Ulla grinste innerlich. Das geschah dem alten Lumbeseckel recht, dem sie ihre besten Jahre geopfert hatte!
Bleich und reglos lag ihr Ex-Angetrauter auf dem Boden der Sachsenhäuser Äppelwoi-Kneipe, in der sie bei einem Krimi-Dinner ihre Silberhochzeit begannen hatten. Anstatt eines Nobel-Franzosen nur Handkäs mit Musik und statt Champagner nur einen Bembel voll sauer gespritztem Apfelwein.
So ein Erbbsezähler
(hess. Schimpfwort)!
Jede Richterin oder Staatanwältin auf dieser Welt würde ihr mildernde Umstände gewähren, denn eigentlich war sie das Opfer hier. Seelische Grausamkeit über Jahrzehnte. Ihre Tat war reine Notwehr! Denn wie konnte ein Ehemann es nur wagen nach fünfundzwanzig unendlich langen Jahren, in denen sie sich die Finger daheim blutig geschafft hatte und er immer nur etwas zu meckern hatte und schließlich als Clou zum silbernen Fest, nur zwei läppische Eintrittskarten zu verschenken!
Das war einfach unterirdisch.
Eine mehrwöchige Mittelmeerkreuzfahrt auf der Aida wäre das Mindeste, auch für die unsäglichen Frustrationen im ehelichen Schlafzimmer, gewesen. Da sie ihren Pappenheimer ziemlich gut kannte, war schon vor dem Jubeltag klar gewesen, dass er sie wieder – wie andauernd in ihrer Ehe – enttäuschen würde. Nur gut, dass er sie quasi gezwungen hatte, sich einen Job zu suchen nachdem sie fast allein die gemeinsame Brut großgezogen und ihm in all den Jahren den Rücken für seine zahlreichen Ehrenämter im Schrebergarten- und Gesangsverein freigehalten hatte. Da kam die Stelle im Botanischen Garten gerade recht. Viel gelernt hatte sie über Pflanzen und im Besonderen über die giftigen.
Alraune, Eibe, Fingerhut, Bilsenkraut und Tollkirsche – alle viel zu bekannt und zu leicht nachzuweisen. Diese kamen nicht in Frage, nein! Und dann gab es auch noch das Problem, wie es dem lästigen Gatten möglichst unauffällig, am besten in großer Gesellschaft, zu verabreichen sei und sie selbst unverdächtig blieb. Sie hatte dafür gesorgt, dass fast jeder der Gäste bei diesem Krimi-Dinner ein Hühnchen mit ihrem verblichenen Gemahl zu rupfen hatte. Schließlich hatte sie genügend Krimis im TV gesehen und auch gelesen. Natürlich würden diese Tatsachen nicht lange verborgen bleiben, jedenfalls wenn die ermittelnden Beamten ihren Job richtig machten und sie – die stets brave und verhärmte Ehefrau - entlasten. Äußerlich völlig aufgelöst und unter dicken Tränen lehnte sich Ulla gedanklich in aller Ruhe zurück. Das konnte nicht schiefgehen und sie würde bald die Lebensversicherung in Italien mit einem gutbestückten Galan verprassen.
Da war der Nachbar, mit dessen Frau der verdammte Stecher
(hess. Schimpfwort) ein Verhältnis gehabt hatte, während sie selbst sexuell darben musste. Selbstverständlich hatte der Ehemann der betroffenen Dame einen kleinen anonymen Tipp von ihr erhalten und beide miteinander in flagranti erwischt. Die Scheidung war sehr teuer geworden und der Nachbar war ihm seither nicht gerade gewogen.
Die kauzige Dame von gegenüber, die ihn beschuldigte, immer wenn er gesoffen hatte, in ihr sorgfältig geharktes Blumenbeet und über die Gartenzwerge zu pinkeln. Stinken würde dieses nun wie ein Pissoir. Oft hatte sie damit gedroht, ihm die Harke über den Kopf zu ziehen.
Der örtliche Geldhai, dem er angeblich ein größeres Sümmchen schuldete und nicht daran dachte, es zurückzuzahlen. Sogar den örtlichen Betschwestern-Kreis hatte er gegen sich aufgebracht. Mit seinen groben Worten ob ihrer vertrockneten F…. Schrechliches Wort! Das mochte sie nicht mal denken, geschweige denn aussprechen. Jedenfalls hatten diese ihm – ganz unchristlich - bittere Rache geschworen.
So einer war ihr Rudi, ein misogyner Flegel durch und durch. Und nicht zu vergessen - die Domina mit dem Nick „Kreuzdame“ aus dem Dschoi, die ihm einmal wöchentlich kräftig einheizte und der er immer wieder versprach, seine anderen Liebschaften für sie aufzugeben. Bis sie irgendwann verstand, dass er sie nur hinhielt. Das ließ sie ziemlich wütend werden.
Ulla hätte auch gern diesen Schweinkram mit ihm ausprobiert, vor allem ihm sehr gerne einmal so richtig den Allerwertesten versohlt, am liebsten mit dem Teppichklopfer.
Sie rekapitulierte: Sein Cremetörtchen zum Nachtisch hatte sie in einem geeigneten Moment mit einer letalen Dosis, gewonnen aus dem Adonisröschen, versetzt.
Wie passend, da er sich selbst als einen Adonis angesehen hatte!
Sie schnaubte verächtlich und verschwand auf die Damentoilette. Auf der Schüssel sitzend flackerte einen Mikroausdruck lang ein zufriedenes Grinsen über ihre Züge und vermutlich hatte gerade in diesem Moment einer der Polizisten durchs Schlüsselloch der verriegelten Tür geschaut, denn kurz darauf klickten die Handschellen.
Ulla verstand die Welt nicht mehr. Was hatte sie nur falsch gemacht? Sie hatte doch den perfekten Mord geplant, inklusive passender Verdächtiger. Ihre Welt stürzte ein, aber da sie bei aller List und Tücke im Grunde ein anständiges Meedsche
(hess. Mädchen) war, gestand sie – diesmal mit echten Tränen.
„Was hat mich verraten, Frau Kommissarin?“, fragte Ulla, nachdem sie sich etwas gefangen hatte.
„Ihre heftige Trauer um diesen Babbsack
(hess. Schimpfwort) von einem Ehemann. Nachdem ich alle vernommen hatte und klar war, was für ein Sauwatz (
hess. Schimpfwort) ihr Mann gewesen ist, hab ich nicht verstanden, warum Sie überhaupt geweint und stattdessen nicht einen Freudentanz aufgeführt haben.“
Ulla nickte ergeben, da war der Fehler im System. Zu perfekt! Mist!
Die Beamtin schüttelte in Abscheu ihren Kopf:
„Tztz, nach all dem Kummer zur Silberhochzeit Karten für ein lausiges Krimi-Dinner in einer verwutzten Äppelwoi-Kneipe – also wirklich! Geht’s noch?
Da passten Ihre Sturzfluten von Tränen nicht und ich wurde misstrauisch. Ich ließ im Botanischen Garten nachfragen und dort sind in letzter Zeit unerklärlich viele Adonisröschen verschwunden.“
Sie nickte dem Häufchen Elend, dass ihr gegenüber saß beruhigend zu: „Aber machen Sie sich keine allzu großen Sorgen, meine Liebe, ich hab schon mit der zuständigen Staatsanwältin gesprochen. Die ist genauso empört über ihren Ex wie ich. Die Richterin am Gericht übrigens auch.
Und die Moral von der Geschicht? Verärger deine Frau ja nicht! Sei besser großzügig, vor allem zum Ehejubiläum