08.10.2016 - 09.01.2017 Der britische Blick - Berlin
Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer NationOrt: Martin-Gropius-Bau
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Montag von 10.00 bis 19.00 Uhr
An den Feiertagen geöffnet; 24. und 31.12. geschlossen
*************spiele:
Deutschland? Aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, Xenien, 1796
Am 9. November 1989 meldeten die Medien in der ganzen Welt den Fall der Berliner Mauer, jenes Ereignis, das ein neues, vereintes Deutschland entstehen ließ. Heute spielt dieses Deutschland eine wichtige Rolle im Weltgeschehen. Die Bürger im Osten und Westen Deutschlands lebten Jahrzehnte in unterschiedlichen politischen Systemen, aber gemeinsam hatten sie viele tief verwurzelte Erinnerungen.
Diese Ausstellung untersucht einige dieser Erinnerungen anhand von rund 200 Objekten, die während der letzten 600 Jahre in Deutschland entstanden und prägend sind für Kultur, Wirtschaft und Politik in Vergangenheit und Gegenwart. Sie erzählen von den großen deutschen Leistungen, von Philosophen, Dichtern und Künstlern und von Geschichtsereignissen, die das Gesicht des heutigen Deutschland geprägt haben. Einer Nation, die im Schatten der fürchterlichsten aller Erinnerungen entstanden ist, des Holocaust.
Es sind Erinnerungen, die bekannt sind, und andere, die es neu zu entdecken oder aufzufrischen gilt. Die ausgewählten Werke erzählen oft mehrere Geschichten und zeichnen ein differenziertes Bild der komplexen deutschen Geschichte. Die Ausstellung skizziert in fünf Kapiteln mit hochkarätigen Museumsstücken und historischen Dokumenten, in thematischen und chronologischen Sprüngen, wie Deutschland letztlich wurde, was es heute ist:
Deutschland – Erinnerungen einer Nation
Fließende Grenzen
Reich und Nation
Made in Germany
Krise und Erinnerung
Die Ausstellung beginnt und endet mit dem Jahr 1989 und Gerhard Richters Betty aus dem Jahr 1991, die einen Blick zurückwirft.
Zu sehen sind wertvolle Werke wie Albrecht Dürers Holzschnitt eines Nashorns von 1515 sowie die Porzellanversion von Johann Gottlieb Kirchner von 1730, die nach Vorlage Dürers entstanden ist. Sie stellt eine der hochwertigsten technologischen und künstlerischen Errungenschaften der deutschen Welt dar: die Erfindung des Porzellans. Porzellan wurde Anfang des 18. Jahrhunderts in Meißen erneut erfunden. Es wurde zu einem wichtigen europäischen Wirtschaftszweig und machte dem „weißen Gold“ aus China Konkurrenz. Die grandiose Schedelsche Weltchronik aus dem Jahr 1493 weist auf die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts hin. Wissen und Kunst konnten durch diese Erfindung in gedruckter Form europaweite Verbreitung finden.
Für deutsche Präzision und hohe Goldschmiedekunst steht das Astrolabium von 1596. Geschickte deutsche Metallhandwerker bauten einige der besten wissenschaftlichen Instrumente der Frühen Neuzeit. Johann Anton Linden war einer von ihnen. Sein astronomisches Kompendium hat die Größe eines eBook-Readers und ist Weltzeituhr und Navigationsgerät in einem. Ein Sinnspruch ist eingraviert: „Die Zeit rennt. Der Tod ist wie eine Schwelle, die du überschreiten musst.“
Eines der eindrücklichsten Objekte der Ausstellung ist Ernst Barlachs Bronzeskulptur mit dem Titel Schwebender. Es ist ein Engel anderer Gestalt: Mund und Augen sind geschlossen, die Flügel eingeklappt, sein Blick richtet sich nach innen. Barlach (1870-1937) hat ihn 1926 als Erinnerung an den schrecklichen Ersten Weltkrieg zur 700-Jahr-Feier des Doms zu Güstrow geschaffen.
Barlach selbst meldete sich 1915 enthusiastisch zum Kriegsdienst, als Pazifist kam er zurück. 1933 entfernten die Nazis seine Skulpturen aus dem öffentlichen Raum. Er galt als „entarteter“ Künstler, denn sein Stil hatte nichts mit Heldentum zu tun. Im August 1937 wurde der Engel im Dom entfernt und 1940 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Die Gipsform war gerettet, ein Nachguss angefertigt und in einem Dorf bei Lüneburg versteckt worden. 1951 sollte der Engel wieder ausgestellt werden. Güstrow lag allerdings in Ostdeutschland. Der Kalte Krieg war in der heißen Phase. So wurde der Guss in der Kölner Antoniterkirche ausgestellt. Erst 1953 wurde ein Abguss für den Güstrower Dom angefertigt. Am 13. Dezember 1981 besuchten Helmut Schmidt, damals Bundeskanzler, und Erich Honecker, damalig Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Barlachs Engel im Dom. Der Engel stand nun für eine gemeinsame Erinnerung der beiden Staaten und Staatsmänner.
1937 wurde vor den Toren von Weimar – Stadt Goethes und Schillers, des Bauhauses und Wiege der demokratischen Verfassung der Weimarer Republik – das Konzentrationslager Buchenwald gebaut. Hier starben bis 1945 56.000 Menschen. Das Lagertor von Buchenwald entstand 1938. Es trägt infamerweise die Inschrift „Jedem das Seine". Sie wurde von Franz Ehrlich, ehemals Bauhaus-Student und Inhaftierter im KZ-Buchenwald, entworfen. Die Schrift ist von innen lesbar angebracht. Die Häftlinge sollten sie ständig vor Augen haben.
Zwölf Jahre Nazi-Terror zählen zu den zentralen, unentrinnbaren Erinnerungen Deutschlands. Sie führten zur systematischen Ermordung von rund sechs Millionen Juden und brachten Tod und Zerstörung über ganz Europa.
Viele Künstler, darunter auch Georg Baselitz, bearbeiten in ihrem Werk immer wieder diese Zeit. In seiner Radierung „Adler“ von 1977 sind Bundesadler und Flagge des demokratischen Deutschlands verschlissen und zerfranst und stehen auf dem Kopf; eine Reflektion womöglich ob der Zerbrechlichkeit dieser Ideale.
Die Ausstellung spürt der deutschen Identität aus britischer Sicht nach. Entstanden ist ein Dialog zwischen Deutschland und seiner Geschichte.
Eine Ausstellung des British Museum. Kurator: Barrie Cook, Historiker des British Museum. Von Neil MacGregor, vormals Direktor am British Museum, für London initiiert und begleitet von einem Buch, das im Beck-Verlag erschienen ist.
Der Martin-Gropius-Bau dankt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, ohne deren Förderung diese Ausstellung nicht möglich wäre, ebenso der Friede Springer Stiftung für die Unterstützung des Vermittlungsprogramms sowie dem Deutschen Historischen Museum und den Staatlichen Museen zu Berlin für die großzügigen Leihgaben.
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, Xenien, 1796
Am 9. November 1989 meldeten die Medien in der ganzen Welt den Fall der Berliner Mauer, jenes Ereignis, das ein neues, vereintes Deutschland entstehen ließ. Heute spielt dieses Deutschland eine wichtige Rolle im Weltgeschehen. Die Bürger im Osten und Westen Deutschlands lebten Jahrzehnte in unterschiedlichen politischen Systemen, aber gemeinsam hatten sie viele tief verwurzelte Erinnerungen.
Diese Ausstellung untersucht einige dieser Erinnerungen anhand von rund 200 Objekten, die während der letzten 600 Jahre in Deutschland entstanden und prägend sind für Kultur, Wirtschaft und Politik in Vergangenheit und Gegenwart. Sie erzählen von den großen deutschen Leistungen, von Philosophen, Dichtern und Künstlern und von Geschichtsereignissen, die das Gesicht des heutigen Deutschland geprägt haben. Einer Nation, die im Schatten der fürchterlichsten aller Erinnerungen entstanden ist, des Holocaust.
Es sind Erinnerungen, die bekannt sind, und andere, die es neu zu entdecken oder aufzufrischen gilt. Die ausgewählten Werke erzählen oft mehrere Geschichten und zeichnen ein differenziertes Bild der komplexen deutschen Geschichte. Die Ausstellung skizziert in fünf Kapiteln mit hochkarätigen Museumsstücken und historischen Dokumenten, in thematischen und chronologischen Sprüngen, wie Deutschland letztlich wurde, was es heute ist:
Deutschland – Erinnerungen einer Nation
Fließende Grenzen
Reich und Nation
Made in Germany
Krise und Erinnerung
Die Ausstellung beginnt und endet mit dem Jahr 1989 und Gerhard Richters Betty aus dem Jahr 1991, die einen Blick zurückwirft.
Zu sehen sind wertvolle Werke wie Albrecht Dürers Holzschnitt eines Nashorns von 1515 sowie die Porzellanversion von Johann Gottlieb Kirchner von 1730, die nach Vorlage Dürers entstanden ist. Sie stellt eine der hochwertigsten technologischen und künstlerischen Errungenschaften der deutschen Welt dar: die Erfindung des Porzellans. Porzellan wurde Anfang des 18. Jahrhunderts in Meißen erneut erfunden. Es wurde zu einem wichtigen europäischen Wirtschaftszweig und machte dem „weißen Gold“ aus China Konkurrenz. Die grandiose Schedelsche Weltchronik aus dem Jahr 1493 weist auf die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts hin. Wissen und Kunst konnten durch diese Erfindung in gedruckter Form europaweite Verbreitung finden.
Für deutsche Präzision und hohe Goldschmiedekunst steht das Astrolabium von 1596. Geschickte deutsche Metallhandwerker bauten einige der besten wissenschaftlichen Instrumente der Frühen Neuzeit. Johann Anton Linden war einer von ihnen. Sein astronomisches Kompendium hat die Größe eines eBook-Readers und ist Weltzeituhr und Navigationsgerät in einem. Ein Sinnspruch ist eingraviert: „Die Zeit rennt. Der Tod ist wie eine Schwelle, die du überschreiten musst.“
Eines der eindrücklichsten Objekte der Ausstellung ist Ernst Barlachs Bronzeskulptur mit dem Titel Schwebender. Es ist ein Engel anderer Gestalt: Mund und Augen sind geschlossen, die Flügel eingeklappt, sein Blick richtet sich nach innen. Barlach (1870-1937) hat ihn 1926 als Erinnerung an den schrecklichen Ersten Weltkrieg zur 700-Jahr-Feier des Doms zu Güstrow geschaffen.
Barlach selbst meldete sich 1915 enthusiastisch zum Kriegsdienst, als Pazifist kam er zurück. 1933 entfernten die Nazis seine Skulpturen aus dem öffentlichen Raum. Er galt als „entarteter“ Künstler, denn sein Stil hatte nichts mit Heldentum zu tun. Im August 1937 wurde der Engel im Dom entfernt und 1940 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Die Gipsform war gerettet, ein Nachguss angefertigt und in einem Dorf bei Lüneburg versteckt worden. 1951 sollte der Engel wieder ausgestellt werden. Güstrow lag allerdings in Ostdeutschland. Der Kalte Krieg war in der heißen Phase. So wurde der Guss in der Kölner Antoniterkirche ausgestellt. Erst 1953 wurde ein Abguss für den Güstrower Dom angefertigt. Am 13. Dezember 1981 besuchten Helmut Schmidt, damals Bundeskanzler, und Erich Honecker, damalig Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Barlachs Engel im Dom. Der Engel stand nun für eine gemeinsame Erinnerung der beiden Staaten und Staatsmänner.
1937 wurde vor den Toren von Weimar – Stadt Goethes und Schillers, des Bauhauses und Wiege der demokratischen Verfassung der Weimarer Republik – das Konzentrationslager Buchenwald gebaut. Hier starben bis 1945 56.000 Menschen. Das Lagertor von Buchenwald entstand 1938. Es trägt infamerweise die Inschrift „Jedem das Seine". Sie wurde von Franz Ehrlich, ehemals Bauhaus-Student und Inhaftierter im KZ-Buchenwald, entworfen. Die Schrift ist von innen lesbar angebracht. Die Häftlinge sollten sie ständig vor Augen haben.
Zwölf Jahre Nazi-Terror zählen zu den zentralen, unentrinnbaren Erinnerungen Deutschlands. Sie führten zur systematischen Ermordung von rund sechs Millionen Juden und brachten Tod und Zerstörung über ganz Europa.
Viele Künstler, darunter auch Georg Baselitz, bearbeiten in ihrem Werk immer wieder diese Zeit. In seiner Radierung „Adler“ von 1977 sind Bundesadler und Flagge des demokratischen Deutschlands verschlissen und zerfranst und stehen auf dem Kopf; eine Reflektion womöglich ob der Zerbrechlichkeit dieser Ideale.
Die Ausstellung spürt der deutschen Identität aus britischer Sicht nach. Entstanden ist ein Dialog zwischen Deutschland und seiner Geschichte.
Eine Ausstellung des British Museum. Kurator: Barrie Cook, Historiker des British Museum. Von Neil MacGregor, vormals Direktor am British Museum, für London initiiert und begleitet von einem Buch, das im Beck-Verlag erschienen ist.
Der Martin-Gropius-Bau dankt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, ohne deren Förderung diese Ausstellung nicht möglich wäre, ebenso der Friede Springer Stiftung für die Unterstützung des Vermittlungsprogramms sowie dem Deutschen Historischen Museum und den Staatlichen Museen zu Berlin für die großzügigen Leihgaben.