Wende
Ich war verzweifelt. Ich war am Ende. Nein, wenn das so weiter geht. Das halte ich nicht aus!Es sind diese einschießenden Schmerzen. Sie kommen ohne Vorwarnung. Level 180. Ich kleb an der Decke. Weiß nicht mehr, wer ich bin. Wo ich bin. Nur noch Schmerz. Attacke.
Aushalten hilft auch nicht. Es zermürbt. Weil es immer wieder kommt. Und ich weiß nie, wann. Mein Fuß!
Ich laufe auf Krücken. Traue mich mich nicht mehr, ihn auf zu setzten. Wenn ich ihn zu sehr belaste ... kommt dann der Schmerz wieder? Ich bin erst 40 Jahre alt. Sehe keine Zukunft. Werde nie wieder ohne Angst auftreten können. Nie wieder schmerzfrei laufen können. Dabei laufe ich so gerne.
Alles ist beschwerlich. Ich muss darum bitten, mir eine Tasse Tee zu bringen. Mit Krücken kannst Du nichts mehr hin und her tragen. Ein Leben auf Sparflamme. Ständig auf Hilfe angewiesen, die stoisch gegeben wird. Aber ohne Mitgefühl. Wenn ich in der Nacht vor Schmerzen aufschreie, dreht er sich um und murmelt: "Ich muss morgen arbeiten! Ich muss schlafen!" Mein Leben ist zu Ende. Ich will nicht mehr. Denke ernsthaft darüber nach, mich umzubringen.
Dann dieser besondere Moment im Garten. Auf der Liege. Ein Stoßseufzer ins Universum: "Was kann mir helfen?"
Verzweiflung. Not. Stille in mir. Und dann dieser Gedanke. "Hund". Es beflügelt mich. Ja, in jungen Jahren hatte ich einen Hund. Seitdem wollte ich schon immer wieder einen Hund. Aber mein Mann will das nicht...
Er kommt von der Arbeit heim. Ich liege immer noch. Im Garten. Träume von einem Hund. Schau ihn an: "Ich will einen Hund!" sage ich. "Das geht nicht!", sagt er. "Das stimmt nicht! Es geht sehr wohl. Ich kümmer mich um ihn. Du musst nichts tun. Ich regel das. Ich werd ihn gut erziehen!" .. Er schaut mich betreten an. Ich sage: "Dass das nicht geht, stimmt nicht. Es geht. Du kannst sagen: Du willst das nicht!" Ich weiß, dass er keinen Hund will. "Wenn ich mir einen Hund zulege, wird das doch wohl kein Scheidungsgrund sein?" frage ich. Er sagt nichts. Wie so oft.
Ich googel. Babywelpen in meiner Stadt. "Wenn schon ein Hund, dann nicht zu groß!" hatte er gesagt. Also gut. Ich hätte lieber einen großen Hund. Aber ich seh da einen Spitz-Mischling. Die Größe passt. Er geht mir ans Herz. Ich schau ihn mir an.
Ich wollte nicht einfach ins Blaue. Die Haltungsbedingungen müssen stimmen. Es muss der ruhigste vom Wurf sein. Damit mein Mann nicht die Krise kriegt. Aber vor Allem: der Welpe muss ohne mein Zutun als Erster einfach so zu mir kommen.
Der Wurf ist total süß. Alle fiepen. Nur eine nicht. Ich setze mich ruhig auf den Boden. Und sie kommt auf mich zu. Vom ersten Augenblick an Verbindung. Das ist mein Hund! Keine Frage!
Ich lasse sie noch einige Wochen bei ihrer Mutter. Ich war die erste, die ein Welpe ausgesucht hatte. Und die letzte, die ihn abgeholt hat. Das war gut! War mit ihrer Mama die letzten zwei Wochen allein. Da hat sie viel gelernt. Erst mit drei Monaten kam sie zu mir.
Und jetzt laufe ich mit meiner kleinen Süßen. Ich habe ein wenig Angst. Kann ich überhaupt weiter laufen? Und da schießt es wieder in meinen Fuß. Ein ekelhafter, elektrisierender, bisher unaushaltbarer Schmerz. Ein Schmerz, der mich in die Verzweiflung treibt. Aber jetzt ist es anders. Ich laufe mit meinem Hund. "Dann schieß halt!", sage ich zu meinem Fuß. "Ich lauf jetzt mit meinem Hund!" Und bin glücklich, dass dieses Wesen jetzt an meiner Seite ist. Endlich!
Das hat alles verändert. Das hat die Schmerzspirale gedreht. Ich bin nicht mehr Opfer. Die Freude über meinen Hund lässt mich die Schmerzen aushalten. Sie verlieren an Gewicht. Ich weiche nicht mehr aus. Ich stelle mich.
6 Jahre später: Ich kann wieder so viel laufen, wie ich will. Keine Schmerzen. Manchmal meckert mein Fuß. Dann geb ich Acht. Lege die Füße hoch. Aber das stetige Gassi-gehen hat meinen Fuß geheilt. Und die Liebe, die sie mir gibt.
Mein Hund ist wunderbar. Sie hat so viel bewirkt. Und ist eine ganz besondere Persönlichkeit.
Von meinem Mann habe ich mich inzwischen getrennt. Der Scheidungsgrund war ein anderer. Aber es hatte seine Vorgeschichte.
Von ihr werde ich mich erst trennen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist. Denn es ist einfach wunderbar, so eine Gefährtin zu haben. Sie hat mir wirklich das Leben gerettet. Mich aus der Verzweiflung gezogen.
Danke, Anuk, dass Du da bist!