Das erste Treffen
Schon viel hatten wir uns geschrieben, viele Gedanken und Sehnsüchte beschrieben, besonders viel habe ich von mir erzählt, auch telefoniert haben wir, ich kannte seine Stimme, die mir immer wieder im Kopf herumging, und er fragte relativ schnell nach einem Treffen.Irgendwie verspürte ich eine Unruhe, jedes Mal wenn ich etwas von ihm erhielt, sei es eine mail, SMS oder ein Anruf.
So ganz anders als je ein Mann zuvor, den ich kennenlernte, verhielt er sich.
Er schien etwas in mir zu berühren, wovor ich mich all die Jahre versteckte. Nach unzähligen Enttäuschungen und Verletzungen war ich fest entschlossen, nie wieder einen Mann an mich heranzulassen, hatte es aufgegeben, jemals mich wieder öffnen zu können.
Doch die Neugier in mir siegte. Ich stimmte einem Treffen zu. War voll und ganz der Meinung, - ok, gib ihm nach, und wir werden einen netten Nachmittag verbringen, mit Kaffeetrinken und einem unverfänglichem Gespräch, dann gehen wir wieder auseinander, und das wars.
Der Tag rückte näher.. ich wollte nichts an mich heranlassen, völlig unvorbelastet wollte ich ihm begegnen, doch ließ er nicht locker. Noch mit vielen seiner Worte im Ohr, ging ich an diesem Tag zu unserem Treffpunkt.
Ich saß im Bahnhof gegenüber den Gleisen auf einer Wartebank. Neben mir saß eine ältere Frau, leicht amüsiert dachte ich, na – wen er wohl ansprechen wird?
Die Zeitschrift, die ich mir zum Überbrücken der Wartezeit gekauft hatte, lag schwer in meiner Hand, diese verdammte Nervosität- sie ließ nicht nach, und meine Finger schwitzten auf dem Papier.
Mein Handy klingelte – er war dran, es würde ein paar Minuten später. Erleichtert und doch ein klein wenig enttäuscht vertiefte ich mich nun wirklich in den Artikel des Heftes vor mir, wollte ich doch endlich diese verdammte Anspannung und Neugier in mir besänftigen können.
Hallo sagte eine sehr angenehme Stimme neben mir. Ein paar schwarze Schuhe, unter schwarzen Hosenbeinen. Mein Kopf versagte seinen Dienst, zumindest hatte ich das Gefühl, ihn nicht schnell genug anheben zu können, um endlich in sein Gesicht zu blicken. Ganz bewusst wollte ich keine Fotos vor dem Treffen austauschen.
Ich blickte in äusserst wachsame, helle, blaue Augen. Leicht amüsiert und doch neugierig musterte er mein Gesicht.
Ein Blitz durchzuckte mich, und es fiel mir schwer aufzustehen. Vermutlich erhob ich mich viel zu schnell und ungelenk, doch diese Anspannung musste abgebaut werden. Mit weichen, zitternden Knie lief ich neben ihm her.
Normalerweise gebe ich jemandem die Hand, wenn ich ihn neu kennenlerne, doch ich war einfach nicht in der Lage, ihn zu berühren, und auch er hielt sich zurück. Das empfand ich als sehr angenehm, wenn auch zwiespältig, denn seine Anziehungskraft wirkte sofort auf mich.
Wir beschlossen, einen Kaffee trinken zu gehen, und liefen durch den Bahnhof in ein Café, das ausserhalb des Gebäudes lag.
Leicht benebelt fühlte ich mich von seinem Duft eingefangen. VERDAMMT, was war das?
Ich spürte all meine Mauern in mir, die ich schnell versuchte noch höher aufzutürmen, mit jedem seiner Worte schwinden.
Fremd, er ist Dir völlig fremd, versuchte ich mir immer wieder verzweifelt einzureden, doch er nahm mich mit jedem seiner Worte mehr für sich ein.
Ganz offen erzählte er von sich, ich war froh, ihm zuhören zu können, machte mir ein Bild von dem, was er sagte, verglich es aufmerksam, mit dem von ihm schon früher Erzähltem. Alles passte, er war authentisch mit dem, wie er sich gab.
Wir holten uns einen Becher Kaffee, und setzten uns auf eine Bank in diesem Einkaufszentrum, fast auf Tuchfühlung. Ich brauchte aber Abstand, und doch konnte ich seiner fesselnden Nähe nicht entkommen.
Vor lauter Aufregung schwappte etwas Kaffee über meinen Becherrand, natürlich direkt auf seine Hose.
Mist, und so begann auch noch ICH mit dem ersten Körperkontakt. Peinlich, das macht einen tollen Eindruck, dachte ich bei mir, sicher knallrot im Gesicht, das muss doch wie eine absolut billige Anmache aussehen. Doch er reagierte gelassen, und meine Scham verschwand augenblicklich mit seinem Verhalten.
Jetzt war es um meine Ruhe endgültig geschehen. Ich versank in seinen Worten, in seinem Blick, dem ich ständig versuchte auszuweichen, doch faszinierte mich dieser Mann einfach zu sehr.
Was war es nur, was an ihm anders ist? Diese Frage rumorte die ganze Zeit in mir. Mehr auf Gefühlsebene, als mit Logik nahm ich ihn wahr.
In mir sträubte sich alles mit Händen und Füßen, dieses Gefühl zuzulassen. Denk an früher, denk an die Schmerzen, die Ängste, das verlorene Vertrauen, denk an das, was Du immer wieder erlebt hast.
Doch auch eine zarte leise Stimme der Hoffnung ließ sich vernehmen: versuch es, gib ihm und Dir eine Chance.
Plötzlich stand er auf, er wollte raus, in die Sonne, packte mich bestimmt am Ellbogen und ich konnte nicht anders, als aufstehen und ihm zu folgen.
Wir liefen auf den Park zu, der grün erblüht war, und die warme Sonne lockte uns auf eine Bank.
Er saß neben mir, ganz nah, ich spürte seine dominante Männlichkeit, und auch die Erregung, die sich ganz frech in mir meldete. Ich verfluchte meinen Körper, der einfach reagierte, ohne auf meinen Kopf zu hören.
Wir sprachen nun über Intimeres, und weiß der Teufel, warum ich ihm mein Herz über alles ausschüttete.
Als sich sein Arm um mich legte, seine Worte jetzt wird erst einmal geküsst in mein Ohr drangen, war es schon zu spät zu protestieren, und ich ließ mich einfach in dieses Gefühl fallen, gehalten in den Armen eines Mannes, den ich grade einmal knapp zwei Stunden kannte.
Ich rutschte immer tiefer von der Sitzfläche der Bank, der allerletzte nutzlose Versuch, ihm zu entkommen, doch er hielt mich fest, so leicht sollte ich ihm wohl nie mehr entkommen können, ich schmeckte seine Zunge, die fordernd in meinen Mund drang, atmete seinen unglaublichen Duft ein, war über meine Lust, die er in mir weckte, beschämt, und genoss es dennoch zu spüren, welche kleinen versauten Gedanken sich in meinen Kopf schlichen…………