Kerze Drei - vorbei!
Drei Kerzen brennen. Die Flämmlein ruckeln und zuckeln um die Wette. Kerze Drei gibt sich Mühe, Kerze, Eins und Zwei einzuholen. Da sie im Zug des gekippten Fensters steht und ihre schläge Flamme am nahen Rand lecken kann, scheint es, als ob sie damit Erfolg hätte. Mit vor Stolz geschwellter Flamme, trunken vom unerschöpflichen Strom frischen Sauerstoffs und willig dahinschmelzendem Wachs, frisst sie sich gierig tiefer und tiefer. Die Warnungen der Nachbarkerzen, dass sie gefälligst auf den sich rasch nähernden trockenen Tannenast Rücksicht nehmen soll, überhört sie geflissentlich.
"Die sind doch nur neidisch auf meine prachtvolle Flamme!", denkt sie und ist nun erst recht von ihrer Überlegenheit überzeugt.
So kommt es, dass sich Oma Kasulke bei ihrer Rückkehr vom Weihnachtsmark,t auf dem sie mit Tinchen, ihrer Enkelin leckere Waffeln und den wunderbar wärmenden Glühwein genossen hat, zuerst über den hellen Schein am Himmel und dann das blaue Blinken in Richtung ihrer Strasse wundert.
Nachdem Kerze drei den Ast erreicht und sich anfangs freut, dass dieser Feuer und Flamme für ihren heissen Kuss ist, muss sie ohnmächtig mit ansehen, dass Kerze Zwei, Drei und sogar die bisher noch unberührte Vier mit unglaublicher Geschwindigkeit aufholen. Die versprochenen Glöckchen hört sie nicht mehr.
Genausowenig wie das nahende Lalülala.
Auch Oma Kasulke und Tinchen nicht.
Die sehen nur noch die rauchenden Reste des Häuschen und wundern sich über die Feuerwehrmänner, die sie allesamt mit strahlendem Lächeln im rußgeschwärzten Gesicht empfangen.
"Gott sei Dank, ihr lebt!" ruft Tinchens Mutter und Karl, Oma Kasulkes Sohn weint gar vor Erleichterung.
So kommt es, dass in diesem Jahr für Kerze Drei und ihre Mitkerzen Weihnachten ausfällt. Daran ändert auch die schönste Moral von der Geschicht nichts mehr.