Hvar
Als es bei meinem damaligen Bewerbungsgespräch hieß: "Ja, ich habe einen Job für sie, aber nicht in diesem Hotel, für welches sie sich beworben haben, sondern auf der Insel Hvar!", war ich anfangs nicht begeistert. Wie denn auch? Von Novi Vinodolski wieder ganz in den Süden? " Fährstunden von Split entfernt? Irgendwie "am Ende der Welt"!?Gut, Hvar, schon viel gelesen, viel gehört, vieles an Bildern gesehen, aber davon habe ich mich nie beeindrucken lassen. Seien wir ehrlich: Wann sah ein Ort aus wie im Prospekt. Alle lügen sie doch: Reiseveranstalter, Fotografen, Tourismuszentralen, die Touris selber, die sich einen Urlaub oft auch nur schön reden wollen, die Hotels, die ihre Zimmer, Suiten und Appartments auslasten möchten, die privaten Anbieter, die über die Saison soviel verdienen möchten, daß sie ihre Kredite abbezahlen können. Alle lügen sie. Alle.
Naja, was soll's. Die Position ist gut. Das Geld auch. Die Leistungen entsprechen meinen Erwartungen. Also los.
Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt schon schwanger mit unserer zweiten Tochter. Ja, sie wird wohl in Kroatien zur Welt kommen. Eine kleine Dalmatierin. Eine kleine Dalmatierin mit halbdeutschen Wurzeln. Aufregend. Für meine Frau eher anstrengend. Ende Mai. Die Hitze schon groß. Und dann noch auf die Sonneninsel Hvar. Die Lavendelinsel Hvar. Meine Frau hasst Lavendel.
Es ist soweit. Die Fähre bestiegen. Noch ist nichts los. Mai halt. Kommt erst. Im Juli. Gut so. Ich brauche noch ein wenig, um mich mit den Massen an Touristen wieder beschäftigen zu können. Ich liebe die Hotellerie - aber man braucht auch den Abstand, wenn man in der Saisonhotellerie arbeitet.
Zwei Stunden Fahrt. Für meine Erstgeborene, damals drei Jahre alt ein Traum. Schiff. Sonne. Papa hat 'nen neuen Job. Das Geschwisterchen ist in Mamas Bauch. Alle sind zusammen. Neues Abenteuer.
Anfahrt Starigrad. Komisch. Da hat es auf einmal "Bumm" gemacht. Der Schalter wurde umgelegt. Nicht von mir. Die Insel war es. Selbstständig.
Ich könnte jetzt weiterschwafeln. Weiter von jedem Erlebnis erzählen. Jeden Stein beschreiben. Jeden Baum, jede Pinie, den Wellenschlag. Aber da würde nicht reichen. Die Worte würden nicht reichen. Es gibt keine Worte, welche die Insel beschreiben und ihrer Schönheit und Faszination gerecht werden könnten. Die Leute, zurückhaltend offen, direkt und diplomatisch ehrlich, dennoch warmherzig und spontan.
Sei es Stari Grad, dem ursprünglichen Pharos, welches schon fast vergleichweise eine Großstadt auf der Nordseite der Insel ist, sei es Jelsa, dem pitoresken Fischerstädchen dem benachbarten Vrboska, sei es Hvar, dem mächtigen, lauten Hvar mit seinen Luxusherbergen und mit Pseudointellektuellen und Neureichen überfüllten Gassen, oder auch Sucuraj, dem süßen Schlußlicht der Insel, mit dem Blick auf Drvenik - keine Beschreibung kann meine Gefühle in Worte fassen, wenn ich an all diese Göttinen denke.
Sei es Ivan Dolac, welches man durch den anderthalb Kilometer langen, düsteren Tunnel erreicht, Sveta Nedilja mit seinen prächtigsten Rebsorten, Zavala, Basina: ICH HABE MICH VERLIEBT.
Jedes dieser Küstenstädtchen ist für sich einzigartig. Wunderschön. Verzaubernd.
Botanisch ist die Insel eine Koriphäe, gut nicht zu vergleichen mit Lokrum. Aber immerhin.
Die Küstenstraße von Jelsa nach Hvar. Ein einziges Erlebnis. Voll von Bildern, mit welchem man selbst das Internet überfüllen und zum Absturz bringen könnte.
Pitve, Svirce, Hum, Grapceva spilja (die Grotten von Grapcevo) und, und und, und........
Es mag sein, daß Einem meine Begeisterung wie eine Obsession vorkommt. Ja. So ist es auch. Diese Insel wird zur Sucht.
Auch fast 2 Jahre nach dem Verlassen dieses Paradieses auf Erden, träume ich noch regelmässig von ihr. Von ihr. meiner heimlichen und großen Liebe. Hvar.
Jetzt schaue ich gerade aus dem Fenster. Jetzt bin ich nicht da. Jetzt bin ich wieder traurig.
Du fehlst mir. Mein Hvar.