Suppenwürfel - Kopfsalat
Hallo Ihr Lieben,hier nun ein "Suppenwürfel". So war jedenfalls bisher das feedback zu dem folgenden Text. Sehr konzentriert, kann man pur nicht genießen, bräuchte noch ein wenig Auflösung. Jedenfalls, wenn er als poetry-slam gesprochen wird. Aber wie ist es beim Lesen?
Wie kommt der Text bei Euch an? Ich freu mich sehr über feedback. Danke
Kopfsalat
Kennt Ihr das, dass es hier drin immer nur so rattert und flattert, in Fetzen, halben Sätzen melden sich Stimmen, die beginnen mir zuzusetzen. Eben mit Fragen wie: „Was erwartest Du noch vom Leben?“ und schießen gleich die Antwort hinterher: „Mit so vielen Jahren auf dem Buckel ist der Zug längst abgefahren.“
Ich bin zu jung zum Sterben, zu alt, als dass aus mir noch was werden kann, hab nicht mal einen Mann, geschweige denn Erfolg oder Geld, und schließlich zählt in dieser Welt doch nur, was anderen gefällt. Ich hab nicht viel vorzuweisen, kann nicht erzählen von großartigen Reisen oder dem teuren Sofa in meinem Haus – ich bin eine armselige graue Maus.
Auf Arbeit setz ich meine Grinsemaske auf, bin immer gut drauf, heb mir die schlechte Laune für zu Hause auf. Da kommt eine Stimme, die sagt: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Mein Liebes Kind! Sportverein! Das ist die Lösung !“ Sport ist Mord und das - ist die Stimme von Mama,
und da ist auch schon Papa mit seiner verwirrenden Weise, deutlich aber leise: „Du könntest so viel aus Dir machen. Denkst immer nur an Sachen, die nicht sind. Mein liebes Kind, begnüge Dich. Wer zu viel strebt, zu viel erlebt, den straft das Leben!“
Eben da seh ich mich als Büßerin, weiß nicht, wonach der Sinn mir steht. Die Zeit vergeht einfach so …
„Hallo, nimm mich doch mal in Arm!“ seufzt das innere Kind in mir. Ja, ja, sich selbst umarmen, sich seiner Schwächen erbarmen und mich einfach so nehmen, wie ich bin. Das ist ohnehin so einfach gedacht – hab ich schon oft gemacht, hat aber nichts gebracht. Ist wie selber kitzeln. Funzt nicht!
„Folge dem Weg Deiner inneren Weisheit!“ tönt es mit sphärischem Klang. Da kannst Du lang darauf warten, es gibt so viel Arten, der wahren Weisheit zu entwischen, denn zwischen den Gedanken sitzen die Schranken ... beschränkt bin ich und will es bleiben, ja, ich will die Weisheit sogar vertreiben, weil – würde ich alles verstehen, müsste ich doch erst recht untergehen. Ja von wegen, all die schönen Ausreden, die ich mir zurechtgelegt, wären dann widerlegt, und kein anderer wäre Schuld als ich allein.
„Was Du tust, ist nicht genug!“ Nein, es ist nie genug, immer nur Selbstbetrug, ich könnt noch so viel mehr. Ich renn hinter mir selber her, steh neben mir und trink ein Bier anstatt etwas Sinnvolles zu tun. Etwas Wundervolles – nur fällt mir da nichts ein.
„Lass es sein. Bringt ja eh alles nichts!“tönt des Aufgebers Stimme, und ich schwimme durch den Ozean der Leere, spüre meine Schwere, habe Angst, zugrunde zu gehn. Dabei will ich doch im Leben bestehn, nur weiß ich nicht, wie … ich führ ja nicht Regie, ich spiel nur mit...
„Du brauchst ein Ziel!“ Ja aber, wenn ich nur wüsste, was ich will. „Dir fehlt die Geduld!“ Ja aber, ich weiß, ich bin selber schuld. „Sei endlich zufrieden!“ Ja aber, tät es nur an mir liegen, dann wär es ja – auch nicht so leicht, ich finde, es reicht, dass ich mich nicht zu sehr verbiege, ich liege doch im Durchschnitt der Unzufriedenheit.
Und das Ja-Aber-Spiel dreht sich immer weiter, und weiter und weiter - ich bin der Goldene Reiter auf meinem Kopfsalat-Pferd.
„Du bist verkehrt! Du bist nichts wert!“ Das weiß ich, den Ton kenn ich schon, es reicht! Schluss mit der Tirade:
Ich sage: „Schade! All ihr Stimmen magt wohl stimmen auf Eure Weise. Aber ich bin hier auf dieser Reise in diesem Leben, ich werd mir jetzt - selbst vergeben - und gehe weiter auf meinen Wegen, die Euch vielleicht nicht passen, und so manche von Euch werden mich dafür hassen, aber ich hör ab jetzt nicht mehr zu. Ich will meine Ruh!“
Das war die zündende Idee. Den Kopfsalat anmachen, Ich geb ihm Saures und pfeffer ihm eins rein. Dann noch Öl und Salz hinein – da wird er ganz klein, fällt in sich zusammen. Alle Stimmen sind gegangen.
Wer bin ich?
Ich bin Alles und Nichts zugleich
Ich bin hart und ich bin weich,
Ich bin eine sich auflösende Wolke im Sonnenlicht,
Ich kann vieles vergeben, ich vergesse nicht,
Ich bin geduldig, ich kanns kaum erwarten,
Ich bin ein gepflegter und verwildeter Garten
Ich bin Adler, der lange Zeit dachte, er wäre Huhn
Ich hab so viel und viel zu wenig zu tun,
Ich bin stolz auf mich, ich bilde mir nichts darauf ein.
Ich habe viele Freunde - ich bin oft allein.
Ich bin Alles und Nichts zugleich,
Ich bin hart und ich bin weich.
Ich bin ganz genau gleich und gänzlich anders als Ihr!
Und wir sind – Menschen!
Und wir sind Hier und Jetzt, hart und weich
Wir sind Alles und Nichts zugleich!