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F 220

****orn Mann
11.967 Beiträge
Das
dachte ich mir schon fast. *lol*

Aber.... die Details so wundervoll in Worte zu kleiden, dass hast du ganz allein geschafft.
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Was
mich wirklich beeindruckt hat, ist, wie du die Transformation der einfachen Hausfrau Claudia zur JudithMaschine beschrieben hast. Das ist glaubwürdig und wir müssen wohl aufpassen, dass das nicht zu einer Studie für Psychologie-Studenten wird....

Tom
**********Engel Frau
25.853 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich habe jetzt endlich alles ab dem 18. Oktober nachgeholt und in zwei Tagen gelesen.
Super wie immer! Alle beide Parts!

Nur war mir ganz ehrlich der Rückblick von Claudia/Judith viel zu lang. Ich bin irgendwann halb ausgestiegen und habe die Zeilen nur noch überflogen. Es hat mich gelangweilt. Schon beim Rückblick, wie sie ihren Mann kennengelernt hat und dann auch ihre unsäglich lange Ausbildung.
Es ist gut, dass man erfährt, wie alles begann und wie Claudia verwandelt wurde. Aber es ist mir zu langatmig. Ich giere danach, wie es in der Gegenwart weitergeht.
Falls es ein Buch wird, solltet Ihr das vielleicht ganz am Anfang einbauen und nicht zwischendrin als Rückblick.

Aber das ist sicher Geschmackssache. *g*

Und es sind leider viele Rechtschreib- und Kommafehler in den Geschichten von Pourquoi drin.

Nun freue ich mich aber erstmal wieder auf den nächsten Teil von Tom.
In der Gegenwart bitte! Ich will wissen, wie es weitergeht! *ggg*
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
F 220, Kapitel 11
Kapitel 11: Das zweite Bündnis

Claudia ist mit Max einig? Erstaunlich, dass sie eine Kehrtwende vollzogen hat. Was mochte der Auslöser sein? Oder war das erneut eine perfide Strategie, mich in Sicherheit zu wiegen? Wenn sie nur meinen Tod wollte, sie hätte alle Zeit der Welt gehabt. Wie auch immer, ich hatte Hunger. Und elende Schmerzen. Meine Schulter pochte wie das Herz eines Wales.

“Wartet noch”
Ich musste denken. Schneller denken. Schwierig, ich war sauer, entsetzt, schockiert und hatte höllische Schmerzen.
“Wisst ihr eigentlich was wir gerade erfahren haben? Die Welt ist nicht im Arsch, weil eine natürliche Seuche ausgebrochen ist, die Welt ist im Arsch, weil ein paar raffgierige, asoziale Vollidioten mehr Geld verdienen wollten! Ich fasse es nicht! Eines schwöre ich bei allen Heiligen”, dabei wurde meine Stimme so kalt, dass ich selbst erstaunt war, “ich werde dafür sorgen, dass das bestraft wird. Verteidigung. Das ist der Pakt, den ich einmal geschlossen habe. Doch wenn das Leben seinen Wert verliert und alles zerstört wurde, dann heißt der Pakt: Vergeltung.”

Ich hatte das schon einmal getan. Wut wallte in mir auf. Eine heiße, feurige Woge, die ich nur allzu gut kannte. Meine Therapeuten hatten sie niedergekämpft und mich dann dienstfähig geschrieben. Es war die alte Wut aus meiner Kindheit. Jähzorn. Brennende, lodernde Wut, der Hölle entsprungen und in eine Form gegossen. In meine. Ich würde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, und wenn es das Letzte wäre, was ich auf diesem Planeten zu leisten hatte.
Mir war schlecht vor Wut. Ich hatte Tränen in den Augen und meine Hände zitterten. Ich fühlte mich zurückversetzt ins Jahr 1982. Ein kleines Dorf… kurz vor Xuddur. Wir wollten nur zum Flughafen. Alles, was wir wollten, war, an Bord der Maschine zu gelangen, die auf dem Runway auf uns wartete.

Längst verloren geglaubte Gefühle strömten durch mich, wie durch ein Starkstromkabel. Es war alles ein bisschen viel, was gerade passierte. Gerade noch wähnte ich mich allein, dann tauchte der Prediger auf. Dann die Killerbraut und jetzt noch eine Truppe von veganen Robbenstreichlern. Und es schien so, als hätte der Prediger eine Truppe Leute um sich geschart, die ihm vollkommen ergeben war. Insgesamt gesehen hatte wir Spinner, Verblendete, einen elitären Kreis von Idioten und Mörder als Überlebende. Und mich. Scheinbar der letzte Mann, der wusste, was Verteidigung bedeutet. Was Ehre, Anstand, Aufrichtigkeit und… Gerechtigkeit bedeutete. Machte mich das zu etwas Besonderem? Ja. Machte mich das Besonders? Nein. Besonders war nur Madame. Rein, unschuldig, unverfälscht. Madame und alle Lebewesen, die keine Menschen waren. Vielleicht war es richtig, dass die Menschen ausstarben.

Vielleicht hatte ich eine Aufgabe bekommen. Vielleicht sollte ich die Reste entfernen. Vielleicht war ich ausersehen, alles vom Antlitz der Erde zu tilgen, das ihrer nicht würdig war. Aber war ich dann nicht wie der verrückte Prediger? Ich dachte nach. Nein. Der Prediger instrumentalisierte Leute, um sich selbst zum Gott zu machen. Ich sollte dafür sorgen, dass die Evolution eine neue Chance bekam. Aber dazu müssten erst alle Menschen fort sein. Und ich bekam eine Idee, dass das so gut wäre. Ich würde dafür sorgen, dass alle dran glauben mussten. Restlos. Sonst wäre alles umsonst. Die Natur hatte sich ein paar Saftnasen genommen, einen Virus entfesselt und fast die ganze Menschheit ausgerottet. Und die paar Überlebenden balgten sich um die Reste. Wir würden aussterben, das sah ich deutlich vor mir. Madame und ihre Raubtiere würden wieder die Spitze der Nahrungskette bilden. Die Natur wäre wieder im Gleichgewicht.

Ich sah Claudia und Max an. Jetzt sah ich sie anders. Sie waren tot in meinen Augen. Mausetot. Sie bewegten sich nur noch, weil ich sie brauchte. Ich würde Madame und ihren Kindern die Welt schenken. Der Mensch hatte seine Chance auf den Planeten gehabt. Er hat sie nicht genutzt. Und doch musste ich ab sofort so tun, als hätte ich diese Vision gerade nicht erlebt.

“Leute, nicht so hastig. Wir brauchen einen Plan, verdammt. Die Schiffsverteidigung macht euch alle platt.” Verstohlen wischte ich mir das Wasser aus den Augen. Niemand brauchte zu sehen, wie es um mich bestellt war, weil ich gerade den Exitus des Homo Sapiens beschlossen hatte.

“Geht dem Ding nicht irgendwann die Munition aus? Kann ja nicht sein, dass es unendlich lange so weiter geht? Oder deine Leute, müssen die nicht irgendwann schlafen?” Max war schon recht optimistisch.
“Nein. Vier Türme mit jeweils mehreren Tausend Schuss Munition, kannst du vergessen. Die Dinger ballern noch, wenn die Würmer an uns nagen. Dann die 27mm Leichtgeschütze und die Raketen. Alles steht auf Automatik. Keine Chance. Es gibt keine Besatzung. Ich bin der Letzte meiner Art. Übrigens bin ich auch der Einzige, der weiß, wie man die Systeme abschaltet. Also schön lieb sein, klar?”

“Und nun, du Held?”, fragte Judith, “was soll passieren? Wie soll es weiter gehen? Und ist nicht alles Scheißegal?”
“Nein. Noch leben wir. Ich möchte, dass das so bleibt, bis ich die gefunden habe, die sich selbst geimpft haben. Die Idee ist: Wir fahren zur Firma deines Mannes, Claudia. Dort suchen wir das Gegenmittel. Aber das Gegenmittel für die Mutation, versteht ihr? Gegen Ebola sind wir immun, gegen das neue Zeug nicht. Dort werden ein paar Köpfe rollen, sofern noch welche da sind.”
“Mit nur einem Ausweis kommen wir da aber nicht rein”, erklärte Max, “es gibt ein visuelles Monitoring, das jeden einzelnen Menschen scannt, der eintritt. Also brauchen wir mehr Ausweise.”
“Stimmt”, pflichtete Claudia zu.
“Und?”
“Wir müssen zu mir”, sagte Claudia mit Grabesstimme und ich wusste genau, was sie meinte. Ihre Erinnerungen waren zurück. Alle, und mit Macht. Und meine konnte ich nur mit höchster Konzentration zurück halten.


*


Wir hatten uns ins Lazarett begeben. Ich durch die Vordertür und die beiden durchs Fenster. Nachdem Judith mit den anderen vier Gefangenen und einem heftig diskutierenden Max in der kleinen Personalküche der Notaufnahme eingetroffen war, holte ich aus dem Kühlhaus der Großküche ein paar Lebensmittel. Max bot sich an, zu kochen, rümpfte aber die Nase, als er die gefrorene Schweineschulter sah.
Ich sah mir die Leute genauer an. Ein rothaariger Mann mit einer Figur wie ein Grizzly. Er sah aus wie Puh, der Bär in Öko-Klamotten. Sein wilder Bart, seine stämmige Figur und seine riesigen Pranken verliehen ihm eine Aura wie ein Wikinger.

“Du, Bär, wer bist du?”, fragte ich.
“Ich bin Ole”, antwortete er, “und war bei der Operation Relentless in der Antarktis dabei.”
“Als was, Ole?”
“Ich war Steuermann an Bord der Bob Barker”
“Perfekt. Wer bist du?”
Ich sah einen kurzen, blonden Mann an. Seine Figur verhieß, dass er Sport trieb, Sein Gesicht sah entschlossen und druckvoll aus. Eine verkrustete Blutspur zog sich über sein Kinn, und er war nicht bester Laune, wie es schien.
“Piet van Maarjes. Ick war Bootsmann op de Bob Barker.”
“Du?”
“Mike Hansen. Ich war im Land-Team auf den Faröern.”
“Und was kannst du?”, fragte ich den vollkommen durchschnittlich aussehenden Typen. 175 cm lang, mittelblonde Haare, nichtssagende Figur.
“Wie? Was soll das heißen?”
“Ich brauche eine Schiffsbesatzung. Wenn du nichts kannst, bleibst du hier.”
Das war natürlich gelogen. Aber ich wollte und musste klarstellen, wer hier der Boss war, wenn ich die Leute für mich gewinnen wollte.
“Keine Ahnung, was wird denn gewünscht?”
“Was warst du, bevor die Seuche ausbrach?”
“IT-Manager. Ich war Systemintegrator und habe fast ausschließlich mit Computern zu tun gehabt.”
“Perfekt. Jetzt zu dir, Kollege.”
“Artur. Ich bin aus Warschau und kann nichts, außer kochen. Aber nur vegan, das war Bedingung auf der Steve Irwin.”
“Du warst beim Chef?”
“Ja.”
“Cool. Warum bist du nicht mehr da?”
“Ich sollte zur Brigitte Bardot, aber bevor das passierte, brach die Seuche aus. Ich kann aber gut mit dem Messer umgehen.”
“Du guckst zuviel Steven Seagal- Filme, was?”
Artur grinste nur. Ich atmete tief durch. Das war nicht leicht, eine militärische Fregatte mit zivilem Personal zu bemannen.

“Leute, hört mal zu”, eröffnete ich das Gespräch und sah auch die wilde Truppe an, die am Tisch saß, “Wenn wir miteinander auskommen wollen, werden alle von uns Zugeständnisse machen müssen. Den Luxus der freien Wahl muss man sich leisten können, und da sehe ich gerade mächtig schwarz.”

“Wie jetzt?”, fragte Max.
“Wir haben hier und an Bord nur eine begrenzte Menge Lebensmittel. Hier an Land gibt es zwar noch Strom, aber es ist absehbar, wie lange das noch dauern wird. Irgendwann geht im Kraftwerk etwas kaputt und dann ist es hier zappenduster. Das bedeutet, wir müssen an Bord des Schiffes, koste es, was es wolle. Das Schiff hat eine eigene Frischwasserversorgung, ein eigenes Kraftwerk und kann sich notfalls selbst verteidigen. Das Problem ist, dass ich ein so großes Schiff nicht alleine fahren kann, ich brauche eine Besatzung, und da kommt ihr ins Spiel. Und - dramatische Pause - eure Kollegen”

“Und wo ist das Problem?”
Judith lachte. Sie hatte es kapiert.
“Ihr seid Veganer, Leute, aber ihr seid auch Seeleute. Wenn wir eure 14 Leute herholen, muss ich euch trauen können, sonst können wir uns alle gleich verwursten lassen. Und”, dabei sah ich Judith an, “dir muss ich auch trauen können.”
Überraschung. Einen kurzen Augenblick lang weiteten sich ihre Augen zu ungläubigem Staunen. Dann war es wieder weg und die alte Judith erschien.
“Und was ist dein Plan?”, fragte Judith, während Max Kartoffeln aus einer Plastiktüte quälte und Artur Zwiebeln schnitt.

“Nur ein grober Anhalt. Zuerst müssen die Leute her. Dann müssen wir ein Bündnis schließen. Ich muss an Bord, und die Automatik auf Handbetrieb schalten. Das heißt, ihr müsst euch beeilen. Ich bin körperlich nicht gerade fit. Wir müssen den Stützpunkt absichern, der Elektrozaun ist im Arsch und es ist eine Frage der Zeit, wann der Prediger das merkt. Ich fürchte, er will hier hinein. Das bedeutet, wir müssen in die Lagerhallen und sie durchsuchen. Irgendwo liegen mobile Bushmaster-Kanonen der Amis samt Munition. Die stellen wir strategisch auf, dann kann der Prediger kommen. Dann heißt es: Alles, was nicht niet-und-nagelfest ist, an Bord des Schiffes schaffen und Leinen los. Auf dem Wasser sind wir sicherer, als hier. Zuvor müssen wir aber nach Norderstedt.”

Alle hatten gut zugehört. Nur Judith mit ihrem scharfen Verstand erkannte die Probleme.
“Ich schätze, wir haben zu wenig Leute, oder?”
“Ganz genau. Übrigens Max? Bevor du das ganze Schwein brätst, ich brauche vier dicke fette Scheiben roh und ungewürzt für meine Katze”
“Ist also doch deine?”, stichelte Judith.
“Keine Ahnung. Aber ich liebe das Tier und sie braucht jedes Gramm für die Kleinen. Aber zurück zum Problem. Um ein Schiff zu fahren, das eigentlich für 255 Mann vorgesehen ist, brauchen wir eine Rumpfbesatzung. Kommandant, EinsO. Navigator, mindestens zwei Leute in der OPZ, ein Steuermann. Ein Smutje, ein Maschinenwart, mindestens zwei oder drei freifliegende Allroundhelfer für Küche, Bordorganisation, Hilfe bei der Maschine und so weiter. Am besten wäre noch ein Pilot mit Mustereinweisung.”
“Mit was?”

Judith konnte das nicht wissen.
“Ein Luftfahrzeug nennt man Muster oder Baumuster. Ein Pilot muss auf diesem Typ geschult sein, denn jeder Hubi ist gleich aber doch anders.
“Ach so. Aber einen Piloten?”
“Scheiß auf den Piloten, wenn ich richtig zähle, sollte die Minimalbesatzung aus 10 Mann bestehen.”
“Das passt ja”, tönte Max, “wir sind insgesamt 19, mit euch beiden 21”.
“Nee, mein Freund. Wir brauchen 30 Mann. Niemand arbeitet 24/7, nicht wahr? Wir reden nicht von einer normalen Firma voller Sesselfurzer, sondern von einem Kriegsschiff im Vollschichtbetrieb.”
Max schaute betroffen.
“Was hast du eigentlich sonst noch gemacht, Max?”
“Nichts. Ich war Chemikant in einer Erdölraffinerie und Pizzabote, bevor ich zu Jameson ging.”
“Okay, dann wirst du Mädchen für alles.”
“Verstehe ich nicht.”
“Ich habe vor, uns alle, sofern wir die Truppe, woher auch immer, zusammen bekommen, gut vorzubereiten. Das heißt, wenn deine Leute da sind, Max, müssen wir die Bunker auffüllen. Wir machen den gesamten Stützpunkt ratzeputz leer und das wird nicht einmal reichen. Ich habe vor, einen der beiden Hubschrauber aus dem Hangar zu werfen. Das Scheißding ist sowieso ewig kaputt. Vielleicht opfern wir sogar beide. Jeder Quadratzentimeter wird genutzt, um Dinge mit zu nehmen. Lebensmittel, Waffen, Munition. Und das wichtigste überhaupt im Überlebenskampf.”

“Was ist das?”, Max war erstaunt.
“Scheißhauspapier, Sportsfreunde, ist Kriegsentscheidend!”, und sah dabei Judith an, die sofort wusste, was ich meinte. Eine Tausendstel Sekunde fragte ich mich, woher ich eigentlich wusste, dass die Killerbraut präzise wusste, wovon ich eigentlich sprach.


*


“Und wie gehen wir es an?”, fragte Judith zwischen Bratkartoffeln und Schweinerücken.Außer Max waren die vier anderen Typen recht schweigsam, entwickelten aber einen guten Appetit. Nur das Schwein wurde ausschließlich von Judith und mir gegessen.
“Als erstes gehe ich an Bord und schalte die Automatik aus, setze mich aber an die Kontrollen und passe auf. Dann könnt ihr hier weg, ohne perforiert zu werden. Ich lasse eine Barkasse zu Wasser, dann seid ihr Ratzfatz in eurem Versteck. Ihr kommt sswm zurück, klar?”
“Ääh, was?”
“SSWM Max, so schnell wie möglich.”
“Ach so, klar.”
“Das muss sein, weil ich weder weiß, wann ihr zurück kommt, noch aus welcher Richtung. Es wäre super, wenn wir jemanden hätten, der einen 40-Tonner fahren kann. Am besten zwei oder mehr. Und wir brauchen die Barkasse zurück und ein schnelles Auto. Team 1, das sind Judith und ich, dabei noch jemand, fährt nach Norderstedt zu Jameson&Jameson. Team 2 fährt nach Bremen zu Wittrock&Uhlenwinkel, Team 3 fährt auch nach Bremen.”

“Ääääh, was soll Team 3 in Bremen?”
“Ganz einfach Judith. W&U ist ein Lieferant für Reinigungschemikalien und Putzmittel. Auf dem Hof oder im Lager stehen massenweise IBC- Container. Das sind 1000-Liter Tanks. Davon brauchen wir so viele, wie möglich für eine strategische Dieselreserve. Das andere Team fährt die Industriegebiete ab. Wir suchen große Lagerhallen. Diejenigen, die mit Wachhaus und Stacheldraht gesichert sind, sind interessant. Wenn wir Glück haben, finden wir die Umschlagzentralen von Aldi, Netto, Lidl und Edeka.Dort stehen palettenweise Kaffee, Klopapier, Tee, Nudeln, Reis und so weiter. Das, Freunde, wollen wir haben.”

“Wenn nicht schon jemand anders drauf gekommen ist, oder?”
“Stimmt Max. Wir brauchen Glück. Sonst wird es verdammt schwierig. Das wichtigste jedoch ist: Klopapier und… Jack. Ich will alles haben, was nach Jack Daniels aussieht, klar?”
Nach dem Essen schnappte ich mir das rohe Fleisch und suchte Madame. Ich fand das unglaubliche Tier hinter dem Lazarett. Aber warum? Konnte es sein, dass sie instinktiv ahnte, dass sie bei mir gut aufgehoben war? Dass sie vielleicht unsere Nähe suchte?

Ich näherte mich respektvoll.
“Heey, Madame. Schau mal, was ich hier habe”, schleimte ich. Und sie hob den Kopf. Ihre Ohren klappten nach hinten, die Nase nahm Witterung auf. Jetzt sah ich, was ich zuvor nur vermutet hatte. Sie hatte zwei Kinder bekommen. Zwei kleine Racker mit stahlblauen Augen und riesigen Tatzen. Und selbstverständlich unglaublichem Hunger.

Ich legte zwei der Fleischstücke vorsichtig zu den Katzenbabys. Sie begannen sofort, daran zu knabbern, als wäre es ein köstliches Festtagsmahl.
Die anderen beiden Stücke hielt ich Madame hin. Sie sah erst zu ihren Kindern, dann zu mir. Ich hätte wetten wollen, dass das ein bewusster Denkprozess war. Sie kam näher, ich legte das Fleisch auf den Boden. Madame kniete sich hin und begann, das Fleisch abzuschlecken.
Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihren Nacken. Zunächst versuchte sie, sich der Hand zu entziehen, aber dann ließ sie es zu, dass ich ihr unglaublich weiches, flauschiges Fell streichelte. Madame verschlang die beiden Stücke, ohne ihre Kinder aus den Augen zu lassen.
“Was mache ich nur mit dir, wenn wir ablegen?”
Die Katze sah auf, blickte mich direkt an und neigte den Kopf leicht. Ich hätte alle Eide geschworen, dass sie jedes meiner Worte verstanden hatte.

Ich erschrak, als Judith plötzlich neben mir auftauchte und sich zu mir setzte. Durch mein Zusammenzucken pulsierte wieder Schmerz durch meine Schulter. Ich gab mir Mühe, dass sie nichts merkte.
“Du lässt die Leute allein?”
“Ja”, antwortete sie knapp, “die diskutieren gerade, wie es weiter gehen soll. Dieser Computertyp meinte, sie würden nichts gewinnen, weil man ohnehin kaum etwas ausrichten kann.”
“Man kann aber dafür sorgen, dass man am Leben bleibt. Nur darum geht es. Und weit genug vom Prediger weg zu sein.”
Judith schwieg. Äußerungen über ihren Prediger stießen ihr immer noch sauer auf. Das bedeutete, dass sie immer noch nicht von seiner Leine war. Und das wiederum bedeutete, dass ich ihr immer noch nicht trauen konnte. Wenn es hart auf hart kam, würde ich sie hier lassen müssen. Jetzt allerdings brauchte ich sie.
“Na komm, hilf mir mal auf, wir gehen zurück.”

Judiths Hände waren komisch. Sie waren klein und zierlich. Frauenhände eben. Und doch waren sie kalt und hart. Wie ein Blitz durchzuckte mich die Frage, ob sich ihr Körper ebenso anfühlen würde. Wie kaltes Leder. Heftig schüttelte ich den Kopf. Was für ein Unsinn. Ich schob den Anfall auf die Schmerzmittel.
“Was ist?”, fragte Judith, der das natürlich nicht entgangen ist.
“Nichts. Ich dachte nur gerade an etwas Ekliges.”
Zurück bei den fünf heftig diskutierenden Sea Shepherds schmerzte mein ganzer Körper. Aber darauf durfte ich keine Rücksicht nehmen.
“Leute, was ist das Problem? Kommt schon, raus damit. Und keine Scheu, klar?”
“Keine Scheu? Ist klar”, warf Artur ein, “und wenn es nicht nach Eurem Willen geht, kommt Emma Peel und zieht uns die Haut ab, oder wie?”

Ich resignierte.
“Artur. Wenn du aus dem Fenster siehst, hast du eine Welt im Endstadium vor Augen. Die meisten Menschen sind tot und vergammeln auf den Straßen. Es stinkt bestialisch und die paar Überlebenden teilen sich in drei Lager. Die Arschlöcher, denen wir den ganzen Scheiß zu verdanken haben, einem irren Prediger und uns. Ich fürchte, ihr habt nicht wirklich eine Wahl. Ich alleine verrecke hier. Der Prediger hat auch nichts mehr zu tun, wenn alle anderen ausgerottet sind und ihr werdet irgendwann auch vor die Hunde gehen. Die Pharmatypen sind fein raus. Die haben garantiert irgendwo ein schnuckeliges Nest mit allem Komfort, den man sich denken kann. Ich für meinen Teil habe nur noch ein Ziel: Diesen rücksichtslosen Wichsern in den Arsch zu treten. Dazu brauche ich euch. Jeden von euch. Also: Macht ihr mit oder wartet ihr auf euer Ende?”

“Kannst du das den Anderen auch erklären?”, fragte der Bär.
“Sicherlich. Aber wir müssen sie zuerst hierhin holen.”
“Aber nicht mit der da!”
Artur hatte offensichtlich ein Problem mit Judith.
“Artur, diese Frau ist meine rechte Hand. Alles, was sie sagt und tut, geschieht in meinem Namen. Also müssen wir uns vertrauen, sonst können wir es gleich sein lassen. Ist doch so, oder?”
Ich sah Judith an. Sah ihr direkt in die Augen. Und ich sah ihren Zwiespalt. Das machte mir Sorgen. Denn niemand konnte wissen, welche Seite die Oberhand gewann. Und doch nickte sie. Ich musste mich darauf verlassen, ob ich wollte, oder nicht.
“Also gut. Gehen wir es an. Macht ihr mit oder nicht?”
Diesmal waren sich alle fünf einig.
“Gut. Also, der Plan ist folgender: Ich gehe an Bord der Hamburg und schalte die Automatik aus. Mike Hansen kommt an Bord und wir lassen eine Barkasse zu Wasser. Dann könnt ihr abdampfen. Mike bekommt eine Unterweisung in die Verteidigungssysteme, während ihr die Leute holt. Schaut bitte, dass nur Leute mitkommen, die das auch wollen, verzettelt euch aber nicht in endlose Diskussionen. Ich ahne, dass derPrediger und seine Leute quasi vor der Tür stehen.”

“Und dann?”
“Eins nach dem anderen Max. Wir müssen die Leute nach ihren Fähigkeiten befragen. Dann einteilen und unterweisen. Viele verlaufen sich auf einem Schiff, und das ist so gut wie unmöglich.”
“Wieso?”, fragte Judith. Ich grinste.
“Auf Schiffen sind die Räume mit Nummern gekennzeichnet. Und zwar aufsteigend von vorne nach hinten. Ungerade Zahlen Backbord, gerade Zahlen Steuerbord.”
Judith hüstelte. Mein Grinsen wurde breiter.
“Ja, ich habs kapiert. Backbord ist in Fahrtrichtung Links, Steuerbord Rechts.”
“Und warum?”
“Wie bitte?”
“Na, warum ist Steuerbord Rechts?” Das erinnerte mich an meine Ex-Frau. Die fragte mal vor einer Ampel: “Warum ist eigentlich oben Rot?”
“Das hat noch mit den Wikingern zu tun. Die hatten das Ruder auf der rechten Seite. Daher ist das Steuerbord.”
“Aha, und die Küche war Links?”
“Wieso Küche?”
“Ääh naja, Back- Bord.”
Es war zum Verzweifeln. Oder gab sie nur den Clown, um das Eis zu brechen? Andererseits, warum sollte sich eine Landratte mit derlei Dingen beschäftigen?
“Judith, das hat nichts mit backen zu tun. Es geht wohl eher darauf zurück, dass der Steuermann auf den alten Drachenbooten rechts saß und der anderen Schiffsseite den Rücken zuwandte. Also kommt das Wort wohl eher aus dem Englischen: Back, Rücken. Also Steuerseite und Rückenseite.”
“Okay. Und warum macht man es so kompliziert?”
Darauf wusste ich jetzt auch keine Antwort mehr. Und einen Exkurs in Seefahrertradition würde ich heute nicht mehr anstoßen.

“Okay Leute. Wir haben den Magen voll, wir sind uns einig. Geben wir Gas. Ich gehe an Bord und wenn ich winke, kommst du über die Gangway rauf, klar Mike?”
“Äähm… könnten wir irgendwie den Kommandoton lassen?”
Fing das schon wieder an…
“Mike. Wir kämpfen hier um unser Leben, kapierst du das? Wenn wir alles bis ins Letzte ausdiskutieren…”
“... kommt der heilige Prediger und richtet euch hin. Und der diskutiert nicht, er fackelt nicht, er zögert nicht. Für den Prediger sind wir Sünder, die aus Versehen die Apokalypse überlebt haben. Also verdammt nochmal fügt euch!”, beendete Judith meinen Satz. Und ob ich wollte, oder nicht, ihre Art war schon direkt, aber authentisch.

“Na gut. Und müssen wir euch mit Dienstgraden anreden?”
“Nein. Judith hat keinen Dienstgrad. Noch nicht. Wenn wir auf See sind, bin ich Leutnant Richter. Mutige nennen mich: Oh Captain, mein Captain.”
“Was?” Sechs Leuten standen zugleich die Münder offen.
“Leute, lest mehr Bücher!”
Me 2
*********ld63 Frau
8.545 Beiträge
Also mir...
... gefällt der psychologische Touch ausgesprochen gut, lieber Tom:

Ich hatte das schon einmal getan. Wut wallte in mir auf. Eine heiße, feurige Woge, die ich nur allzu gut kannte. Meine Therapeuten hatten sie niedergekämpft und mich dann dienstfähig geschrieben. Es war die alte Wut aus meiner Kindheit. Jähzorn. Brennende, lodernde Wut, der Hölle entsprungen und in eine Form gegossen. In meine. Ich würde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, und wenn es das Letzte wäre, was ich auf diesem Planeten zu leisten hatte.

Nach den Rückblenden der letzten Teile ist dieser Part wieder erfrischend lebendig und meeeegaspannend... Danke!! *top*

Bin Fan! Into *g*
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Najaaaaa...*rumdrucks*
die Rückblenden sollen eigentlich dem Leser erklären, warum die Protagonisten sind, wie sie sind. Die Vita von Richter kommt ja erst noch, und die ist noch länger.

Das ist auf meinem Mist gewachsen, weil ich darstellen wollte, wie eine normale Hausfrau zu einer Bestie gemacht wird und ein einfacher Soldat zu einem psychischen Wrack wird. War wohl keine so tolle Idee...
Aber Danke für das Feedback. Das hilft auf jeden Fall bei der Planung und der endgültigen Fassung *g*

Tom
Jetzt mal halblang!
Wit lesen hier immer nur einzelne Kapitel. Dass die überwiegende Anzahl extrem spannend sind, ist dem Genre und dem überaus gekonnten Schreibstil der Autoren geschuldet. Doch ein Roman ist keine Kurzgeschichte. Da muss und darf nicht durchgängig das gleiche Spannungsniveau sein. Spannungspausen sind immens wichtig und die Rückblenden eignen sich hervorragend dafür, zwischenzeitlich etwas "Ruhe" einkehren zu lassen. Ein guter Roman braucht wie ein Musikstück oder ein Film neben den gekonnten Worten auch einen Rythmus und/oder eine Komposition aus Spannunsbögen.
Für mich ist somit die Gschichte bisher richtig gelungen.
Endgültig beurteilen (beanstanden, bzw. ändern) kann der Leser/Lektor/Autor das sowieso erst bei Vorlage des ganzen Werks.

richtigbeeindruckt *ja* laf
Me 2
*********ld63 Frau
8.545 Beiträge
Ok, vielleicht bisschen konkreter...
... ich hab garnichts gegen Rückblenden - in Romanen.

Aber die letzte Rückblende war mir auch ein bisschen zu lang geraten. Es wäre wohl anders, wenn ich mehr "Stoff am Stück" von euch lesen würde.

Um es wirklich beurteilen zu können, müsste ich alles nochmal am Stück lesen. Mache ich auch noch - ich bin nach wie vor begeistert!!

Danke an Euch beide - PorquoisPasXX und Ghostface, für das Lesevergnügen!
**********Engel Frau
25.853 Beiträge
Gruppen-Mod 
Mutige nennen mich: Oh Captain, mein Captain.”
“Was?” Sechs Leuten standen zugleich die Münder offen.
“Leute, lest mehr Bücher!”

*haumichwech*
Herrlich!!

Auch dieser Teil ist mal wieder super, Tom!
Endlich passiert wieder was! *zwinker*
Bewundernswert, wie Du das alles "strategisch" hinbekommst.

Die Rückblenden davor sind - wie ich ja auch schon geschrieben habe - richtig und gut. Nur etwas kürzer wäre für mich unterhaltsamer. Vielleicht nicht alles auf einmal.
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Jaaaaaaa
Moment..... ihr sollt ja das Buch kaufen *haumichwech*

Tom
*********ynter Frau
9.809 Beiträge
Kapitel 11B: Die Entscheidung (kein Rückblick! ;-))
Ich lehnte am geöffneten Fenster mit einem Becher heißem Kaffee in der Hand und blickte gedankenverloren hinter Thomas her. Dieser Mann verwirrte mich.
Er sandte unterschiedliche Signale in meine Richtung aus.
Ein Januskopf: Eine Seite - eiskalt - diese war exklusiv für Judith bestimmt und die andere - verletzlich - für den Ozelot, für Claudia?
Bist du vielleicht besser? fragte mich eine innere Stimme. Ich bekam eine Gänsehaut und schüttelte mich, denn das Sirren der hydraulischen Richtautomatik, die ihm folgte, klang unheimlich zwischen seinen schweren Schritten in der Dunkelheit.

Aber wieso machte ich mir Gedanken um ihn? Ihm konnten die Türme doch nichts anhaben! Ich wandte mich wieder meinem Kaffee zu und inhalierte den wunderbaren Duft tief - wie lange hatte ich keinen mehr getrunken?
Das war Sünde, pure Sünde! Aber so gut! Ich lächelte.

Trotz des Weltuntergangs, meiner schmerzenden Knochen und meinem gefühlten Verrat am Prediger, fühlte ich mich wohl wie schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr.
Nein, es war kein Verrat an der Sache, beruhigte ich mich, sondern nur ein notwendiger Aufschub! Es hatte sich unerwartet ein neuer Gesichtspunkt ergeben, der nun vorrangig bearbeitet werden musste.
Außerdem hatte sich der Prediger, was Thomas anging, getäuscht.
Er war kein Sünder!

Die Sünder waren definitiv die Pharma-Typen, vielleicht sogar auch mein Ex, die es nun zu finden, zu befragen und zu bestrafen galt. Was Frank betraf, war ich mir nicht ganz sicher, ob er Täter oder auch Opfer war.
Sicher würde es der Prediger ebenso sehen, wenn er die volle Wahrheit kennen würde, wenn er Thomas kennen würde. Ganz bestimmt! Zweifel jedoch blieben. Wie könnte ich nur Kontakt mit ihm aufnehmen?

Thomas betrat nun die Gangway. Von hier aus wirkte er nicht mehr so selbstbewusst. Sein Schritt war leicht verzögert und seine Schultern hingen ein wenig durch, so als würde er sich nach seiner vorherigen flammenden Rede, einen kleinen Augenblick der Schwäche erlauben.
Mich konnte er nicht täuschen, mit seiner schnodderigen Art und seiner Aggressivität. Vorhin, da draußen bei Madame, da hatte ich für einen kurzen Moment einen winzigen Blick in sein wahres Ich erhascht.
Diese Liebe zu dieser Raubkatze und wie er sie streichelte.
Thomas hatte irgendwann in seinem Leben mindestens eine Katze besessen, da war ich mir sicher, und diese hatte ihm viel bedeutet. Es fiel mir schwer, in ihm einen normalen Menschen oder Mann zu sehen. Mit dem Soldaten kam ich besser klar. Da waren die Fronten eindeutig!

Hinter der betont unnahbaren Fassade steckte ein verletzlicher und empfindsamer Mann. Er überspielte seine Ängste und Unsicherheiten auf diese Weise.
Er bemühte sich sehr, trotz seiner starken Schulterschmerzen, den harten Krieger zu spielen und diesen unsäglichen Blabla-Typen zu verklickern, wer hier der Boss war.
Als ob wir Zeit und Muße für Endlosdiskussionen hätten!
Ich verdrehte meine Augen. Und da hatten sich früher immer alle über schwatzende Frauen aufgeregt!
Im selben Moment wurde ich mir gewahr, dass ich wie Claudia und nicht wie Judith dachte. Shit!

Ich sah Thomas nicht mehr, aber dafür etwas anderes. Und das gefiel mir gar nicht!

Da, im Wasser am Bug genau in diesem verdammten toten Winkel bewegte sich etwas!
Ich kniff meine Augen zusammen, um besser sehen zu können. Sofort übernahm berechnende Routine die Regie und ich registrierte eine schlecht getarnte Person, denn eine Strähne hellblonden Haares inmitten von Schwärze, erstrahlte förmlich im Licht des Vollmondes und zog meinen Blick auf sie.

War das nun eine Späherin der Shepherds oder eine von meinen Leuten?
Bei dieser miesen Tarnung würde ich glatt sagen: Einer der Shepherds, andererseits …Ich weiß auch nicht, warum, aber augenblicklich fiel mir Jahaleel (Licht Gottes), der fünfte Stern ein.
Ihre Tarnungen im Training waren immer schlecht gewesen, vermutlich hatte sie diese Prüfung nur geschafft, weil sie Aaron, unserem Ausbilder in Sachen Tarnung und Ninja-Taktiken zur Ehe versprochen war und, dieser einen Narren an ihr gefressen hatte.

Ich ließ die Spionin nicht aus den Augen, ich brauchte unbedingt mehr Informationen bevor ich es Thomas sagte.
Denn wären es die Shepherds, würden wir schon klarkommen, doch wäre es eine Vorhut des Predigers, dann gute Nacht!
Im Hintergrund diskutierten Artur, Piet, Ole und Mike noch immer mit Max, der allmählich die Krise bekam. Plötzlich Stille.

„Claudia, ich rede mit dir!“, kam es vorwurfsvoll von Max.

„Halt die Klappe, ich kann gerade nicht!“, fauchte ich zurück, denn eben schickte sich die Spionin an, aus dem Becken zu klettern.

Verdammt! Offensichtlich hatte Thomas bereits die Türme ausgeschaltet, denn die Gestalt rannte geduckt vorwärts und warf sich in die Unkrautdeckung!
Nun war ich mir sicher, es war Jahaleel, der fünfte Stern!
Ich hatte sie an ihrem Lauf erkannt. Verdammt! Und doch musste ich dem Herrn danken, denn dank seiner unermesslichen Weisheit und Güte hatte er mir die Eingebung geschickt, im genau richtigen Moment zu dieser Stelle zu schauen. Dann noch mit Hilfe des hellen Mondlichts, das verräterisch auf ihre Haarsträhne gefallen war, so das ich sie sehen konnte.

Licht Gottes – ja so konnte man das auch sagen! Nomen est Omen!
Ich musste es sofort dem Sünder, verflixt! Ich musste es Thomas sagen!
War sie allein oder waren da noch die anderen Sterne?
Ich konnte nichts weiter erkennen! Doch ich musste sie finden! Wer weiß, was sie im Schilde führte!
Da – Thomas ließ eine Taschenlampe dreimal kurz aufleuchten! Das was das Zeichen für Mike, an Bord zu kommen. Ich wandte mich um und schickte ihn los. Die übrigen “Robbenstreichler” und Max schauten mich aggressiv an.

„Was?“, bellte ich unwirsch, denn ich hatte wichtigeres zu tun als eine erneute Diskussion zu führen!

„ Du darfst uns nur unbewaffnet zu unserem Versteck begleiten, Claudia, wir haben darüber abgestimmt!“, erklärte mir Max unsicher.
Ich schüttelte meinen Kopf und brüllte los:

„Das hier ist keine Podiumsdiskussion und die Demokratie existiert nicht mehr. Da draußen schleicht eine gutausgebildete Kampfspäherin des Predigers herum und wir sind geliefert, wenn sie zurück ins Lager läuft und denen erzählt, dass das Trommelfeuer abgeschaltet ist.
Habt ihr das kapiert, ihr Trottel? Da draußen ist Krieg!
Und ich werde den Teufel tun und meine Waffen ablegen!
Ole, Piet mitkommen! Wir versuchen, die Spionin einzufangen. Max, du beobachtest die Gangway, damit sie sich nicht an Bord schleichen kann!
Artur, du sicherst hier drinnen!
Passt alle sehr gut auf, denn diese Kämpferin ist fast so gut wie ich!
Abmarsch, oder hat hier noch einer Probleme mit meiner Autorität?“.

Sie starrten mich erst verdutzt an, doch schließlich schüttelten sie, in seltener Einigkeit, ihre Köpfe.

„Was, noch eine von deiner Sorte?“, brummte Ole entsetzt.

Piet rieb sein blutiges Kinn. „Du lieber Himmel!“ stöhnte er. Max und Artur rührten sich nicht.

„Na los, Bewegung!“, drängte ich. „Schnappt euch eure Waffen und gehorcht gefälligst, wenn ihr weiterleben wollt. Artur – du holst dir ein Beil aus der Küche, das wirkt schon mal abschreckend!
Brüll los, falls sie sich dir nähert. Ich lasse euch die Wahl, die Kampfkatze nicht, wenn sie euch erwischt! Mein Wort darauf!“.

Max übernahm angespannt meinen Platz am Fenster. Fortwährend rieb er sich nervös mit der Hand über die verschorfte Haut seines Arms während Artur mit bleichem Gesicht hinter uns die Tür sicherte.
In der Kühle der Nacht atmete ich tief ein und aus, Adrenalin flutete meine Adern und meine Nackenhärchen stellten sich auf. Ich musste mich beruhigen und es war zwingend nötig, ab jetzt wieder wie ein Stern denken.

„Claudia ab in die Ecke!“, murmelte ich leise und war nun voll und ganz Judith.

Sicher hielt sich Jahaleel nicht mehr in der Unkraut-Brache auf. Wir hatten gelernt, nie lange am selben Ort zu verweilen. Ich überlegte, wo sie sich versteckt halten könnte und schickte die beiden Helden an meiner Seite nach rechts zu der Lagerhalle, in der wir sie Stunden zuvor gestellt hatten und schärfte ihnen ein, sich unbedingt gegenseitig Deckung zu geben.

Ich selbst wandte mich nach links in Richtung der Rampe und der anderen Freifläche mit der Ozelot-Kinderstube in der Nähe des Zauns.
Thomas wäre sicher ziemlich angepisst, wenn seinem heißgeliebten Kätzchen etwas zustoßen würde.
Vermutlich würde er dann komplett ausrasten, das wollte ich lieber nicht erleben! Dann besser Bodyguard für die Mieze spielen!

Wir brauchten dringend Funkgeräte! Verdammt, warum hatten wir bisher nicht daran gedacht?
Irgendwo lagen hier bestimmt welche herum, die Frage war nur, wo.
Ich verschmolz mit der Nacht und wurde zu einem lautlosen Schatten.
Eigentlich könnte mir Madame ruhig ein bisschen helfen! Wenigstens mir durch ein Knurren, Jahaleels ungefähre Richtung verraten, dachte ich bei mir, als sich etwa zehn Meter von mir entfernt, das Gestrüpp raschelnd bewegte.

Madame oder die Sternenkriegerin?
Ich hielt meinen Atem an und tastete nach der Sicherheit meines Karambits. Ich war total ruhig, mit einer Kaltblütigkeit in mir, die mich selbst erschreckte.
Was zum Teufel hatte ich hier vor?
Eine meiner Mitschwestern töten?
Ich kam nicht dazu, mir diese Frage zu beantworten, denn fauchend brach Madame durch das Gestrüpp und trieb eine, für Millisekunden, aufgeschreckte Jahaleel direkt auf mich zu. Mit ihrem Kampfmesser in der Hand starrte sie mich wie einen Geist einen Moment lang an.

„Erster Stern, du lebst?“, fragte sie mich überrascht.

„Warum sollte ich es nicht, fünfter Stern?“, beantwortet ich ihre Frage zugegebenermaßen unhöflich mit einer Gegenfrage, auch um Zeit zu gewinnen. Madame bleckte drohend ihre Zähne.

„Ruhig Madame! Gut gemacht, Miez Miez, ab hier schaff ich es allein“, lobte ich die Ozelot-Dame, die sich daraufhin einige Schritte zurückzog, aber Jahaleel nicht aus ihren Augen ließ.

„Du gebietest dieser Kreatur?“, fragte sie fassungslos. „Was ist mit deiner Mission und dem Sünder? Hast du ihn erledigt? Warum bist du nicht zurück ins Lager gekommen? Der Prediger und Danijel sind krank vor Sorge um dich!“.

Letzteres klang wie ein Vorwurf. Noch immer standen wir uns abwartend vorsichtig und mit unseren Messern bewaffnet gegenüber.

„Krank vor Sorge?“, fragte ich ungläubig, „und dann schicken sie ausgerechnet dich?“.
Zum Glück nur dich und nicht Toah (Waffe) oder die anderen sechs zusammen, dachte ich erleichtert. Vor Toah hatte selbst ich Respekt.
Jahaleel zuckte scheinbar ungerührt mit den Schultern, doch sie war beleidigt, ich spürte es. Die Erwähnung des Predigers und Danijels gaben mir einen Stich ins Herz, doch ich musste stark bleiben. Ich beschloss, ihr die veränderte Situation zu erklären, hoffte, sie als Verbündete gewinnen zu können.

Fassungslos hörte sie mir zu, doch kaum hatte ich geendet, schrie sie mich eine „Elende Verräterin“, die die Sache des Predigers verraten hätte.
Sie würde mich direkten Weges in die Hölle schicken, wohin ich zweifelsohne gehören würde. Mit einem Aufschrei stürzte sie sich auf mich und ich reagierte, da nicht wirklich überrascht, so effizient und eiskalt wie im Training mit Danijel.

Sie schaffte es mir einen blutigen Kratzer an meinem linken Arm beizubringen, verdammtes Miststück! Schmerzhaft, aber nicht wirklich gefährlich, analysierte ich blitzschnell.
Doch genau dieser Treffer war meine Chance!
Ich dürfte in diesem Fall nicht ausschließlich wie ein Stern denken, da wir beide durch das Training gedankliche Zwillinge waren. Sie wusste genau, wie ich reagieren würde und stellte sich darauf ein.
Als Sternenkämpferin würde ich immer Stärke zeigen und mit dieser Haltung, ihren Kampfgeist noch stärker aktivieren. Würde ich aber eine ernsthafte Verletzung und damit Schwäche simulieren, dann würde dies bei ihr ein unbeschreibliches Triumphgefühl auslösen und sie unvorsichtig agieren lassen. Danke Claudia! Manchmal warst du doch ganz nützlich!

Demonstrativ zog ich - quälend langsam - das Standard-Kampfmesser aus der Scheide am Gürtel und schob, von ihr unbemerkt, den rechten Zeigefinger in die Öse des Karambits und umschloss den Griff.
Mein Baby ragte nun am Ende der Hand wie ein scharfer Haken heraus.
So konnte sie in der Dunkelheit die Klinge gar nicht oder erst zu spät wahrnehmen. Ich machte einen unbeholfenen Ausfallschritt und Schauspielerte, dass ich in der rechten Flanke starke Schmerzen hätte.
Nur durfte ich es nicht übertreiben, denn eine allzu große Wehleidigkeit würde sie mir nicht abkaufen.

Sie täuschte einen Angriff an. Schneller Schritt nach vorn, zustechen und sofortiger Rückzug. Da, wieder ein Angriff. Derselbe Ausfallschritt wie vorhin. Ich durchschaute es, sie wollte, dass ich dem nächsten Angriff zuvorkam und sie würde in die scheinbar verletzte Flanke stechen.
Endlich hatte ich sie soweit.

Der Angriff kam, ich erkannte das an ihrer Körperspannung.Wie eine Tangotänzerin drehte ich mich entgegen ihrer Stoßrichtung und meine Klinge fand ihre Halsschlagader.
Röchelnd und mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck brach sie zusammen. Danijel wäre stolz auf mich gewesen. Oder nein, wäre er nicht!
Ich hatte eine Mitschwester erledigt. Das war ein Verbrechen, für das keine Sühne möglich war!

Madame zog sich nach getaner Arbeit und in der Sicherheit, dass diese Angreiferin ihren Kleinen nichts mehr tun konnte, zurück ins Gestrüpp.
Ich kniete neben Jahaleel und schloss ihre Lider. Nicht einmal außer Atem war ich, doch rannen mir Tränen über die Wangen.
Das Gefühl der Schuld war übermächtig, schließlich war sie meine Mitschwester gewesen und mit dieser Tat hatte ich endgültig alle Brücken hinter mir abgebrochen.
Die Rückkehr ins Lager war mir damit für den Rest meiner Tage verwehrt, denn einen anderen Stern zu töten war in den Augen des Predigers eine Todsünde.
Ich war schlimmer als der böseste Sünder auf diesem Planeten!
Sollte der Prediger von meiner Tat erfahren, dann würde er mich als Vogelfrei erklären, damit zur Tötung freigegeben und bei Erfolg würde meine Seele im ewigen Höllenschlund bis zum Ende aller Tage leiden.

Ole und Piet kamen keuchend angerannt und stoppten abrupt als sie die Späherin tot am Boden liegen sahen. Angewidert drehten sie ihre Köpfe weg.
Piet erbrach sich. Ich wischte meine Tränen mit dem Ärmel ab, die beiden sollten meine Schwäche nicht sehen. Stattdessen verwandelte ich mich wieder in die eiskalte Judith.
Bevor etwas ausgesprochen wurde, hörte ich Thomas vom Schiff aus nach mir rufen. Eigentlich hätte Jahaleel als Mitschwester und Stern eine angemessene Beerdigung verdient, doch es blieb keine Zeit.

Wir brauchten die Verstärkung der Shepherds auf jeden Fall und so schnell als möglich, denn mir war klar, dass der Prediger die anderen schicken würde, wenn auch sie nicht ins Lager zurückkehren würde.
Dann würden die verbliebenen fünf Sterne sicher gemeinsam kommen und vermutlich mit Verstärkung durch die Ausbilder und die anderen Männer.
Ich wollte nicht daran denken, dass ich möglicherweise schon bald Danijel gegen mich hätte und mit ihm um mein Leben kämpfen müsste.

Gemeinsam rannten wir zum Kai. Gerade wurde die Barkasse für uns zu Wasser gelassen. Ich lief hoch, an Deck zu Thomas. Er sah sofort, dass etwas nicht stimmte, sowohl an meinem Gesicht als auch an meiner Blutstarrenden Kleidung.

„Was zum Teufel…!“, polterte er los in der Annahme, ich hätte einen der nervigen Walretter in die ewigen Jagdgründe geschickt.

Ich erklärte ihm die Situation in wenigen Sätzen. Er war aufs Höchste alarmiert und verstand, dass von jetzt an der Sand durch unsere Uhr in diesem Hafen schneller lief.
Er nahm wie zum Trost meine Hand. und drückte sie. Ich schluckte hart und bestätigte ihm die Stärke des Predigerheeres von etwa Hundert Waffenstarrenden und zu allem entschlossenen Männern sowie den fünf weiteren Sternen.
Jetzt war alles egal, ich hatte mit ihnen gebrochen.
Ich brauchte Thomas und auch die Shepherds, denn allein würde ich nicht lange gegen sie bestehen.

Thomas schickte mich mit besorgtem Blick zum Verbinden und Umziehen, schließlich konnte ich so nicht den Hirten der Meere gegenübertreten um für ein Bündnis zu werben.
Ausgerechnet ich, Diplomatie war meine Sache nicht, noch nie!
Am besten wäre es, wenn Max reden würde. Innerhalb von zehn Minuten war ich zurück, geduscht, verbunden und frisch angezogen sowie bewaffnet mit einem Gewehr, einer Pistole inklusive Munition, mehreren Kampfmessern und natürlich meinem Baby.
Sage noch einmal einer was gegen Frauen, die zu lange im Bad bräuchten!

Bevor wir die Barkasse bestiegen, verteilte Ole Funkgeräte an Thomas, Mike und mich. Ein weiteres behielt er selbst.

„Haben wir im Lager gefunden und dachten, es könne nicht schaden, sie mitzunehmen.“, lächelte der Bär und ich hätte ihn küssen können.

Tat ich aber nicht! Stattdessen brummte ich etwas Unverständliches und wir stiegen ein. Thomas würde die Türme sofort nach unserer Abfahrt wieder aktivieren und erst bei unserer Rückkehr nach einem Funkspruch von mir, der noch zusätzlich durch ein Codewort gesichert war, die Türme wieder deaktivieren.

Los ging es, gespannt beobachteten wir unsere Umgebung.
Die Nacht wich einem diffusen Grau. Eine Viertelstunde später waren wir am Versteck der Shepherds angekommen.
Die bunte Truppe hauste in einer zugigen Lagerhalle und sah nicht sonderlich gefährlich aus. Verwunderte Blicke trafen mich. Einer fixierte mich recht schamlos und ich hätte mich fast vergessen.
Max hakte mich unter und zusammen betraten wir wieder festen Boden. Er und Ole übernahmen in der Hauptsache das Reden, während ich jeden einzelnen musterte. Mehr Männer als Frauen, internationale Gruppe, das könnte zu Problemen führen, nicht nur was das Sexuelle anging. Ethnische oder religiöse Spannungen waren auch möglich.

Atem- und fassungslos lauschten sie.
Ich bestätigte den Part über das Predigerlager und hob die Gefahr auch für sie deutlich hervor. Dann begannen wieder die unsäglichen Diskussionen.
Uns lief die Zeit davon und ich erhob mich. Unheilschwanger waren die Blicke von Ole, Piet, Artur und Max, die zu wissen glaubten, was nun folgen würde.
Und sie lagen verdammt richtig damit!

„Ok, es reicht jetzt!
Während ihr hier lamentiert und palavert, rüstet sich der Prediger zum Angriff. Der Kapitän und ich geben euch nun die Chance, eine wahrhaft vom Aussterben bedrohte Gattung zu retten – nämlich uns alle hier - entweder ihr kommt jetzt mit uns und habt eine faire Chance, in der Sicherheit unseres Kriegsschiffes zu überleben oder aber ihr bleibt hier und ich lasse den Prediger und seine Leute wissen, wo er euch findet.
Dann dürft ihr am eigenen Leib das Leiden der Wale und der Robben erleben bevor sie euch - ohne jegliche vorherige Diskussion über das Für und Wider - erst die Schädel einschlagen und dann eure Haut in Streifen abziehen!“.

Schreckstarre und Fassungslosigkeit.
Ole und Piet rieten zu einem schnellen Aufbruch und bestätigten, dass ich konsequent zu meiner Androhung stehen würde.

„Warum killen wir die Alte nicht einfach?“, fragte der Unsympath von vorhin.
Ich umklammerte mein Karambit und schwor mir, ich würde mein Leben so teuer wie möglich verkaufen.

„Weil nur sie das Codewort kennt und Thomas ausdrücklich nur auf ihre Stimme reagiert. So haben wir es vorher abgesprochen, damit sie geschützt ist.
Er vertraut ihr, sie ist seine rechte Hand.
Nur dann wird Thomas die Feuertürme deaktivieren. Handeln wir dem zuwider, kämen wir nicht mehr auf den Stützpunkt und früher oder später würde uns der Prediger doch finden, weil wir hier festsitzen und dann…“, Max machte eine Hals durchschneidende Geste. „So groß ist Wilhelmshafen nicht!“.

„Kommt doch erst mal alle mit und redet mit Thomas. Er ist der Vernünftigere der beiden“, meinte Artur mit einem schrägen Blick auf mich.
„Wenn er euch nicht passt, dann können wir immer noch umkehren, was meint ihr? Kommt schon!“, ermunterte er sie.

Und sie nickten, zwar nicht wirklich überzeugt und ziemlich misstrauisch gegenüber mir, aber sie stiegen- ausnahmsweise schweigend - in die Barkasse und los ging es in Richtung der „Hamburg“.
**********Engel Frau
25.853 Beiträge
Gruppen-Mod 
Danke, Pourquoi_pasXX, für dieses wieder super-tolle Kapitel!

Eigentlich sollte man ja wirklich alles am Stück lesen, nachdem das letzte Kapitel geschrieben wurde. Aber ich könnte niemals so lange meine Neugier zurückhalten! *gg*

*zugabe*
****orn Mann
11.967 Beiträge
*********pasXX:
„Warum killen wir die Alte nicht einfach?“, fragte der Unsympath von vorhin.

schmunzel DAS aus deiner Feder. *zwinker*
*********ynter Frau
9.809 Beiträge
DAS aus deiner Feder.
Walhorn

Ja sicher! Warum nicht *zwinker*? Außerdem hat der Unsympath ja keine Ahnung, wen er da vor sich hat.
*smile*

Gefallener Engel: *schwitz*, *danke*
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
F 220, Kapitel 12: Drei Missionen
Kapitel 12: Drei Missionen

Da standen wir nun. Einundzwanzig Leute. Zwölf Männer, neun Frauen. Ich räusperte mich, und das war ein Fehler. Meine Schulter brannte sofort wieder wie Feuer. Doch ich durfte mir nichts anmerken lassen.

Ein wenig Sorge bereitete mir Judith. Als wir die Barkasse an Bord fierten, dachte ich über den fünften Stern nach und dass Judith nun wohl endgültig Position bezogen hatte. Das harte Weib war nicht so hart, wie sie vorgab, zu sein. Es machte ihr schwer zu schaffen, eine Schwester getötet zu haben. Ich sah da ja eher einen pragmatischen Punkt. Eine irre Mörderbraut weniger. Aber es blieben immerhin noch weitere fünf Flintenweiber mit Mordgedanken, und das machte mich nervös. Außerdem hatte sie mir von den Annäherungsversuchen einer der Typen erzählt und das machte mir besonders zu schaffen.

Verstohlen sah ich Judith an. Eigentlich sah sie gar nicht schlecht aus. Ein paar Kilo mehr auf den Rippen, ein Termin beim Frisör und ich würde mich auf der Straße glatt nach ihr umdrehen. Und doch sah ich den Zwiespalt, die Verzweiflung und die Traurigkeit. Sie starrte in die Unendlichkeit und war… einsam. Ich kannte diesen Blick. Und wie ich ihn kannte. Als meine Einheit 82 kurz vor Xuddur aufgerieben worden war und ich nach dem Gefecht all die Menschen sah, die ihrer Heimat, ihrer Häuser, ihres Viehs und ihres Boden beraubt waren… sie starrten genau so. Der Blick in die Unendlichkeit; unfähig, noch Emotionen ausdrücken zu können. Hohl und leer.

Ich konnte sie am Anfang eigentlich gar nicht leiden. Judith entsprach absolut nicht dem Bild einer Frau, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Sie war das Gegenteil von warm, weich und anschmiegsam. Judith war kalt, hart und abweisend. Doch hatte ich gerade das Gefühl, sie in den Arm nehmen und trösten zu müssen. Oder war es vielleicht der Claudia-Teil in ihr? Ich war verwirrt, denn ich fühlte, dass die Teile sich vermischten. Am Ende dieses Prozesses würde entweder ein Monster geboren oder nicht, aber auf jeden Fall eine neue Person. Das Gefühl, dass sie eine tröstende Umarmung zulassen würde, wurde übermächtig. Ich hoffte nur, dass ich nicht sofort ihre Klinge an den Eiern hatte.

Zögerlich hielt ich ihr meine offene Hand hin. Tatsächlich, ihr Blick kehrte zurück aus der Weite. Sie zog erstaunt und leicht angewidert die Stirn in Falten. Aber dann entspannte sie sich wieder.
“Niemals, du Weichei.”
“Laber nicht rum und mach auf Stahl, ich seh doch, was los ist.”
Sie sah mich an. Unglaublich dieser Zwiespalt zwischen dem Bedürfnis der Geborgenheit und der Konditionierung der autarken Kämpferin. Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust…

Ich hob meine Hand auf Schulterhöhe und wie durch Zauberei lag dieses krumme Scheißmesser in ihrer Hand. Und nicht nur das, die Spitze der Klinge tippte innen an meine Achsel. Eine winzig kleine Bewegung und ich lag blutend und sterbend auf dem Deck meines Schiffes. Ich sah sie an und machte einen Schritt nach vorn. Die Klingenspitze wanderte in meinen Nacken, meine Hand wanderte in ihren Nacken. Der dritte Wirbel! Sie war hervorragend ausgebildet worden.

Unendlich langsam zog ich so lange gegen ihren Widerstand, bis ihr Kopf an meiner Brust lag. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Das war schon ein komisches Gefühl, als ihre linke Hand neben ihrem Kopf auf meiner Brust lag. Eine sehr innige Geste, und dennoch hatte ich ein Messer im Nacken. Ich merkte schnell, dass sie mir nahe war. Aber gleichsam war sie nicht imstande, sich fallen zu lassen und den Augenblick zu genießen. Das war sicherlich die seltsamste Umarmung meines Lebens. Es war angenehm, ihren sehnigen Leib an meinem zu spüren und das war erstaunlich genug für mich.

Unweigerlich kamen mir meine beiden Beziehungen in den Sinn. Ich war immer derjenige, der den Kontakt gesucht hatte. Ich war es, der nach vorn gestürmt war, wie ein Eroberer. Ich war es, der druckvoll und in absolutem Selbstvertrauen die Sicherheit einer gefestigten Beziehung gesucht hatte. Beide Male war ich gescheitert. Schmerzlich wurde mir mein eigener Schwur bewusst. Niemals wieder würde ich versuchen, eine Frau zu erobern. Und das galt auch und besonders für Judith. Deswegen löste ich mich behutsam. Judith ließ den Arm sinken und vermied es, mich anzusehen, begab sich außer Reichweite. Ich verstand nicht, wie sie das machte, das Messer war verschwunden.
Kommentarlos drehte ich mich zu den Shepherds um.

“Willkommen an Bord, Leute. Wie ich von Claudia hörte…”
Ich stutzte. Die Neuen sahen sich erstaunt an.
“Wer ist Claudia?”, fragte eine eher untersetzte Frau um die Dreissig.
“Claudia oder Judith. Sie hat zwei Namen.”, erwiderte ich und erntete einen dankbaren Blick.
“Wie ich also von Judith hörte, habt ihr schon reichlich diskutiert. Niemand wird gezwungen, hier zu bleiben. Wenn also jemand denkt, es wäre eine gute Idee, eigene Wege zu gehen, dann kann er oder sie jetzt auf der Stelle gehen.”
Ein junger Mann meldete sich zu Wort. Beziehungsweise quatschte er einfach drauflos.Vom Typ her hätte er Italiener sein können, Spanier oder Grieche.

“Wir haben ein Problem mit dem Militär”
“Ach tatsächlich? Und was für ein Problem soll das sein?”
“Nun, Befehle, Gehorsam, Drill, Dienst und Waffen. All das mögen wir nicht.”
“Aha. Verrätst du mir deinen Namen und deinen Beruf?”
“Giuseppe Costiera, ich bin in Napoli geboren, lebe aber hier, seit ich fünf bin. Mein Beruf ist Telekommunikationstechniker.”

“Also, Funker Giuseppe. Befehl und Gehorsam. Darauf gehe ich gerne ein. Du kennst euren Boss?”
“Paul Watson? Natürlich.”
“Was denkst du, wie erklärt er euch, wenn er einen Kurswechsel vollziehen möchte? Ruft er eine Versammlung ein? Diskutiert ihr das erst auf Augenhöhe? Bildet ihr ein Gremium oder einen Ausschuss zur Verifizierung der Kapitänswünsche ob ihrer Sinnhaftigkeit? Oder wird gewürfelt? Was?”
“Natürlich nicht!”
“Sondern?”
“Paul sagt, wohin gesteuert wird, und der Steuermann machts dann:”
“Ach und das ist nicht Befehl und Gehorsam?”
“Ja schon, aber nicht so.”
“Dann erklär mir den Unterschied? Wo ist der verkackte Unterschied zwischen Befehl und Gehorsam und Wunsch und Entsprechung?”
“Weiß ich jetzt auch nicht.”
“Dann sage ich es dir: Es gibt keinen. Wenn du einen Befehl nicht befolgst, wirst du bestraft. Wenn du als Zivilist dem Wunsch deines Kapitäns oder Vorgesetztem nicht entsprichst, wirst du versetzt oder gefeuert. Also auch bestraft, nur eben auf andere Weise. Wie du siehst: Gehopst wie gesprungen. Kommen wir zum Drill, zum Dienst und zu den Waffen. Eure Speedbootfahrer wie Pottsi, euer Hubschrauberpilot, wie hieß er noch?”

“Aultman”
“Danke. Euer Maschinist? Denkst du, die haben ihre Fähigkeiten durch beten bekommen? Oder durch Spenden? Nein. Sie haben sie sich angeeignet. Durch Fleiß, Talent, Interesse und Leidenschaft. Und das allein reicht nicht einmal. Man muss seine Fähigkeiten auch durch beständiges Wiederholen und kontinuierliches Üben kultivieren. Manche nennen das Drill. Und Waffen, Sportsfreund… ich sehe keinen Unterschied zwischen Farbbeuteln, Druckluftbazookas, die Flaschen mit stinkender Buttersäure verschießen oder einem Schiff. Wenn ich richtig informiert bin, hat Pete Bethune sogar mal ein japanisches Boot gekapert.”
“Ein Schiff ist keine Waffe! Und Pete hat es nicht gekapert, er hat sich an Bord geschmuggelt, um dem Kapitän die Rechnung für sein zerschrottetes Boot zu präsentieren!”

“Ach nein? Wenn Watson seinen Äppelkahn wissentlich und willentlich in ein anderes Schiff hineinlenkt, nimmt er es billigend in Kauf, dass der andere Kahn sinken könnte. Also nutzt er sein Schiff als Waffe. Hier in Deutschland bist du dein Auto samt Führerschein los, wenn du das auf der Straße machst. Also komm mir nicht mit Waffen.”

“Das ist doch nicht dasgleiche!”
“Stimmt Giuseppe. Aber erklär mir doch bitte, was du tun willst, wenn eine Hundertschaft wildgewordener Spinner, getrieben vom Hass eines verrückten Predigers, den Stützpunkt stürmt. Und such es dir aus: Entweder mit Knüppeln und Steinen, oder mit Messern, Bögen und Armbrusten oder mit Kalashnikows und Handgranaten? Willst du dich hinknien und um Gnade betteln? Warten, bis der Anfall vorbei ist? Willst du dich Transzendent machen oder Unsichtbar? Ich jedenfalls nicht. Es mag dir persönlich nicht viel bedeuten, und auch irgendwo auf diesem Planten bedeutet das Nichts. Aber ich werde im Kampf sterben und nach vorne umfallen. Klingt blöd, ist aber so. Der Teufel soll mich holen, wenn ich wie ein Lamm sterbe. Ich werde so viele von den Idioten mit ins Jenseits nehmen, wie ich kann. Du kannst so pazifistisch sein, wie du willst, wenn dir der Krieg ins Haus getragen wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ducken oder bluten. Suchs dir aus. Denn Pazifismus muss man sich leisten können.”

Giuseppe sagte nichts mehr. Das war gut so.
“Noch ein Punkt, Leute. Ich bitte, das nicht misszuverstehen…”
Blitzschnell hatte ich mich herumgedreht, Giuseppe ein Bein gestellt. Als er fiel, hatte ich seinen Kehlkopf bereits zwischen Daumen und Zeigefinger. Hart schlug sein Schädel auf das metallene Schiffsdeck.
“Wenn du Scheißkerl dich jetzt bewegst, reiße ich dir den Kopf ab, haben wir uns verstanden?”

Vollkommen eingeschüchtert war Giuseppe nur zu einem sparsamen Nicken imstande. Schiere Todesangst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich suchte den Blick zu Judith. Fragend. Ein kaum merkliches Nicken hieß mich, weiter zu machen. Erstaunlich genug. Ich hatte fast erwartet, dass sie es missbilligt, wenn ich mich vor sie stellte. Und natürlich auch vor alle anderen Frauen hier. Ein Punkt, den ich unbedingt klarstellen musste, und das hatte sie verstanden. Und zu allen gewandt:

“Ich will hier keine sexistische Scheiße hören. Billige Anmachen, plumpe Annäherungen oder dämliche Sprüche lasse ich nicht zu, und Übergriffe, Antatschen und rumgrabbeln schon gar nicht. Ich habe nichts gegen Fraternisieren, aber denkt dran: Dienst geht vor. In eurer Freizeit könnt ihr machen was ihr wollt. Eines lasst mich aber in aller Deutlichkeit sagen:”, manchmal wunderte ich mich selbst über die Kälte in meiner Stimme, “wenn ich einen Vergewaltiger erwische, werde ich ihn höchstpersönlich auf der Stelle erschießen!”

Dann wandte ich mich wieder an Giuseppe, dem sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war.
“Du, Freundchen, wirst dich bei Claudia entschuldigen. Und ich werde auf dich ganz besonders achten. Klar soweit?”
Wieder nickte er nur. Vermutlich hatte sein Verstand Winke-winke gemacht. Ich ließ ihn los und stellte mich den restlichen Mitgliedern gegenüber.

“Okay Leute. Wer also gehen will, tut es jetzt. Ansonsten wäre ich dafür, dass wir uns vorstellen. Ihr kennt ja Ole, Piet, Artur, Mike und bedauerlicherweise Giuseppe schon.
Ich bin Leutnant zur See Thomas Richter, das hier ist Claudia Schrägstrich Judith Burghard. Ich war Waffensystemoffizier an Bord der Hamburg, einer Fregatte der Sachsen-Klasse, Judith ist ausgebildete Einzelkämpferin mit wenig Sinn für Humor. Als die Seuche ausbrach, war ich bereits geschieden, wurde verletzt und lag wohl im Koma, Claudia war aus Versehen als Hausfrau geparkt. Wer seid ihr?”

“Katija Maslov aus Leningrad. Ich wollte auf die Faröer-Inseln um die Pilot-Wale zu schützen.”
“Hallo Katija. Was kannst du oder was bist du?”
“Ich war in Murmansk bei der EloKa”
“Perfekt! Du kommst in die OPZ. Welchen Dienstgrad hattest du?”
“Hauptbootsmann”
“Sehr gut.”

“Terry McNoughlin, Ottawa. Ich studiere Medizin.”

“Holger Backs, Lingen, Schweißer.”

“Stanislav Crep, Rakovnik, Künstler.”
“Künstler?”
“Ja. Ich mache Skulpturen.”
“Skulpturen. Meine Güte, was machen wir mit dir?”
“Ich könnte alle Bullaugen auf Transparenz prüfen?”
“Aha, ein Witzbold. Ega, wir finden schon das Richtige für dich. Ohnehin denke ich, dass wir alle jeden Posten einmal lernen müssen.”
“Ich möchte dann Kapitän sein.”
“Nee Stanislav, du wirst Bordkomiker. Wer bist du?”

“Tina Dahl, Hannover, Krankenschwester.”
“Fein, fein. Das passt gut. Du übernimmst mit Terry das Krankenrevier.”

“Raoul Merciere, Charleroi, Automechaniker.”

“Barbara Nickel, Saarbrücken, Mechatronikerin.”
“Perfekt, du übernimmst den Maschinenraum, zusammen mit Backs und Raoul.”

“Liz Terryman, Bangor, Maine, Secretary.”
“Sekretärin? Oha.”
“Secretary means,” eröffnete die junge Frau mit den strahlend weißen Zähnen, “ich war Boss einer Behörde. Administrative Things, Organization, Management und so Sachen, you know?” Ihr Deutsch war verständlich, aber doch noch recht holprig.
“Okay Liz, du hast die Logistik und bist Quartiermeister.”
“Really?”
“Leute, das ist eine vorläufige Einteilung. Wenn sich spezielle Talente entwickeln, können wir immer noch tauschen. Du! Leg los.”

“Stefania Cattabriga di Bologna, isch bin Model.”
“Okay, wenn es deine Fingerchen aushalten und du dir die kleinen Nägelchen nicht abbrichst, wirst du Küchenhelferin.”

Der Italienerin blieb die Spucke weg. Dann blieb mir die Spucke weg. Vor mir stand ein… junger… Mann. Oder so. Er war 172 cm lang, leicht pummelig und hatte “Pose” bezogen. Den rechten Arm angewinkelt quer über die Brust, der linke Arm stützte sich darauf und auf seinem Handrücken thronte sein Kinn. Er hatte den rechten Fuß auf den linken gestellt, so dass seine schwellenden Hüften einen fast perfekten Kreisbogen bildeten.
“Was schaustn so?”, näselte er und zupfte an seinen blau-rot-grün-violetten Haaren.
“Alter, ich habe vor 25 Jahren mal einen Pfau gefickt und frage mich jetzt, ob ich dein Vater bin.”

Judith brach in schallendes Gelächter aus und klopfte sich auf die Schenkel.
“Wie heißt du, Junge?”
“Miroslav Schneider. Aber alle nennen mich Mischa.”
“Und was kannst du, Mischa?
“Ich kann vieles. Ich bin Coiffeur…”
“Du bist was?”, unterbrach ich ihn.
“Coiffeur”, näselte er genervt, “weiß doch jeder, was das ist.”
“Hört sich an, wie eine Geschlechtskrankheit, Mischa.”
“Nein, ein Coiffeur ist eine Art Friseur, nur besser. Man könnte auch Haarkünstler sagen.”
“Was sonst?”, fragte ich, dachte aber an Judith und ihre zauselige Mähne. Meine sah bestimmt auch nicht besser aus.
“Ich kann alles. Schneidern, designen, ich bin auch Visagist und so.”
“Schwierig. Ich schätze du wirst ein Mädchen für alles. Wir müssen für dich wohl nur die Wecker 30 Minuten eher stellen.”
“Was, warum das denn?”
“Naja ich schätze, du brauchst dreissig Minuten, um dich morgens einzutucken, oder?”

Judith schwirrte prustend ab über die Gangway und der Rest der Bande grinste. Wären die Ohren nicht angewachsen, könnten die im Kreis lachen. Nur Mischa fand das nicht komisch.
“Mischa. Wir Jungs hier im Norden haben einen staubtrockenen Humor und nehmen selten ein Blatt vor den Mund. Du wirst damit genauso klarkommen, wie ich wohl mit deinem Lebensstil, können wir uns darauf einigen?”
Zur Versöhnung hielt ich ihm die Hand hin. Immerhin hatte ich mit seiner Hilfe das Eis gebrochen.
“Weiter gehts. Wer bist du?”

“Stefanie Gruber, München. Ich arbeite bei Siemens.”
“OPZ, traust du dir das zu?”
“Was macht man da?”
“Hauptsächlich See-und Luftraumüberwachung. Radaranlagen, Feuerleitsysteme. Ich werde dich schon einweisen.”
“Schätze schon.”
“Fein. Du?”

“Carsten DiSosta, Bremen. Ich war Kodierassistent.”
“Irgendwelche Eigenschaftren, die wir brauchen können?”
“Ich habe den nautischen Lehrgang, weil ich an Bord der Bob Barker wollte.”
“Als?”
“Als Steuermann.”
“Fein. Probleme mit Kriegsschiffen?”
Schweigen.
“Carsten?”
“Wie Sie schon sagten, wir müssen uns anpassen.”
“Gute Einstellung, Seemann. Und wen haben wir hier?”

Zwei vollkommen gleich aussehende, zierliche junge Frauen mit dunklem Teint. Südeuropa oder tiefer, vermutete ich.
“Mirimah und Mahtab al Chaima aus Syrien.”
“Und was könnt ihr?”
“Miri war Reporterin und ich war Vertriebsleiterin bei EMP.”
“Was ist EMP?”
“Ein Merchandising-Unternehmen. Wir verkaufen alles rund um Rock und Heavy Metal.”
“Aaaah ja. Ist klar.”

“Okay Leute. Wir sind weit davon entfernt, komplett zu sein, aber wir müssen nehmen, was kommt. Wer von euch kann LKW fahren?”
Stefania, Raoul, Liz, Katija und Holger hoben die Hand.
“Stefania? Ich denke du bist Model?”
“Ische binne nischte nur Model.”
“Okay. Also. Mein Plan sieht folgendermaßen aus: Chronologisch, damit wir keine Fehler machen, denn die können wir uns nicht leisten. Also, erstens: Ich mache von euch allen Bilder und gebe die in den Feuerleitrechner ein. Damit sind alle von uns in Reichweite der Geschütze safe. Dann durchsuchen wir alle gemeinsam bis auf eine Person sämtliche Räume und protokollieren, was wir mitnehmen müssen auf die Reise. Anschließend hocken wir uns zusammen und schauen, was uns fehlt.”

“Und was macht die eine Person?”
Judith war zurück. Irrte ich mich, oder hatte sie geweint?
“Die ääh…”, stammelte ich, “eine Person muss hoch ins Nest.”
“Wohin?”, fragte Judith.
“Ins Krähennest oder Adlerhorst. In den Ausguck. Ich will nicht wieder überrascht werden. Wer kann mit einem Gewehr umgehen?”

Erwartungsgemäß hoben Katija, Ole und Holger die Arme.
“Fein. Ihr bekommt eine Einweisung ins G36. Dann noch einen Feldstecher und ein Funkgerät und ab in den Mast. Ihr werdet euch alle zwei Stunden selbständig ablösen. Ich erwarte, dass wir anderen ein paar Bushmaster-Kanonen finden, mit denen wir den Stützpunkt absichern, nachdem die Elektrozäune beim Teufel sind.”
“Erwarten wir denn eine Invasion?”, fragte Giuseppe kleinlaut.

“Ich weiß es nicht, das gebe ich zu. Tendiere aber dazu, vorsichtig zu sein. Das beste Beispiel ist der Stern, den Judith… neutralisiert hat. Die hat sich nicht verlaufen, die ist hier gezielt reinmarschiert. Sie wird jetzt vermisst werden und es könnte sein, dass der Prediger zum Angriff bläst. Daher ist Tempo lebenswichtig. Der Junge hat massenhaft gut ausgebildete Leute um sich. Daher wird es einen Crash-Kurs in Schießtechnik geben. Ich wünsche, dass jeder hier bewaffnet ist.”

“O Dio, ogni uno con una arma? Waffan culo.” (Oh Gott. Jeder Einzelne mit einer Waffe? Leck mich am Arsch.”)
“Giuseppe. Mit Waffen ist es wie mit Kondomen. Besser eine haben und nicht brauchen, als eine brauchen und nicht haben. Capisce?”
“Va bene. Pero non sono d´accordo, caro.” (Na gut. Aber ich bin nicht einverstanden, mein Lieber:”
Hätte ich ihm sagen sollen, dass meine Ex Italienerin war und ich seine Sprache verstand? Nein. Das war ein Trumpf, den aufzugeben ich nicht bereit war.

“Okay, es geht weiter. Nach dem Absichern des Stützpunktes müssen wir Wachen einteilen. Dann wird es ernst. Wir nehmen gemeinsam den Hubi im Steuerbordhangar und entsorgen ihn. Ob an Land oder ins Wasser ist mir wurscht, Hauptsache wir haben Platz. Wir teilen uns dann in vier Gruppen. Ihr könnt euch zusammenstellen, wie ihr das wollt. Hauptsache ist, in zwei Teams gibt es einen Fahrer, der schweres Gerät bewegen kann und einen, der sagen wir mal… an ein Fahrzeug kommt, ohne das man einen Schlüssel braucht. Team 1 beginnt damit, den Stützpunkt leerzuräumen. Stapler und Fahrzeuge gibt es hier genug in der Nachschubkompanie. Alles kommt aufs Flugdeck oder direkt in den Hangar. Team 1 teilt sich und wechselt sich ab zwischen Wache und Beschaffung. Seid bitte überaus wachsam und nehmt euren Job ernst. Wenn wir erst auf See sind, können wir nicht mal eben irgendwo einkaufen gehen.”
“Und dann?”

Ole machte nicht viele Worte.
“Team 2 fährt zu Wittrock&Uhlenwinkel nach Bremen und besorgt dort, was wir brauchen. Wie ich bereits angeführt hatte, IBCs. Wenn ihr ein paar Putzmittel mitbringt, kein Problem. Aber wehe ihr vergesst Scheißhauspapier, dann gibts Zunder.”

“Woher bekommen wir die Autos?”, fragte Artur.
“Gute Frage. In der Nachschubkomanie haben wir nur 7tonner, ich wäre zufriedener, wenn wir 40tonner hätten. Am besten Sattelauflieger, das ist einfacher und schneller. Irgendwelche Vorschläge?”
“In Stuhr gibt es einen Autohof. Da stehen bestimmt LKWs rum.”
“Guter Vorschlag, Ole. Sehr schön, danke. Ich denke, wir nehmen uns ein paar Autos von hier und fahren zum Autohof. Dort schauen wir, ob wir LKWs bekommen und dampfen ab. Team 2 ins Industriegebiet zu Wittrock&Uhlenwinkel, Team 3 hat es schwerer. Die müssen alle Industriegebiete und Mischgebiete abklappern auf die Verteilerzentralen von Aldi, Lidl, EdeKa und Konsorten. Team 4 muss zu Claudias Haus und dann nach Norderstedt zu Jameson & Jameson. Das hat Priorität. Team 4 besteht aus Judith, Max, Giuseppe und mir.
“Warum soll ich denn mit?”, fragte Giuseppe.
“Damit ich dir in den Arsch treten kann, wenn du als Schürzenjäger auftreten willst. Sagte ich doch schon.”

Mein Blick fiel auf Judith. Sie lachte nicht mehr. Ihre Arme waren vor der Brust verschränkt und sie tippte leicht auf die Stelle, an der bei mir der Pfeil eingedrungen war. Ich sah auf meine Schulter. Blut suppte durch mein Hemd. Verdammt, ich hätte Funker Giuseppe nicht aufs Kreuz legen dürfen, denn jetzt kam der Schmerz wie eine Welle und brandete an mein Nervensystem.
*********ynter Frau
9.809 Beiträge
Bewegend
Ich hob meine Hand auf Schulterhöhe und wie durch Zauberei lag dieses krumme Scheißmesser in ihrer Hand. Und nicht nur das, die Spitze der Klinge tippte innen an meine Achsel. Eine winzig kleine Bewegung und ich lag blutend und sterbend auf dem Deck meines Schiffes. Ich sah sie an und machte einen Schritt nach vorn. Die Klingenspitze wanderte in meinen Nacken, meine Hand wanderte in ihren Nacken. Der dritte Wirbel! Sie war hervorragend ausgebildet worden.

Unendlich langsam zog ich so lange gegen ihren Widerstand, bis ihr Kopf an meiner Brust lag. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Das war schon ein komisches Gefühl, als ihre linke Hand neben ihrem Kopf auf meiner Brust lag. Eine sehr innige Geste, und dennoch hatte ich ein Messer im Nacken. Ich merkte schnell, dass sie mir nahe war. Aber gleichsam war sie nicht imstande, sich fallen zu lassen und den Augenblick zu genießen. Das war sicherlich die seltsamste Umarmung meines Lebens.

Eine typische Episode im unvergleichlichen Ghostface-Stil? Ja und nein zugleich.
Einerseits ja, durch deinen unglaublich locker flockigen Ton in Verbindung mit krassen Vergleichen über die ich mir in dieser Art noch nie Gedanken gemacht habe.
Andererseits nein, weil du deinem harten Protagonisten hauchzarte Gefühle zugestehst.
Diese Verbindung von beidem ist einfach klasse!
*bravo*


Für mich persönlich, eine deiner besten Episoden!
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ey...
hör auf, ich werd noch rot.

Ich muss sagen, es macht fürchterlichen Spaß, an der Story zu arbeiten. Und jetzt freue ich mich, denn der Ball ist bei dir *g*

Tom
Hülfe!
*heul* Ich hab Entzugserscheinungen! Kein neuer Stoff in Sicht und vor lauter Postfachkucken tränen schon meine hungrigen Augen ....
*********ynter Frau
9.809 Beiträge
@Olove
Ich fürchte, du musst dir dann das Buch kaufen....
*sonne*...
Das hätte ich so
oder so gemacht! *ja*
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