Nur ein Date
Ein Text von 2000, heruasgekramt aus der Mottenkiste und heute nochmals überarbeitet.
Nur ein Date
"...glaube ich dir nicht!", wiederholt mein Date mit ernster Mine und seine Augen funkeln so geheimnisvoll.
"Klar traue ich mich!", entgegne ich und frage mich, warum er sich ständig wiederholen muss.
"Ich kann dir das einfach nicht abkaufen. Und du hast keine Angst, egal was kommt?"
"Hab ich nicht!", antworte ich ihm fast schon schnippisch.
Wie immer, ich will mit dem Kopf durch die Wand. Wirklich, es ist mir in diesem Moment egal, was kommt. Trotzdem, frage ich mich, warum ich hier bin. Ich könnte es so schön in meinen eigenen vier Wänden haben, könnte ein Buch lesen, einen Film schauen oder ich hätte heute auch mit meinen Freunden ins Kino gegangen. Was mache ich? Ich sage ab.
„Ich hab da noch was vor.“
Und was?
Es ist eines dieser Blind Dates, die trotz aller Sicherheitsvorkehrungen so blind sind, weil man einfach nicht weiß, wo es beginnt und sein Ende finden wird. Vom scheiß netten Essen bis hin zum vollkommenen Desaster. Entweder, ich grinse morgen den ganzen Tag wieder so absolut verklärt, oder ich ärgere mich die kommenden Wochen über mich und die ganze Welt, weil irgendwas aus dem Ruder gelaufen ist.
Warum? Weil ich einfach nicht mehr warten will. Es muss jetzt, heute und hier sein.
Ich gebe zu, ich stand wirklich sehr weit neben mir und meiner Vernunft, als ich diesem Date zugesagt habe. Wir kannten uns erst wenige Tage und schon fange ich an zu drängeln. Und damit es nicht auffällt, macht Frau das geschickt und am Ende wird er es gewesen sein, der alles eingefädelt hat.
Wie hab ich das nur wieder gemacht?
Nicht jeder ist hinterher schlauer.
Schon wieder schaut er mir tief in die Augen, erkundigt sich nach meinen Erfahrungen, verwickelt mich in ein tiefsinniges Gespräch und wir lernen uns näher kennen. Ich weiß genau, ich habe nicht die leiseste Ahnung dessen, was mich mit ihm erwartet, so wie er nicht wissen kann, was in mir vorgeht. Es steht uns eben nicht auf der Stirn geschrieben.
„Ich weiß ja nicht…“
Er scheint noch immer zu zweifeln.
*
So schaue ich andauernd auf meinen Rucksack neben mir, in dem sich all meine Habseligkeiten für mögliche kommende Stunden befinden, dann schaue ich zu ihm und trinke mein Glas Wein in einem Zug leer.
Und weil ich eigentlich Wein nicht mag, muss ich mich schütteln.
„Brrr…“
Dann ziehe ich den meinen Pulliärmel hoch und halte ihm den Arm hin: „So eine Gänsehaut möchte ich nachher mit dir bekommen!“
Er lacht.
„Bist du dir sicher?“
„Ich hab keine Angst!“
Da springt er plötzlich auf, greift nach meinen Arm, dem Rucksack und zerrt dieses Gespann quer durch das Lokal, zahlt schnell mal im vorbeigehen die Rechnung beim Wirt, der uns dann sichtlich verwirrt nachschaut.
Draußen lässt mein Date meinen Arm so unvermittelt wieder los, packt mich aber dafür an den Haaren. Mein Date?
Nein, denke ich schockiert und kann ihm bei diesem Tempo nur mit Mühe folgen und komme ins Straucheln.
Es kommt mir vor, als würde der Weg bis zum Parkplatz tausende Meter lang sein, dabei sind es nur wenige Schritte. Doch so gebückt und mit der Faust in den Haaren verspüre ich so ein unschönes Kitzeln im Bauch.
Er sagt kein Wort, stürmt die Straße entlang zum Parkplatz, dort verfrachtet er sie mit einem heftigen Stoß auf den Rücksitz.
Ich rapple mich gerade auf, als er den Wagen startet und wie ein Besengter losfährt. Es gibt einen heftigen Ruck, der mich in das Polster drückt. Es erinnert mich irgendwie an den Start eines Flugzeuges.
Es ist ja nicht, dass er zu schnell fährt, nein ich würde sagen eher sportlich.
„Musst du so ruppig fahren?“
„Halte deine verdammte Klappe!“, schreit er mich an.
Das geht nicht runter wie Öl, eher erreicht es mich wie in Zeitlupe, damit ich auch jedes einzelne Wort, jede Silbe und den Sinn dieser Aufforderung verstehe und folge.
Es verschlägt es mir die Sprache und schaue nach vorn in den Rückspiegel, wo ich sein Gesicht sehen kann. Unsere Blicke treffen sich und ich habe das Gefühl, dass jede Ecke für mich jetzt zu kleine wäre, um mich dort sicher verstecken zu können.
Ein eiskalter Schauer durchfährt mich.
Realität. Jetzt, heute und hier und nicht morgen. So wie ich es wollte.
„Du kannst dir schon mal deine Klamotten ausziehen. Und überhaupt, du siehst nuttig aus, so angetuscht, so vollgeschmiert!“
Ein Lidstrich, ein zartes Rot auf den Lippen.
Es passiert wirklich: jetzt, heute und hier.
„Wenn Madame jetzt endlich macht, was man ihr sagt, wird sie sich jede Menge Ärger ersparen.“
Ein Satz wie „Spinnst du“ liegt mir auf den Lippen, als er bremst und den Wagen zum Stehen bringt, dass ich unsanft gegen den Vordersitz knalle.
Ich kann meinen Aufschrei nicht unterdrücken und wie ich mich aufrapple, steht er schon hinten und öffnet die Kofferhaube. Was tut er?
„Los raus!“
Er reißt die Tür neben mir auf und ich sehe ihm an, er duldet kein einziges Wort in diesem Moment, keine Widerrede. Wieder greift er nach meinem Arm und zieht mich vom Rücksitz, schneller, als ich es geschafft hätte.
Und ebenso schnell, befestigt er an meinen Händen und Füßen Fesseln. Ich stehe wie angewurzelt vor ihm und spüre nur noch seine Hand in meinen Nacken, die mich grob nach unten drückt. Die Haken klinken ein und meine Handfesseln hängen an den Fußmanschetten befestigt.
Ich stöhne auf.
Alles geht so verdammt schnell.
Er schlägt meinen Rock hoch und zerfetzt mir den Slip.
Mitten auf der Landstraße. Ein Bild, nicht für die Götter gedacht.
Mein nackter Arsch ragt in den nächtlichen Himmel und seine Hand erschüttert mich bei jedem neuen Schlag.
*
Hastig beginne ich, meine Sachen auszuziehen und will sie in meinen Rucksack stopfen.
„Langsam!“
*
Nach einer halben Stunde erreichen wir unser Ziel in der Dunkelheit der Nacht.
Er steigt aus und geht los.
„Kommst du endlich?“, ruft er nach mir.
„Aber ich habe doch nichts an!“
„Soll ich dir etwa extra noch einen Pelz reichen?“
Einen Weg oder ein Haus kann ich nicht erkennen, eigentlich sehe ich kaum etwas nur diesen Wald. Ich blicke mich um, kann nichts und niemanden ausmachen und folge ihm nackt und barfuss.
Tausende Dinge gehen mir plötzlich durch den Kopf. Vielleicht wird man mich morgen irgendwo tot auffinden, geschändet und vergewaltigt, oder auch erst in ein paar Tagen oder Wochen, vielleicht aber nie. War es ein Fehler, ihm zu vertrauen?
Womöglich erwartet mich eine Orgie mit unzähligen Kerlen, denen er mich zum Fraß vorwirft, oder er sperrt mich für Stunden oder Tage in einen dunklen Käfig ein…
Ist er nur der Kuscheldom, der in dieser Nacht ein Stück zu hoch stapelt, oder er ist der Konsequente, der mir jetzt zeigt, wer hier was zu sagen hat, der mir zeigt wo es lang geht?
Unter meinen Füßen fühle ich das kalte und nasse Laub, die kleinen Steinchen, die sich in meine Haut bohren und permanent ist da diese Kälte.
Meine Zähne klappern schon nach wenigen Metern.
Nur noch ein paar Schritte, sage ich mir, irgendwann müssen wir ja irgendwo ankommen. Er will sicherlich nicht die ganze Nacht mit mir durch den Wald streifen.
Und dann endlich sehe ich ein kleines Licht. Ich gehe schneller und freue mich auf schützende vier Wände.
Bereits hinter ihm gehe ich die drei Stufen einer kleinen Hütte hinauf. Er holt die Schlüssel hervor, kann aber nicht den rechten finden.
Ich friere.
„Bitte, mach doch endlich auf“, bitte ich ihn und meine Zähne klappern laut.
So plötzlich, wie er in seinem Vorhaben innehält, die Tür zu öffnen, dreht er sich auch um, versetzt mir eine schallende Ohrfeige. Ich gerate ins Wanken, kann mich noch abfangen und bin schon wieder schockiert.
Einfach nur schockiert.
Spätestens jetzt ist bei mir der Augenblick erreicht, an dem ich bereue, ihn je kennen gelernt, mich überhaupt mit ihm getroffen zu haben. Ich halte mir die glühende Wange und tief im Inneren spüre ich, wie die Wut auf ihn wächst.
„Ich hasse dich!“
„Wie du meinst!“
Dann zieht er den Schlüssel hervor und öffnet mit einem Grinsen die Tür.
„Gute Nacht!“, sagt er und dann lässt er mich einfach draußen stehen. Die Tür geht zu. Er ist drinnen. Ich stehe draußen. Blankes Entsetzen treibt mir die Tränen in die Augen.
„Das kannst du doch nicht machen!“
„Und ob ich das kann.“
„Bitte, bitte lass mich zu dir rein. Bitte!“
„Verdiene es dir. Geh auf die Knie, flehe mich an, lutsche meinetwegen am Daumen...
Mach irgendwas.“
Ich werde dich durch das Fenster beobachten!“
Er steht hinter dem Fenster und schaut zu mir heraus.
„Was soll ich?“
„Fehler!“, schreit er und verschwindet vom Fenster.
Wie versteinert stehe ich in der nächtlichen Kälte frierend vor der Tür und fühle einen Stolz, der mich daran hindert, um auf die Knie zu gehen, ihn anzubetteln oder sonst etwas Demütigendes zu tun.
Minuten vergehen, die mir wie Stunden vorkommen.
Ich weiß, dass wenn ich nicht bald in die Wärme komme, ich krank werden kann.
Was ist los mit mir? Unzählige Male habe ich es schon getan, unzählige Minuten, solange bis mir die Füße und Beine eingeschlafen sind. Warum kann ich es jetzt, heute und hier nicht? Sooft habe ich mich schon zu Boden geworfen, habe es genossen…
„Wie lange muss ich noch warten?“, ruft er.
„Wenn es dir nicht passt, kannst du auch im Auto schlafen.“
Nein, denke ich. Es passiert doch jetzt, heute und hier und sollte nicht in einem Auto enden.
Gott, was habe ich zu verlieren?
Er hat es sich in der Hütte sicher längst bequem gemacht und schaut ab und zu durch das Fenster nach mir. Seine Blicke stechen wie Nadeln.
Und jetzt erst nach einer Weile, die für ihn wie eine Ewigkeit vorkam, hört er also meine Stimme, die ihn weinend anfleht, ihr Einlass zu gewähren.
Das Für und Wieder hunderte Male durchdacht, sinke ich zu Boden. Frierend, weinend.
Endlich.
Die Tür geht auf und er nimmt mich in den Arm. Er führt mich in die Wärme, setzt mich an den Tisch, wo er mir die Tränen mit seinem Taschentuch aus dem Gesicht wischt. Mein Hintern brennt.
Es tut gut, die Wärme des Tees in mir zu spüren, den er mir schon bereitet hat.
Und dann streicht er mit seiner warmen Hand über meinen Rücken, meine Arme, meine Gänsehaut.
Es passieren oft so ungewöhnliche Dinge, unvorhersehbar.