Wie Weihnachten einmal fast ausgefallen wäre
„Ja! Verfickt nochmal! Ich meine das ernst!“ rief er und warf eine weitere (leere) Flasche nach dem Rauschgoldengel.
Als dieser dann vor der versamelten Mannschaft stand und die traurige Botschaft verkündete, breitete sich eisiges Schweigen aus. Keiner wusste etwas zu sagen, geschweige denn wie es weitergehen sollte, wenn der Weihnachtsmann die Brocken hinwarf. Er hatte zwar seine Anwandlungen, aber die kamen und gingen. Nicht weiter verwunderlich bei einem Mann seines Alters, doch nie war es so schlimm gewesen wie dieses Mal. Er hatte sogar Elfen aus der Versandabteilung aus dem Fenster geworfen, die ihm Lohnverzicht angeboten hatten, um ihn umzustimmen.
Dann fing das Jammern und Klagen an: Wer sollte den Kindern der Welt ihre Geschenke bringen?
„Fragt halt Superman, scheiße noch eins, der is inzwischen fetter als ich!“ grantelte er noch, bevor er die Tür hinter sich zuknallte.
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Nicht lange danach, im Jobcenter Leipzig-Möckern ...
„Nu, mei Gudster, was hamse denn für Qualifikationen? Was haben Sie zuletzt gearbeitet?“
„Ääähm.... Spediteur.“
„Großunternehmen?“
„Das möcht ich meinen. Das Größte.“
„Hmm ... Hmmmm ... Stähnse doch mal biddeschön auf.“
„Warum ...“
„Nu machense schon, ich muss doch sehn, wo ich sie unterbringen kann.“
„Okay ...“
„Sie könn sich wieder setzen.“ Sie klickte mit der Maus herum, machte sich ein paar Notizen, dann sprach sie ihn wieder an. Würden Sie sich für eine neue Anstellung den Bart abrasieren?“
„Der bleibt dran.“
Sie strich etwas von einer ziemlich kurzen Liste auf dem karierten Block neben der Computertastatur.
„Würden Sie für eine Anstellung reisen?“
„Machen Sie Witze? Das war mein Job, verdammich!“
„Guut ... Umziehen?“
„Umziehen.. . Ich weiß nich ...“
„Also ein bisschen Angaschemeng muss ich schon bei Ihnen erkennen können ...“
„Ja.... Jaaa, na gut. Ist vielleicht nicht schlecht, ein bisschen Abstand von der alten Bande zu bekommen“
„Konfession?“
„Konfession???“ fragte er entgeistert, „Katholisch natürlich!“
„Schaaade,“ sagte sie und strich wieder etwas von der Liste, auf der nur noch wenige Notizen nicht durchgestrichen waren, "in Syrien hätte ich was gehabt. Da wäre der Bart sogar von Vorteil gewesen und das One-Way-Ticket hätten wir Ihnen bezahlt, aber die sind etwas pingelig mit der Konfession.“
„Hören Sie, ich habe mein ganzes Leben gearbeitet, ich kann nicht einfach nur rumsitzen. Geben Sie mir einfach die nächste Adresse, die Sie auf ihre Liste haben und ich verspreche, dass ich hingehe und es mir mal ansehe. Ach, wissense was? Geben Sie mir halt einfach die ganze Liste.“
Irgendetwas sagte ihr, dass dieser ältere Herr etwas besonders war, er hatte sowas seriöses, Vertrauen einflößendes. Sie würde nicht eine Sekunde zögern, ihm ihr Kind auf den Schoß zu setzen. Deshalb gab sie ihm die Liste und druckte die Adressen aus.
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Nach einer kurzen aber steilen Karriere als Wrestler mit dem Kampfnamen „Nordic Nemesis“, einer Statistenrolle in „Santa Clause 4 - The Payback“ und um einige Abenteuer reicher, stand er schließlich wieder vor der großen Eichentür am Nordpol. Er sah sich noch einmal um und bewunderte die lautlose Schönheit der Nordlichter, die Weite der Schneedecke und die Stille der Nacht. Bald würde er keine Zeit mehr haben, sich all dies anzusehen.
Er klopfte. Schlurfende Schritte näherten sich der Tür und ein müde aussehnder Superman mit dicken Ringen unter den Augen öffnete. Sein trüber Blick hellte sich jedoch schnell auf, als er den Reisenden erkannte.