatsächlich einer der Vitalienbrüder, zu Vermögen und Ansehen gekommen, einen solchen schwarzen Pelzmantel zulegte, den er erbeutet hatte, und ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit trug. Dass er dadurch zu bizarrem Ruhm gelangen sollte, obwohl er bis zum Schluss seine Unschuld beteuerte, interessierte niemanden, und konnte jener Pirat, als er sich den schwarzen Pelzmantel zulegte, auch nicht ahnen. Dumm nur, dass er just an dem Tag, als von Utrecht ihn schnappte, ein rotes Stirnband trug. Ein Stirnband, dass im Grunde gar kein Stirnband im klassischen Sinne war, sondern die Jagdtrophäe aus der vergangenen Nacht. Das Schenkelband einer jungen Maid aus Bremen, die der Pirat flachgelegt hatte. Es war Sitte bei den Freibeutern, dass man sich ein Wäschestück der Dame nach erfolgreicher Jagd um die Stirn band. In seinem Fall ein rotes Schenkelbändle. Unter der Folter gestand er schlussendlich, dass er nicht Hein Daddel hieße, sondern Gödeke Michels. Tja, wie das Leben manchmal so spielt. Der arme Tropf im schwarzen Pelzmantel und rotem Stirnband wurde letztendlich 1401 auf dem Grasbrook in Hamburg geköpft. Und zwar von Simon von Utrecht persönlich. Dass dem Holländer dabei einer abging wurde ebenso wenig in den Geschichtsbüchern erwähnt, obwohl er für jeden sichtbar einen kleinen Fleck vorne in der Hose hatte, wie die Tatsache, dass ein gewisser Gunnar Michelson aus Bergen (in Norwegen), auf die Einladung verzichtet hatte, in der ersten Reihe sitzend, die kleine Entladung des Holländers mitzuverfolgen. Niemand aber sah, wie er an jenem Tag die Fäuste in seinen Hosentaschen ballte.

„Das war knapp!“, raunte Walhorn, als sie das Gildehaus verließen, „verdammt knapp!“
„Ja, ich weiß! Und ich danke Euch sehr, für Eure deutliche Warnung. Normalerweise hätte eine solche Dreistigkeit, mich an irgendwas zu hindern, mit dem Gang über die Planke geendet, aber ich will heute doch gerne davon absehen.“
„Na, das ist ja ganz reizend! Ihr seid zu gütig!“
„Nun aber heim, die Damen und Ringträgerinnen warten bestimmt schon sehnsüchtig auf uns.“

Die Hansetagung verlief für Gödeke Michels mehr als zufriedenstellend. Die Stadt Bergen wurde wieder im Kreis der Hanse aufgenommen, man versprach sich gute Geschäfte, ein Schriftstück wurde angefertigt und mit dem Wappen Hamburgs besiegelt. Der Deutsche Orden indes mit seinen Hauptleuten hatte Gödeke gefühlt alle 5 Minuten nach dem Dolch zucken lassen. Die Kirchenmänner in ihren weißen Umhängen und dem Kreuz waren ihm zutiefst verhasst, und es kam, wie es kommen musste, die Hanse war gespalten, wer wie viel an Zahlungen zu leisten haben würde. Gödeke intrigierte mit allen Mitteln, doch schließlich einigte man sich, dass die Hauptlast die reichen Städte Nowgorod, Danzig, Riga, Königsberg und auch Lübeck leisten würden, und die Hansestädte Hamburg und Bremen sich um die Nordsee kümmern sollten. Wismar und Rostock waren gar nicht erst zu dem Treffen erschienen, was Gödeke sehr zupass kam. Der Deutschen Orden aber wurde letztendlich damit beauftragt, in der Ostsee für Ruhe zu sorgen und die Vitalienbrüder vernichtend auf Gotland zu schlagen. Und tatsächlich bestätigte der Abgesandte, Konrad von Jungingen, dass man sich hierfür das Winter-Frühjahr 1397/98 ausgeguckt habe. Weitere Details aber erzählte er nicht. Weiß der Henker, woher Thorsteyn das alles so genau wusste, dachte Gödeke bei sich und freute sich insgeheim schon wieder auf das nächste Kellertreffen mit der so herrlich geil-versauten Bande. Denn ein paar Fragen ergaben sich nun doch noch an Heinrich. Isabella und Jana würden abermals die Huren spielen müssen und Walhorn den Anführer der Piraten, wogegen sie ganz bestimmt nichts einzuwenden haben würden.

Fünf Tage dauerte die Tagung an, die Teilnehmer ließen manch Gulden in Hamburg, in den Tavernen, Spelunken und Freudenhäusern. Tage, die Walhorn auch nutzte, um seinem Großvater im ‚Schulterblatt‘ einen Besuch abzustatten und Geld da zu lassen. Die Talisker-Bande zog es in dieser Woche noch dreimal in den Keller, und fortan durfte auch Heinrich Thorsteyn mitvögeln, zumeist mit Jana Kalaschnikova, der er inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand fraß. Gödeke zog es mehr und mehr hin zu Isabella und ein ums andere Mal strich er ihr mit den Fingerkuppen über den goldenen Schwanz des Seepferdchens an ihrem rechten Ringfinger, woraufhin die geniale Meisterspionin, so klar wie Blitz und Donner, nicht lang zögerte, und dahin langte, wo der wahre Goldstab hart in der Hose stand und das größte Vergnügen versprach. „Hagel und Granaten!" hatte sie gehaucht, „was für ein Pfund von Gemächt."

„Sucht uns eine zuverlässige Mannschaft zusammen, Käpt`n Walhorn. Die See ruft! Ich bekomme Sehnsucht nach den Wogen des Meeres, dem Tosen der Wellen, dem Rauschen des Windes, dem Knattern der Segel, dem Geschmack von Salzwasser und vor allem: Nach meinem Anteil an der Beute der Vitalienbrüder. Lasst uns aufbrechen nach Bergen und dem Bürgermeister Eure erfolgreiche Mission verkünden. Im Zuge dessen werde ich Gunnar Michelson dort eine eigene Identität verleihen. Nur für den Fall, dass mal jemand nachfragt aus Hamburg. Danach aber segeln wir nach Gotland. Ich muss meinen Männern mitteilen, wann der Deutsche Orden die Insel überfällt. Und das wissen wir ja nun.“

Walhorn nickte, Lars kurz darauf ebenso. Isabella und Jana verkündeten allerdings mit Inbrunst, dass sie keinesfalls in Hamburg die Rückkehr der Talisker abwarten wollten, sondern mitfahren werden. Auch als Gödeke bemerkte, auf die Gefahr hin, dass Jana wieder die Pütz vollreihert bei Sturm?
„Auch dann! Denn ich bin was ich bin. Eine Vitalienschwester!“
„Und ich auch!“, erklärte Isabella entschieden und stampfte dreimal mit dem Fuß auf. Wylandt lässt grüßen! Gödeke musste lachen. Und insgeheim dachte er: PENITRA!

So kam es, dass knapp eine Woche später die Talisker wieder in See stach. Ziel: Bergen. Gödeke hatte Heinrich Thorsteyn beiläufig gefragt, was genau er denn gerne an Handelsgütern erwerben wolle. Güter, die Gödeke von Magister Sigbold in Visby aus der Kapermasse erhalten würde, ebenso wie einen großen Batzen an Gold und anderen wertvollen Dingen. Er hatte vor, sich seinen kompletten Anteil auszahlen zu lassen.

Man hatte Abschied genommen, versprochen in vielleicht acht Wochen oder etwas mehr, wieder zurück zu sein, Alys und Heinrich sollten inzwischen schön das versaute Ficken üben. Gödeke selbst würde dies nach seiner Rückkehr überprüfen, und sich auch mit seinen Freunden um das geerbte Anwesen kümmern, nun aber müssten sie los.

Sie hatten Hamburg verlassen, waren die Elbe hinauf gesegelt, hatten Neuwerk passiert und fuhren weiter gen Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Gemächlich hob und senkte sich das Schiff in den Wellen, der Wind blähte das Rahsegel, Salzgeschmack lag auf den Lippen. Gödeke und Isabella standen Arm in Arm am Bug neben der großen Harpune, blinzelten in die rotgoldene Scheibe, die am Horizont langsam im Meer versank.


© Walhorn, April 2018


****rio Mann
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Die Huren der "O" – Geisterpiraten
Als Wylandt hatte die Losung gesprochen,
Da ist auf einmal das Meer aufgebrochen.
Und aus finsterem Wasser erstand im Watt
Tosend und lärmend die versunkene Stadt.
Darin schenkten Dirnen die Krüge voll,
Und lüsterne Kerle, sie soffen wie toll!

************ncrohn:
Rungholt war reich und wurd immer reicher,
Kein Korn mehr fasste der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom,
Staute hier alltäglich der Menschenstrom.
Die Sänften trugen Syrer und Mohren,
Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.


Rungholt glänzte und war dekadent,
Deshalb musste es versinken konsequent.
Die Städter hatten die Nordtsee verhöhnt!
Sie rächte sich und blieb unversöhnt,
Bis fernen Tages fiele ab das Böse,
Wenn jemand die Stadt von dem Fluch erlöse.

Es betrat nun die Geisterstadt der mit dem Zipfel
Und stieg hinan zum nächstliegenden Gipfel.
Dort rief er: "Wenn Euch das Leben lieb,
So schickt mir heraus den Hurendieb!"
Doch da er noch forderte "schnell" und "flott",
Erntete er nur Hohn und Spott.

Die Leute hörten nicht auf mit Gekicher,
Denn sie waren sich der Sache sicher:
Der Saft siebzig ehrbarer Jungfrauen Mösen,
Konnte Rungholt von ihrem Fluch erlösen.
Jetzt war das Ziel nahe. In dieser Nacht
hatte neunundsechzig der Zipfel gebracht!

Da wandte sich Wylandt hin zu dem Volk:
"War wohl eine zu wenig auf meinem Holk?
Pecht für Euch, Jungs, ihr geht wieder unter!
Versucht's doch ein andermal, frisch und munter!
Ich will ja nicht sticheln oder beschwichtigen,
Aber das Glück, das gehört nur den Tüchtigen."

"Nur nicht so schnell", schrie ein Rungholter Sohn,
"Die siebzigste Maid, die haben wir schon!
Es ist die Schönste und Reinste von allen.
Wir müssen ihr täglich zu Füßen fallen.
Sie ist mächtiger als eine Märchenfee.
Es ist die tiefe, blaue See!"

Da lachte Wylandt ob der Dummheit der Leute:
"Die See betrachtet Ihr als Eure Beute?
Aufs Neue 'Trutz, blanke Hans'? Ihr hohlen Flaschen!
Das Meer ist mit allen Wassern gewaschen!
Ihr dürftet wirklich nicht richtig ticken,
Glaubt ihr, die Mordsee lässt sich von Euch ficken?"

Da standen die Rungholter traurig im Haufen,
Ihnen war derselbe Fehler erneut unterlaufen,
Wie schon vor mehr als drei Jahrzehnten,
Als sie sich mächtiger als die Nordsee wähnten.
Mussten Sie wied'rum nun ersaufen?
Konnten sie die Freiheit vielleicht erkaufen?

Wylandt drängte die Zeit. Es gab ja keine Uhren,
Deshalb sagte er nur: "Gebt mir jetzt meine Huren!
Ich will nicht noch nähren Euren Frust,
Doch ist für Euch käuflich nicht mal die Lust.
Niemals Ihr werdet meinen Metzen
Eure Geisterschwänze an ihre Mösen setzen!"

Da trat aus dem Eingang von einem Haus
Der Herr dieser unheimlichen Stadt heraus.
Er war klein und bleich, durch ihn schimmerte Licht,
Also, so richtig Angst kriegte man vor dem nicht.
Er hatt' nur ein Bein, am andern einen Pflock,
Einen Haken statt einer Hand, und er hielt einen Stock.

Das Loch im Auge bedeckt' eine Klappe,
Am Kopf trug er eine dreieckige Kappe.
Es war Langhans Silber, in der Tat,
Der sagenumwobene Geisterpirat!
"Los jetzt!", sprach Wylandt, "Gib mir die Mädchen wieder,
Oder ich strecke dich auf der Stelle nieder!"

"Du kannst mich nicht töten", sprach der, so verdorben,
"Ich bin schon vor vielen Jahren gestorben!"
Das stimmte: Langhans mit dem silbernen Pimmel
Wäre eigentlich schon längst im Himmel,
Doch den Piraten, den grauenvollen,
Hat der Allmächtige oben nicht haben wollen.

"Von Neuwerk erreichte meine Ohren die Kunde,
Dass du, Wylandt, seist mit dem Deixel im Bunde.
Und da dachte ich mir, es wär' doch ein Segen,
Würd'st für mich bei ihm ein gut Wörtchen einlegen."
So erklärte der Geisterpirat seinen Einfall,
Und winkte zu Wylandt mit dem Zaunpfahl.

Der mit dem Zipfe verstand nun schon
Des Langhansens prekäre Situation.
Ihm war es wirklich einerlei,
Ob der in dem Himmel oder der Hölle sei.
Deshalb versprach er ohne Wehs und Achs:
"Mit dem Teufel reden? Na gut, ich mach's!"

Sogleich wurden die Huren der "O" ohne Schaden,
Aus dem Verlies befreit und auf die HOLKA geladen.
Der Teufel holte Langhans Silber nun
Zur Schatzinsel, wo er bis heute hängt Rum.
Rungholt musste leider wieder untergehen
Und wird aus den Fluten so bald nicht erstehen.

Denn ist es schon schwierig, in einer einzigen Nacht
Einer hübschen und ehrbaren Jungfrau ganz sacht
Ihren Saft abzumelken oder sie zu lecken,
Dann stellt Euch mal vor, man müsste stecken
Den Schwanz in siebzig Ehrbare! In aller Bescheidenheit
Ist das doch fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Hurenschiff ist diesmal nicht mehr geflogen,
Es segelte nach Hamburg auf ruhigen Wogen.
Mokitos tranken während der Fahrt die Luder,
Kapitän Wylandt hielt den Zipf und das Ruder.
Die Rentierflechte Cladonie vor ihm sich bückte,
Er stach ihr in' See, was sie sehr entzückte.

An der Elbmündung lag Neuwerk still und schaurig,
Die "O" ganz allein! Alle wurden sehr traurig.
Wie geil war's gewesen im Turm zur Nacht
Es hatte so unglaublich viel Spaß gemacht!
Im Vorbeifahren hob seine Kappe der Wylandt,
Und grüßte ein letztes Mal dieses Eiland.

Am Horizont erschien die Sonne, die Gelbe
Und der Zipfel segelte hinauf auf der Elbe.
In Hamburg gab es nichts mehr zu gewinnen,
Die Huren mussten die Arbeit beginnen.
Ob Pfeffersäck', Matrosen, Kapitäne oder Grafen,
Alle legten sie flach in den Puffs dort am Hafen.

Für den Hurentreiber war die Arbeit getan,
Nun stürzt' ins Geschehen sich der gute Mann.
Das Wetter war freundlich, kein Sturm oder Hagel,
So trat Wylandt samt Zipfe in den Eysernen Nagel.
Dort warfen schon Kumpanen den Kopf in' Nacken.
Wylandt setzte sich und begann zu schnacken.

Manchmal denkt er zurück an die Wunder der Insel,
Die Feste, den Rum, seinen steifen Pinsel.
Dann verklärt sich sein Blick und wandert hinfort,
Und er sieht sich an einem anderen Ort.
Das Rumglas erhoben ruft Wylandt – erraten:
"Ein dreifach Hoch auf alle Piraten!"
Profilbild
****012 Frau
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Isabella (Epilog)
Hamburger Abendblatt vom 1. Mai 2018

Sensationsfund in Hamburger Keller
Historiker erwarten neue Erkenntnisse über die Geschichte der Vitalienbrüder

„Gottes Freund und aller Welt Feind“. Das klingt nach klarer Kante. Doch der bekannte Wahlspruch der Vitalienbrüder erzählt vielleicht nicht die ganze Wahrheit. Die berüchtigten Piraten, die im 14. Jahrhundert die Nord- und Ostsee unsicher machten, scheinen von ihrem Motto doch ziemlich oft abgewichen zu sein. Vor allem gegenüber dem weiblichen Teil der Welt. Frivoler Genuss statt Feindschaft hieß da die Devise. Und das ist bei weitem nicht die einzige überraschende Neuigkeit aus der Welt der Likedeeler. Die Geschichte der Freibeuter muss wohl in guten Teilen umgeschrieben werden.

Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler nach einer ersten Analyse des sensationellen mittelalterlichen Schatzes, der vergangene Woche in Hamburg entdeckt wurde. Bei einer Ausschachtung auf einem Grundstück an der Elbe waren Bauarbeiter auf die Reste eines mittelalterlichen Kellergewölbes gestoßen. Als Archäologen der Hamburger Universität den Fund genauer unter die Lupe nahmen, stießen sie in einer verborgenen Nische auf eine hölzerne Truhe. Die rätselhaften, verblichenen Symbole auf dem Deckel konnten sie bisher noch nicht deuten. Und auch der Inhalt der Kiste wird die Fachwelt noch geraume Zeit beschäftigen.

Spektakulär sind vor allem die zwölf etwa handgroßen Goldplatten, auf denen Darstellungen der wildesten sexuellen Ausschweifungen prangen. Dazu ein zerfetztes Hemdchen aus feinstem Stoff, das aussieht, als sei es seiner Trägerin im Rausch der Wollust von den Brüsten gerissen worden. „Das alles scheint auf einen religiös-sexuellen Kult hinzudeuten“, erklärt Harm Hansen, Experte für Piratengeschichte an der Universität Hamburg.

Haben die Likedeeler auf ihren Schiffen also heidnische Orgien gefeiert? Es muss jedenfalls einen Zusammenhang zwischen den Goldplatten und den Piraten gegeben haben. Darauf deuten die Aufzeichnungen einer gewissen Isabella del Bosque hin, die ebenfalls Bestandteil des Fundes sind. Eines der beiden Werke, aus dem wir unten auf dieser Seite einen Auszug dokumentieren, trägt den Titel „Das Liebes-Bestiarium“. Verschiedene Tiere treten darin als erotische Symbole auf und ziehen den Leser hinein in eine Welt der animalischen Lust. Ob eine solche Atmosphäre auch auf den Piraten-Schiffen geherrscht hat? Zumindest auf dem unter dem Kommando von Gödeke Michels? „Der zweite Band aus der Feder von Isabella del Bosque lässt diesen Schluss durchaus zu“, bestätigt Likedeeler-Experte Harm Hansen.

Besagtes Buch enthält die persönlichen Aufzeichnungen der Autorin, die offenbar geraume Zeit in der Gesellschaft der Vitalienbrüder verbracht hat. Die Zeilen sind durchzogen von ungewöhnlich saftigen erotischen Schilderungen, die wir der Leserschaft dieser Zeitung im Original nicht zumuten können. Geschildert wird das zügellose Leben auf einer Schiffsreise nach Gotland und in einer Villa am Hamburger Elbufer, wo Gödeke Michels und seine Kumpane offenbar mehrere Jahre in Saus und Braus gelebt haben. Incognito selbstverständlich.

Im Mittelpunkt der dortigen Ausschweifungen steht die sogenannte Talisker-Bande. „Das war offenbar eine hochinteressante Gruppierung“, schwärmt Harm Hansen. „Aus ihrer Beschreibung gewinnen wir ganz unerwartete Einblicke in die Organisation des damaligen Piratentums.“ Völlig neu ist zum Beispiel, dass es neben den bekannten Vitalienbrüdern auch Vitalienschwestern gab, die ebenso geachtete wie sexuell begehrte Mitglieder der Gemeinschaft waren. Mit gewiefter Raffinesse sollen sie einige besonders gewagte Unternehmungen der Bande mit zum Erfolg geführt haben.

Zu nennen ist da zum Beispiel ein Spionage-Coup, bei dem die Gang einem Kaufmann namens Heinrich Thorsteyn brisante Geheimnisse über die Hanse entlockt haben soll – und zwar, indem sie das ahnungslose Opfer in ein sexuelles Rollenspiel mit Piratenmotiven verwickelte. In dessen Verlauf soll die Gattin des Kaufmanns in schaudernder Lust mehrfach „Heinrich, mir graut vor Dir!“ ausgerufen haben. Ein interessantes Detail für Literaturwissenschaftler, die dieses Zitat bisher fälschlicherweise dem Geheimrat Goethe zugeschrieben hatten.

Am meisten Furore macht allerdings die Behauptung der Autorin, Gödeke Michels sei gar nicht hingerichtet worden. Dabei galt es bisher als historisch gesichert, dass der Hauptmann der Likedeeler 1401 den Kopf auf dem Grasbrook verlor. Doch wenn man Isabella del Bosques Aufzeichnungen Glauben schenkt, war der so Verkürzte ein ganz anderer Mann. Ob es sich um eine bloße Verwechslung handelte oder um einen raffiniert eingefädelten Schwindel, ist derzeit noch unklar.

„Wir können das erst einschätzen, wenn wir das Buch genau analysiert und mit anderen Quellen abgeglichen haben“, betont Harm Hansen. Doch er hält es durchaus für möglich, dass Gödeke tatsächlich länger gelebt hat als vermutet. Schließlich gebe es einige überlieferte Briefe und andere Schriftstücke, die Anfang des 15. Jahrhunderts noch von ihm berichten. „In diesen meist von Frauen geschriebenen Dokumenten heißt es immer wieder: Gödeke lebt!“, sagt Harm Hansen. „Es war so ähnlich wie bei Elvis.“ Den wollte eine Hausfrau aus Michigan ja auch zehn Jahre nach seinem Tod in einer Burger-King-Filiale in Kalamazoo gesehen haben…

Ähnliche Gerüchte ranken sich nun auch um Gödeke Michels. Die Behauptungen, er sei am vergangenen Wochenende im Hamburger Club EyS aufgetaucht, entbehren natürlich jeder Grundlage. Wenn er nicht buchstäblich mit dem Teufel im Bunde stand, dürfte er heute wohl kaum noch lebendig durch die Gegend spazieren. Es könnte höchstens sein, dass sich seine Nachfahren noch im Hamburg herumtreiben. Angesichts des ausschweifenden Liebeslebens des Likedeelers und der mangelhaften Verhütungsmöglichkeiten der damaligen Zeit halten Wissenschaftler das durchaus für möglich.

Mitarbeiter des Instituts für Genetik der Hamburger Universität wollen diesem Verdacht nun nachgehen. Wer sich für einen Nachfahren Gödekes hält, kann sich dort melden und einen genetischen Fingerabdruck erstellen lassen. Besonders vielversprechende Kandidaten sind dabei Mitglieder alteingesessener Hamburger Familien, die sich durch Ungebärdigkeit, Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten und eine unerklärliche Abneigung gegen Biersorten wie Hanse-Porter und Störtebeker Schwarzbier auszeichnen. Auch ein ausgeprägter Hang zu Frivolitäten und der Drang, Gläser mit alkoholischen Getränken auf ex zu leeren und anschließend auf den Tisch zu schmettern, können Indizien für eine Piratenverwandtschaft sein.

Vergleichen werden die Forscher die genetischen Fingerabdrücke mit Erbmaterial aus der Schatzkiste. Denn auf dem zerrissenen Hemdchen sind Spuren von Sperma erhalten geblieben, die vermutlich von Gödeke Michels stammen und die sich mit modernen Methoden der Molekularbiologie analysieren lassen. Sollten sich tatsächlich Übereinstimmungen mit der DNA von heutigen Hamburgern finden, kann man mit Fug und Recht behaupten: Gödeke lebt! Vielleicht ein bisschen in uns allen…


Auszug aus dem „Liebes-Bestiarium“ von Isabella del Bosque

Seepferde

Die Lust sitzt auf dem Trockenen. Und da gehört sie eigentlich nicht hin. Sie müsste doch tropfen und schwappen, schäumen und sich überschlagen wie eine Welle. Müsste Gischt sein statt Staub. Warum haben die Schriftsteller und Poeten also immer an Land nach ihr gesucht? Sie haben die wilde Raubkatze oder die läufige Hündin zu den Symbolen animalischer Leidenschaft gemacht. Vielleicht auch etwas von einer geilen Sau geraunt, in ihren verwegeneren Zeilen.

Ich aber möchte den Blick unter die rollenden Wogen richten. In den Sündenpfuhl der Seepferde. Am Meeresgrund haben sie sich ihr eigenes Reich geschaffen, in dem Wollust und Verderbtheit das Zepter schwingen. Sie tanzen dort lüsterne Reigen und drehen Pirouetten im Seegras. Ihre Greifschwänze sind geschickt genug, sich gegenseitig zu packen und nach allen Regeln der Kunst zu befummeln. Habt Ihr je gesehen, wie sie sich geil aneinander reiben? Wie sie gemeinsam über den Meeresgrund wirbeln und vor Erregung chamäleongleich die Farbe wechseln? Welche Eleganz! Und welche Schamlosigkeit!

Wenn man die Stimmen dieser Fische hören könnte, wer weiß? Ob sie wohl wiehern dabei? Ob sie stöhnen, wenn sie sich im Wasser aufbäumen und umschlingen? Ich jedenfalls habe es getan! Der Seepferdchen-Ring um meinen Finger ist ein Symbol. Dafür, dass etwas von dieser seeschäumenden Gier auch in mir steckt. Und der Mann, von dem ich ihn habe, weiß das auch sehr genau.

Denn ich habe geschrien unter meinem Meereshengst. Überwältigt von seinem wilden Salzwasser-Duft. Von Händen rau wie die See. Er hat mich geritten und besprungen, gezähmt und entfesselt. Zum langsamen, sinnlichen, wiegenden Schritt gezügelt. Und dann zum Galopp gepeitscht. Ich habe mich durch Wellen reiten lassen. Mich im Watten-Schlick gewälzt. Und wer das einmal erlebt hat, wird nicht mehr dieselbe Frau sein wie zuvor. Sondern ein Meereswesen voll animalischer Gier. Die See-Stute. Isabella.


© Kea2012, April 2018
****orn Mann
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Seepferdchen und Seelöwen
Die Talisker-Bande lässt es krachen!
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