François Jugnots Handschuhe (Teil II)
»Knöpfe langsam deine Jacke auf und ziehe sie aus.«
Kaum habe ich begonnen, knallt seine Stimme dazwischen. »Arrête! Du bist zu schnell. Dafür bekommst du zwei Schläge. Beginne von vorn!«
Es regt sich der erste Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war hierherzukommen. Warum habe ich mich in solche Gefahr begeben? Um von einem Fremden getadelt zu werden? Weiß Gil, was sie mir da zumutet? Was hatte ich mir gedacht? Ich wollte ein Abenteuer, ich wollte raus aus meinem Einerlei. Wusste ich wirklich nicht, dass es auch anders ausgehen könnte, nämlich in einem Debakel? Dennoch knöpfe ich die Jacke wieder zu und versuche es erneut. Knopf für Knopf.
»Zwei Schläge für deinen Eigensinn.«
Okay, das war das falsche Tempo, also beginne ich noch einmal.
»Arrête, zwei Schläge.«
Obwohl ich keine Vorstellung davon habe, was ein Schlag bedeutet, hämmern meine Schläfen.
»Du bist zu schnell, zwei Schläge.«
Langsam, ganz behutsam öffne ich Knopf für Knopf.
»Arrête, zwei Schläge.«
Das macht zwölf Schläge. Knopf eins, Knopf zwei, Knopf drei.
»Zwei Schläge.«
Das macht vierzehn. Ein inneres Feuer glüht in mir, die Situation gewinnt an Ernst und Tiefe. Es gibt nichts anderes mehr in dem Kerker als die Stimme. Ich will diese Jacke so ausziehen, dass ich mir die Anerkennung dieser ehrfurchterweckenden Stimme verdiene. Ich konzentriere mich auf die Langsamkeit meiner Bewegung. Zeitlosigkeit herrscht, während die Jacke über meine Schultern gleitet. Behutsam lege ich sie auf den Boden. Ich richte mich auf.
»Jetzt den Rock.« Er ist eindeutig erregt.
Ich ahne, was kommt.
»Langsam!«
Bedächtig öffne ich den Reißverschluss.
»Zwei Schläge.«
Wohin soll ich den Blick richten, wo kommen die Befehle her?
In die Überlegung knallt die Stimme. »Zwei Schläge.«
In der Stille der Konzentration dröhnt das Geräusch, das das Aufziehen des Reißverschlusses verursacht, in meinen Ohren. Die strenge Stimme schweigt. Langsam schiebe ich den Rock über die Hüfte.
»Zwei Schläge.«
Ich schließe die Augen und spüre nur noch mich. Den Atem, das Herzklopfen, die Finger, die versuchen, die richtige Geschwindig¬keit zu finden, während die Erregung den Körper in Wellen durchläuft. Das Zentrum sitzt im Unterleib. Nur spüren, das Zittern in den Händen, die Wärme in der Mitte, das Gefühl des Stoffes, der sich über die Haut schiebt. Meine Zunge wandert über meine Lippen und befeuchtet sie. Der Rock fällt zu Boden. Nur mein Atem ist zu hören, meiner und seiner.
Endlich: »Geh zum Schrank.«
Ich drehe den Schlüssel, die Türen des Schrankes schwingen gut geölt auf. An Messinghaken hängen nach Größe angeordnet die verschiedensten Schlaginstrumente. Darunter auf einem Regal, hübsch angeordnet, liegen unterschiedliche Masken und Augenbinden aus Satin, Leder und Seide.
Unter dem Regal befinden sich mehrere Schubladen. Ich widerstehe dem Drang, sie aufzuziehen.
»Nimm die rote Satin-Augenbinde mit dem elastischen Band und den langen Bändern. Sie hat einen guten Sitz.«
Fortsetzung folgt ...