Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Slipless
2218 Mitglieder
zum Thema
Cuckolding anno dazumal - verborgenes Verlangen1
Lauscht, edle Seelen, der erstaunlichen Geschichte von Lady Ursula…
zum Thema
Toleranz - wo sind die Grenzen?328
Wir hier im jc - wir sind ja offen und tolerant! Manche mehr, manche…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Auszug aus meiner Sammlung (siehe unten)

Auszug aus meiner Sammlung (siehe unten)
43. Schritt


„Vogelkäfige, grooße, praktischee Voogelkäfige“, ruft der Mann mit der Laterne, der Menschen sucht – und ich muss lachen. Er trägt eine unsichtbare Narrenkappe, auf der „Philosoph“ oder “Dichter“ steht – ich kann’s nicht genau erkennen, weil er es so klein geschrieben hat - , aber ich glaube, die Kappe habe überhaupt nur ich als stofflich bemerkt.

Zuerst beachtet keiner den Mann, doch als sein Rufen immer eindringlicher wird, antwortet ihm irgendwer aus der Menge: „Ich lasse meinen Vogel ausbrüten, was immer er will!“ Ein anderer meint: „Vögel sind zum Brüten da, fallerie und fallera, das darf man nicht verhüten, das Brüten, das Brüüten“.

Ist Vögel einsperren unmenschlich? Denke ich und gehe noch ein Stückchen weiter: nein, Vögel dürfen so oft sie wollen! Das ist die wahre Toleranz, das ist Vögelrecht! Der mit der unsichtbaren Narrenkappe schüttelt den Kopf… Aber man ist auf ihn merksam geworden.

Die Menge skandiert jetzt im Chor: „Wer Vogelkäfige anpreist, anpreisen lässt, oder deren Anpreisung befördert, ist mit Vögeln über 18 Jahren zu belegen. Das hilft! Pleitegeier, Reichsadler, Heilig-Geist-Tauben, Glücksraben und diebische Elstern, frank und frei inbegriffen.“

Wieder muss ich lachen. Doch der mit der Narrenkappe lässt sich nicht beirren. Er hat einen Katalog dabei. Den schlägt er nun auf und er zeigt ihn aufgeschlagen herum, wobei er behauptet, es seien Vogelkäfige darin zu sehen. Ich erkenne aber nur Gedichte, bzw. Essays.

Ist das nicht närrisch? Das ist närrisch! Während ich noch mit mir um Narretei oder Nichtnarretei ringe ruft der verkappte Narr nun wieder etwas in die Menge hinein und ich bin gespannt was herausschallt, denn ich verstehe – etwas undeutlich - : „Dies ist keine Bibel, sondern meine Bibel, es ist kein Buch der Heiligen, obwohl es mir heilig ist, denn ich habe es selbst erdacht, nicht erdenken lassen, oder darin Gedanken befördert, die nach Erlassen gedacht wurden.

Lange denke ich darüber nach, vor und zurück, die ganzen Register rauf und runter, dann verstehe ich ein wenig davon… Dieses Buch eignet sich sehr wahrscheinlich vorzüglich dafür, Vögel zu ergreifen und sie daran zu hindern Greifvögel zu werden… „Voogelkääfige, große, praktische Vooogelkäääfige,“ ruft der Mann. Sein Buch hält er dabei hoch über den Horizont!

Ein Preis steht nicht darin. Anscheinend kostet es (die Vogelkäfige) nichts – wahrscheinlich kostet es nur die Aufmerksamkeit. Das ist ein hoher Preis! Er scheint viel zu hoch zu sein, denn es kommt Bewegung in die Menge. Sie lacht jetzt auch, nur nicht wie ich, in mich hinein, sondern schallend über sich hinaus.

„Was nichts kostet kann auch nichts sein und nichts kann sein was nicht sein darf, koste es was es wolle. Wer aber nichts verlangt, der darf auch nichts anbieten, denn sonst wäre ja alles was etwas kostet, nicht mehr wert als deine Vogelkäfige!“ Man hatte, wie mir schien, die Aufmerksamkeit einfach vergessen – das teuerste Gut! Doch ich schwieg – im Gegensatz zu den Papageien. Zu den Papageien? Ja!

Die schien man jetzt freigelassen zu haben. Ihre Fittiche rauschten allüberall in der Luft! In Schwärmen kamen sie herbei! Auf allen erdenklichen Mauern und Plätzen ließen sie sich nieder und bald war die Luft von ihrem schnatterhaften Lärm erfüllt. Ich hatte den Eindruck ein jeder von ihnen gibt vor, als Käfig-Abwehr, eine wichtige Botschaft mit sich zu tragen, denn jeder verkündete sein Credo in eine willfährige Welt.

Es schallte aus Rathäusern, aus den Lautsprechern der Polizei und der Wahlpropagandisten, von Kirchtürmen und Minaretten herab, aus den Telefonhörern der Werbestrategen, aus Fernsehern, wo sich die Papageien anscheinend als Nachrichtensprecher verkleidet hatten, aus dem Zoo – in den Zoo, aus den Papageienmündern der unzähligen Don Juans und ihren Angebeteten, aus berufenen und unberufenen sozusagen – alles war papageiisch dominiert und es war: unüberhörbar!

Schließlich hätte ich drauf gewettet, es seien gar keine Papageien mehr, die da sprachen, vielmehr hätte ich meine Hand ins Feuer gelegt und darauf geschworen, da redeten die Leute, frei von der Leber weg, höchstselbst – wäre da nicht die immer gleiche Aussage gewesen: „Vogelkäfige, große, praktische Vogelkäfige!“ Aber kopiert hatten sie nichts? Neinnein, nein – naain, nei-en! Sie meinten es auch noch ernst!


*

41. Schritt


Euer Wahnsinn hat Methode,
Weltenlenker und Banausen,
versammelt euch nur zur Synode –
uns wird dann der Affe lausen!

Ihr glaubt EUER Spiel zu treiben,
euren Unsinn zu vollbringen.
Lasst das lieber baldigst bleiben:
Schatten sind zu überspringen!

Denn der Wahnsinn war gemacht,
lang‘ bevor ihr noch geboren –
ihr habt ihn nicht ausgedacht.
Schreibt‘s euch hinter beide Ohren!

Ihr seid nur die Wahn-Vollstrecker,
Werkzeug einem Schicksal, welches
euch benannte als Entdecker
dieses blöden Schierlingskelches:

den wir gemeinsam leeren werden!
Denn dies ist das oberste Prinzip:
alle dummen Hammelherden
folgen sittsam Lug und Hieb!

Man muss sie nur genauso schlagen
wie sie es, bei Gott, verlangen.
Sie werden gar nichts hinterfragen,
fasziniert von Gift und Schlangen…

Und so wird Methode bleiben,
was der Wahnsinn mit uns macht,
da kann man denken oder schreiben –
die Menschheit dämmert in der Nacht!

*


42. Schritt


Im Karneval sind alle grauen Mäuse bunt,
im Karneval sind spitze Ecken kugelrund,
Im Karneval kennt keiner keine Grenzen,
da kann man Schulverstand verschwänzen!

Im Karneval verwischen sich die Spuren,
da laufen rückwärts programmierte Uhren,
im Karneval ist aller Unsinn Staatsraison.
Karneval ist das Maskottchen der Nation!

Im Karneval, da darf man planlos Küssen,
da ist der Übermut Vertretung für Gewissen,
da treibt man über was man lieber unterlässt –
Karneval ist, was uns im Gehenlassen stresst.

Karneval tobt heimlich durch das ganze Jahr,
er nimmt Besitz von uns mit Haut und Haar.
Im Wahn, da sind die Menschen aufgehoben,
drum lasst ihn uns im Karneval hoch loben!


(aus "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten)

©Sur_real
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.