F 220, Kapitel 6 + 7
Kapitel 6: Abwehr
Wie gelähmt tappte wie ich wie ein Geist durchs Schiff. Schott für Schott ging ich ab. Nur zur Sicherheit. Ich durfte es auf gar keinen Fall riskieren, dass der verrückte Prediger an Bord kam. Ich durfte nicht einmal riskieren, dass er auf den Stützpunkt kam. Vor allen Dingen musste ich sofort alle Waffen sichern. Typen wie der Prediger würden sie ohne zu zögern benutzen.
In meiner alten Kabine angekommen, riss ich die Depesche auf, nachdem ich kraftlos in den Stuhl gefallen war. „Sie haben etwas verpasst, WSO“ stand handschriftlich auf dem Umschlag.
Innen viele Seiten Papier. Programmieranleitungen, technische Pläne, Anleitungen und technische Zeichnungen. Und eine DvD.
Ich muss lange gelegen haben. Die Unterlagen zeichneten das System als Manits NBS C-Ram 1A3 aus. Also die dritte Ausbaustufe. Jetzt war ich neugierig geworden. Hastig blätterte ich die Unterlagen durch. Und frohlockte. Die Jungs von Rheinmetall hatten alles richtig gemacht. Nicht nur, dass die Sensoreneinheiten mit einem Rundsuchradar ausgerüstet war, das in 20 Km Entfernung noch eine Möwe orten konnte, ich hatte das neuwertigste Zielverfolgungsradar, das es gab, mit den leistungsfähigsten Recheneinheiten. Ein Infrarot-Folgeradar inklusive Infrarot-Zielradar, Laser-Entfernungsmesser, hochauflösende TV-Kameras mit Bildstabilisator und Null-Lumen Nachtsichtgeräte. Das bedeutete, dass ich auch in stockfinsterster Nacht alles sehen konnte. Dazu kam ein Wärmebildsensor. Eine unglaubliche Maschine. Dazu kam, dass die Ingenieure eine automatische Freund / Feind- Kennung eingebaut hatten, das nicht nur nach Funkleitstrahlen funktionierte, sondern auch auf Sicht. Der Hintergrund war, dass viele Terroristen, das hatten sie aus 9/11 gelernt, die Transponderkennungen der Maschinen einfach abschalteten. Das bedeutete aber auch, dass man das System frei mit Bilddaten füttern konnte. Die A2-Stufe hatte bedeutet, dass die 24 Schuss-Kartuschen, die man so umständlich von Hand laden musste, durch eine automatische Gurtzuführung ersetzt worden war. Jedes Magazin, das ein Deck unterhalb der Türme installiert worden war, hatte 14 000 Schuss 30mm Munition. Und das alles frei programmierbar.
Mich hielt nichts mehr. Ich begab mich augenblicklich in die BFZ, die neben der OPZ angebracht war. Alle Systeme waren auf Stand by, das sah ich auf dem Monitor des Waffentechnik- Offiziers. Dort blinkte einiges. „System Stand by“ blinkte grün hinterlegt und ohne zu zögern nutzte ich die Maus, um das System scharf zu schalten. Einen Augenblick lang flackerte das Licht, als die SMART anlief, die beiden Sensoreneinheiten und die vier Geschütze ihre Gurtzuführungen rattern ließen. Ich war begeistert.
Auf den beiden Monitoren links und rechts des Hauptleitstandes sah ich die Umgebung. Zeit zu spielen. Ich benutzte alles. Die Kameras waren fantastisch. Selten hatte ich so eine Auflösung gesehen, selten so klar und scharf gezoomt. Und vor allen Dingen: So verwackelsicher.
Am Ufer entdeckte ich Madame. Ich grinste. Der Ozelot lag im Gras und döste vor sich hin. Den ganzen verdammten Stützpunkt konnte ich abtasten. Und hätte ich Idiot nicht verträumt auf den Ozelot geschaut, wäre mir der blinkende Monitor der Wärmebildkamera nicht entgangen.
So aber suchte ich die Programmierung der zu bekämpfenden Ziele. Die Standardprogrammierung wies nicht viel aus. Die Freund-Kennungen waren klar hinterlegt. Vage erkennbare Ziele waren ausgezeichnet mit „Fire on demand“. Also die ganzen MIGs, Suchois und Tupolews, die die östlichen Länder auch an andere Staaten abgegeben hatten. Sämtliche Raketen waren hinterlegt, und, was mich überraschte, eine Vielzahl an Drohnen. Ich war wirklich lange weg. Deutschland hatte mittlerweile auch Drohnen? Aha. Hatte sich Flinten-Uschi also doch durchgesetzt.
Rechts unten auf dem Monitor entdeckte ich eine Art Uhr, die rückwärts lief. Als ich sie anklickte, wurde mir klar, dass es sich hier um eine automatische Rundumsicherungs-Aufzeichnung handelte. Sie zeichnete automatisch die letzten 48 Stunden auf. Ich musste grinsen. Nach kurzer Zeit hatte ich eine Aufzeichnung vor mir. Die Bordkameras hatten eine Wärmequelle, das Beerdigungs-Feuer, entdeckt und sich automatisch aufgeschaltet. Jetzt hatte ich sogar ein Bild vom Prediger. Ich schnitt die Figur aus und schob sie in den Ordner: „Feindsignaturen“. Dort rechts anklicken und im Kontextmenü wählen: „Automatisch Feuer eröffnen nach Zielerkennung“. Ich grinste fast im Kreis. Sollte das ernsthaft funktionieren? Im Hauptmenü schaltete ich Turm Alpha, Bravo, Charlie und Delta scharf.
Über das Flugdeck ging ich an die frische Luft. Komisches Wetter. Die Wolkendecke schien immer gleich. Gleich dick, gleich kalt, gleich grau. Am Heck angekommen, lehnte ich mich auf die Reling. Madame lag im Gras des Ufers. Sie bemerkte meine Blicke. Und hoffentlich bemerkte sie auch, dass ich sie sehr mochte. Ich dachte schon immer und denke nach wie vor, Tiere spüren das.
Madames Kopf ruckte hoch. Sie witterte etwas. Auch ich spürte ein ungutes Gefühl, dachte aber, dass das wohl an meiner Reaktion auf das Tier lag. Madames Schwanz peitschte hin und her, ihre Ohren waren nach hinten eng an den Kopf angelegt. Sie fauchte, drehte sich um und verschwand mit langen, eleganten Sätzen zwischen den Büschen. Vielleicht kündigte sich ein Wetterumschwung an? Bei Jack konnte ich mir da sicher sein. Der spürte ein Gewitter eine Stunde vor den Nachrichten.
Es nützte nichts, ich musste etwas tun. Aus dem Log des Kapitäns wusste ich, dass die Bunker alle voll waren. Blieb nur, die Lebensmittel, Waffen und Munition an Bord zu bringen. Eine Herkules-Aufgabe. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Ich blieb stehen. Tat so, als binde ich mir die Schnürsenkel. Dann langsam weiter. Wieder diese Bewegung oben am Schiff über den Hangartoren. Langsam drehte ich den Kopf und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich blickte in die Mündung einer 30 Millimeter Schnellfeuerkanone. Der Delta- Turm. Scheiße. Das System stand auf Automatik. Und wenngleich ich nicht als Ziel zur Bekämpfung hinterlegt war, verfolgte mich das Zielfolgesystem unerbittlich. Verdammte Axt, daran hätte ich denken müssen. Mir war nicht sehr wohl bei dem Gedanken, dass ich ständig vor einer Waffenmündung herumturnte. Aber es ließ sich nicht vermeiden. Auf jeden Fall musste ich mein Bild in die „Freund-Kennung“ verfrachten. Ungeheuerlich. Nicht auszudenken, wenn mal eine Optik dreckig wäre. Hier offenbarte sich der Schwachpunkt des Systems. Und ich musste auf jeden Fall Madame eingeben! Nicht auszudenken, wenn das einzige Wesen nicht mehr da wäre, mit dem ich Kontakt hatte und mich nicht in die Hölle wünschte.
Flugs eilte ich zurück an Bord, nachdem ich das Schott sorgfältig verschlossen hatte. Wenn man erst einmal die Funktionsweise des Abwehrsystems kapiert hatte, war es nicht mehr schwer zu handhaben. Ich suchte, wie zuvor beim Prediger, aus den 48-Stunden Aufzeichnungen ein Bild der großen Katze, und schob es in den entsprechenden Ordner. Mein Blick fiel auf die Wärmebildkamera.
Das sind fantastische Dinge, die da abliefen. Die Fenster des Krankenhauses waren nachts orange-rot, weil die Wärme des Hauses dort ins Freie gelangte. Blau bedeutete: Kalt. Und je roter ein Objekt wurde, desto wärmer war es. Das Krankenhaus sah aus wie ein bunter Käfig. Ich schwenkte die Kamera weiter, und jetzt staunte ich nicht schlecht. Ich sah drei rote Objekte auf dem Monitor!
Einen der Signaturen erkannte ich sofort. Es war Madame, die sich um eine Gruppe Bäume und Gebüsch schlich. Offenbar war sie auf der Jagd, sie war flach wie ein Toastbrot und in Lauerstellung.
Weiter unten in Ufernähe jedoch ein weitaus kleineres Objekt. Auf diese Entfernung sah es aus, wie ein Baby in Fetalhaltung. Seltsam. Ich zoomte heran und erkannte tatsächlich ein Baby. Ein Katzenbaby! Madame war eine Mutter! Ich musste lächeln. Ich freute mich für die Katzenmami.
Als ich den Bildausschnitt wieder verkleinerte, sah ich das dritte Objekt. Es war weit draußen am Rande des Stützpunktes und kauerte hinter dem Zaun, der den Stützpunkt zur See hin abschloss. Ich konnte es nicht wirklich erkennen und vergrößerte den Ausschnitt wieder. Aber es war zu spät, das Lebewesen hatte tatsächlich ein Loch entdeckt, war durchgeschlüpft, glitt ins Wasser und tauchte ab. Damit war es für mich unsichtbar. Verdammt. Ein Seehund vielleicht? Eine Robbe, ein Fischotter oder war es der Prediger? Nun, ein Bad würde ihm guttun.
Dreißig Meter weiter tauchte ein rotes Objekt mitten im Wasser wieder auf. Fast hätte ich es nicht gesehen, weil beim tauchen die Oberflächentemperatur absinkt. Es war kein Tier. Ein menschlicher Kopf. Es war nicht der Prediger. Der trug keine Creolen, das hatte ich deutlich vor Augen. Meinen Augenblick des Jubels, weil es garantiert nicht der Kopf des Predigers war, hielt nicht lange an. Wenn jemand den Stützpunkt entern wollte, und kam nicht wie jeder offizielle Gast an die Vordertür, sondern schlich sich hinten herum herein, führte er etwas im Schilde. Also musste ich das als Invasion einstufen. Und nun? Es wäre sehr einfach, die Wärmebildsignatur in den „Feind“-Ordner zu verschieben. Das System würde die Gefahr innerhalb einer einzigen Sekunde aus der Welt schaffen. Aber durfte ich das? Ohne zu fragen? Ohne zu wissen, wer und warum mich da „besuchen“ wollte? Mein Gewissen würde mich zu Tode quälen. Nein. Außerdem war ich viel zu neugierig. Ich musste wissen, was los war. Also fasste ich einen Entschluss.
Wenige Minuten später verließ ich das Schiff, um mir einen Gabelstapler zu schnappen. An der Versorgungsrampe lud ich zunächst Lebensmittel auf eine Palette, die nicht ins Kühlhaus gehörten. Dosen, Nudeln, Reissäcke und Gewürze, Kaffee, Tee und Kakao, und natürlich EPA. Einmann-Packung. Furchtbatres Zeug, aber im Notfall unentbehrlich. Und was sollte es hier? Ich fuhr den Stapler zum Schiff und begann, die Palette zu entladen. Dabei achtete ich sorgsam auf die Uferböschung. Madame war nicht zu sehen. Das Gras jedoch sehr wohl, denn es war sehr lange nicht gemäht worden. Und auch, wenn die Person, die sich dort anschlich, alle Mühe gab, vorsichtig zu sein, eine Grasnarbe, die sich entgegen der Windrichtung bewegte, war mehr als eindeutig.
Nach dem dritten Gang aufs Schiff spurtete ich in Richtung Bug, schlug einen Haken nach links und rannte, die Gebäude als Deckung nutzend, in einem großen Bogen um den Stützpunkt. So gelangte ich über eine freie Fläche hinter der Trafostation in den Rücken meines Besuchers. Langsam und vorsichtig näherte ich mich dem letzten Punkt, an dem ich die bewegten Grashalme sah.
Plötzlich schoss Madame an mir vorbei. Mit einem gewaltigen Satz sprang sie ins Gras. Ihr Fell stand vom Körper ab, ihr Schwanz war aufs doppelte verdickt und sie fauchte Gift und Galle.
Ein paar schnelle Schritte, das G36 entsichert.
Vor mir im Gras lag ein Etwas. Es war lang, es war dünn und es war nass und es war dreckig. Es hatte lederne, schwarze Sachen an und es hatte eine Reihe unterschiedlichster Messer am Gürtel und über den Rücken waren gekreuzte Kurzschwerter angebracht, die wie Schmetterlinge aussahen. Das Gesicht dreckig, beinahe wie Tarnschminke, die Haare wild und zerzaust.
Das Schlimmste aber waren die Augen. Abscheu drückten sie aus. Ekel und Widerwillen. Zugleich aber auch Wut und Enttäuschung. Faszinierend, denn hinter dieser Kulisse aus Emotionen stand ein gänzlich anderer Ausdruck. Nämlich Angst. Nur unwillig gestand ich mir diese Zäsur ein. Weil es mir Angst machte. Weil es eine menschliche Regung bedeutete. Weil es mich weich machte. Oder drohte, zu machen. Das galt es, zu verhindern.
„Na du Schlampe, du kommst mir gerade recht…“, eröffnete ich die Ansprache, „hast du gedacht, du kannst mich überraschen? Erst einmal zurück. Zurück, sagte ich! Weg vom Baby!“
Sie kroch rückwärts zwei Meter zurück. Madame fackelte nicht lange, sie trug ihr Kind im Maul wie der Wind davon.
„Jetzt zu dir…“, wandte ich mich der mageren Frau zu.
„Sünder“, warf sie mir entgegen und spuckte vor mir auf den Boden. Jetzt war die Sache glasklar. Ich hob die Mündung des Gewehres.
Mein gestreckter Zeigefinger tastete sich zum Abzug. 30 Patronen im Kaliber 5,56mm warteten darauf, das hasserfüllte Gesicht der Frau in eine breiige Masse zu verwandeln. Und doch hemmte mich etwas.
Es waren die Augen. Und die Logik. Seit langer Zeit traf ich einen Menschen und wollte ihn umbringen? Selbst wenn sie mich gerade überrumpeln und töten wollte, ich hörte ja, wer sie angefixt hatte. Und wenn der verrückte Prediger schon diese Frau für sich gewinnen konnte, hätte er noch mehr auf Lager, als das. Und das musste ich herausfinden. Allein schon wegen Madames Kind.
„Aufstehen. Aber langsam. Mach keinen Blödsinn, hörst du? Ich will dich nicht töten, aber wenn es sein muss, werde ich ein echt schlechtes Gewissen haben. Willst du, dass ich mich schlecht fühle?“
„Du wirst gerichtet werden, Sünder!“
„Hör mit dem Gequatsche auf und werd wach. Der Prediger hat dich unter seinen Fittichen gehabt, oder etwa nicht?“
Sie schwieg und starrte mich nur hasserfüllt an. Was zum Teufel hatte ich ihr getan? Der Prediger ging mir allmählich auf die Nerven.
„Umdrehen“, sagte ich ruhig, „Und jetzt geh. Langsam und vorsichtig. Flucht ist zwecklos, so wie du aussiehst, holt dich jeder Achtjährige ein.“
Ich musste sie klein halten. Außerdem: Sie wollte mich töten, warum also höflich bleiben?
Sie stand auf. Ganz entfernt erinnerte sie mich an Emma Peel, nachdem sie in einen Gulli geplumpst war. Die eng anliegenden Lederklamotten hätten mich bei entsprechender Figur bestimmt irgendwie angemacht, aber jetzt, wo ich hinter ihr herlief, bemerkte ich, dass sie nicht einmal einen Arsch in der Hose hatte. Von den Spaghetti-Beinen einmal abgesehen, zeichneten sich ihre knöchernen Schulterblätter deutlich unterm Leder ab. Die Frau war total unterernährt. Die Frage war, ob das ein Dekret des Predigers war oder das Resultat einer fehlenden Strategie.
„Halt die Hände seitlich vom Körper weg, ich will keine Überraschungen erleben!“
Ich wurde immer leiser. Wer mich kannte, wusste, dass das ein untrügliches Signal war. Je stiller ich wurde, desto ernster wurde es.
Sie ging in einem leichten Bogen zum Schiff, wollte wohl an Bord.
„Halt“, sagte ich und trat einen Schritt näher.
„Schau nach rechts hoch. Siehst du die beiden Hangar-Tore?“
Sie nickte. Hatte wohl beschlossen, mich mit Schweigen zu strafen.
„Darüber ist eine Art Geschützturm, siehst du ihn?“
Wieder nickte sie.
„Mach drei Schritte nach vorn und beobachte den Turm. Und dann denk an Gandalf!“
Sie machte drei zögerliche Schritte und beobachtete, wie der Geschützlauf ihr folgte.
„Gandalf?“, fragte sie, den Kopf zur Seite drehend, um mich zumindest aus den Augenwinkeln sehen zu können.
„Du kannst hier nicht vorbei!“, sagte ich. Es war der letzte Film, den ich im Kino gesehen hatte.
„Der Turm und noch drei andere bekämpfen vollautomatisch alles, was sich nähert und nicht im System als Freund gekennzeichnet ist. Hast du das verstanden? Du kannst dort nicht hinein.“
Ihre Schultern sackten zusammen. Offensichtlich war das wohl der Plan.
„Geh nach links, zum Krankenhaus.“
Ein Militärkrankenhaus sollte einen sicheren Raum haben. Ich wollte sie nicht im Wachgebäude in die Arrestzelle stecken, weil das Wachgebäude zu dicht an der Straße lag und sie den Verrückten vielleicht rufen könnte. Als ich auf der Suche nach Lebensmitteln durch das Lazarett lief, hatte ich ein Fixierbett samt Immobilisierungsgurtsystem gesehen. Das wäre ab sofort ihr neue Heimat. Und zwar bis ich herausgefunden hatte, was der Prediger im Schilde führte.
Nur widerstrebend fügte sich die Frau. Als sie das Gurtsystem erblickt hatte, wurde ihr Körper starr und sie blieb stehen.
„Na los Schätzchen, es gibt keinen Ausweg“, sagte ich so ruhig wie möglich. Aber ich ahnte, was nun kommen würde, deswegen trat ich einen Schritt zurück. Prompt schleuderte sie ihren Körper herum, in der linken Hand ein blitzendes, kleines Messer. Weiß der Teufel, woher sie das hatte. Aber dank meines Schrittes ging der Angriff ins Leere. Sie verlor das Gleichgewicht und mein Gewehrkolben schlug krachend an ihre Schläfe. Licht aus.
Sie war federleicht. Unglaublich, ich schätzte die Frau auf um die 40 Kilo. Mit Klamotten. Die Fixierung war nicht schwer, aber so dürre Körper waren wohl nicht im Sinne des Erfinders. Hände, Füße, Oberschenken und Hüfte wurde festgebunden. Dann trat ich einen Schritt zurück und betrachtete das Werk.
Sie stank. Nicht so schlimm wie der Prediger, aber es war schlimm genug. Ich hätte die Killerbraut auch ausziehen und abschrubben können, aber wozu? Für einen sauberen Tod? Aber diese Mischung aus Schweiß und Dreck war auch nicht gerade heimelig. Irgendwie empfand ich dieses Wesen als Fremdkörper. Sie gehörte hier nicht hin. Sie war die Vorbotin des Verderbens. Und sie hatte eine Schwachstelle entdeckt.
Ich wandte mich ab, schaltete die Lampe auf dem Schreibtisch an und löschte das Neonlicht. Weiß der Teufel, warum ich so nachsichtig war. Eilig verließ ich das Lazarett und suchte die Waffenkammer auf. Handgranaten und ein dünnes Drahtseil aus dem Kompanietrupp-Zimmer sollten reichen. Die Nachmittagssonne strahlte dunkler werdend übers Wasser. Eigentlich ein Anblick des Innehaltens, der Besinnlichkeit und des „Einswerdens“ mit der Natur. Die schwarzen Eierhandgranaten in meinen Händen sprachen jedoch eine andere Sprache.
Das Loch im Zaun war merkwürdig. Kreisrund. Die Enden der Drähte sahen aus, als wären sie geschmolzen. Weder aufgerissen, noch aufgeschnitten oder gehebelt, wie manche Kampfmesser es können. Sorgfältig beobachtete ich die Umgebung. Fatal, wenn mich jemand beobachten würde. Mit dem Rücken zu dem kreisrunden, merkwürdigen Loch grub ich mehrere kleine Löcher in verschiedenen Abständen zum Zaun. Ein paar stabile Äste eingegraben, die Handgranaten dahinter eingeklemmt, die Drähte so an den Zündringen befestigt, dass sie sich leicht lösen ließen. Dann Erde aufschütten und festpressen. Gras und Blattwerk über den „Baustellen“ verteilen. Dann vorsichtig die Drähte in verschiedenen Abständen um das Loch im Zaun drapieren und am Ende am Zaun selbst befestigen. Die Höhe war wichtig. Sieben Zentimeter vom Boden wäre perfekt. Wenn jemand auf den Draht latschte, wurde der Zünder ausgelöst. Wenn jemand in den Draht lief, ebenfalls. Lag der Draht zu tief, konnte er unter einen Stiefel geraten, lag er zu hoch, hob er sich zu stark vom Untergrund ab. Der Schwachpunkt war, dass man die Falle ruck zuck entschärfen konnte. Einer Gefahr zu entkommen bedeutet zunächst, sie zu erkennen. Also musste Plan B her. Hastig lief ich zum Schiff und gab folgende Programmsequenz in die Feuerautomatik der BFZ. „IF Movement @#Sector #14 Size>80=Autofire:No Movement“.
Damit würde bei Bewegungsalarm auf alles gefeuert werden, das höher als 80 cm wäre. Und zwar solange, bis sich nichts mehr bewegt. Alles, was größer als ein Rottweiler war, käme hier nie lebend durch. Madame und ihr Baby waren sicher. Ich atmete auf. Es schien, als wäre ich wieder Herr der Lage. Zeit fürs Abendessen. Als ich in die Kombüse wollte, fiel mir ein, dass ich ja einen Gast hatte. Verdammt.
Grübelnd wandte ich mich, wieder im Lazarett, in Richtung der Küche. Und erst als ich vor dem Kühlhaus stand, wurde mir bewusst, dass ich im Begriff war, der Schlampe etwas zum Essen zuzubereiten. Zuckerbrot und Peitsche? Eher Eier und Gewehrkolben. Dabei wunderte ich mich immer wieder, dass die Stromversorgung noch nicht zusammengebrochen war. Schulterzuckend machte ich mich ans Werk. Roastbeef statt Rosinenbrot. Ich riss eine vakuumverpackte Kunststofftüte auf. Die ersten sieben cm, die ich abschnitt, legte ich auf einen Teller. Dann dachte ich, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, eine weitere Portion zu spendieren. Immerhin musste Madame für Zwei fressen. Dann brachte ich den Teller vor die Tür. Ich pfiff kurz durch die Zähne. Bildete mir ein, Madame wüsste, dass ich etwas Feines hier hätte. Und tatsächlich, es raschelte im Unterholz und die große Katze kam zu mir. Es schien immer noch, als sähe sie mich argwöhnisch an. Aber vielleicht fragte sie sich auch nur, wo das stinkende Weibchen geblieben war. Nach ein paar Augenblicken des Zögerns und Witterns hatte sie wohl beschlossen, dass von mir keine Gefahr ausging. Sie näherte sich mit eingezogenem Nacken und nach hinten gelegten Ohren. Noch nie hatte ich so ein schönes Tier gesehen, das so wild und doch so gelehrig war. Vorsichtig biss sie in das erste Roastbeef und trug es eilig weg. Ich war sicher, dass sie das andere gleich holen würde. Zeit für mich zu sorgen. Für uns.
Knapp eine Stunde später betrat ich das Krankenzimmer. Sie lag so da, wie ich sie verlassen hatte. Augen geschlossen und immer noch eine Glocke üblen Geruches um sich. Aber etwas stimmte nicht. Ihr Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell für eine Schlafende. Und ihre Hände waren zu Fäusten geballt.
„Du kannst damit aufhören. Ich weiß, dass du wach bist“.
Sie öffnete die Augen. Hass, Abscheu und Angst standen in ihren Blicken.
„Du bist so gut wie tot, Sünder!“, fauchte sie mich an.
„Für eine, die fixiert ist und wie ein Pissoir stinkt, sind das gewaltige Worte“, grunzte ich und hatte gute Lust, das Tablett mit den Köstlichkeiten selbst zu essen. Eigentlich musste sie es riechen, das frische Sahnegemüse, das Roastbeef und das frische Brot. Ich hatte es abgedeckt mit einem Tuch. Ich trat ans Bett und legte das Tablett ab. Das Besteck klapperte und die Frau krümmte sich in den Fixierungen zusammen. Sie war unter der Dreckschicht wachsweiß geworden. Was dachte sie, ist unter dem Tuch? Folterwerkzeug? Ich grinste breit.
„Du wirst mir deinen Namen sagen. Du wirst mir erzählen, was der Prediger im Schilde führt. Du kannst dich wehren, zappeln, zetern, schreien, mich verfluchen und mir androhen, was immer du willst. Aber du wirst es mir sagen. Es mag sein, dass du dein Herz dem Prediger geschenkt hast, aber hier und jetzt gehört dein Arsch mir!“
Kapitel 6b „Dämonen“
Das erste was ich spüre, als ich wieder zu mir komme, ist der unglaubliche Schmerz in meinem Schädel - bohrend und pochend zugleich.
Der Gewehrkolben, den der elende Sünder gegen meine Schläfe geschlagen hat – ich erinnere mich.
Meine Gesichtsmuskeln zucken und ich spüre getrocknetes Blut an meiner Wange. Vorsichtig versuche ich, mich zu bewegen, doch zwecklos, ich bin mit meinen Hand- und Fußgelenken auf der Liege fixiert.
Blendend und schmerzhaft hell fällt grelles Licht von oben durch meine noch geschlossenen Lider und verstärkt den heftigen Schmerz noch. Elend ist mir, hilflos und gefangen genommen von meinem schlimmsten Feind bin ich, in die Falle getappt - wie eine Anfängerin!
Verzweifelt und zugleich wütend auf mich selbst, zerre ich wild an meinen Fesseln.
Ich muss nachdenken, wie ich hier herauskomme. Schließlich habe ich eine Mission zu erfüllen, die unbedingt erfolgreich sein muss – um jeden Preis.
Gott vergibt, der Prediger nicht!
Er verzeiht weder Fehler noch Schwächen. Das wichtigste für ihn ist der Erfolg seiner Sache! Das Training und die Schulungen, die meine Mitstreiter und ich durchlaufen haben, waren militärisch hart gewesen. Einige aus der Gruppe waren daran gescheitert – der Prediger hat sie bereits als Vorhut unserer gerechten Sache auf ihren blutigen Weg zum Herrn geschickt. Wir Übrigen mussten dabei zusehen - als Warnung, um uns der Konsequenzen eines etwaigen Misserfolgs gewahr zu werden.
Mein Magen knurrt erbärmlich, der Prediger verlangt vor einer Mission von uns ein mehrtägiges Fasten, um den Geist zu stärken.
Meine Lederkleidung ist durchnässt und ich zittere vor Kälte.
Verdammte Katze! Durch ihr Fauchen ist er erst auf mich aufmerksam geworden. Doch dieses kleine haarige Etwas, das mich mit großen glänzenden Augen so herzerweichend angeblickt hat, hat mir ein vergessenes Gefühl zurückgebracht – Mitleid.
Der Prediger hat versucht, es in tagelangen und schier endlosen Sitzungen aus meinem Kopf und Herzen zu vertreiben. Bis dato war er damit erfolgreich gewesen.
Diese Raubkatze ist eine bessere Mutter als ich, hämmere ich mir selbst ein, denn diese hat ihr Kind besser beschützt und auch gerettet. Ich habe als Mutter versagt, denn meine Kinder sind vor mir und unter furchtbaren Qualen gestorben.
Nichts, was ich versucht habe, hat geholfen.
Ich habe sie nicht retten können.
Angefleht habe ich den Herrn, mich doch auch zu sich zu holen, doch der Allmächtige verschmäht mich bislang.
Bilder aus glücklichen Tagen steigen als zusätzliche Qual vor meinem inneren Auge auf – ein gemütliches Sonntagsfrühstück mit dem voller Stolz präsentierten selbstgebackenen Rosinenbrot meiner Tochter, ausgeblasene Geburtstagskerzen auf einer Torte, Kinderlachen…
Alles ist wieder da - Trauer, das Leid und alle Selbstvorwürfe, die ich für eine Weile verdrängt habe.
Diese Zäsur ist derart schmerzhaft, dass es mir wie ein Stich mit stumpfer Messerklinge in mein Herz vorkommt.
Dann die Erinnerung an ihre kleinen toten Körper. Leicht, fast schwerelos waren sie gewesen – diese Szene steht mir so klar vor Augen als sei sie erst gestern gewesen.
Es war keiner mehr da, der meine Kinder hätte beerdigen können. So hatte ich sie einzeln auf meinen Armen in den Hof getragen und einen Scheiterhaufen errichtet.
Danach saß ich wie zu Eis erstarrt vor der noch glimmenden Asche.
Innerlich tot, vollkommen leer und nur noch mit dem einen Wunsch beseelt – ebenfalls zu sterben.
So hatte der Prediger mich vorgefunden. Er hatte die Totengebete für meine Kinder gesprochen, redete danach von einer neuen Weltordnung, die er erschaffen wolle, von Mitstreitern, die er suche und von den Sünden der Menschheit, die durch strenge Buße und unbarmherziges Läutern getilgt werden müssten.
Er hatte mich gesegnet und mich als Erste in seinen Unterschlupf mitgenommen.
Mit mir begann er sein Werk.
Du wirst meine Hand sein, die das Schwert gegen die Sünder führt. Du wirst meine Gerechtigkeit und meine Botschaft in die Welt tragen! Du wirst meine Lösung für diesen Fluch sein! waren seine Worte gewesen, die mein Leben in eine andere Bahn lenkten.
Schritte – ich hörte schwere Schritte auf dem Gang vor dem Zimmer, die mich aus meiner Erinnerung reißen. Ich spanne meinen Körper an, der Sünder kommt.
Wird er mich nun töten oder schlimmer noch - foltern?
Ich beschließe, mich zunächst noch bewusstlos zu stellen um mehr Zeit zu gewinnen.
Ich fühle seinen lauernden Blick auf mir, höre wie er etwas klirrend abstellt. Was hat er mit mir vor? Es kann nur etwas furchtbares sein, der Prediger hat mich vorgewarnt.
Dieser Sünder sei schlimmer als alle, die ich bereits erfolgreich geläutert habe. Er sei ein Dämon in menschlicher Gestalt und er würde mich im Falle einer Gefangennahme schrecklich quälen. Er hat mir eingeschärft, nichts zu verraten.
„Du kannst damit aufhören. Ich weiß, dass du wach bist“.
Verdammt, er hat mich durchschaut! Diesem Helfer Satans kann man nichts vormachen! Wut und indoktrinierter Hass flutet und erwärmt mich.
Ich öffne die Augen. Abscheu und eine Restangst stehen in meinen Blicken. Er antwortet verletzend und mit ebensolcher Abscheu auf meine verächtliche Reaktion.
Er verlangt meinen Namen zu erfahren! Wozu soll das gut sein?
Außerdem – welchen Namen meint er denn?
Meinen ursprünglichen Namen, den mir meine Eltern gaben oder den Namen, den der Prediger mir nach Abschluss des Drills in einer Art Taufzeremonie verliehen hat?
Hasserfüllt starre ich ihn an und mein Blick fällt auf das abgedeckte Tablett. Folterwerkzeuge – unter dem Handtuch müssen welche sein - Messer, Spritzen, Wahrheitsserum? Obwohl darauf vom Prediger vorbereitet, habe ich schreckliche Angst. Nicht vor dem Tod, sondern vor dem langen peinvollen Weg dorthin.
„Deinen Namen – na los, ich warte!“ sein Ton ist schneidend.
Ich sammele meine letzte Spucke im Mund und speie ihm verächtlich vor die Füße, gleichzeitig verrät mich mein laut knurrender Magen an den Feind.
„Ich kann warten“, meinte er lapidar und dann „ wenn du ihn mir verrätst, bekommst du etwas zu essen – gutes Happahappa!“ lockt er.
„Eher verhungere ich, als mit dir zu reden!“ ätze ich ihm entgegen.
„Süße, du hast doch gerade mit mir gesprochen!“ meint er süffisant.
Mistkerl!
Mein Körper schreit mit jeder Faser nach Nahrung, doch mein Wille muss fest bleiben! Er nimmt das Tuch ab und ich sehe wahre Köstlichkeiten auf dem Tablett.
Keine Folterwerkzeuge, nur wundervolles leckeres Essen.
Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal so ein Festmahl genossen habe.
Das Wasser läuft in meinem Mund zusammen, und es erscheint mir als ob kleine Schmetterlinge in Vorfreude auf Speis und Trank in meinem Magen herumflatterten.
Hart bleiben – Nein! beschwört und ermahnt mein Geist das elende schwache Fleisch. Der Prediger hat Recht! Dieses sündige gierige Fleisch ist unser aller Schwachpunkt und Verderben.
„Ich kann dich auch in einen Käfig sperren und dich mit einem Dankesbriefchen für deine Hilfe an den Prediger zurückschicken!“ droht der Sünder nun.
Oh Gott im Himmel, dann würde ER glauben, ich hätte ihn und seine Sache verraten. Er würde mich grausam hinrichten! Ich spüre, wie das Blut aus meinen oberen Hautschichten weicht. Das ist die Wahl zwischen Pest oder Cholera!
Verzweifelt bin ich! Mein Auftrag, meine Mission, ich kann und darf doch nun nicht aufgeben! Vielleicht sollte ich so tun, als würde ich mitspielen, um Zeit und vielleicht sogar sein Vertrauen zu gewinnen?
Dann könnte ich vielleicht doch noch diese Mission erfolgreich beenden.
„Deinen Namen – jetzt – frank und frei!“ befielt er.
„Ich bin die erste Vollstreckerin von Gottes Armee!“ erwidere ich tonlos.
„Die erste? Das heißt, es gibt noch andere?“ bohrt er interessiert nach, "wie viele hat der verrückte Kerl um sich geschart? Sag es mir!“
„Ich bin die erste Vollstreckerin von Gottes Armee!“ wiederholte ich stur während mir der himmlische Essensgeruch in die Nase steigt.
Tantalusqualen – der Prediger hat Recht gehabt, er foltert mich mit diesen Gerüchen!
Der seltsame Dämon blickt mich nun aus tiefblauen Augen an. In ihnen steht kein Hass, eher Güte und Mitleid, auch so etwas wie Bewunderung?
Seit wann haben die Kreaturen Luzifers Gefühle?
Hat sich der Prediger womöglich geirrt?
Ist das hier nur ein Mensch, der – wie ich – überlebt hat?
Ich will den Gedanken nicht zulassen und zu Ende denken!
Er MUSSS ein Dämon sein so wie alle anderen!
„Du bist stur, verdammt stur, aber auch tapfer, Emma Peel – ja wirklich! Du scheinst eine Kriegerin zu sein und ich weiß selbst nur zu gut, was das bedeutet.
Du würdest also lieber verhungern als etwas preiszugeben?“ sein Kopf liegt fragend etwas in der Schräge.
Das gibt diesem Teufel etwas verflucht Sympathisches.
„Närrin!“ höre ich des Predigers Stimme in meinem Kopf hallen, „er lullt dich ein, fall ja nicht auf ihn herein!“
Störrisch nickte ich, aber Vehemenz sieht anders aus, ich merke es selbst. Verdammter schwacher Leib!
Er nimmt ein feuchtes Tuch, setzt sich an meine Seite und wischt damit sachte das getrocknete Blut auf meinem Gesicht fort.
„Du könntest auch eine heiße Dusche und trockene Kleidung vertragen!“ stellt er fast beiläufig fest.
Seine ausstrahlende Körperwärme ist so wohltuend an meinem frierenden Körper. Seit wann strahlen Dämonen Wärme aus? Der Stahlring um mein vereistes Herz bekommt einen weiteren Riss.
„Doch ich bin überzeugt, du würdest lieber erstinken und erfrieren als das zuzugeben?“ seine Stimme ist mit einem Mal so sanft.
Er spricht mit mir wie mit einem kleinen Kind. Geduldig und warmherzig.
Wieder nickte ich widerborstig, doch noch etwas schwächer als zuvor. Eine heiße Dusche, Seife und saubere Kleidung, dazu ein voller Magen – das kommt für mich nahe an das Paradies heran.
„Sag mir deinen Namen – bitte“, flüstert er nun, „ich verrate das auch niemanden. Lass mich dich zivilisiert ansprechen. Meine Wenigkeit heißt Thomas."
Er lächelt mich fast entwaffnend an.
„Welchen Namen willst du hören?“ hauche ich.
Geschwächt von Hunger, Durst und schrecklicher Müdigkeit bin ich und es ist so schrecklich kalt. Dieses Wesen scheint mir nicht durch und durch schlecht zu sein. Meine Abwehr, ihm meinen Namen zu nennen befindet sich in Auflösung.
„Du hast mehrere?“ erstaunt zieht er seine Augenbraue nach oben.
„Ja, einen aus dem alten und einen aus dem neuen Leben.“ antworte ich leise.
„Beide, ich möchte beide wissen.“
„Vor der Apokalypse hieß ich Claudia, nach meiner Berufung zur Vollstreckerin taufte mich der Prediger auf den Namen Judith, nach der Gerechten aus dem alten Testament, die mutig zu Holofernes ging und ihn im Schlaf enthauptete, um ihr Volk zu retten.“
Meine Stimme bricht und mein Bewusstsein schwindet.
Kapitel 7: Katzen
Zwei Namen? Ich schüttelte den Kopf. Da passte nicht in mein Weltbild. Früher gab man sich im Internet Nicknames, das war Gang und Gäbe. Das verhalf zur Anonymität und man konnte sich auch als kleiner, hutzeliger, magersüchtiger Vertreter einer asozialen Rednerliste der antialkoholischen Magermilchbewunderer den Namen Herkules oder Colossus geben. Aber Judith war bewusst ausgesucht worden. Es zeigte mir nicht nur die Methodik des Predigers, sondern auch, dass er nicht so harmlos und spinnert war, wie ich dachte. Menschen, die aus Angst und Verzweiflung zu Gott beten und Linderung erflehen, sind eine Sache. Leute, die den Glauben missbrauchen, um letztendlich doch sich selbst nützen und Macht erlangen wollen, eine gänzlich andere.
Das Ganze bekam zusätzlich eine pikante Note. Claudia sackte einfach weg, nachdem sie ihre Namen verraten hatte. Und das war kein Angstreflex oder ein Schwächeanfall. Das war eine geistige Konditionierung. Systeme abschalten bei Fehlfunktion. Emergency shutdown. Gibt es auch bei den neuen Geschützen. Es soll verhindern, dass Folgeschäden auftreten. Wie immer gab es mehrere Möglichkeiten. Die Richtige, die Falsche, die Übliche und Meine. Die Richtige wäre, sie zurück zu konditionieren. Quasi Freiheit für den Geist mit vollkommen freier Entscheidungshoheit, wenn der Zustand erlangt ist. Die Falsche wäre, sie zu inhaftieren. Sie würde Widerstand leisten, wo immer sie konnte, würde versuchen, ihren Auftrag auszuführen und wo sie konnte, mein Leben sabotieren. Die Übliche Methode wäre, es kurz und schmerzlos zu beenden. Jetzt, im Zustand des „shutdown“, wäre es sogar Gnadenvoll, weil sie nichts davon merken würde. Dagegen sprachen allerdings zwei Argumente. Erstens wäre meine einzige Informationsquelle weg und zweitens hätte der Prediger einen Grund mehr, seine Leute gegen mich aufzubringen. Was ich dem Spinner nur getan hatte? War ich nicht eindringlich genug? Hatte ich ihm nicht mehrfach, wider besseres Wissen, angeboten, mit mir zu kommen? Hatte nicht er es in der Hand?
„Idiot!“, schimpfte ich laut.
Ich sah mir die Frau genauer an. Sie sah friedlich aus, so entspannt und erschlafft. Jetzt entdeckte ich auch, woher sie das kleine Messer hatte! An ihrer Gürtelschnalle waren links und rechts Faustmesser versteckt. Eines fehlte bereits und das andere entfernte ich sofort. So ein Biest. Wer weiß, was sie sonst noch bei sich trug? Ich würde sie auf jeden Fall untersuchen müssen. Aber sie stank erbärmlich.
Tief atmete ich durch. Es wäre ein leichtes, sie kurzerhand unter eine „Heiliger Geist“- Dusche (*1) zu stellen. Aber auch davor schreckte ich zurück. Sie war konditioniert, aber nicht Entrechtet. Sie war ein Mensch. Fehlgeleitet, geschickt, vor einen Karren gespannt. Weiß der Teufel, was die Frau für eine Vergangenheit hatte. Doch viel schlimmer wäre es, wenn sie eine Freiwillige wäre. Mit Extremisten hatte ich so meine Probleme. Vielleicht wäre es eine gute Idee, sie mit Respekt aber doch größter Vorsicht zu behandeln.
Mein Blick blieb an ihrer Schläfe haften. Eine mächtige Beule hatte ich ihr da zugefügt. Das Hämatom war dunkelblau angelaufen. Aus einer der zahlreichen Schubladen nahm ich Mull und Desinfektionsspray. Vielleicht hilft die Kühlende Wirkung beim abschwellen. Ein wenig Voltaren draufgeschmiert. Nicht schön, aber hoffentlich hilfreich. Ich hatte es wohl übertrieben. Aus einem Impuls heraus nahm ich ein weiteres Stück Mull, befeuchtete es und nahm einen Tropfen Seife aus dem Spender hinzu, der über dem Waschbecken angebracht war. “Ostsee-Brise” stand auf dem Spender. Toller Witz an der Nordsee. Sorgfältig reinigte ich ihr Gesicht. Und sieh an, da waren ja tatsächlich weibliche Konturen zu erkennen. Vor ihrer Transformation war sie bestimmt eine hübsche Frau.
Es ging los. Sie kam wieder zu sich. Ich erkannte ihre Verwirrung, die Desorientierung, als sie versuchte, ihr Milieu zu sondieren. Sie sah sehr hilfsbedürftig aus und ganz und gar nicht garstig und bockig. Dann aber kam die Konditionierung durch und ihr Blick und das Gesicht verwandelten sich in die altbekannte, angewiderte Fratze, die sie so unsympathisch machte. Es schreckte mich total ab und ich bemerkte, wie ich innerlich starr und hart wurde. Der Tanz begann.
„Hunger?“, fragte ich knapp. Sie nickte stumm. Als ich das Besteck zur Hand nahm, zuckte sie zusammen. Was, verdammt, hatte die erlebt?
Der erste, mittlerweile erkaltende Bissen Roastbeef wurde argwöhnisch beäugt, als ob ich sie vergiften wollte. Fast widerwillig öffnete sie den Mund.
Es war amüsant zu sehen, wie der Widerspruch offenbar wurde. Einerseits war sie total unterernährt und würde am liebsten den ganzen Teller am Stück verputzen, andererseits hasste sie mich. Irgendwie war ich für sie und zwangsläufig den Prediger der Teufel in Menschengestalt. Sie schloss einen Moment lang ihre rehbraunen Augen. Genießerisches Innehalten. Bissen auf Bissen verschwand in der Frau, doch ich war mir nicht klar, ob sie mir vorspielte, sich zu sozialisieren, um Kraft für den nächsten Angriff zu sammeln, oder ob sie tatsächlich darüber nachdachte, ob ich harmlos sei.
„Ich möchte selbst essen!“, eröffnete sie mir bestimmt.
„Nein, ich kann dir nicht trauen.“
„Dann möchte ich nichts mehr essen“, kam es trotzig zurück.
„Schau mal, wie du aussiehst. Wenn ich dich hier rauswerfe bist du ohnehin bald an Unterernährung gestorben und ein Fressen für die Geier. Und erzähl mir nicht, dass du keinen Hunger hast. Und erzähl mir nicht, dass du dich wohlfühlst in deiner Dunstglocke. Meine Güte, bei dem Gestank fallen die Fliegen tot von den Wänden.“
Ihr Blick schien sich zu verdunkeln, ihr Hass sich zu verstärken. Ich lachte sie an.
„Dein zweites Gürtelmesser habe ich entfernt. Trägst du noch mehr Mordwerkzeuge mit dir rum?“
„Nein“
„Ich glaube kein Wort“
„Dann sieh doch nach!“
„Das mache ich auch. Ich habe nur Angst, dass ich eine Gasmaske brauche, wenn ich nachsehe. Sehe ich das also richtig, dass du fertig und satt bist?”
Ihr Blick veränderte sich. Hass wich Taxierung. Ekel wurde zum Lauern. Sie hatte garantiert noch eine Waffe in Petto. Ich musste wachsam bleiben.
“Nein. Aber ich will nicht gefüttert werden wie ein zweijähriges Kind!”
“Eines wollen wir doch festhalten, Stinketante. Du hast hier rein gar nichts zu wollen. Du kommst her, schleichst dich auf den Stützpunkt, starrend vor Waffen, erschreckst meine Katze, willst mich umbringen, bist selbst dazu zu doof und willst noch etwas? Ernsthaft?”
“Deine Katze ist längst weg.”
“Bestimmt nicht.”
“Bestimmt doch, oder hast du das Loch im Zaun geflickt?”
“So ähnlich”, grinste ich, “da kommt keiner durch, ohne irgendwo draufzutreten. Und dann heißt es: Adios Muchachos.”
“Ach, du Superheld, und was ist, wenn einer raus will? Oder etwas?”
Verdammt. Ich war zu blöde. Wenn Madame oder ihr tapsiges Junges auf die Drähte… die Sorge um das einzige Lebewesen, das mir nicht an die Kehle wollte, schnürte mir den Hals zu. Hastig überprüfte ich den Sitz der Gurte und wandte mich zur Tür.
“Hey! Wo willst du hin?”
“Weg”, antwortete ich lakonisch. Jedoch war ich mir sicher, dass sie sowohl meine Sorge, als auch einen Schwachpunkt in meiner Mauer ausgemacht hatte. Ich hätte sie gleich umbringen sollen.
“Bleib hier du Schwein, ich muss pinkeln!”, rief sie mir nach.
“Ziehs hoch und spucks aus. Oder mach dir ins Hemd, so wie du stinkst, fällt das sowieso nicht mehr auf!”
Dann verharrte ich. Drehte mich um und ging langsam zurück. Trat an ihr Bett und sah sie an.
“Du hast wahrscheinlich gerade Madame gerettet.”
“Das Vieh heißt Madame?”
“Die Einzige Madame, die auf der beschissenen Welt diesen Titel verdient.”, spie ich ihr verächtlich entgegen, “Dafür, dass du mich gewarnt hast, bekommst du nachher eine Belohnung. Du wirst duschen, du darfst aufs Klo. Und wer weiß, vielleicht fällt mir noch etwas ein.”
Dann verließ ich den Raum endgültig. Aus den Lagern der Nachschubkompanie holte ich eine Rolle Stacheldraht, Pflöcke, dicke Lederhandschuhe, einen Seitenschneider und einen schweren Hammer. Dass ich da nicht gleich drauf gekommen war. Atemlos erreichte ich das Loch im Zaun. Die Drähte für die Handgranaten waren schnell durchgeknipst, die Granaten wanderten in die Beintaschen.
Tief schlug ich die Pflöcke ins Erdreich und befestigte den Stacheldraht daran.
Als ich fertig war, plumpste ich total verschwitzt ins Gras. Als mein Atem wieder ruhiger wurde, stand ich auf und begab mich ruhigen Schrittes in Richtung Lazarett. Rechts von mir hörte ich das leise Sirren der Richthydraulik. Es ist schon ein komisches Gefühl, von einem Kanonenrohr verfolgt zu werden. Aber dennoch musste es irgendwie sein. Gedanken machte ich mir jetzt über das Wasser. Judith hatte es auch ohne Seepferdchen geschafft, die Zäune zu umschwimmen. Das schafften auch andere, so schwer war das nicht. Es bedeutete, dass ich taktische Maßnahmen ergreifen musste. Letztendlich konnte man von See her auf das Gelände gelangen. Hielt man sich flach am Boden, wäre das Mantis-System ausgeschaltet. Man konnte sicherlich auf das Schiff gelangen und das war die Gefahr. Ob man bei ABC-Verschluss durch elektrisch gesicherte Schotten konnte, wenn man den sechsstelligen Code nicht kannte, war eine andere Sache. Aber jeder, der es an Bord schaffte ohne mein Einverständnis erlangt zu haben, war einer zuviel. Und ich wollte nicht bis zum Frühling warten, hier weg zu kommen. Das Problem war, dass man ein so großes Schiff nicht allein fahren konnte. Man brauchte mindestens einen Kapitän oder Entscheidungsträger, einen Smutje für die Verpflegung, einen Navigator, der uns sagte, wohin wir steuerten, einen Rudergänger, der das ausführte, einen Radarmann, der Hindernisse erkennen und etwaige Gegner ausmachen sollte, einen Maschinisten für Ersatzteilbeschaffung und Reparatur der Bordsysteme und einen Waffensystemtechniker für die Abwehr. Allein die Operationszentrale brauchte 7 Mann. Das Ganze mal 3, wenn man einen effizienten Dreischichtbetrieb erhalten wollte. Das waren Minimum 25 Leute. Schön wäre ein Arzt, ein Beikoch, Maschinenpersonal, Hubschrauberbesatzung und allgemeines Personal bis hin zur Wäscherei. Aber hier war keine Wunschzeit. Alles, wofür die Menschheit je gestanden hatte, war vorüber. Ob es nun rassistische Auseinandersetzungen waren, Politik, humane Hilfe oder ganz profane Dinge wie Mardi Gras, Spring Break oder Oktoberfest, alles war auf Anfang. Und dieses Stück wurde gespielt von mir, einer Furie, einem verstrahlten Prediger und zwei Katzen. Wäre das ein Zug, würde ich jetzt gern umsteigen. In eine strahlende, einfache und glückliche Zukunft.
Ich schüttelte den Kopf. Warum wollte ich eigentlich an Bord des Schiffes? Um Kommunikation herzustellen! Ich Idiot! Warum hatte ich das noch nicht getan? Breitbandfunk war seit 2006 im Rahmen der Streitkräftegemeinsamen taktischen Feuerunterstützung immer auf denselben Frequenzen vorhanden. Die Frage war, ob die Satelliten noch intakt waren. Aber ich war zuversichtlich, denn immerhin hatte der Stützpunkt noch Strom. Warum also sollten die Satelliten nicht funktionieren?
Kurz bevor ich so grübelnd durch den Eingang des Lazarettes eilen und mein Versprechen wahr machen wollte, drehte ich mich um und marschierte zur Standortverwaltung. Dort lagerten jede Menge Klamotten. Versprochen war versprochen. Diese Tür war allerdings verschlossen. Die Zivilisten hier hatten es wohl gut gemeint, aber ich musste das Schloss aufschießen.
Eine Salve aus dem G36 löste das Problem. Ich konnte es nicht fassen, wie laut das Gewehr war. Ein paar Sekunden lang war ich taub. Dann piepten meine Ohren, dass es schmerzte. Wenn ich irgendwann einmal einen überlebenden Filmemacher finde, der den Leuten weismacht, dass man beim abfeuern einer Waffe innerhalb eines Gebäudes keinen Hörsturz davon tragen würde, würde ich ihn hemmungslos verprügeln. So aber brauchte ich ein paar Minuten, bis ich wieder klar denken konnte. Aber ich wurde entschädigt. Ich wurde fündig, und wie.
Ich schätzte die Frau auf 1,70 m und knapp über 40 Kilo. Größe 36 sollte passen. Schuhe waren immer das Problem. Sie hatte typisch frauliche, kleine Füße. Also auf keinen Fall mehr als 37 0der 38. Falls es nicht passt, könnte man ja wechseln. War ja genug da.
Ich packte alles in einen Seesack und machte mich auf den Weg ins Lazarett. Mit meiner Beute trat ich ins Freie und stockte. Ich sah über das Gelände. Es war alles wie sonst. Oder doch nicht? Etwas stimmte nicht, etwas war anders. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht; ich konnte es nur nicht greifen. Ein Puzzleteil im Bild fehlte. Ein diffuses Gefühl der Gefahr ergriff Besitz von mir. Wenn ich nur wüsste, was…
Grübeln half nicht, ich musste weiter. Ich war zwar schon ein paar Tage lang wach, aber der Anblick der vielen Leichen rings um mich herum war immer noch erdrückend. Ein Obermaat, zwei Schwestern, die sich umklammerten, als ob sie im Liebestanz wären, ein Zivilist mit dem Gesicht am Boden. Und überall das getrocknete dunkelrote Blut aus den Körpern der Opfer. Ein Soldat, der auf dem Bauch lag. Seinen linken Oberarm zierte eine weiße Binde mit der Aufschrift “Feldjäger”. Die deutsche Version der Militärpolizei. An seinem Gürtel entdeckte ich interessante Sachen. Ein Etui mit Handschellen und ein Bündel Kabelbinder. Beides nahm ich an mich. Der MP brauchte es sicherlich nicht mehr.
Eine weitere Idee kam mir beim Laufen und ich beschloss, sie direkt in die Tat umzusetzen. Wenngleich ich mich einen Narren nannte, weil meine Gedanken viel zu viel um diese Frau kreisten. Dieses dürre, dreckige Ding. In den Spinden des weiblichen Krankenpersonales fand ich noch viele Dinge, die eine Frau so benötigte, als die Welt noch zivilisiert war. Ich fand Deo-Roller, Puderdosen, Mascara, Lippenstifte, Haarfärbemittel, Binden und Tampons und erstaunlicherweise Kondome. Letztere ließ ich liegen.
Ich suchte direkt neben den Umkleidekabinen des Personales einen Duschraum, breitete die Sachen aus, überprüfte, ob die Fenster gut verschlossen waren und verriegelte die Nebentüren. Zufrieden machte ich mich auf den Weg, meine Gefangene in einen Menschen zu verwandeln. Ein sanftes Lächeln zog über meine Gedanken. Vielleicht würde sie sehen, dass es hier gar nicht so schlecht und ich nicht der Teufel war? Immerhin wären wir so etwas wie Adam und Eva. Ich schüttelte mich. Nein, das ging zu weit.
Als ich durch die Tür treten wollte, sprangen sofort alle meine Sinne an. Das Bett war leer. Ich war eine Sekunde lang in Schockstarre, und das reichte. Ein großer, roter Feuerlöscher kam aus dem Nichts und traf mich mitten auf die Brust. Pfeifend entwich der Atem aus meinen Lungen und ich taumelte rückwärts. Verdammtes Biest. Claudia sprang hinter der Tür hervor, nahm Maß und sprang mich wie eine Katze an. Mord funkelte in ihren Augen. Kein Zweifel, sie wollte mich töten. Auf gar keinen Fall hätte ich ihr soviel Kraft und Eleganz zugetraut. Sie bewegte sich wie ein Schatten. Flog auf mich zu mit geballten Fäusten. Unglaublich.
Jeden normalen Kerl hätte sie zweifellos ausgeknockt. Und ich war heilfroh, dass ich eine so gute Ausbildung genossen hatte. Auch vor dem Militär schon. Der erste Schritt, einer Gefahr zu entrinnen ist, sie zu erkennen. Und ich wusste, was sie vorhatte. Sie wollte mich mit Wucht an die Wand rammen. Mit ein wenig Glück würde ich mir den Kopf stoßen, einen Moment lang benommen sein und sie könnte den Sack zumachen. So aber blieb nur noch, instinktiv zu verhindern, dass sie ihren Plan erfüllte. Ansatzlos hob ich mein rechtes Bein und traf sie im Flug mitten in den Magen. Sie schien in der Luft stehen zu bleiben. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich von dieser irren Wut in Erstaunen. Und doch fiel ich rückwärts auf den Hintern von der Wucht ihres Angriffes. Jedoch war ich schneller auf den Beinen als sie. Claudia lag japsend auf dem Boden und kotzte das Roastbeef aus. Ohne zu zögern drehte ich ihr den Arm auf den Rücken und stieß sie zurück in den Raum.
“Du blöde Kuh”, stieß ich hervor, “jetzt stinke ich genau wie du, da ist ja eklig! Ist das der Dank?”
“Der Prediger sagt, Gott wird seinen Kindern das Lamm schenken. Er sagt, Gott wird den Rechtschaffenen die Welt zu Füßen legen. Er sagt, das geht nur, wenn die Sünde stirbt!”, dabei spuckte sie wieder auf den Boden, “und das bedeutet, dass du sterben musst, Sünder, denn du bist die Pest, du bist der Tod, du bist die Sünde, du bist die Passage ins Himmelreich für die anständigen Menschen!”
“Was du nicht sagst”, stöhnte ich und hielt mir den Brustkorb, “und steht nicht in den 10 Geboten, dass man nicht töten soll?”
“Das steht da, Sünder, das steht da, ja. Aber du bist der Tod, du bist der Zerstörer der Welten. Und den zu töten, ist das kleinere Übel und die Pflicht der Rechtschaffenden!”
“Aber damit wirst auch du zum Sünder! Idiotin, merkst du nichts?”
Ich konnte nicht weiterreden. Mir blieb die Luft weg. Sie hatte mich schwerer getroffen, als ich zu zeigen bereit war. Mein Brustkorb brannte wie Feuer und ich hatte Mühe, zu atmen. Dumme Nuss.
“Ausziehen”
“Was?” Ungläubiges Erstaunen.
“Rede ich spanisch? Runter mit den Klamotten aber dalli!”
“Nicht im Traum”
Das Gewehr ruckte in meinen Händen, als die Garbe halbkreisförmig über ihr in die Decke schlug. Putz, Gips und Farbe regneten zu Boden. Messinghülsen tanzten zu einer klingelnden Melodie. Und ich hatte endgültig die Geduld verloren.
“Du kannst mir glauben, hier ist Schluss. Ende. Kannst es dir aussuchen. Ducken oder bluten, was willst du?”
Sie fixierte mich. Ihr Blick hatte einen beinahe hypnotischen Ausdruck angenommen und ich fragte mich ernsthaft, ob mein Plan nicht völlig sinnlos wäre. Die Konditionierung des Predigers hatte schon vor Monaten begonnen. Das war wohl eine Schlacht, die ich nicht gewinnen konnte. Eine Sekunde lang war ich bereit, abzudrücken. Ich war nicht imstande, alle Kastanien aus dem Feuer zu holen. Doch sie schien das zu spüren. Langsam, mich nicht aus den Augen lassend, öffnete sie den Reißverschluss der Lederjacke, zog sie aus und schleuderte sie mir vor die Füße. Es folgte das ehemals weiße T-Shirt. Jetzt starrte es vor Dreck und Schweiß. Auch darunter nichts als Schmutz. Und sie war magerer, als ich angenommen hatte. Deutlich waren ihre Rippen zu erkennen. Erstaunlich, wie viel Kraft in diesem schmächtigen Körper wohnte.
Sie drehte sich um, als sie begann, die Hose zu öffnen. Jetzt sah ich ihren Rücken. Mein Gott...
(*1) Als „Heiliger Geist“ bezeichnen Soldaten eine Art… Verhaltenskorrektur an Kameraden. Wenn ein Soldat sich weigert, zu duschen und seinen Leuten damit auf den Nerv geht, wird er während des Schlafes kurzerhand samt Bett und Matratze von den Kollegen unter eine kalte Dusche gestellt und zwangsweise gewaschen. Ein C-Schlauch der Feuerwehr taugt auch.
Der Heilige Geist kommt übrigens immer nachts.
Kapitel 7B „Scham“
Das Blut in meinen Adern kocht vor Wut und Hass. Wie kann es dieser elende Sünder nur wagen, mich zu zwingen, meine Kleidung abzulegen?
Mich…Judith – die Reine vor dem Herrn, die sich unter schrecklichen Qualen von allen ihren Sünden mit Hilfe des Predigers geläutert hat, die ihrem früheren Leben und dem schwachen Fleisch abgeschworen und ihren unbedingten Willen über den grausamen Schmerz gestellt hat.
Wie wird sich dieser Satan gebärden, wenn ich nackt und schutzlos vor ihm stehe? Sich mit mir gegen meinen Willen gotteslästerlich vergnügen, mich für seine Lust benutzen und dann, wenn sein Trieb gestillt ist, meinen geschändeten Körper dieser Madame-Raubkatze zum Fraß vorwerfen?
Ich wage nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Alles wäre umsonst gewesen – das Training, der Drill, die Schmerzen und meine Hoffnung auf einen Neustart in einer besseren, von aller Schuld gereinigten Welt, zu leben – alles umsonst.
Ich höre wieder die Stimme des Predigers in meinem Kopf hallen, dass alle Sünder ihrer gerechten Strafe durch einen geweihten Vollstrecker zugeführt werden müssen, dass es vorher keine Chance auf Erlösung gibt.
Der Warnschuss schlägt knapp über meinem Kopf in der Decke ein und ich sehe in seinem Gesicht wilde Entschlossenheit. Die nette aufgesetzte Maske der vorgetäuschten Menschlichkeit von vorhin ist verflogen. Die sündige Kreatur zeigt ihr wahres Gesicht.
In seinem irren Blick funkeln nun seinerseits unbändiger Zorn und Ekel. Sein Körper ist angespannt und er wartet nur darauf, dass ich mich falsch bewege. Er ist nur einen Wimpernschlag davon entfernt, mich mit unerfüllter Mission vor meinen Schöpfer zu schicken, sollte ich nicht augenblicklich gehorchen.
Wie in Zeitlupe registriere ich, wie sich sein Finger gen Abzug krümmt.
So kann ich nicht vor den Allmächtigen treten, gescheitert und in Schande. Meine unsterbliche Seele ist in höchster Gefahr, ich habe schreckliche Angst vor den unüberschaubaren Konsequenzen meiner Sturheit, doch nicht vor dem Sünder selbst sondern vor dem Gottes Gericht.
Ich habe Angst vor dem Höllenfeuer, das mich erwartet, wenn ich scheitere.
Ich spanne meinen Körper in Erwartung der Exekution an. Lieber bin ich tot als nackt vor diesem Monster zu stehen und die Schändung meines Leibs durch ihn zu ertragen!
Doch in allerletzter Sekunde gewinnt die indoktrinierte Pflichterfüllung meinen inneren Kampf. So lange ich noch atme, kann die Mission noch erfüllt werden!
Mit hasserfülltem Blick werfe ich ihm meine Lederjacke vor die Füße. Nach einer kurzen Pause und einem tiefen Seufzer ziehe ich das dreckstarrende T-Shirt über den Kopf und lasse es achtlos zu Boden fallen. Überrascht blickt mich das Tier an.
Jawohl – ich trage keinen BH! Wozu auch?
Meine Brüste sind klein und fest, sie stehen von allein und benötigen keinen künstlichen Halt. Mein Dekolleté hat sich seit meinem Titelgewinn zur „Miss Mieder“ bei irgendeinem dämlich dekadenten Oktoberfest im früheren Leben nicht groß verändert, doch dies war Claudia nicht Judith.
Claudia ist schwach, Judith dagegen ist stark!
Meine Stiefel und Socken streife ich langsam ab. Tränen der Scham rinnen aus meinen Augenwinkeln als ich den Reißverschluss meiner Hose öffne. Himmel bitte – ich ertrage es nicht, dass dieses Tier mich die ganze Zeit über anstarrt!
Ich weiche seinem bohrenden Blick aus.
Womöglich regt es sich bereits erwartungsvoll in seiner Körpermitte!
Mir ist so übel bei diesem Gedanken, dass ich zu würgen beginne, doch es ist nichts weiter mehr in meinem Magen, was ich ausspeien könnte, nicht einmal mehr bittere Galle.
Um wenigstens etwas Privatsphäre zu haben, drehe ich ihm den Rücken zu, als ich meine Beinkleider abstreife, schließlich fällt noch das letzte Stück meiner Schutzhülle, mein Slip. Ich denke sehnsüchtig an das Karambit im Rucksack.
Wie gerne hätte ich es nun in meiner Hand, um dieser lüsternen Schlange hinter ihr, die Kehle durchzuschneiden. Wo ist der Rucksack nur?
Während ich mich zu erinnern versuche, wo ich ihn das letzte Mal gesehen hat, fließen meine Tränen nun in einem steten Strom über meine Wangen und tropfen auf den kalten Granitboden.
Jetzt bin ich nackt. Mit dem letzten Rest Stolz drücke ich meinen Rücken durch und ätze ihm entgegen:
„Siehst du Sünder, ich habe die Wahrheit gesagt – keine weiteren Waffen.“
Ich wundere mich, dass von dem Satan in Menschengestalt gar nichts kommt, weder eine verächtliche noch eine zotige Bemerkung. Stattdessen höre ich seinen Atem geräuschvoll entweichen. Meine Oberarme verbergen meine Brüste und meine übereinanderliegenden Hände schützen mein Allerheiligstes. So stehe ich angespannt da, mit dem Gesicht zur kahlen Wand, und warte.
„Wer war das? Wer hat dich derart grausam misshandelt? Etwa dieser elende Schweinepriester? Hat er dir diese schlimmen Striemen zugefügt?“ höre ich die entsetzte Stimme meines Peinigers.
„ Der gütige und gestrenge Prediger hat mich geläutert, er hat seit dem Frühling mein schwaches Fleisch und meinen Geist gestärkt, damit ich sein gerechtes Werkzeug sein kann, Sünder!
Gerettet hat er mich, mit jedem einzelnen seiner brennenden Peitschenhiebe, aber ich erwarte nicht, dass eine so niedrige Lebensform wie du, den höheren Zweck des Ganzen versteht!“ entgegne ich ätzend.
Gänsehaut überzieht meinen Körper, ich friere so schrecklich, alles tut mir furchtbar weh und die Erinnerung an die entsetzlichen Schmerzen der Läuterung stehen frisch - wie gerade erst geschehen – vor meinem inneren Auge.
Schweig Claudia! zischt Judith unhörbar.
„Dieses miese Schwein! Sag mal, weißt du eigentlich, was für ein dummes Zeug du daher redest Mädel?
Hast du noch sowas wie ein Gehirn oder ist das bei deiner zu heißen Gehirnwäsche auf Erbsengröße eingelaufen? Ich geh mal eben in die Ersatzteilbeschaffung und hol dir ein Neues! So ein verdammter Unsinn!
Eins sag ich dir: Wenn euer Himmel aus Peitschenhieben und Schmerz besteht, dann will ich lieber mit Freuden in der Hölle feiern!
Also nix gegen ein bisschen Haue ab und an, das kann ja ziemlich anregend sein – aber doch nicht so extrem wie bei den Sklaven im alten Rom!
So und jetzt Abmarsch unter die Dusche, aber hurtig! Ausgezogen stinkst du noch schlimmer als in den Klamotten!“
Der Dämon in Menschengestalt redet sich in Rage. Das unterdrückte Wesen Claudia nickt innerlich und stimmt ihm zu.
Sein echauffierter Ton fordert die Judith in mir geradezu zu einer entsprechenden Reaktion heraus, doch mit einem vehementen:
„ Klappe Nacktfrosch! Im Moment stehst du nicht auf meiner Rednerliste!“
verbietet er mir kurzerhand den Mund und treibt mich mit dem Lauf seiner Waffe zwischen meinen Schulterblättern auf den Gang hinaus. Zähneknirschend füge ich mich.
Krampfhaft suche ich nach einer Gelegenheit zur Flucht, im Notfall auch nackt. Ich stelle mir vor, wie er auf meinen Po starrt und möchte am liebsten im Boden versinken. Ich war noch nie sehr freizügig, was das körperliche angeht. Selbst vor meinem Ehemann hatte ich Scham, mich hüllenlos zu zeigen, und nun sieht mich nicht nur ein Fremder so, sondern auch noch ein verdammter Sünder!
Meine Reinheit wird sich in Wohlgefallen auflösen und dass, wo mir doch der Prediger versprochen hat, mich mit einem Getreuen unwiderruflich zu verbinden, wenn alle Sünder erledigt sind.
Damit es wie im Paradies einen neuen Anfang für die Menschheit gibt, aber diesmal einen ohne Sündenfall - dank künstlicher Befruchtung.
Als Eltern, die den moralisch reinen Nachwuchs im Sinne des Predigers erziehen, werden wir uns wertschätzen und achten, mehr nicht.
Sex ist allen Übels Anfang und deshalb tabu, das mussten alle in der Bruderschaft bei ihrem Leben versprechen.
Je länger der Weg zum Waschraum dauert, desto mehr komme ich zu der Erkenntnis, dass das Tier hinter mir, mich sicher nicht vor meiner Körperreinigung zu nehmen gedenkt. Etwas Zeit verbleibt mir also, einen Plan zu entwickeln.
Doch jetzt muss ich dringend aufs Klo, wirklich sehr dringend! Hoffentlich darf ich das wenigstens allein. Dann stehen wir vor einer Tür.
„Öffnen, aber gaaanz langsam!“ bellt es hinter mir.
Er schubst mich in den steril gekachelten Raum hinein.
Ich warte darauf, dass er die Tür hinter mir schließt und draußen wartet, doch mitnichten.
„Ab mit dir aufs Klo und dann unter die Dusche! Frische Kleidung liegt hier…“, er deutet auf einen Stahlrohrhocker.
Hm, den könnte ich als Waffe benutzen…
„Denk nicht mal im Traum daran, Killerkätzchen!“ poltert er.
Sch…, kann dieser Kerl etwa meine Gedanken lesen?
„Na los, mach schon und bedanken darfst du dich auch gerne!“ befiehlt er ungehalten.
„Für was soll ich „Danke“ sagen?“ erwidere ich bockig. „Dafür, dass du mich hier demütigst und beleidigst? Vielleicht für die Schmerzen und Wunden, die du mir zufügst? Aber sicher! Danke sehr für deine widerwärtige Anwesenheit und den Pesthauch der Sünde, mit der du mich beschmutzt!“
„ Eine ziemlich dicke Lippe, die du hier riskierst, Süße! Du darfst dich für meine Menschlichkeit dir gegenüber bedanken. Echt jetzt - für eine „Gerechte“ und „Auserwählte“ hast du ziemlich miese Manieren, ich glaube, ich muss dich bei Gelegenheit mal ordentlich übers Knie legen und dir deine Frechheiten austreiben!“ meint er kühl und fügt nach einer kleinen Pause hinzu „mir erscheint, da stehst du drauf!“
Kräftig schlucke ich und schon wieder laufen meine Tränen. Verdammte Schwäche, was ist denn los mit mir? Wann habe ich mir das letzte Mal erlaubt, so viel zu weinen? Meine widerborstige Fassade bröckelt eben kräftig. Die Claudia in mir beginnt, sich Stück für Stück ihrer mentalen Fesseln zu entledigen und überrennt die dominierende Judith mit einem massiven Gefühlsansturm. Sie gewinnt verlorenes Terrain zurück.
Ich fühle mich so allein und verletzlich. Er steht da wie ein Fels und betrachtet mich aus eiskalten blauen Augen, die zu schmalen Schlitzen verzogen sind. Mit Hass und Widerborstigkeit erreiche ich bei ihm gar nichts. Vielleicht, wenn ich an seine Instinkte appelliere?
„Ich kann nicht, wenn einer zuschaut, bitte, ich möchte allein sein“, flehe ich und versuche ein schüchternes Lächeln.
„Antrag abgelehnt! Auf deinen Honigkuchenblick falle ich nicht rein, Schätzchen. Du wirst schön alles vor meinen Augen erledigen, ob es dir passt oder nicht. Du kannst ja dabei die Augen schließen.“ Kalte Süffisanz durchdringt seine Worte.
Verdammt! Ich muss mich überwinden, denn das Bedürfnis ist zu dringend, um es weiter zu ignorieren, doch ich hasse ihn unermesslich dafür, dass er mich derart erniedrigt. Dafür wird er bezahlen!
Sobald ich eine Chance sehe – Judith ist wieder am Zug!
Würde sich doch nur ein Abgrund unter mir öffnen und mich verschlingen, doch dieser Gefallen wird mir leider nicht erwiesen.
Ich verrichte mit zusammengebissenen Zähnen mein Bedürfnis und betrete zögerlich die Dusche, drehe vorsichtig das Wasser auf. Eiskalt wie die Ostsee im Winter schießt es aus der Brause! Ich schreie vor Pein auf und dieser Mistkerl lacht sich schier über mein Leid kaputt. Ich kann es nicht erklären, denn obwohl ich mehr als sauer auf ihn sein müsste, falle ich in sein Lachen mit ein.
Es ist so befreiend und ich spüre, wie sich meine Lebensgeister rühren. Endlich – es wird wärmer und schließlich hat es die richtige Temperatur. Wie lange hatte ich das nicht mehr? Eine heiße Dusche und Seife! Frische Kleidung! Die Aussicht, meine Zähne zu putzen…
Sündige Gedanken und DAS in meinem Kopf! Verflixte Claudia, sie wird immer stärker!
Ich stelle das Wohl meines Körpers über das meiner Erziehung durch den Prediger! Ich gehöre auf der Stelle bestraft! Ob sich hier wohl ein passendes Instrument finden lässt? denke ich mir voller Abscheu über mich selbst und genieße trotzdem seufzend und mit geschlossenen Augen diese Wohltat. Noch immer schäme ich mich meiner Nacktheit, aber mittlerweile bin ich fast vollständig in heißen Dampf eingehüllt und damit fast unsichtbar für meinen Bewacher.
Noch immer steht er in sicherem Abstand an der Tür und bohrt seine Blicke in meinen Rücken.
Ein lautes Geräusch lässt mich vor Schreck zusammen fahren. Wie Trommelfeuer! Auch er zuckt alarmiert zusammen.
„Ende