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BRÜCKEN AM FLUSS

BRÜCKEN AM FLUSS
Wir hatten doch glatt vergessen, uns die Karten vor dem Essengehen zu kaufen. Donnerstag ist immer Premieren- und Kinotag. Meistens sind dann alle neu anlaufenden Filme komplett ausverkauft. Oder man steht sich an der Kinokasse nur noch für Einzelplätze die Beine in den Bauch. Der von Christa favorisierte und von mir wohlwollend abgesegnete Film, hatte an diesem Abend ebenfalls Premiere. Alle Verliebten und solche die es hofften wieder zu werden ¬– oder zu bleiben, saßen bereits mit allem Überlebensnotwendigem in ihren rotplüschigen Kinosesseln. Popkorn. Cola. Bier. Das obligatorische Eis von Langnese. Ein Glück das wir überhaupt noch Karten bekamen. Die Hütte war knacke voll. Zwei einzelne Karten, weit getrennt voneinander, hätten wir sofort haben können. Das macht vor allem dann Sinn, wenn man aus dem Kino kommend übergangslos dazu übergeht, sich gegenseitig den Film nachzuerzählen, und gemeinsam auf Spurensuche geht, den tieferen Sinn des eben gesehenen Films zu ergründen. Natürlich könnte man das auch direkt während der Vorstellung – nebeneinander sitzend, tun; sozusagen als Simultanübersetzung. Der Mann erklärt der Frau neben sich, was er eben für sich verstanden glaubt, und umgedreht. Wie ich solche Leute hasse. Als wir endlich dran waren, gab’s an der Kasse – wie konnte es auch anders sein, keine freien Plätze mehr, die direkt nebeneinander lagen. Zumindest hatten die keine einigermaßen vernünftigen Plätze mehr. Wir konnten gerade noch – aus physiotherapeutisch eher bedenklicher Sicht, zwei unvernünftige Plätze in der ersten Reihe ergattern. Auch wenn’s die Loserreihe war, waren wir dann doch einigermaßen froh, noch Karten bekommen zu haben. Weiter hinter uns ging natürlich die Stille Post ab. Das Gerücht, alle Karten seien restlos und definitiv ausverkauft, ließ nur die wenigsten unberührt. Vermutlich wäre Christa eine von diesen wenigen gewesen, die auf so eine Nachricht gelassen reagiert hätte. Alle anderen wollten unbedingt noch Karten; vor allem die Frauen in der Warteschlange. Vor dem Film taten sie mir sogar ein wenig leid. Ohne Scheiß. Aber danach... beim besten Willen... ich konnte keinen echten Grund mehr erkennen, der es im Nachhinein gerechtfertigt hätte, darüber traurig zu sein, für die erste Reihe keine Kinokarte mehr bekommen zu haben. Mit dem Film selbst hatte das nichts zu tun, eher mit meinem steifen Nacken. Das war mir eine Lehre. Egal was es in Zukunft für ein Film sein wird, er kann es gar nicht wert sein, sich dafür in die erste Kinoreihe zu setzen; nicht für geschenkt.
‚Brücken am Fluss’... dieser Film setzte mir zu. Unerwartet heftig. Voll auf dem falschen Fuß erwischt. Fetter Stoff. Ich sitz also neben Christa – in diesem Liebesfilm, bin natürlich bestens darauf vorbereitet, ihr gleich ein Papiertaschentuch nach dem anderen rüberzureichen – wortlos versteht sich, und was ist das Ende vom Lied; ich selbst musste mich auf Linie halten, um nicht unkontrolliert loszuheulen. So wie es Frauen meist tun. Hemmungslos. Von einer Frau wird das sogar erwartet, dass sie heult, bei einem Liebesfilm. Solche Erfahrungen stecken in einem drin. Ganz tief. Liebesfilm. Frauen. Tränen. Rotze. Also völlig normal. Die Frauen die es nicht tun – weinen, warum auch immer – kichern eben hysterisch an den Stellen, wo andere ihre Rotze ins Tuch schnäuzen, und vergeblich versuchen ihr lautes Schluchzen im Taschentuch abzudämpfen. Generell verkneife ich mir ja die Rumheulerei, wenn ich nicht allein im Kino sitze. Ich kann da nicht drauf, auf dieses halbverlogene Kollektiverlebnis. Von wegen Katharsis; drauf geschissen.
Am liebsten gehe ich allein in die Spätvorstellung des Programmkinos, bei mir um die Ecke. Wenn mir mal wieder danach sein sollte, so richtig ungehemmt weinen zu wollen, dann nur allein. Kein Kumpel, keine Frau. Keine Zeugen. Unter der Woche sitzt man in der Spätvorstellung mit drei, maximal vier Leuten da drin; dann lass ich mich schon mal drauf ein. Klar. Schön wenn’s funktioniert. Dieses tiefe Schluchzen... unbezahlbar. In solchen Momenten finde ich mich tief in mir wieder. Das fühlt sich dann so an, wie... wie... halt irgendwie versöhnlich. Gleichzeitig todunglücklich und wiederum auch absolut glücklich zu sein, ist ein irres Gefühl. Aber wehe im Saal geht das Licht an, während auf der Leinwand noch der Abspann läuft. Schlimm. Man steht von seinem Sitz auf, dehnt und streckt sich – Gelassenheit demonstrierend, und währenddessen nutzt man die Gelegenheit, verstohlen in die Gesichter der anderen zu sehen. Spurensuche. Um keinen Preis der Welt möchte ich mit geröteten Augen im Kino gesehen werden. Oder man läuft beim Hinausgehen einem, bzw. einer Bekannten über den Weg – Horror. Zum Glück ist nach der Spätvorstellung in meinem Programmkino gewöhnlich so gut wie niemand da, der meine verheulten Augen sehen könnte, falls. Das ist für mich das Beruhigende an der ganzen Geschichte und gibt mir Sicherheit.
Christas Augen waren ziemlich gerötet. Zugegeben, ein klein wenig war ich neidisch auf sie. Während ich gegen meine Tränen heimlich und tapfer ankämpfte, heulte sie schamlos vor sich hin; einfach so. Dass ich mir den Film unbedingt und sowieso noch einmal ansehen werde, war da längst schon beschlossene Sache; allein und ungestört, versteht sich. In meinem Kino. Meinem Schutzraum.
Was mich an der Figur Eastwoods am meisten faszinierte, war diese Mischung aus Männlichkeit, Gefühl, Witz, Lebenserfahrung, Traurigkeit und Leichtigkeit. Wie der Typ, dieser Fotograf im Film es fertig brachte, sich selbst treu zu bleiben, ohne dieser Frau etwas von seiner Lebenseinstellung überzustülpen... beneidenswert. Noch was; bis dahin hatte ich noch keinen Film mit Clint in der Hauptrolle gesehen, wo er auch nur im Ansatz geweint hätte. Hier tat er’s. Und wie. Hat der überhaupt geflennt? Muss ja, sonst wär’s ja nicht so beeindruckend für mich gewesen, oder? Ist jetzt auch schon wieder eine ganze Weile her, dass ich den Film sah. Da kann man schon mal was falsch abspeichern. Jedenfalls kam für mich Clint auf wundersame Weise männlich rüber. Wie schon gesagt, in solchen Momenten fühle ich mich dann unglücklich und glücklich, gleichzeitig. Eine explosive Mischung, die mich aufwühlt; auffordert mein Leben zu ändern. Am besten sofort. Ab morgen, oder zumindest bald. Quatsch. Ist ja eh nur ein Film. Der da im Film war außerdem gut zwanzig Jahre älter als ich. Da sieht man das Leben sowieso gelassener. Warum sollte ich mich von einer Filmfigur unter Druck setzen lassen, mein Leben wie ein Fünfzigjähriger zu leben?
Den meisten Frauen im Kino die weinten, oder kicherten, ging’s mit ihrer Protagonistin wahrscheinlich nicht viel anders als mir, behaupte ich mal. Ich hatte Clint, an dem ich mich abarbeiten konnte, und die Frauen im Saal diese Farmer-Frau aus Iowa, die nach mindestens zwanzig Jahren Ehe, ihre ersten freien Tage verbrachte; ohne Mann und Kinder. Nur mit dem Hund, den sie nicht leiden konnte. Mann und Kinder waren für vier ganze Tage zu irgendeiner Viehzuchtausstellung unterwegs.
Die waren gerade losgefahren, man konnte beinah noch die Rücklichter des Wagens sehen, da taucht plötzlich dieser Typ auf; Clint mit seinen Fotoapparaten und den Erinnerungen an eine Italienreise, die er irgendwann mal beruflich machen musste, und sie... entdeckt nach so vielen Jahren die Liebe für sich neu. Wahnsinn. Ursprünglich war sie mal eine richtige Italienerin. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg zog sie es vor, sich als junges Ding in einen amerikanischen GI zu verlieben, und mit ihm nach Amerika zu gehen. Nur hatte sie von Amerika ein anderes Bild, als das von irgendeinem platten Land, am Arsch der Welt. Tja...
Dort verrichtet sie dann zwanzig Jahre ihren Dienst, bekommt zwischendurch zwei Kinder, und kümmert sich um Mann, Kinder, Haus, Hund und den Garten. Vier echte Urlaubstage auf zwanzig Jahre gerechnet, sind nicht gerade das, was man einen goldenen Schnitt nennen könnte. Ausgerechnet da taucht dieser Fremde wie aus dem Nichts auf. Zwischen den beiden macht’s bum, und ihre längst begraben und vergessen geglaubte Sehnsucht nach der großen weiten Welt, wird wieder lebendig. Clint als weit gereister Fotograf trifft da genau ihren Nerv. Für sie verkörpert er diese abenteuerliche große Welt – jenseits der Grenze von Iowa, die sie nie entdecken durfte, bzw. konnte.

Logisch, die Leute im Kino werden sich auch gedacht haben, was das wohl für ein Leben sein soll, all die Jahre zu funktionieren, für eine Familie – im Niemandsland. Dabei tun die meisten davon nichts anderes, zu funktionieren. Deshalb vielleicht auch die vielen verheulten Gesichter, am Ende. Zwanzig Jahre lang nur dieser eine Mann. Zwei Kinder. Mehr oder weniger seine. Plus Hund. War das Mitleid, was ich für diese Frau auf der Kinoleinwand empfand? Diesen Fick mit Clint hab ich ihr jedenfalls von Herzen gegönnt. Wetten das ich nicht der Einzige war, der das so sah? Als der Abspann lief, mit dieser süßlichen Musik dazu, schienen alle irgendwie miteinander versöhnt zu sein. Ein Großteil des weiblichen Publikums, der auf unbedingte Treue schwört, war ebenso mit dem Ausgang des Films zufrieden gestellt – weil sie letztendlich doch bei ihrem Mann geblieben ist, wie jene Frauen, die ihr diesen Fick sowieso gönnten; vielleicht stellvertretend, weil sie sich diese kleine Freiheit nahm. Machen wir uns nichts vor, nach zwanzig Jahren Konditionierung auf Ehe – mit allem drum und dran, gehört eine ganze Portion Mut dazu, an diesem Stück anderem Leben zu riechen, das Clint mit jeder Faser, jeder Geste, jedem Wort und jedem Blick verströmte. Unterm Strich hatte sie die Sympathien aller Frauen im Kinosaal auf der Guthabenseite, weil sie diese unglaublich schöne Zeit mit einem Mann erleben konnte, den sie wohl selbst schon immer haben wollten. Oder noch lange – ganz oben, auf ihrem Wunschzettel stehen haben werden. Ein Mann wie aus dem Katalog. Männlich. Gefühlvoll. Kreativ. Auf eine geheimnisvolle Art traurig. Hart. Und vor allem weich. Interpretiert man die meisten Partnersuchanzeigen richtig, lassen sich diese Attribute unter ‚Mit beiden Beinen im Leben stehend’ zusammenfassen. So einen wollen sie. Alle. Für mich stand dieser Fotograf mitten im Leben; auf eine wundersame und beneidenswerte Art und Weise – herum. Lebenslust versprühend. Was genau dieses Geheimnis seiner Männlichkeit ausmachte, blieb für mich zwar kein ewiges Rätsel, war aber auch keineswegs mal eben in einer Schublade unterzubringen; nicht in den paar Minuten Kinoerlebnis.
Die Sache mit der Männlichkeit ist was Kompliziertes. Ich glaube, dass sehr viele Männer gelernt haben, sich zu verstellen. Wir tun nur so, und spielen eine Rolle; mal besser, mal schlechter. Weiblichkeit ist auch so ein Ding. Alles eine Frage der Definition. Mann und Frau, und Liebe... manchmal glaube ich, es wird immer eine göttliche Komödie bleiben. Männer tauschen Emotionen gegen Sex, und Frauen Sex gegen Emotionen. Scheiß der Hund drauf; Liebe hin oder her.

Wieder vor dem Kino stehend war’s fast Ein Uhr. Mir war’s ganz recht, dass es so spät geworden war. Nach diesem Film mit Christa noch irgendwo auf die Schnelle ein Bier zu trinken, um über den Film zu reden, danach stand mir weiß Gott nicht der Sinn. Mit ihr hatte das nichts zu tun. Nur, was hätte ich ihr erzählen sollen? Bei zwei Gläsern Bier mit einer Frau über diesen Film reden, und ergründen was der mit meinem Leben zu tun haben könnte; niemals! Nicht zu diesem Zeitpunkt. Zum Glück brauchte ich meine bereits im Kino beschlossene Absage, auf ihre Frage nach einem Absacker, nicht an die Frau zu bringen; Sie wollte sowieso nur noch schnell nach hause, und ins Bett.
Unsere Verabschiedungsarie fiel dann doch länger aus, als gedacht. ‚Machs gut Christa.’ Machs du auch gut Max.’ ‚Komm gut nach hause Max.’ ‚Komm du auch gut ins Bett Christa.’ ‚So... ich muss dann aber wirklich mal.’ ‚Macht doch nichts. Ich auch.’
So ging das mindestens eine viertel Stunde lang, hin und her. Her und hin. Max-Christa. Christa-Max. Irgendwann saß sie tatsächlich in ihrem Auto. Sie zog die Fahrertür zu, kurbelte aus Höflichkeit das Seitenfenster ein paar Zentimeter herunter, und ließ den Motor an. Alles andere ging unheimlich schnell: Scheinwerfer an, Ausparken, kurzes Antippen der Hupe, Abfahrt und tschüss.
Was ich jetzt brauchte war unbedingt ein Bier. Besser zwei. Oder auch drei. Außerplanmäßig gab ich mir die Kante. Das mich anschließend mein Fahrrad auf dem Heimweg zweimal abwarf, und ich neben meinem Drahtesel zum liegen kam, konnte mich nicht davon abbringen, mich gut zu fühlen. Richtig gut.
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