29. Dezember
Traumlos
Schweißüberströmt schreckte ich hoch. Das Pyjamaoberteil klebte mir klatschnass an der Haut. Ich keuchte, da war er wieder, dieser Traum! Jede Nacht, seit fast einem Jahr, wiederholte sich das - immer das gleiche Szenario. Die Besuche beim Psychologen, Therapien, waren ebenso erfolglos, wie diverse Pillen, die mir verordnet wurden.
Ich sehe ein Dorf, sehe Frauen, spielende Kinder, alte Menschen. Ich sehe die Truppen des Kriegsverbrechers im Anmarsch. Ich weiß was passiert. Jede Nacht sehe ich sie, sehe sie alle sterben, auch die Kinder. Verdonnert zum Zusehen, zum Ausspähen! In keinem Fall eingreifen, lautet der Befehl unseres Spezialeinsatztrupps. Nur Informationen und Beweise sichern, die zur Ergreifung und Verurteilung des Verbrechers dienen sollen. Den Kopf der Schlange abschlagen. Ein Deckname für unsere Minigruppe. Niemand weiß davon, niemand soll es wissen. Wir ergreifen ihn, später, sollen ihn abliefern, wie ein Paket. Wieder sehe ich die Kinder. Finger am Abzug, Blut spritzt, der Kopf der Schlange zerplatzt! Ich habe getötet! Schuld und Unschuld! Es verfolgt mich jede Nacht. Was wäre wenn? Aber ich weiß es nicht.
Ich ziehe mich an. Frische Luft und ein Spaziergang. Die Straßen leergefegt. Natürlich, es ist die heilige Nacht. Ein Wimmern, laut erklingt es in der Stille. Von wo kommt es? Ich schaue mich um, und folge dem Klagen. Ein Müllcontainer?
Im Lichtschein, der durch die Luke fällt, sehe ich es. Ein Kätzchen, struppig, abgemagert und am Zittern. Große gelbe Augen schauen mich an. Stumm um Hilfe flehend. Wie alt mag es sein? Zu klein auf jeden Fall. Zu klein um alleine herauszukommen.
Ich stemme mich hoch, hangele hinunter und ergreife den Knirps. Ein winziges Fellknäuel mit riesigen Augen, das augenblicklich in meine Jacke krabbelt. Ich fühle Nässe im Gesicht, Tränen die sich einen Weg suchen.
Damals hatte ich keine und niemals danach.
Die Tränen, sie flossen noch als ich einschlief, ein sanftes Schnurren neben mir auf dem Kissen. Traumlos!