Ein treuer Diener
Wie zumeist war sie stehengeblieben. Während er vor ihr kniete, blickte er ehrfürchtig auf. Mit der Hand strich er sanft über ihren Fuß. Überraschend kühl erschien er ihm, obwohl es im Haus warm war.
Er erinnerte sich, als er das erste Mal das herrschaftliche Anwesen betreten hatte. Sie war ihm augenblicklich aufgefallen. Ihre Präsenz strahlte auf den gesamten Salon aus. Kerzengerade stand sie da. Er war nah genug an sie herangetreten, um feststellen zu können, dass sie ihn überragte. Dabei war er nicht klein. 1,83cm. So stand es in seinem Pass. Neidvoll hatte er sie angeblickt, tief beeindruckt von ihrer Schönheit. Ihm war klar, dass sie älter war als er, auch wenn er sich schwer tat, sie zu schätzen. Über ihre Herkunft wusste er auch wenig. Bei einem seiner ersten Besuche hatte der Hausherr erwähnt, sie in der Schweiz gesehen, sich auf den ersten Blick in sie verliebt und keine Ruhe gegeben zu haben, bis er sie mit zu sich hatte nehmen können. Hatte er sie damals vorgestellt? Er konnte sich nicht erinnern. Zu lange war das alles her.
Anderen zu Diensten zu sein, entsprach seiner Natur, auch schon damals, als er noch jung und unerfahren gewesen war. Mit der Zeit hatte er sich einen guten Ruf erarbeitet. Seine Geduld und Zuverlässigkeit, seine geschickten Finger, die er kundig einzusetzen wusste, wenn es darauf ankam, wurden allgemein sehr geschätzt. Inzwischen kam er problemlos auf seine Kosten. Immer häufiger hatte man ihn in letzter Zeit ins Haus gebeten. Daher kannte er sie inzwischen sehr gut, ihre Qualitäten genauso wie ihre Macken, hatte Blicke in ihr Innerstes werfen dürfen. Er wusste, was er zu tun hatte.
Er erhob sich. Er hoffte, dass er alles richtig gemacht hatte. Jeden Moment erwartete er ihre Schläge, deren Präzision ihm gewöhnlich Bewunderung abnötigte. Jeder einzelne würde ihm durch Mark und Bein gehen. Er würde sie zählen und es genießen. Genauso wie die Stille, die danach eintreten würde und die er benötigte, um seine Eindrücke zu verarbeiten. Er konzentrierte sich. Alle seine Sinne waren auf sie fokussiert.
Ihr erster Schlag ließ ihn hörbar ausatmen. Es dauerte nicht lange, bis der Nächste folgte. Dann drei, vier, fünf. So rhythmisch wie gleichmäßig. Genau, wie er es sich von ihr erhoffte. Deswegen war er gekommen. Ein triumphierendes Lächeln schlich sich in seine Gesichtszüge.
Da er sah, dass sie ging, stellte er sie. Sein Werk war getan. Zumindest für den Augenblick. Als Uhrmacher liebte er historische Standuhren, auch wenn sie ihm regelmäßig Arbeit machten.