Der Blumendieb
Erschöpft und zufrieden lag sie auf dem zerwühlten, von ihrem Liebesakt noch feuchten Laken.
Sie war sich sicher, niemals zuvor ein derart tiefes Gefühl totaler Befriedigung empfunden zu haben.
„So bin ich echt noch nie gefickt worden“, kicherte sie still und reckte die Arme über den Kopf.
Sie erinnerte sich an all die Nieten, die sie gezogen hatte. All die Frösche, die sie geküsst hatte und die allesamt Frösche geblieben waren. Kein Prinz weit und breit.
An die großen „Zungenkünstler“, die dann doch nur, nach ein paar halbherzigen Bemühungen, ihr Ding versenken wollten. Oder völlig empathielos an ihr rumgeschleckt hatten. Sie in die Schamlippen oder – noch schlimmer – unvermittelt in ihre ohnehin schon überreizte Perle gebissen hatten.
Oder die, die sich zwar für begnadet hielten, jedoch weit davon entfernt waren und dann zwischendurch auch noch ständig Komplimente hören wollten.
Dieser Typ, der ihr dabei immer wieder auf den Bauch gespuckt hatte.
Die ganzen ambitionierten Arschficker. Nicht, dass sie etwas gegen einen gekonnten Analfick einzuwenden hatte. Viele konnten es einfach nicht richtig oder konnten nicht abwarten, bis sie so geil war, dass sie auch Lust drauf hatte.
Überhaupt war der Einfallsreichtum oder das Repertoire der meisten Männer, die sie gedatet hatte, überaus begrenzt. Zwei, drei Stellungen, dann kamen die meisten eh schon. Nachspiel? Zweite Runde? Fehlanzeige.
Am besten eine Stunde pennen und dann abhauen. Und wenn mal einer mit ihr einschlief, stahl er sich frühmorgens weg oder faselte etwas von Terminen.
Die Tür ging auf und er schaute zu ihr herein. Das strahlende Lächeln, die lustig funkelnden Augen über der ausdrucksvollen Nase. Hach … und seine schönen, vollen Lippen.
„Hi, … geht’s dir gut?“, fragte er. „Ich mach uns mal Kaffee.“ Und schon verschwand er wieder.
Sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Vier Jahre war sie jetzt Single.
Vier Jahre voller Enttäuschungen. Sinnlose Treffen, die sich ewig hinzogen, auch wenn es nur eine Tasse Kaffee war. Erwartungsvolle Anfahrten, gefolgt von frustrierten Retouren.
Dann die Handvoll Ausflüge, die sie unternommen hatte, um ihr Interesse an BDSM zu stillen. Was war sie unbedarft gewesen. Dumm geradezu.
Alle Erfahrungen waren enttäuschend gewesen, bis auf eine.
Und dieser Eine, der zumindest handwerklich was zu bieten hatte, war als Mensch einfach total unzugänglich.
Wirklich erschreckend aber war dieser eine Typ gewesen - Dompteur irgendwas.
Sie hatte vor Angst angefangen zu schreien. „Ich dachte, du wolltest mal deine wirkliche Grenze entdecken.“ Das war die lapidare Antwort zu seinem Missachten des Safewords gewesen.
So richtig schräg fand sie die Tantra-Typen, die ihre Geilheit unter dem Mantel der Spiritualität versteckten. Eine halbe Stunde rumfingern an der Yoni und dann mit dem Lingam das Hals-Chakra suchen wollen. Nee, schönen Dank.
Männer mit Erektionsstörung – „Ach, nur kuscheln ist doch auch mal schön.“
Ja klar, hinterher.
Während sie ihn in der Küche hantieren hörte, dachte sie an die letzte Nacht und den heutigen Morgen. Er war so ganz anders gewesen als die anderen Männer in ihrem Leben. Noch nie hatte sich jemand so viel Zeit für sie genommen, sich so um ihr Vergnügen, ihre Lust bemüht.
Es fiel ihr schwer, sich an die genaue Zahl ihrer Höhepunkte zu erinnern. Da waren drei, bevor er überhaupt das erste Mal in sie eindrang. Noch mühsam nach Luft ringend, hatte sie beobachtet, wie routiniert er ein Kondom überzog und sich dann zwischen ihre noch immer bebenden Schenkel kniete.
Ein Tablett erschien in der Tür. Darauf zwei dampfende Tassen Kaffee und drei Gläser Wasser. In einem steckten ein paar Blumen, die er offenbar vom Balkon ihrer Nachbarin stibitzt hatte.
Er stellte das Tablett vorsichtig auf ihrem Nachttisch ab, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Stirn.
„Hallo, schöne Frau. Wie wäre es später mit einem Ausflug ans Meer?“
Sie war auf dem besten Weg, sich rettungslos zu verlieben.