Die Fee
Es dunkelt. Ena und Jan gehen händchenhaltend durch das Naturschutzgebiet. Schweigend lassen sie sich von den Geräuschen des Waldes gefangen nehmen. Der aufsteigende Nebel umschwebt ihre Füße und verdeckt den Pfad…Es wird feucht-kalt und Ena schmiegt sich eng an Jan, der sich über diese Nähe freut. Er legt den Arm um ihre Schulter und zieht sie noch etwas näher an sich heran. Ihre Gesichter wenden sich einander zu, die Lippen finden sich…
So umschlungen gehen sie weiter, ohne zu schauen. Jetzt sind sie nicht nur durch die Geräusche des Waldes gefangen, sondern auch noch durch…
Ein Geräusch lässt sie wach werden. Sie blicken sich um.
Ena leise: „Wo sind wir?“
Jan antwortet beruhigend: „Wir werden den Weg schon wieder finden.“
Vorsichtig tasten sie sich durch den dichter werdenden Nebel.
Plötzlich sehen sie einen Pfad vor sich. Erleichtert beschreiten sie ihn und halten sich an seinen Windungen.
Ena bleibt plötzlich wie erstarrt stehen und starrt geradeaus. Jans Blick folgt dem Enas.
Was sie sehen raubt ihnen den Atem…
Ein weißer Hirsch mit gewaltigem Geweih steht mitten auf dem Pfad.
Er steht da, als ob er auf sie gewartet hätte.
Der Hirsch hebt stolz sein Geweih und schaut sie an.
Begeistert und staunend nehmen beide dieses imposante Bild in sich auf.
Eine weitere Fessel ist um ihre Gedanken gelegt…
Nach einigen Augenblicken wendet sich der weiße Hirsch in die Richtung, in die der Pfad führt. Mit einem eleganten Kopfschwenk deutet er ihnen an, ihm zu folgen.
Wie gebannt gehen sie ihm nach.
Der Weg nimmt viele Windungen, so dass sie gänzlich die Orientierung verlieren.
Nach endlosen Minuten stehen sie plötzlich am Rande einer Lichtung. Im Gegensatz zum dunklen, nebligen Wald ist diese hell in sanftes Licht getaucht.
Ein wenig geblendet schließen die Beiden die Augen.
„Jan, wo sind wir hier?“
„Weiß nicht. Wusste gar nicht, dass es so was gibt. Ist ja fast unheimlich. Und das in der Nähe einer Großstadt.“
Ena öffnet die Augen. Langsam gewöhnen sie sich an den hellen Schein. Der weiße Hirsch ist verschwunden.
Ein plötzlicher Aufschrei lässt Jan die Augen öffnen. Er ist von Ena. Wie sie starrt er auf die gegenüberliegende Seite der Lichtung.
Unter einer riesigen uralten Eiche mit einem weit ausladenden Dach steht eine Frau. Sie winkt ihnen näher zu treten.
Vorsichtig überqueren die Beiden die Lichtung. Beim Näherkommen erkennen sie, dass die Frau sehr schön ist, schlank und groß. Ihr blondes lockiges Haar umrahmt ein warmes freundliches Gesicht mit ernsten dunklen Augen.
„Wer sind Sie, wo kommen Sie so plötzlich her, wo sind wir?“
Die Frau indem weißen langen Gewand lächelt: „Ihr seit am Eingang zum Feenreich.“
Erst jetzt sehen sie, dass der Stamm der mächtigen Eiche hohl ist. Ein Spalt, wie eine Tür klafft in ihm.
Jan prustet los: „Albern, Schnickschnack.“
Wie kommen wir hier raus, wie ist der Weg in die Stadt?
Sein Lachen verstummt jäh. Die Frau hatte die Hand gehoben und ihn mit dieser Bewegung zum Schweigen gebracht.
Ena zittert und fragt: „Sind Sie wirklich eine Fee?“
„Ja, du glaubst doch an uns.“
„Woher wissen Sie das?“
Sie antwortet nicht, sagt aber: „Du möchtest doch mehr über uns erfahren.“
„Ja, so gern.“
„Seid ihr wirklich bereit dazu Euch in meine Gefilde zu wagen, wo Ihr Euch meiner Wenigkeit völlig ausliefern werdet!?
Wo mein Zuhause, mein Reich ist!?
Ihr sollt mir willkommen sein,
wenn ihr mehr über mich und das Volk der Elfen erfahren wollt.“
Die Neugierde legte eine weitere Fessel um ihren Geist und beide antworten: „Ja“
„Dann folgt mir.“
Elegant dreht die Fee sich um und verschwindet in dem Spalt.
Gefangen folgen Ena und Jan…