Spiegeleisalat
[Spiegeleisalat]Wie die Straßen verknöchern … nur er starrt auf den Fluss wie an jedem Freitagnachmittag. „Dieser dunkle Dauergast, was will er eigentlich“, erkundigen sich die Enten bei den Schwänen. „Er ist von schwarzer Galle und etwas verrückt“, gibt eine Krähe Auskunft und platziert ihren weißen Kot auf dem Mantel des Mannes, bevor sie weiterfliegt.
Auf den Wellen kein Trost. Von den Bäumen kein Blatt übrig. „Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde“, murmelt er zu sich selbst und schlägt den Kragen hoch. Die Bank, befragt, ob der Mensch sie an jemanden erinnert, knirscht laut mit den morschen Holzplanken. Tief in sich versunken bilden die grauen Dächer der Vorstadt den Horizont, den er absucht. Wonach? Aus den Ziegeln wurde die Asche in den Urnen seiner Freunde gebrannt.
Was draußen rumort, ist bloß der Verkehrsbrei von Omnibussen und Straßenbahnen. „Geh heim und betrinke dich!“, tönt es vom nahen Friedhof, auf dem die Arbeiter einen alten Sarg ausheben, weil die dreißig Jahre abgelaufen sind. Die Gebeine sind längst zu Kompost verwest. Blaulicht rast über den Boulevard, befördert den neuen Mieter mit dem Umweg über die Intensivstation ins gähnende Grab.
Nur er steht mucksmäuschenstill am Ufer, Sammler von Eindrücken und Stimmungen, gelangt nie ans Ende. Alles Gedachte beginnt ständig von vorne. Wenn am Freitagabend, im knappen Minirock auf spitzen Absätzen balancierend, ein Lied in einem Nachtclub den Blick auf ein bezauberndes Dekolleté freilegt.