Frühstück mit Franko
Heute bin ich schon vor dem Wecker wach, ungeduldig warte ich auf sein erlösendes Klingeln, dass mir sagen soll: Steh auf, heute ist DER Tag!
Heute werde ich Franko treffen, den Mann mit dem ich schon seit vielen Monaten einen wirklich guten Mailkontakt pflege, aber noch nie im realen Leben getroffen habe. Wir wohnen einfach zu weit voneinander entfernt. Der Zufall hat uns aber unter die Schultern gegriffen und ihn geschäftlich in meine Richtung verschlagen, genaugenommen in einem Hotel nur wenige Kilometer von mir entfernt absteigen lassen. Und so sind wir für heute Acht Uhr verabredet, um dann gemeinsam Frühstücken zu gehen.
Ich gehe meinem üblichen Frühmorgens-Tagesgeschäft nach und empfinde die Routine heute als sehr beruhigend. Wie im Schlaf gehen mir die täglichen Dinge von der Hand und ehe ich es mich versehe, sitze ich – dezent herausgeputzt – in einem Linienbus in Richtung Nachbarstadt. Die Fahrt dauert ca. 30 Minuten und die ziehen sich gerade wie Kaugummi. Schleppend und quälend langsam passieren wir Haltestelle um Haltestelle.
Endlich! Der Hauptbahnhof taucht vor uns auf und ich gebe dem Fahrer mit dem Drücken des Stop-Knopfes zu verstehen, dass ich aussteigen möchte. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigt mir, dass ich noch Zeit habe bis sein Zug einläuft. Sehr gut! So kann ich mich noch ein bisschen sammeln und die Aufregung auf ein erträgliches Maß herunterkühlen – also zumindest ist das der Plan, der natürlich kläglich scheitern wird. Hoffentlich erkenne ich ihn überhaupt, ich habe ja nur eine Personenbeschreibung ohne Foto. Obwohl – mit seinen über 190cm sollte er mir schon ins Auge fallen und auch wenn er sicher nicht der Einzige im Anzug sein wird, so denke ich schon, dass wir uns nicht verpassen werden.
„Meine Damen und Herren, an Gleis 2 fährt ein, der Regionalexpress RE8 nach Düsseldorf. Vorsicht bei der Einfahrt!“
Das ist seine Bahn, mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich spüre mehr denn je wie nervös ich bin. Wie wird es sein ihm gleich gegenüber zu stehen? Werden wir die in den Mails herrschende Chemie auch ins wahre Leben übertragen können? Und noch viele andere Fragen gehen mir durch den Kopf, doch die sollen sich alle bald von ganz alleine beantworten, denn gerade steigt ein stattlicher leicht graumelierter Mann im dunkelblauen Anzug aus dem Zug und blickt in meine Richtung – dass könnte Franko sein.
Er ist es wirklich, denn er lächelt mich an und kommt zielstrebig auf mich zu.
„Sophie?“
„Ja! Hallo Franko!“
„Schön, dass das endlich mal mit uns beiden geklappt hat!“
Finde ich auch, kann ich ihm aber nicht mehr sagen, denn schon umarmt er mich herzlich und haucht mir rechts und links einen Kuss auf die Wange und strahlt mich an. Schöne Augen hat er, das muss ich ihm lassen, aber auch der Rest ist mehr als vorzeigbar. Am besten gefällt mir aber seine Ausstrahlung – er hat etwas von dieser Nonchalance, die meiner Meinung nach nur den reiferen Männern vorbehalten ist.
„So wohin wirst Du mich zum Frühstück entführen?“
„In ein kleines Café in der Innenstadt, die haben ein fantastisches Buffet und richtig guten Kaffee. Wenn Sie mir bitte unauffällig folgen möchten mein Herr!“ fordere ich ihn kokett auf und mache mich auf den Weg in Richtung Gleisabgang.
Den 10-minütigen Fußmarsch zum Café, nutzen wir um zu plaudern, uns immer wieder unauffällig zu betrachten und für erste kleine körperliche Annäherungen. Der morgendlich kühle Wind weht sein After Shave zu mir herüber und wie es so meine Nase umschmeichelt, finde ich, dass es ganz wunderbar zu ihm passt. Ob ihm wohl meine Vanillenote gefällt?
Endlich angekommen suchen wir uns ein lauschiges Plätzchen und finden es in einer dunkelbraunen ledernen Loungegruppe, etwas abgelegen vom geschäftigen Frühstücksgeschehen und ordern zwei Milchkaffees. Die trinken wir genüsslich in aller Ruhe und nutzen das Sitzen auf Augenhöhe in den bequemen Sesseln, um uns endlich auch mal richtig und ausgiebig in Selbige zu schauen. Wir quasseln dabei über dies und das und ehe wir es uns versehen, ist die große Tasse schon leer. Mein Magen lässt einen etwas zu lauten Protest hören und ich erröte mitten im Satz, lächel verlegen über die Situation hinweg und hoffe, dass er es nicht bemerkt hat.
„Hunger? Ich auch! Sollen wir uns mal am Buffet gütlich tun?“
„Sehr gern!“
Wir erkunden das Angebot und laben uns dann an frischen Brötchen, Lachs, hauchdünn geschnittenen Schinken, aromatischen Käse und herrlich fruchtiger Marmelade. Dazu haben wir noch eine weitere Runde Kaffee bestellt und schlemmen nun genußvoll bei angeregten Gesprächen über die Fußballnationalelf und ihre Chancen bei der kommenden WM. Ein etwas ungewöhnliches Thema für ein erstes Date, aber das stört uns nicht im Mindesten. Wir lachen viel und können die Augen kaum voneinander lassen und so fliegt die Zeit in Lichtgeschwindigkeit an uns vorüber.
Immer wieder bedaure ich, dass wir nur zwei Stunden miteinander haben und noch mehr bedaure ich, dass wir die nicht in gemütlich sinnlicher Zweisamkeit verbringen können, denn dieser Mann projeziert dermaßen auf mich, dass ich die wildesten Bilder von uns im Kopf habe und ihm am liebsten die Kleider vom Leib reißen wollen würde, um meine Hände in seiner Haut zu vergraben und meinen Kopf … aaarg diese Bilder.
to be continued ... Graidh