Gisela stand am offenen Grab. Natürlich war sie schwarz gekleidet, wie auch die anderen Trauergäste. Ein Schleier bedeckte ihr Haar und Gesicht, so dass ihre Mimik schattenhaft verborgen blieb. Kondolierende Freunde und Bekannte defilierten an ihr vorbei und sprachen oder nuschelten Beileid.
"Er war ein so guter Mann", sagte eine Frau, die Gisela entfernt als eine alte Schulfreundin von Herbert kennengelernt hatte beim seinem letzten Klassentreffen. Das war ausgerechnet auch noch an ihrem achtundsechzigsten Geburtstag gewesen. Wie hatte sie darum gegeben, das Herbert diesen Termin abgesagt hätte. Aber er wart hart geblieben, wie eigentlich immer in den letzten zehn Jahren seit seinem Herzinfarkt. 'Nein, er war kein guter Mann', dachte sie. 'Er hat mich verdorren lassen.'
"Ach Gisela, es tut mir so Leid. Jetzt bist du so alleine. Du kannst jederzeit zu uns kommen, wenn dir die Decke auf den Kopf fällt", sagte eine Nachbarin aus dem Stockwerk unter ihnen, die mit ihrem Mann zur Beerdigung gekommen war.
"Vielen Dank Martha. Ich werde bestimmt darauf zurückkommen", sagte Gisela. 'Nein, ich bin nicht alleine', dachte sie bei sich, 'ich bin endlich frei.'
Der Pfarrer fing an, etwas zu sagen, aber Gisela hörte nicht richtig zu. Das Surren, dass sie mehr spürte als hörte, lenkte sie ab. Ihr war trotz des kühlen Tages Ende April mittlerweile wohlig warm. 'Wie sehr ich mich danach gesehnt habe, einfach die Erregung wie früher wieder zu spüren. Endlich ist diese Durststrecke vorbei.'
"Mein herzliches Beileid, Gisela. Herbert und du, ihr wart so ein treuer Teil unsere Gemeinde. Es zerreißt mir das Herz, dass du nun alleine zurückgeblieben bist", sagte der Geistliche zu ihr. Sie beugte nur den Kopf und hielt kurz seine Hand.
"Danke Hochwürden für Ihre Anteilnahme", Gisela schaffte sogar einen kleinen Schluchzer. 'Das ist das erste, was vorbei sein wird, diese Kirchen-Heuchelei. Du wirst mich nie wieder sehen, Pfaffe.'
Sie nahm die Schaufel und war einige Brocken Erde auf den Sarg und ging dann beiseite. Die anderen Gäste taten es ihr gleich. Gisela griff in ihre Handtasche und förderte nach kurzer Suche ein Taschentuch zu Tage, in das sie sich leise schnäuzte. Dann steckte sie es wieder zurück. Dabei drückte sie auf dem kleinen neuen Gerät den linken Knopf.
Als alle Gäste fertig waren, sagte der Pfarrer noch ein paar Worte. Einige verharrten noch am Grab.
"Sollen wir noch bei dir bleiben. Du wirkst so unruhig", fragte eine Freundin. Und in vertrautem leisen Ton zu ihr herübergebeugt, "Oder musst du vielleicht auf die Toilette, so wie du von einem Bein aufs andere trittst?"
Gisela lachte kurz auf, was die verbliebenen Gäste und den Geistlichen zu missmutigen Blicken veranlasste.
"Nein, Gabi, es ist alles in Ordnung. Ich bin froh, dass es nun vorbei ist", sagte sie.
"Ja, Beerdigungen sind immer anstrengend", sagte ihre Freundin, und wandte sich dann zu Gehen.
'Nein, liebe Gabi, das ist nichts im Vergleich zu meinen letzten Jahren. Ich will einfach nur alleine sein jetzt', dachte sie.
Langsam zerstreuten sich die Gäste. Gisela sah sich um und stellte fest, dass sie nun als einzige noch am offenen Grab stand. Sie konnte gar nicht mehr ruhig stehen. Sie öffnete ihre Handtasche und drückte wieder den linken Knopf, so wie sie es in der Anleitung gelesen hatte, die beim Paket dabei gewesen war, das sie letzte Woche nach Herberts Tod bestellt hatte.
'Noch einmal', erinnerte sie sich, 'und das ist Maximum.' Sie drückte nochmal.
'Wenn jetzt jemand neben mir stehen würde, würde er bestimmt das Surren hören', war ihr letzter Gedanke, bevor der kräftige Vibrator sie am Grab ihres toten Mannes zum Orgasmus brachte.