Neues aus dem Lost Hero
Trauerfeier im Lost Hero. Johnnys Abschied.
Aus der Musicbox röhrte Mick Jagger "Street fighting Man". Das Lost Hero platzte aus allen Nähten, so gut gefüllt wie nie zuvor. Zur Feier des Tages schenkte Barman Jeff echten Scotch aus, nicht diesen üblen Bourbonverschnitt wie sonst. Liebesdame Detta ging ihm zur Hand, spülte Gläser, füllte neue. Auf den roten Lederbänken gegenüber der Theke saßen Johnnys wenige Freunde. Gangsterboss Giovanni und Babe, seine neue Flamme. Babe war mittlerweile Mutter eines kleinen Jungen, die Detektivagentur hatte sie längst geschlossen. Da Johhny nie eine richtige Beerdigung und keine Trauerfeier bekam, hatten sie beschlossen, Johnnys Jahrestag zu feiern. Genau ein Jahr nach seinem Tod sollte er würdig verabschiedet werden. Auf Johnny! Salute.
Jeff, Barman und für diesen Tag für den musikalischen Background zuständig, entpuppte sich als waschechter Stonesfan. "I'm free". Ja, Johnny war jetzt frei. Und im Viertel war es nicht ruhiger geworden. Immerhin, es gab jetzt ständig Strom, Rattenplage und Korruption waren fast beseitigt. Was allen Westendbewohnern Kopfschmerzen bereitete, war diese neue Generation von Freaks, die wahllos Leute abschlachteten, vergewaltigten und anschliessend verstümmelten. Johnny wurde schmerzlich vermisst, im Gegensatz zu den Bullen hatte er gründlich aufgeräumt. Giovanni, dem diese abgefuckten Mörder ein Dorn im Auge waren, machte sich Gedanken. Diese Chaoten störten seine Ordnung und vor allem seine Geschäfte. Johnny war immer ein zuverlässiger Partner gewesen. Auf Johnny! Cheerio.
An der Theke ging es heftig zu, Leute aus dem Viertel standen in Viererreihen. Irgendwie alles Leute, die Johnny kannten. Der Barman füllte die Gläser im Akkord. Und zwischendurch immer schnell zur Musicbox. "Anybody Seen My Baby?". Das Lost Hero wabberte, schwitzte. Mittendrin Duffy, neu im Westend. Ein schweigsamer Enddreissiger, mittelgroß, schlank, mit scharfen Augen und schütterem Haar. Sein Stoppelbart verriet Uneitelkeit, sein Anzug hatte bessere Tage gesehen. Er war der Einzige unter den Gästen, der Jeffs Ersatzwhisky trank. Bourbon mit einem Schuß Ginger Ale. Die Stones gingen ihm auf den Sack, er trabte mit finsterer Miene zur Musicbox, suchte dort Willy Deville. Und fand ihn. "Gypsy deck of hearts". Duffy träumte jeden Tag von Big Easy. Er war ein Junge aus den Sümpfen. Einer aus dem Messergeschäft, einer, der viel Blut vergossen hatte, einer der Gerechten. Er hatte Johnny nie kennengelernt, kannte ihn nur aus den Erzählungen seiner Schwester Matthilda. "Lay me down easy". Er wollte ihren Tod rächen, zu spät. Johnny, du Schweinehund.
Einer von Giovannis Gorillas gab Duffy das Zeichen, ihm zu folgen, hin zur den roten Lederbänken. Giovanni lächelte ihn an. Setz dich, mein Junge. Babe lächelte nicht, sie hatte eine Ahnung.
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Copyright: Maurice de Winter – 2008
Fortsetzung folgt