Pilze
Pilze< Beginn einer Erzählung, die im Nov. 89 in Berlin spielt >
»Du liebst mich nicht.«
»Warum liebe ich dich nicht? Natürlich liebe ich dich.«
»Ja, aber nicht richtig.«
»Was soll das heißen?«
»Du siehst mich nur materiell.«
»Weil ich gerne mit dir ins Bett gehe?«
»Sei ruhig, du Bastard. Lass es mich erklären. Du liebst mich nicht spirituell.«
»Würden wir auch noch vögeln, wenn’s spirituell wär?«
»Natürlich. Gegen Sex ist nichts einzuwenden.«
»Was ist dann der Unterschied zu unserer momentanen Liebe? Verstehe ich nicht.«
»Du bist ein gottverdammter Idiot. Von allen Schwachköpfen, mit denen ich befreundet war, der Blödeste. Ich hasse Dich.«
»Komm runter. Du hast irgendwas genommen. Trink einen Schluck. Das beruhigt.«
»Ich will nichts trinken. Du mit deinem ekligen Bier. Sieht aus wie Pisse und schmeckt auch so. Macht dich träge und dumm im Kopf. Du widerst mich an.«
»Aber du mit deinen Fliegenpilzen. Siehst bunte Bilder und kicherst albern rum. Na super.«
»Davon verstehst du nichts. Die Pilze helfen mir, eins mit Gott zu werden.«
»Und kletterst wie Robert aufs Dach. Denkst, dir wären Flügel gewachsen und springst runter. Und sitzt danach dein Leben lang im Rollstuhl. Schöne Scheiße.«
»Robert hat’s übertrieben. Er hat zu viele Pilze genommen. Da kann so was schon mal passieren. Ich mache es anders.«
»Aha, die Prinzessin macht’s also anders. Und wie, bitte schön?«
»Nenn mich nicht Prinzessin. Das macht mich wütend. Geh einfach. Ich kann deine Anwesenheit nicht mehr ertragen.«
»Okay, dann gehe ich halt. Gibt sowieso nichts zu Trinken mehr in diesem Haus.«
Ich schnappte mir meine Jacke und marschierte Richtung Tür.
»Tim.Tim, bleib stehen!«
Ich drehte mich langsam um.
»Was ist? Ich will nach Hause.«
» Wenn du mich jetzt alleine lässt, dann brauchst du nie mehr wieder zu kommen. Verstehst du das, du Mistkerl?«
»Was nun? Gehen oder bleiben? Entscheide dich.«
»Fahr zur Hölle!«
»Okay. Wenn ich den Teufel treffe, grüße ich ihn von dir.«
Als ich die Klinke in die Hand nahm, riss Emma an meiner Schulter.
»Tim. Ich möchte mit dir schlafen.«
»Lustige Idee. Vor zwei Minuten hast du dich noch vor mir geekelt.«
»Wen interessiert das, was vor zwei Minuten war? Nur so einen pedantischen Buchhalter wie dich. Ich will ein Kind von dir.«
»Wann? Heute Nacht?«
»Ja jetzt.«
»Du verhütest nicht mehr?«
»Du bist ein Dreckstyp. Interessierst dich nur für dich selber. An mich und das Kind denkst du nie.«
»Welches Kind? Wir haben kein Kind.«
»Weil ich ihm so einen Vater wie dich echt nicht zumuten möchte. Und jetzt hau endlich ab. Ich habe ein für alle Mal genug von dir.«
Emma schlug die Tür hinter mir zu und drehte den Schlüssel mehrmals herum. Ich stand auf dem dunklen Hausflur. Als ich die Treppe hinunterging, hörte ich, wie sie weinte.
...
(c) H.H. // Okt. 2011