Euridice ist Ärztin, keine besonders gute Medizinerin, wie sie sich selbst beschreibt. Sie ist stolz auf ihren Fleiß, ihre Kraft und Ausdauer. Als Mitarbeiterin in einem großen Blutlabor sind auch genau diese Eigenschaften gefragt. Ihren skurrilen Namen verdankt sie ihrem Vater, der in einem humanistischen Gymnasium Latein und Griechisch unterrichtete. Vater Konstantin kannte sie aber kaum, da er jung beim Bergsteigen verunglückte. Zwanzig Jahre später ist die Mutter ihrem Mann freiwillig gefolgt, gerade einmal zwei Wochen nach der Promotionsfeier Euridices.
Euridice hat, und das ist aus der Mythologie bekannt, eine tiefe Naturverbundenheit. Sie lebt allein in einem Haus am Fuß der Gerlitzen, einem bekannten Kärntner Berg. Euridice ist wohlhabend, da sie von ihren Eltern einen großen landwirtschaftlich genutzten Grund geerbt hatte und davon ansehnliche Pachteinnahmen bekommt. Das aber vor allem weil die örtliche Bergbahn über weite Strecken über eben diesen Grund führt und dafür gut bezahlt.
Sie hatte vor Jahren ein Haus bauen lassen, dass nicht allzu groß ist, aber ein architektonischer Leckerbissen. In ihrem Wohnzimmer gibt eine große Glaswand den Blick über den Ossiacher See frei, das Untergeschoß besteht aus Wirtschafträumen, einem Saunabereich und einem großen Fahrradstall. In der kleinen Mansarde legt sie sich zur Ruhe. Kurz gesagt, ein großzügiges Haus für eine Person. Euridice war auch nie verheiratet, wiewohl Zwischenmenschliches ebenso wie eine gelebte intensive Sexualität ihr besonders wichtig waren.
Auch darauf war die Wohnebene eingerichtet. Niemals hatte sie jemanden in ihren Horst gelassen. So bezeichnete sie, die etwa dreißig Quadratmeter in der offenen Mansarde. Vom Bett aus hatte man einen Traumblick über den Ossiacher See.
Lasst uns nun die schöne Euridice genauer betrachten. Sie ist klein, keine 160 Zentimeter groß und sehr schlank.
Als Frau in ihrem Alter darf man nicht ansatzweise einen so schönen muskeldurchzogenen Bauch und sehnige, aber kräftige Arme erwarten. Ihr Busen war klein, hat sich fast nicht vom Oberkörper erhoben. Ganz im Gegensatz zu den großen dunklen Brustwarzen. Die waren mit einem kleinen Vorhof umrandet und verziert mit goldenen Barbells als Piercing. Sie liebte die Provokation, wenn Sie beispielsweise im Labor ein enges T-Shirt trug und den weiten weißen Labormantel darüber. Egal ob der Transportbote, der junge Assistenzarzt oder Patienten mit ihren Blicken an der Brust der Schönen klebten. Sie fragt oft unschuldig: „Hab ich da was? Ist es vielleicht ein Fleck?“ Und so zauberte sie Schamesröte in wildfremde Gesichter.
Euridice ist vor allem auch eine begeisterte Mountainbikerin. Dieses Hobby ist hauptverantwortlich für ihren makellosen Körper.
Gehen wir aber zurück zum Beginn der Geschichte. Die griechische Mythologie ist voll mit Extremen. Dies betrifft besonders die Götter und deren Umfeld. Nehmen wir nur den Götterboten Hermes. Am Tag seiner Geburt tötet er schon eine Schildkröte und reißt sie entzwei, Stunden später reißt er einen Stier in zwei Teile und weidet ihn aus. Diese und andere Extreme der Erzählungen finden sich als Mord, Todschlag, Inzest und Brudermord in der Ilias und Odyssee.
Die schönen Momente sind ebenso wie die Nacht und der Regen rar bis gar nicht vorhanden. Schönheit findet man jedoch immer wieder in der Imagination der nackten Körper oder der „Mutter“ Natur.
So ist auch Euridice extrem. Es vergeht kein Tag, an dem Sie Ihrem Körper nicht Extreme abverlangt. Jedes Jahr fährt sie über hunderttausend Höhenmeter mit dem Bike und legt ebenso viele Meter schwimmend im Ossiacher See zurück.
Was für die reife Medizinerin auch ungewöhnlich ist, sind die Sexualpraktiken, die sie ihrem schönen Körper abverlangt. Euridice hatte als Studentin eine feste Partnerschaft, die auch einen mittlerweile erwachsen Sohn hervorbrachte, danach konnte aber nie wieder ein Mann mit ihr Schritt halten. Sportlich nicht und mit ihren Fetischen nicht.
Die Details dieser Fetische tun für diese Geschichte auch gar nichts zur Sache. Deshalb könnte eine Schilderung dieser dem Leben der Ärztin nicht gerecht werden. Sie war auch dahingehend untypisch, dass diese Leidenschaften oft wechselten, immer aber extrem waren. Nie hatte Euridice aber ihr Hirn ausgeschaltet. War sie vor über zwanzig Jahren auf die Lust und das Ungestüme von ganz jungen Burschen aus, hat sie penibel darauf geachtet, dass jeder von ihnen volljährig war und das auch kontrolliert.
Auch inserierte Sie für einen Dreier mit einem halb und einem doppelt so altem Lover. Es ließen sich zahlreiche dieser Geschichten erzählen, die den bunten Weg Eudices zierten.
Gleich nach der Jahrtausendwende, Euridice war 41 Jahre alt, schaltete Sie ein Inserat in einer einschlägigen Zeitschrift. Darin suchte sie drei schlanke, sportliche Akademiker, um gelegentlich exzessive Mountainbiketouren zu unternehmen und dann ebenso exzessive SM-Spiele zu inszenieren. Bezahlen würde sie bereitwillig mit einem All American Sandwich.
Viele Leser verstanden das hier schon ausgedeutschte Inserat nicht so recht. Natürlich meldeten sich keine aufeinander eingespielten Vorstandsmitglieder, sondern einzelne Herren.
Das störte die schöne Euridice auch gar nicht, da sie ihren Spaß hatte und um es mit ihren Worten zu formulieren, hat sie nicht passende Herren schon am Mountainbike kaputt gemacht. Ich denke ich verrate nicht zu viel, dass sie allesamt nicht passten.
Ab und an ist ein mutiger Herr aufgetaucht, aber im Großen und Ganzen hat sich diese Geschichte totgelaufen.
Eines Tages, es war Freitag, der 11. August 2000, exakt ein Jahr nach der totalen Sonnenfinsternis, kam ein 34-jähriger Diplomingenieur zur Abfertigung. Das Inserat war längst abgelaufen und Euridice hatte es bereits aus Ihren Gedanken gestrichen. Orpheo ist der ungewöhnliche Name des jungen Mannes. Da er sich dafür immer ein wenig schämte, stellte er sich als Phill vor.
Orpheo trumpfte bei seiner schönen Gastgeberin schon mit dem Bike. Es war ein GT Zaskar mit einem blanken Aluminiumrahmen und einer gasgefederten Gabel. Euridice hatte bei allen Bewerbern nie einen, der so sportlich aussah und mit 1 Meter 90 so groß war wie der Niederösterreicher. Ohne zu wissen, ob der Junge ihre Erwartungen erfüllen kann, bat sie ihn herein, servierte ihm einen Kaffee und zeigte ihm kurz das Haus und den atemberaubenden Ausblick über den Ossiacher See.
Nach einer halben Stunde wollte sie ihrem Gast ihre Hausstrecke auf die Gerlitzen zeigen. Im Hinterkopf hatte sie aber schon die Absicht, den guten Orpheo nicht zu zerstören, da er so appetitlich auf sie wirkte, dass Sie schon auf die Zeit nach der Tour schielte.
Euridice zeigte ihm den Ruheraum vor der Sauna. Dort könne Orpheo sich umziehen und bereit machen. Euridice zog ihr knappes weißes Trikot an. Das Piercing drängte sich förmlich in den Vordergrund, War das Top erst mal verschwitzt, bot es beim Anblick eine atemberaubende Transparenz.
So lange wartete Orpheo aber nicht.
„Du hast einen großartigen Körper und Dein Nippelpiercing sieht super aus – Gratulation.“
Euridice quittierte diese Meldung mit einen grinsenden „Danke“.
Die beiden starteten. Als sie nach 800 Höhenmeter die Baumgrenze erreicht hatten, schien die Kondition von Orpheo noch immer nicht am Ende. Euridice staunte nicht schlecht, als sie nach zweieinhalb Stunden und 1400 Höhenmeter an diesem strahlenden Tag gemeinsam den Gipfel erreichten.
Sie machten sich gegenseitig Komplimente und waren sich sicher, dass dies nicht die letzte gemeinsame Tour sein sollte.
Die Abfahrt war damals eine einfache Forststraßenabfahrt. Beide waren eher vorsichtige Abfahrer. Die Bremsen der damaligen V-Brakes hatten auch ihre Schwachstellen.
Sie kamen in Annenheim, beim Haus von Euridice an und waren ein wenig ineinander verknallt. Sie gingen in die Sauna, plauderten, lagen nackt auf der Terrasse und sprachen über ihre Gemeinsamkeiten, Wünsche, Leidenschaften und Sehnsüchte. Jahre später wird Euridice sagen, dass sie Orpheo nicht liebt, aber verliebt ist in ihn. Orpheo wurde in den kommenden Jahren ihr Lebensmensch.
Es wird niemand verwundern, dass die beiden eine wilde Liebesnacht miteinander verbrachten. Ungestüm aber nichts Extremes, hat die beiden durch die Nacht getragen. Am nächsten Tag fuhren die beiden gemeinsam nach Bad Kleinkirchheim wo sie mit dem Bike auf die Klomnock fuhren und wieder über 1200 Höhenmeter überwanden. Am Abend ging es in ein Violinen Konzert im Domenik Steinhaus und danach musste Orpheo abreisen.
Das fiel ihm nicht leicht, aber wichtige Termine am nächsten Tag ließen sich nicht verschieben.
Diese Verbindung zwischen Euridice und Orpheo dauerte Jahre an und entwickelte sich in berauschender Art und Weise immer weiter. Die beiden wagten sich gemeinsam in völlig neue Gefilde vor. Obwohl sie sich nur zwei- bis dreimal jährlich trafen, nahm die Vertrautheit und das Vertrauen rasant zu. Zwischen den Treffen der Beiden gab es auch keinen Kontakt. Schickten Sie sich doch eine Nachricht, war das dann aber noch seltener als ihre Sport- und Sextreffen.
Es war im Frühjahr 2010, da lernte Orpheo den Sohn Euridices kennen. Sie hatte ihn als guten Sportlerfreund vorgestellt und die beiden Männer verstanden sich prächtig. Paul lebt in Villach bei seiner Freundin und hat seiner Mutter das mit dem reinen Sport nicht abgenommen. Das hat auch weiter nichts zur Sache getan.
Im selben Jahr wollten sich die beiden wieder im August treffen. Für sie war es wie ein kleiner Jahrestag. Verrücktheiten hatten sie sich schon genug ausgesponnen. Eine Woche vor diesem, so lustvoll geplanten Aufeinandertreffen hatte Euridice ihrem Freund eine kurze Nachricht geschickt, sie bitte anzurufen.
Die unerfreuliche Nachricht von einem schweren Unfall Euridces hat Orpheo große Sorgen gemacht. Obwohl Euridice eine sehr vorsichtige Talfahrerin war, hatte ein Sturz mit dem Bike zu einem Rippenbruch und einem Oberschenkelbruch geführt. Damit war dieser Sommer mit Krankenhaus und Therapie vorbei. Die schöne Kärntnerin wollte auch keinesfalls besucht werden. Sie hat die Sorgen Orpheos gespürt und eingewilligt, einmal die Woche zu telefonieren. Irgendwann im Oktober wollte sie auch das nicht mehr. Sie vereinbarten sich im Frühjahr wieder zu sehen und bis dahin sich auch nicht mehr zu kontaktieren. Orpheo fiel das schwer und er spürte, wie sehr er neben dem Biken und den Pornospielen emotional an Euridice gefesselt war.
Orpheo war schon verheiratet, als er Euridice kennen lernte. Seine Frau Carmen, war und ist seine Traumfrau. Sie liebten sich in jeder Hinsicht und hatten großes Vertrauen ineinander. Die Körperlichkeit und der Sex waren aber im Laufe der Jahre großen Veränderungen unterworfen. Das lag auch daran, dass seine Geliebte bei der Lebenszeit einen unaufholbaren Vorsprung von zwanzig Jahren hat.
Das hat auch schon früh dazu geführt, dass die Beiden über außerehelichen Sex gesprochen und phantasiert haben. Carmen wollte nicht, dass dadurch ihre Beziehung in Gefahr gerät, aber sie wollte es auch keine Details wissen. Wenn es denn schon passiert, will sie nicht zur Therapeutin mutieren. So weit, so gut. Aber nun hatte Orpheo niemand mit dem er über seine Sorgen sprechen konnte. Carmen spürte das genau und kurz vor Weihnachten hat sie es zur Sprache gebracht.
Sie merkte das große Ungleichgewicht Orpheos und das warf einen dunklen Schatten auf ihre Beziehung. Sie konnte und wollte nichts darüber wissen, fragte aber sehr konkret, ob ihre Ehe in Gefahr sei. Aber nichts konnte die Liebe zu Carmen schmälern, auch seine geheimen Sorgen nicht. Orpheo hatte ein so großes Bedürfnis über seine Sorgen zu sprechen, aber Carmen ließ ihn abblitzen. Sie machte ihn auf ihren Deal aufmerksam, nahm aber in den kommenden Wochen und zu Weihnachten trotzdem große Rücksicht auf ihren Geliebten.
Es wurde Frühling und Orpheo drängte nach Kärnten. Euridice war fröhlich, die Wunden schienen alle verheilt und sie hat prächtig wieder in den Alltag gefunden. Beim Plan für das nächste Treffen, gab es für Orpheo einen Dämpfer.
Euridice wollte sich unbedingt wieder treffen und schilderte ihre Phantasien vom „Tower of Power“ und den verrücktesten Sehnsüchten. Unbedingt wollte sie wieder Sex mit Orpheo. Sie schilderte ihren Traum, wie sich die unversperrte Haustüre öffnet und sie mit Augenbinde auf dem Tower liegt und Orpheo ohne ein Wort zu sprechen in ihr Heim eindringt und ihren Hals fickt.
Das große „Aber“ kam zum Schluss. Mountainbiken will sich nicht mehr gemeinsam mit ihrem Lover. Sofort kamen wieder Sorgen in Orpheo auf, dass sie doch nicht wieder gesund geworden ist.
Wie auch immer freuten sich beide auf das Wiedersehen und taten alles wie geplant. Es war aufregend, wie immer. Euridice hatte am Oberschenkel eine rote strichförmige Narbe, schien aber noch schöner als sonst.
Die beiden trieben es wie verrückt auf dem Schafsteppich und dem SM-Möbel. Stundenlang vögelten sie sich um den Verstand, bis sie beide erschöpft waren. Euridice hatte zum Abend eine kalte Platte vorbereitet und nackt, wie sie waren stillten sie ihren Hunger. Euridice machte ihrem Freund ein Angebot. Heute darf er bei ihr in ihrem Horst übernachten. Vor ihm durfte das noch keiner.
Von nun an wurde es aber immer unangenehmer für Orpheo. Hatte er zu Beginn noch seiner schönen Freundin Löcher in den Bauch gefragt, wie sie die Verletzung überstanden hat und wie es dazu kam, wurde Euridice immer einsilbiger. Irgendwann frage er sie nach dem Job und musste akzeptieren, dass sie nicht darüber reden wollte. Die beiden schliefen nebeneinander ein.
Euridice ist unzählige Male in der Nacht munter geworden und hat ab und an auch Orpheo durch ihre Unruhe aufgeweckt. Jede Fürsorge ihres Bettnachbarn hat sie mit der Floskel „Frag nicht“ quittiert.
Nach über zehn Jahren war es das erste gemeinsame Frühstück der Beiden. Euridice war in ihren Bewegungen steif und ungeschickt. Sie sagte, dass sie eben kein Morgenmensch ist.
Während des Frühstücks ist ihr mehrfach das Messer und einmal das Brot aus der Hand gefallen. Orpheo kannte sich nicht aus, er hatte einfach Anderes erwartet.
Seine kleine Kärntnerin war auch ein wenig vom Wiedersehen enttäuscht, obwohl sie den gestrigen Tag genossen hat. Jetzt erst nach dem Frühstück hat sie ihr zauberhaftes, ein wenig schelmisches Lächeln wieder gefunden. Mit leiser und ruhiger Stimme flüstert sie:
„Ich liebe es wie Du Dich gestern über mich her gemacht hast und ich von allen Seiten aufgespießt wurde.“
Orpheos Fantasie hätte als Drehbuch für den jungen Tag leicht gereicht, aber völlig unerwartet hat ihn Euridice nach Hause geschickt. Nicht aber ohne sich gleich einen Wiedersehenstermin auszumachen.
Am Freitag, den 9. Juli war es wieder soweit. Orpheo spürte, dass sich sein Leben heute ändern wird. Euridice hatte ein gemeinsames Abendessen in ihrem Haus geplant. Gekochtes Gemüse und Süßkartoffeln umrahmten ein kleines, aber feines Filetsteak. Sanbitter hatte sie in zwei Weingläser gefüllt und eine völlig neue, fast romantische Stimmung gezaubert.
Euridice wollte über ihren zukünftigen gemeinsamen Sex sprechen. Die beiden hatten sich gegenübergesessen, als Orpheo wie vom Blitz getroffen die Situation erkannte. Ihm schossen Tränen in die Augen. Euridice hatte den Kopf leicht zur Seite gedreht, um einen Schluck Sanbitter zu nehmen. Als sie das Glas abstellte, drehte sie ruckartig den Kopf in die Gegenrichtung. Obwohl er im Medizinischen ungebildet war, erkannte er in diesem Augenblick bei seiner kleinen Kärntnerin ihre neurologische Erkrankung.
Die halbe Nacht erklärte Euridice ihrem verzweifelten Lover, wie vor sechs Jahren Parkinson bei ihr diagnostiziert wurde. Die Dopamintherapie verträgt sie leider nicht gut und die Nebenwirkungen machen ihr zu schaffen. Der Bikeunfall war eine Folge der Koordinationsschwierigkeiten und zum Essen muss sie sich ständig zwingen.
Nach und nach klärt sie ihren lieben Freund über ihre Krankheit und das absehbare Ende vor. Wie auch immer einige Jahre hat sie wohl noch zu erwarten und die will sie in vollen Zügen leben.
Im Laufe des Abends kommen die dann ihre Wünsche auf den Tisch. Mehr wie früher will sie von ihrem Freund gefesselt, gespankt und zum Sex gezwungen werden. Sie will sich in den wenigen Begegnungen voll unterordnen und SM-Praktiken bis zu ihren Höhenpunkt treiben.
Für Orpheo kam das keinesfalls in Frage. Welch Mensch wäre er, sich so an seiner kranken Göttin zu vergehen. Euridice war klar, in welche Situation sie Orpheo gebracht hatte und wollte ihm auch Zeit geben. Sie gingen gemeinsam zum See und ruderten von Annenheim aus auf den stillen Ossiacher See hinaus. Es war ein heißer Tag und auch nachts am Wasser angenehm warm. Mitten am See zog sich Euridice aus und sprang ins Wasser.
Oft hatte sie das in ihrer Jugend getan, das war Freiheit für sie. Zurück am Boot kuschelte sie sich an ihren Begleiter und Sie redeten nichts. Nach einiger Zeit lächelte sie und forderte den großen Freund auf sie zu ficken. Sie hat immer gesagt, nicht mit ihm schlafen zu wollen, denn das sei Liebenden vorbehalten.
Zum ersten Mal in zehn Jahren hatten die beiden sich innig geküsst. Orpheo drang mit seinem Gemächt höchst vorsichtig in die Scheide Euridices ein. Langsam steigerte er sich in eine gleichmäßige und harmonische Penetration seiner Bootsgefährtin.
Es dauerte nicht lange, da wurde Euridice ungeduldig. Um ihren derben Worten nicht auszuweichen wollte sie hemmungslos in alle Löcher gefickt werden. Das Ganze hier und jetzt. Das sollte aber so nicht funktionieren.
Mit Trauer und Wut trennten sich die Beiden und zogen sich wieder an. Bis sie beim Haus zurück waren, sprachen sie kein Wort und hatten sich verabredet, um am kommenden Tag darüber zu sprechen.
Samstag fuhren Sie mit der Gondel auf die Gerlitzen und wanderten ein wenig. Bald suchten die Beiden eine Raststelle. Euridice entschuldigte sich, dass sie so ungestüm ihre Wünsche auf den Tisch legte. Aber es sei auch für sie nicht leicht. Sie möchte auch Orpheo ausreichend Zeit lassen, um sich hoffentlich auf ihre Bedürfnisse einstellen zu können. An diesem Punkt winkte Orpheo ab. Das könne er nicht, weil dieses Gefühl des Missbrauchs und Ausnutzen einer Schwäche unerträglich für ihn sei.
Der weitere Verlauf ihres Gesprächs war fruchtlos. Am frühen Abend hat zum Schmerz beider ihr Verhältnis sein Ende gefunden. Euridice bedankte sich für die vielen berauschenden Begegnungen und wollte sich fortan auch nicht mehr mit Orpheo treffen oder sonst wie voneinander hören. Mit der Bitte all ihre Kontaktdaten zu löschen, begleitete Sie Orpheo vor die Tür und verabschiedete sich ohne Kuss oder Berührung mit den Worten: „Danke und lebe wohl“.
Noch bevor Orpheo etwas sagen konnte, hatte sie die Eingangstüre von innen geschlossen. Die Beiden waren so klug, dass der Kontakt an dieser Stelle endete und sie nicht einen schmerzvollen und aussichtslosen Versuch unternahmen die Situation zu reparieren. Nicht einmal wenn Orpheo einmal im Jahr mit dem Bike auf die Gerlitzen fuhr, dachte er sein Gelübde des Nichtkontakts zu brechen.
Erstaunlich schnell erholte sich Orpheo von seinem Verlust. Ab und an dachte er an Euridice und ganz selten sah er sich das einzige Foto von ihr an, dass er aufgehoben hatte. Jahre später, es war 2017 hatte Orpheo seine geliebte Carmen gefragt, ob sie denn wissen wolle, was ihn vor so vielen Jahren in Kärnten bewegt hat. Sie lachte und versicherte ihm, dass sie schon mehr wisse als gut ist.
Dabei tat es nichts zur Sache, dass sie keine Details kannte. Orpheos Verhalten sprach Bände. Zu Beginn hatte Sie kurz Angst um ihre Ehe, war dann aber auch ein wenig Stolz, wie ihr Ehemann alles gemeistert hat. Sie wollte aber nicht wissen, ob eine Frau oder ein Mann ihrem Liebsten den Kopf verdreht hat. Schön war es zu spüren, dass ihr Band hielt und mit jedem Tag stärker wurde.
So zogen weiter die Jahre ins Land und Anfang 2020 hatte eine Pandemie die Gesellschaft weltweit gespalten. Carmen und Orpheo schien es, als seien nur mehr Egoisten auf der Welt. Wichtig war es einer Mehrheit der Menschen, ihre Wahrheit mit Klauen und Zähne zu verteidigen. Nächstenliebe wurde so oft nur den Gleichgesinnten zuteil.
Das ungleiche Ehepaar war anders. Sie öffneten ihr Haus für Bedürftige und Einsame. Ihre Lebensumstände erlaubte aber auch ein großes Maß an Freiheit. Selbst während der Lockdowns war biken möglich und ausgedehnte Spaziergänge schweißte das Paar in dieser Zeit noch mehr zusammen. Nach dem zweiten Coronajahr hatte Orpheo, während seine Carmen im Herbst zu einer Freundin nach Cremona fuhr, wieder einen Kärnten Urlaub geplant. Petzen, Gerlitzen und Kölnbreinsperre standen auf dem Programm. Orpheo wohnte während des Urlaubs in Bodensdorf bei einem Freund seines früh verstorbenen Vaters.
Wie immer startete er los und fuhr nach Annenheim, um dann auf die Gerlitzen zu strampeln. Nach 150 Höhenmeter kam er am Haus Euridices vorbei. Vermutlich ist sie nicht mehr am Leben. Junge Menschen wie sie, haben mit Parkinson gewöhnlich nicht sehr lange zu leben. Alles sah wie vor elf Jahren aus. Der Eingang, selbst die nüchternen Blumenbeete haben sich nicht stark verändert. Orpheo blieb stehen.
Ohne sich selbst erklären zu können warum, stieg er vom Rad und klopfte an der Tür. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Enttäuschung war groß als eine Dame um die vierzig öffnete und freundlich fragte, wie sie helfen kann. Orpheo wusste nicht recht, was er sagen soll und stammelte, dass hier wohl vor längerer Zeit eine gute Bekannte, namentlich Euridice, wohnte. Er entschuldigte sich für die Störung und wolle nicht weiter stören.
Er hörte die freundliche Stimme: „Sind sie Orpheo?“
Dieser riss die Augen auf. Sabine, so hieß die Dame sagte, dass sie die Pflegerin sei und Euridice noch immer hier wohnt. Über Jahre musste sie sich Schwärmereien über den fernen Freund anhören. Sie würde nachfragen, ob sie sie sehen will. Mit einem Lächeln sagte sie, dass sie sich nichts anderes vorstellen könne.
Orpheo hatte zittrige Knie. Er kann nicht glauben, seiner leidenschaftlichen Affäre von einst wieder zu begegnen.
Bienchen, so wurde die freundliche Hilfe von Euridice gerufen, holte den Fremden ins Haus. Vorsichtig bereitete Sie ihn darauf vor, eine von der Krankheit gezeichnete Frau zu sehen. Seit einem Jahr ist Sie endgültig an den Rollstuhl gefesselt und körperlich sehr gebrechlich.
Orpheo kam ohne Gastgeschenk mit dem Helm unter dem Arm in das schöne Zimmer. Sie blickten sich an und beiden liefen Tränen über die Wangen. Euridice hatte ein eingefallenes Gesicht und wog keine vierzig Kilo mehr. Ihre Augen und ihr Lächeln waren aber immer noch das Gleiche.
Nach einem ersten emotionalen Wiedersehen und unfassbarer Freude, beschlossen die Beiden den Tag gemeinsam zu verbringen, als wäre nie etwas geschehen. Orpheo fuhr am kürzesten Weg zu seinem Gastgeber, machte sich frisch, zog sich um und setzte sich ins Auto, um Euridice zu besuchen. Am Weg dahin, kaufte er einen großen Strauß Blumen und stand wie ein frisch Verliebter vor der Tür Euridices. Bienchen öffnete die Tür und sagte ein wenig schelmisch: „Die sind wohl nicht für mich.“ Orpheo strahlte über das ganze Gesicht, zog eine Lilie aus dem Strauß und sagte: „Doch die hier schon.“
Euridice hatte sich umgezogen. Sie hatte einen engen Faltenrock und eine leicht transparente Bluse. Ihre Piercings waren sofort wieder zu sehen. Die trotzen mit ihrer Schönheit der grauenhaften Krankheit. Sie lachte und sagte, dass sie nach jeder Untersuchung darauf bestanden hat, dass die wieder hineinkommen.
Wir plauderten und lachten, sprachen über Alltägliches und Familien. Sie hat es doch noch erlebt, Großmutter zu werden und sehe zumindest ihren Sohn jede Woche.
Die Narbe am Oberschenkel von vor zehn Jahren war immer noch zu sehen.
Keine Sekunde während des Wiedersehens war von Wehmut getragen. Euridice hatte das Haus behindertengerecht umbauen lassen und schläft sein einigen Jahren hier in der Ebene des Wohnzimmers. Ihr Horst ist verweist.
Mit einem kleinen Knopf am Rollstuhl hat sie Bienchen geholt und sie heute früher nachhause geschickt. Die war besorgt, ob sie Orpheo über die Medikamenteneinnahme informieren soll oder sonst was vorbereiten muss.
Euridice setzte ihr schelmisches Grinsen auf, das mit dem abgemagerten runzeligen Gesicht noch immer funktioniert: „Bin ich die Ärztin, oder sie? Machen sie sich keine Sorgen.
An dieser Stelle muss gesagt werden, dass die Stimme Euridices schon sehr verwaschen und schwer verständlich war, und ihre Bewegungen konnte sie nicht mehr koordinieren. Eine Klammerkopfstütze hielt ihren Kopf aufrecht und mit einem Joystick konnte sie ihren fahrbaren Untersatz bewegen.
Euridice hatte auf diesen Moment des Wiedersehens viele Jahre gewartet. Orpheos Mut hat den Fährmann Charon, in unserem Fall war es Bienchen, überzeugt den Weg an Kerberos vorbei zu seiner Euridice zu ebnen.
Diese Nacht gehörte ihnen. Alles wesentliche über das Medikament Levodopa war schnell erklärt. Sie saßen vor dem großen Fenster mit Blick über den See und hielten ihre Hände. Beide verspürten ein überwältigendes Liebesgefühl, dass sie davor gemeinsam so nie erlebt hatten. Sie sprachen über ihre Vergangenheit, Euridice, die auch schon schwer von Demenz als Begleiterkrankung gezeichnet war, erfreute sich über die Geschichten, die ihr Orpheo erzählte und sie sich zum Großteil nicht mehr erinnern konnte. Zwischendurch ist sie immer wieder eingeschlafen, aber diese Zeit hat ihr Orpheo auch gegeben.
Genau hatte sich aber ihre Sexbeziehung eingebrannt, samt dem ungewollten Ende. An diesem Tag des Wiedersehens wollte Euridice das Fest ihres Lebens feiern. Sie erzählte verschiedene Geschichten, oft auch mehrmals die Gleiche, aber eigentlich hatte Euridice nur einen Wunsch.
Sie wollte einmal noch Sex mit Orpheo. Er war kurz geschockt. Sie hatte sich das genau ausgedacht. Zuerst gehen sie gemeinsam in die Sauna. Die Temperatur stellte Orpheo auf das Minimum ein und dann verbringen sie gemeinsam eine Nacht im Horst. Klar ist Euridice bewusst, dass eine Penetration nicht mehr möglich ist, aber eine Nacht lang ganz viel Hautkontakt, das wäre ihr sehnlichster Wunsch.
Orpheo lächelte und freute sich auf nichts mehr, als sich mit einer Überdosis Berührung mit seiner Euridice zu vereinen.
Und genau so ist es auch gekommen. Er zog sich aus, und trug seine Geliebte dieser Nacht in den Saunaraum. Erschrocken hatte er sich nur wie leicht Euridice war. Unten angekommen legte er sie auf die Jogamatte, die genauso wie vor zehn Jahren am Boden vor dem Fenster lag und entkleidete seine Traumfrau des Tages. Sieht man von den Spuren der Abmagerung hinweg, war er erstaunt, wie schön sie immer noch anzusehen war. Gemeinsam gingen sie duschen und in die Sauna. Beide fühlten sich glücklich. Immer wieder ist Euridice kurz eingeschlafen und hatte erstaunlicherweise die Medikamenteneinnahme gut im Griff.
Ein Wunsch war für den Freund des Hauses ungewöhnlich. Sie hat ihn gebeten seiner Gastgeberin die Schamhaare zu entfernen. Bienchen rasierte sie zwar seitlich ein wenig aus, mehr aber auch nicht. Glatt hat sie sich immer schöner gefühlt. Mit größter Vorsicht hat sich Orpheo als Figaro um seine Euridice bemüht. Sie hat die Berührungen sichtlich genossen. Später sagte sie ihm, dass es für Sie tatsächlich erregend war.
Der eigentliche Sinnesrausch begann dann aber im Horst. Nach Anweisungen hat Orpheo frisches Bettzeug aufgebracht und seine Geliebte dort hinaufgebracht. Geliebte, so hatte er sie nun das erste Mal genannt und das war sie auch. Sie hatten eine Nähe und eine Vertrautheit wie nie zuvor. Einmal streichelte er den kleinen Körper, einmal legte er sie auf seinen Bauch und umschlang sie mit seinen Armen. Einmal wendete er sie und sie lag mit dem Rücken auf ihm. Orpheo hatte eine Erektion, die zwischen den Beinen Euridices hervorlugte. Dabei empfand er keine Scham. Ganz im Gegenteil, sie scherzten, wie es früher bei ihnen zur Sache gegangen ist. Immer wieder lagen sie auch nebeneinander und Euridice schlief für ein paar Minuten ein. Als gäbe es kein Morgen, schien jeder Quadratzentimeter Haut sein Recht auf Zärtlichkeit einzufordern. Irgendwann schliefen die Beiden glücklich ein. Geweckt wurden sie von Bienchens besorgten Rufen.
Keck und heiter meldete sich Euridice. Klar konnten wir nicht verheimlichen, dass sich da oben zwei nackte Liebende verstecken.
„Bienchen, sie werden nie wieder einen so glücklichen Pflegfall haben.“
Wir hatten unsere Nacktheit unter der Decke versteckt und Sabine schaut zu uns herauf. Sie grinste wie ein frisch verliebter Teenager:
„Ich habe nicht daran geglaubt, dass ihr Traum in Erfüllung geht. Ich fahre runter und kaufe Frühstück ein“.
Wir grinsten uns an und ich umarmte die Schöne ein letztes Mal.
Ab ins Bad, Zahne geputzt, geduscht und ins Gewand geschlüpft. Die süßen Nippel von Euridice liebkoste ich ein letztes Mal, bevor ich ihr ein dunkelrotes Kleid überzog und sie in ihrem Rollstuhl positionierte.
Wir frühstückten zu dritt und die beiden Damen hatten erstaunlich wenig Geheimnisse voreinander. Betrüblich war für mich, dass sich der Zustand Euridices spürbar verschlechtert hat. Ich lernte, dass dies mit der unregelmäßigen Medikamenteneinnahme und der Anstrengung zu tun hatte.
Immer öfter schlief Euridice ein und hatte dann auch begonnen zu krampfen. Sie hat mich fast nicht mehr wahrgenommen. Wie eine Schwester hat mich Bienchen bei der Hand genommen. Euridice schlief gerade wieder.
Sie erzählte mir, dass sie seit sechs Jahren fast täglich von mir sprach. Sie hatte sich nichts mehr gewünscht, als einmal noch ihren Traummann zu treffen. Dies ist in Erfüllung gegangen. Auf meine vorsichte Frage, wie denn die Prognosen sind, hat sie nicht geantwortet, sondern nur meine Hand etwas fester gedrückt.
Wenn wir heute Ovids Metamorphosen lesen, wünschen wir uns, dass sich Orpheus nicht nach seiner Euridike umgedreht hätte.
Orpheo hat sich auch ganz ungewollt noch einmal nach seiner Euridice umgesehen. Dieses eine Mal war der Höhepunkt der beiden Leben und ließ Euridice in Frieden ziehen. Am ersten Sonntag im Februar 2023 übersetzte Euridice freiwillig mit Charon den Styx.