KO-pfkino
Wann genau geht die Realität über in das Sehnen und das Erleben im Kopf?
Ich weiss es.
Denn ich kann es steuern.
Z.B. erst letzte Woche auf der Autobahn Richtung München, ein herrlicher Sonntag mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Die Aussentemperaturanzeige zeigt heisse 34 Grad Celsius.
Der Elektromotor schnurrt vor sich hin, das Apple CarPlay spielt best of everything.
Ein Moment zum Geniessen ... aber noch kein Kopfkino.
Weit voraus ein Mini Cooper der mit konstant 120 km/h auf der Autobahn gemäß der Geschwindigkeitsbeschränkung auf diesem Streckenabschnitt dahinrauscht.
Ohne groß nachzudenken, wird es mein neuer Fixpunkt und ich nähere mich konstant seinem Heck.
Dazu muss ich sagen, dass der Autohändler meines Vertrauens mir einmal bei einer Tasse Kaffee seine Weisheiten mitteilte: "Du musst wissen, unsere Minis werden zu 95% von hübschen und jungen Frauen gefahren! Garantiert!". Genau das kommt mir in den Sinn, als ich mich langsam diesem Mini von hinter nähere.
An das erinnere ich mich. Und ich versuche, seine Statistik zu hinterfragen.
Als ich halber Tacho Entfernung hinter dem Mini bin ... setze ich meinen Blinker links, und überhole schildkrötengleich mit nur 5km/h mehr auf dem Tacho den Mini.
Gespannt blicke ich auf die linke Seite des Mini und den mir unbekannten Fahrer.
Ich kann als erstes eine weisse Bluse oder ein weisses Hemd erkennen. Dann die offenen schulterlangen dunkelbraunen Haare. Die Sonnenstrahlen jetzt am Nachmittag zaubern Reflexe in das Haar. Und mit einem gewissen Grad an Erleichterung kann ich eine Fahrerin erkennen.
Als ich so langsam an ihr vorbeiziehe, sehe ich, wie sie konzentriert auf die Strasse vor ihr sieht, aber dann kurz ihr sonnengebräuntes Gesicht mir zuwendet und mich für eine Millisekunde anlächelt, bevor ihr Blick wieder nach vorne auf die Strasse geht.
Wow. Einfach nur Wow. Ein bildhübsches Gesicht. Jung. Ein Mittelscheitel der ihre langen Haare wie eine Umrahmung ihr Gesicht umfliessen lassen.
In Gedanken bestätige ich die Aussage meines Autohändlers und freue mich ohne Grund wie ein König.
Ihr Lächeln war einfach zu phänomenal.
Ich setze den Blinker rechts und setze mich vor den Mini. Im Rückspiegel beobachte ich die Fahrerin, soweit mir das möglich ist. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es bemerkt hat, aber mir kommt es so vor, als ob ich sie lächeln sehen würde.
Plötzlich blinkt sie links, beschleunigt und zieht links an mir vorbei. Dabei wirft sie einen langen Blick auf mich und lächelt wieder. Ich lächle zurück.
Wieder fahre ich hinter dem Mini her. Mit einem Sicherheitsabstand der gefährlich klein zu werden droht.
In meinem KOpf wirbeln die Gedanken. War es ein unbewusstes Lächeln? War es wegen dem Auto? War es wegen meines Blickes?
Meine Neugier siegt und ich setze erneut den Blinker. Gleiches Vorgehen wie eben ... gleiches Ergebnis. Wieder ein Lächeln. Diesmal sogar länger und noch deutlicher.
Und wieder dauert es nur wenige Meter und der Mini überholt mich wieder. Erneut ein langes Lächeln. Und ich kann ihre Augenfarbe erkennen. Dunkelbraune große Augen, die auch lächeln.
In meinem Kopf beginnt das Kopfkino mit seiner Eröffnungssequenz.
Das Spiel wiederholt sich insgesamt vier Mal ... Und gerade als sie vorn liegt, sehe ich ihren rechten Blinker für die kommende Raststation.
Ohne groß zu überlegen bleibe ich hinter dem Mini und setze auch den Blinker rechts.
Meine Batterieanzeige zeigt mir zwar noch immer einen Füllstand von über 71 Prozent an ... aber ich will es wissen ...
Wir fahren in die Raststation ein und sie ordnet sich bei den Benzin-Zapfsäulen ein. Ich fahre ein Stück weiter zu den E-Ladesäulen wobei ich aber den Mini und seine Fahrerin permanent im Rückspiegel beobachte. Gerade als ich an der Säule parke, steigt sie aus.
Eine weisse enge Bluse. Dunkelblaue enge Jeans. Weisse Sneakers. Keine Socken. Kein Gürtel.
Das Kopfkino erreicht seinen ersten Höhepunkt.
Ihre Silhouette wird kurz durch ein abfahrendes Auto verdeckt und ich merke wie mein Kopfkino kurzfristig aus dem Tritt kommt.
Dann sehe ich sie wieder wie sie den Rüssel in Einfüllstutzen des Minis bugsiert und mich über eine Entfernung von knapp 30 Metern anschaut. Direkt. Mit einem breiten Lächeln.
Das Kopfkino geht weiter.
Ich öffne die Fahrertür und steige aus. Ich grinse sie an. Direkt. Versuche ihre Augen festzuhalten und mit einem Lächeln eine Reaktion zu erzwingen. Sie lächelt breiter. Eine wahrhaftige Schönheit. Ovale Gesichtsform. Kaum Makeup.
Das Kopfkino geht weiter.
Ich stelle mir vor, sie einfach in den Arm zu nehmen. Ihr in die Augen zu schauen. Und sie zu küssen.
Das Kopfkino geht weiter.
Ich schliesse die Fahrertür und höre wie das Auto sich automatisch verriegelt. Und langsam gehe ich zu ihr rüber. Sie senkt den Blick und auch den Kopf ein wenig um ihn aber einen kurzen Augenblick später wieder zu heben und mich erneut mit ihren großen Augen zu fixieren.
Ich bin gespannt auf ihre Stimme und spreche sie direkt an: "Kenne ich Dich von irgendwoher?".
Mein Kopfkino kommt wieder ins Straucheln ... so eine lahme Anmache ...
Aber sie reagiert mit einem breiten Grinsen und mit einer sehr melodischen Stimme mit österreichischem Akzent sagt sie: "Nicht dass ich wüsste ... aber das passiert mir öfters."
Das Kopfkino geht weiter.
Keine direkte Ablehnung. Keine negative Reaktion von ihr.
Ich lächele sie an und sage zu ihr: "Ja. Das denke ich mir." und ich spinne den Gedanken weiter "Du siehst aus wie die junge Romy Schneider. Diese Ähnlichkeit!".
Plötzlich lacht sie mich offen an ... "Ja. Das haben auch schon andere gesagt."
Gemeinsam lachen wir und ich nutze den Moment und stelle mich ihr vor: "Na dann ... müsste ich ja nur noch Franz heissen, oder?".
Und wieder lachen wir beide.
Das Kopfkino geht weiter.