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Tiergeschichten

Wende
Ich war verzweifelt. Ich war am Ende. Nein, wenn das so weiter geht. Das halte ich nicht aus!

Es sind diese einschießenden Schmerzen. Sie kommen ohne Vorwarnung. Level 180. Ich kleb an der Decke. Weiß nicht mehr, wer ich bin. Wo ich bin. Nur noch Schmerz. Attacke.

Aushalten hilft auch nicht. Es zermürbt. Weil es immer wieder kommt. Und ich weiß nie, wann. Mein Fuß!

Ich laufe auf Krücken. Traue mich mich nicht mehr, ihn auf zu setzten. Wenn ich ihn zu sehr belaste ... kommt dann der Schmerz wieder? Ich bin erst 40 Jahre alt. Sehe keine Zukunft. Werde nie wieder ohne Angst auftreten können. Nie wieder schmerzfrei laufen können. Dabei laufe ich so gerne.

Alles ist beschwerlich. Ich muss darum bitten, mir eine Tasse Tee zu bringen. Mit Krücken kannst Du nichts mehr hin und her tragen. Ein Leben auf Sparflamme. Ständig auf Hilfe angewiesen, die stoisch gegeben wird. Aber ohne Mitgefühl. Wenn ich in der Nacht vor Schmerzen aufschreie, dreht er sich um und murmelt: "Ich muss morgen arbeiten! Ich muss schlafen!" Mein Leben ist zu Ende. Ich will nicht mehr. Denke ernsthaft darüber nach, mich umzubringen.

Dann dieser besondere Moment im Garten. Auf der Liege. Ein Stoßseufzer ins Universum: "Was kann mir helfen?"

Verzweiflung. Not. Stille in mir. Und dann dieser Gedanke. "Hund". Es beflügelt mich. Ja, in jungen Jahren hatte ich einen Hund. Seitdem wollte ich schon immer wieder einen Hund. Aber mein Mann will das nicht...

Er kommt von der Arbeit heim. Ich liege immer noch. Im Garten. Träume von einem Hund. Schau ihn an: "Ich will einen Hund!" sage ich. "Das geht nicht!", sagt er. "Das stimmt nicht! Es geht sehr wohl. Ich kümmer mich um ihn. Du musst nichts tun. Ich regel das. Ich werd ihn gut erziehen!" .. Er schaut mich betreten an. Ich sage: "Dass das nicht geht, stimmt nicht. Es geht. Du kannst sagen: Du willst das nicht!" Ich weiß, dass er keinen Hund will. "Wenn ich mir einen Hund zulege, wird das doch wohl kein Scheidungsgrund sein?" frage ich. Er sagt nichts. Wie so oft.

Ich googel. Babywelpen in meiner Stadt. "Wenn schon ein Hund, dann nicht zu groß!" hatte er gesagt. Also gut. Ich hätte lieber einen großen Hund. Aber ich seh da einen Spitz-Mischling. Die Größe passt. Er geht mir ans Herz. Ich schau ihn mir an.

Ich wollte nicht einfach ins Blaue. Die Haltungsbedingungen müssen stimmen. Es muss der ruhigste vom Wurf sein. Damit mein Mann nicht die Krise kriegt. Aber vor Allem: der Welpe muss ohne mein Zutun als Erster einfach so zu mir kommen.

Der Wurf ist total süß. Alle fiepen. Nur eine nicht. Ich setze mich ruhig auf den Boden. Und sie kommt auf mich zu. Vom ersten Augenblick an Verbindung. Das ist mein Hund! Keine Frage!

Ich lasse sie noch einige Wochen bei ihrer Mutter. Ich war die erste, die ein Welpe ausgesucht hatte. Und die letzte, die ihn abgeholt hat. Das war gut! War mit ihrer Mama die letzten zwei Wochen allein. Da hat sie viel gelernt. Erst mit drei Monaten kam sie zu mir.

Und jetzt laufe ich mit meiner kleinen Süßen. Ich habe ein wenig Angst. Kann ich überhaupt weiter laufen? Und da schießt es wieder in meinen Fuß. Ein ekelhafter, elektrisierender, bisher unaushaltbarer Schmerz. Ein Schmerz, der mich in die Verzweiflung treibt. Aber jetzt ist es anders. Ich laufe mit meinem Hund. "Dann schieß halt!", sage ich zu meinem Fuß. "Ich lauf jetzt mit meinem Hund!" Und bin glücklich, dass dieses Wesen jetzt an meiner Seite ist. Endlich!

Das hat alles verändert. Das hat die Schmerzspirale gedreht. Ich bin nicht mehr Opfer. Die Freude über meinen Hund lässt mich die Schmerzen aushalten. Sie verlieren an Gewicht. Ich weiche nicht mehr aus. Ich stelle mich.

6 Jahre später: Ich kann wieder so viel laufen, wie ich will. Keine Schmerzen. Manchmal meckert mein Fuß. Dann geb ich Acht. Lege die Füße hoch. Aber das stetige Gassi-gehen hat meinen Fuß geheilt. Und die Liebe, die sie mir gibt.

Mein Hund ist wunderbar. Sie hat so viel bewirkt. Und ist eine ganz besondere Persönlichkeit.

Von meinem Mann habe ich mich inzwischen getrennt. Der Scheidungsgrund war ein anderer. Aber es hatte seine Vorgeschichte.

Von ihr werde ich mich erst trennen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist. Denn es ist einfach wunderbar, so eine Gefährtin zu haben. Sie hat mir wirklich das Leben gerettet. Mich aus der Verzweiflung gezogen.

Danke, Anuk, dass Du da bist!
Geben und Nehmen, Geschichten aus dem Leben!
Wohl denjenigen, denen so etwas Intensives widerfährt!

Tom (the Sun)
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Capira (1)
Dass Jorind einen Spürsinn für Gefahren und kommendes Unheil besitzt, kann man nun wirklich nicht behaupten, denn wenn dem so wäre, hätte sie das Pferd nicht gekauft. Aber wie hätte sie auch ahnen sollen, dass die Stute ihr zwei Jahre nach der ersten Begegnung Hals und Rücken brechen würde?

Capira ist eine Deutsche Reitponystute, geboren am 12. Mai 2008 und als Championatsfohlen eingetragen. Ihr Vater ist der Rapphengst Hondsrug Don Gregory, Welsh Pony Sektion B, die Mutter Caparis ist eine hochprämierte dunkelfuchsfarbene Deutsche Reitponystute. Unter den Vorfahren mütterlicherseits sind Arabisches Vollblut und Trakehner.

Sie ist ein bildschöner Dunkelfuchs mit der Fellfärbung von Bitterschokolade, das üppige Langhaar, von den väterlichen Vorfahren geerbt, die über die lieblich-herbe Hügellandschaft von Wales galoppierten, schimmert kupferrot und goldfarben. Im Winter leuchtet das lange Deckhaar am Bug silbern und wirkt wie das Schürzchen einer Serviererin im Wiener Caféhaus.

An Abzeichen schmückt sie sich mit einer durchgehend in die rechte Nüster reichenden breiten Blesse, die bis über die linke Nüster verläuft und die Unterlippe fleischfarben einfärbt; alle vier Beine sind hochweiß gestiefelt, als wäre sie gerade einem Zuber weißer Farbe entsprungen. Auf dem linken Oberschenkel prangt als Zuchtbrand ein Eichenblatt und die Ziffer 85. Das bedeutet, sie ist das fünfundachtzigste Fohlen ihres Jahrgangs.

Auf der Suche nach einem Ersatz für ihren im Mai 2010 verkauften Domena-Sohn Nabucco hatte sich Jorind einige Monate auf ehorses.de umgeschaut und war schließlich auf zwei zweijährige Reitponystuten gestoßen, die in der Nähe von Schneeberg im Thüringer Wald auf der Sommerkoppel standen.

Als Theo und Jorind sie auf der nur schwer zugänglichen Hochweide besuchten, ging ein plötzlicher Gewitterregen nieder. Die kleine Stutenherde von sieben Zweijährigen, zwei semmelblonde Haflingermädchen darunter, stand, die Kruppen in den peitschenden Wind gedreht, oberhalb einer Kuhweide.

Zusammen mit der jungen Frau, die sie wie verabredet in einer Gaststätte getroffen hatten, versuchten sie, von einem Grasbüschel zum anderen springend, den schlammigen Eingangsbereich zu durchqueren. Eine große Herde weißgelbes Höhenfleckvieh beäugte sie aus einiger Entfernung.In dem aufgeweichten Boden hätte Theo fast einen seiner Sonntagsschuhe verloren. Schließlich gaben sie auf und kehrten zum Wagen zurück.

Sie durchfuhren das Dorf und gelangten in weitem Bogen auf den Höhenkamm. Auf einer schmalen durchweichten Einbuchtung des Zufahrtsweges konnten sie parken und legten die letzten Meter bis zur Pferdekoppel durch ein kleines Gehölz zu Fuß zurück.

Voller Eifer, die Brotstücke zu ergattern, die die Besucher mitgebracht hatten, wogte die Gruppe glänzend nasser Leiber hin und her, die Hufe quatschten im Schlamm.

"Dahinten die Dunkle mit der breiten Blesse, und die hier links." Jorind nickte der jungen Frau zu. Im strömenden Regen waren die Stuten kaum zu unterscheiden, aber sie hatte ihre Wahl schon getroffen.

"Wir kommen ein andermal wieder, wenn besseres Wetter ist!" Theo wandte sich zum Gehen. Das Wasser lief ihm bereits in den Nacken.

"Nicht nötig, ich nehme die hier!" Jorind deutete auf das zierliche Stütchen mit der leuchtenden Blesse, die offensichtlich den höchsten Rang innehatte. Jedenfalls hatte sie das meiste Brot erwischt.

"Das ist Piri. Ich zeige ihnen im Auto die Papiere."

Sie stapften eilig zum Wagen zurück und ließen sich erleichtert auf die Sitze fallen. Frau Freitag - "Fraidog wie Sunndog" - vertiefte sich mit Jorind in die Abstammungspapiere. "Hier die Vaterseite, reines Welsh, über die Mutterlinie hat sie viel Blut."

Jorind atmete tief durch. Welshponys hatten oft einen harten, stark werfenden Trab. Ursprünglich waren sie zum Fahren gezüchtet worden. Immerhin war Capira, von ihrer Besitzerin liebevoll "Piri" gerufen, nicht zu kurz gefesselt. Darauf hatte Jorind vorhin besonders geachtet. Je länger die Fessel, desto angenehmer der Trab.

Anglo-Araber und Trakehner auf der Mutterseite konnten heftiges Temperament bedeuten, aber auch Härte und Leistungsbereitschaft. Egal, die Stute war bezaubernd schön und von bester Abstammung. Selbst wenn sie sich nicht als das Verlasspferd entpuppen sollte, das Jorind eigentlich brauchte, ließ sie sich jederzeit mit Gewinn verkaufen. Vorausgesetzt, sie verfügte über eine solide Grundausbildung, und dafür würde Jorind schon sorgen.

Sie fuhren zu der Gaststätte zurück, die als erster Treffpunkt gedient hatte, und besiegelten das Geschäft bei Kaffee und Kuchen. Maren Freitag hatte einen Kaufvertrag mitgebracht, den sie jetzt zusammen ausfüllten.

"Wie sieht es denn mit der Umgänglichkeit aus?" fragte Theo. "Lässt sie sich aufhalftern, putzen, führen? Gibt sie die Hufe?"

Frau Freitag zog die Stirn kraus.

"Naja, um ehrlich zu sein, mit den Hufen haben wir noch nicht viel gemacht. Ansonsten ist sie sehr zutraulich. Sie geht auch einwandfrei in den Hänger. Wir haben sie schon mehrmals von einer Weide zur anderen transportiert." Sie überlegte einen Augenblick, nahm dann den Stift und notierte in der Spalte "Sonstiges" "Gibt schlecht Hufe".

Jorind lehnte sich ungeduldig zurück. Sie konnte es kaum erwarten, das Pferd bei sich auf der Koppel zu sehen.

"Das kriegen wir schon hin. Schließlich ist sie nicht das erste Pferd, das wir ausbilden."

"Weil deine Pferde auch alle bestens die Hufe geben", warf Theo spöttisch dazwischen. Jorind musste nun selbst lachen, denn weder Livia noch Domena gaben ordentlich die Hufe her.

"Daran sind die Reitmädels schuld", behauptete sie. "Immer wenn die genügend zupacken können, kommt eine Neue dazu, und die Pferde amüsieren sich mit ihr."

"Schieb du nur alles auf deine Mädels. Am besten, du machst bei Capira alles selbst, dann werden wir ja sehen, an wem es liegt."
Capira
Fido hat größten Respekt vor Pferden. Er macht ausnahmslos einen großen Bogen um sie. Vielleicht mag es daran liegen, dass er über einen exzellenten Spürsinn verfügt, den er sich während seiner Zeit auf der Straße aneignen musste, um überleben zu können.

Deine Geschichte ist vielleicht aber der Schlüssel und natürlich sind wir beide gespannt, wie es weitergeht, mit Jorind und Capira?

Bis dahin schickt dir ein Fido einen Fidolinki *g*

Tom (the Sun)
Ich bin dann mal weg
"Ich bin dann mal weg". Eigentlich hatte ich es schon an ihrem Blick gesehen. Ein kleines Funkeln. Dann die freudige Anspannung in ihren Hinterbacken. Der tänzelnde Schritt. Aber ich wollte es nicht wahr haben. Wollte meinen Rasen weiter mähen.

Mein Garten ist ausbruchssicher. Dachte ich jedenfalls. Ich habe keine Ahnung, wo sie ein Schlupfloch gefunden hatte. Das Gartentor war unten mit breiten, hochstehenden Brettern gesichert. Die Grenze zum Nachbarzaun mit Kompostbehältern, hoch aufgeschichtetem Holz und extra Rosenschnitt mit Dornen versehen. Weil sie mir die letzten Monate schon mehrfach ausgebüchst war. Der Maschendrahtzaun zum anderen Nachbarn reichte bis zum Boden. Bis auf eine Stelle. Diese hatte ich ebenfalls mit einem Brett verbarrikadiert.

Aber sie ist schlau. Sie hat schon wieder ein Schlupfloch gefunden. Macht sich vermutlich platt und schlüpft durch die kleinste Ritze.

Leztens war sie auch mal wieder weg. Ich hatte sie zu meinen Klavierschülern mitgenommen. Die Familie liebt Hunde. "Wir passen auf sie auf, kein Problem." Die Kinder hatten ihre Freude an ihr. Meine Hündin spielte mit. Aber dann änderte sie ihre Pläne. Sie mimte den erschöpften Hund. Legte sich an ausgesuchter Stelle auf den Boden und streckte alle Viere von sich. Beobachtete die Menschen. Mehr mit ihrer Nase, ihren Ohren. Die Augen hielt sie geschlossen.

Der scheinbar schlafende Hund wurde vergessen. Sie aber lauerte nur auf den Moment, als alle abgelenkt waren. Nutzte die offene Balkontür, und weg war sie. Keiner hatte es gesehen.

Als ich mit Unterrichten fertig war, wunderte ich mich. Wo war mein Hund? Die Familie hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass sie weg war. Sie lag doch ganz friedlich da drüben, im Eck.

Es brauchte nur einen kurzen Ruf von mir. Schon trabte sie fröhlich auf mich zu. Begrüßte mich überschwenglich. "Was hast Du nur? Ich hab mich doch nur eine wenig umgesehen!", sagte ihr Blick. "Ist ja schließlich ein neues Revier. Da muss ich mir doch einen Überblick verschaffen." Sie ist nun mal eine Dame mit enorm viel Selbstbewusstsein und Neugierde. "Ich pass schon auf mich auf. Bin ja kein Welpe mehr. Keine Sorge!" schien sie mir sagen zu wollen.

Und jetzt war sie schon wieder weg. Also gehe ich aus dem Garten raus, rufe. Ein wenig bin ich schon besorgt. Aber auch amüsiert. Sie hatte mich schon wieder ausgetrickst.

Nach drei Minuten rennt sie in einem Affenzahn die Strasse entlang. Verstreut Wassertropfen auf dem Asphalt. "Ist so heiß heute. Ich war nur kurz Baden". Zur Begrüßung hüpft sie an mir hoch. Ist ganz aus dem Häuschen. Als ob wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen hätten. Jetzt bin ich auch nass. "Schön, dass Du mich nicht vergessen hast. Keine Angst, ich bleib schon in der Nähe."

Ja, was soll ich da sagen. "Jetzt bleibst Du aber bei mir." Und ich behalte sie für den Rest des Morgens im Auge. Einmal am Tag "Ich bin dann mal weg!"-Spielen ist genug.

*haumichwech*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Eine köstliche Geschichte!
Und die unternehmungslustige Hundedame hast du sehr treffend und liebevoll gezeichnet. Schön! *roseschenk*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Capira (2)
Es war ein sonniger Winternachmittag. Über der Ranch wölbte sich ein hoher blassblauer Himmel. Eine leichte Schneedecke bedeckte den gefrorenen Boden. Die Pferde standen aufgehalftert und angebunden an der Einzäunung ihres Auslaufs aufgereiht, über ihnen zeigten die Kerzen der Pappelallee himmelwärts. Livia und Domena hatten die Köpfe gesenkt, ein Hinterbein leicht auf die Hufkante abgestellt und genossen die Sonnenwärme auf ihrem Fell. Die Ohrmuscheln waren zur Seite gedreht und zuckten leicht, auch in der Entspannung verfolgten die beiden Stuten alles, was um sie her vor sich ging.

Anna-Lena stand in ihrer gefütterten Winterjacke vor der Umzäunung und rieb sich die behandschuhten Hände warm. Sie sah Jorind zu, die dabei war, der jungen Capira die Hufe hochzuheben. Auch Jorind trug dicke Handschuhe und auf dem Kopf eine alte Wollmütze. Die schwere Reitjacke hatte sie ausgezogen und an einen Aststumpf der nächsten Pappel gehängt.

Sie stand dicht neben der Pferdeschulter, strich mit einer Hand am Vorderbein abwärts, griff in die Fesselhaare und hob den Huf an. Mit beiden Händen führte sie ihn in eine schnelle Kreisbewegung und setzte ihn wieder ab. Das wiederholte sie mit den übrigen Beinen. Danach richtete sie sich auf und streckte sich. Sie drehte sich zu dem Mädchen um, legte Capira den Arm über den Rücken und lehnte sich an sie. Die junge Stute wandte den Kopf und schnoberte an ihrer Kleidung.

"Sag mir mal zuerst, warum, glaubst du, ist es so wichtig, dass ein Pferd die Hufe gibt?"

"Naja, damit man sie auskratzen kann. Die Erde setzt sich drin fest oder ein Stein kann eingeklemmt sein. In den Furchen entsteht manchmal Huffäule, wenn das Pferd nass steht. Und wenn der Schmied kommt und die Hufe ausschneiden oder Eisen aufnageln will, muss das Pferd gelernt haben, ruhig stehenzubleiben. Für junge Pferde ist es manchmal schwierig, längere Zeit auf drei Beinen zu stehen und ihr Gleichgewicht zu halten."

Jorind warf dem Mädchen einen anerkennenden Blick zu und lächelte.

"Gib's zu, du hast mal wieder in einem Pferdebuch geschmökert."

Das Mädchen lächelte zurück, warf den Kopf in den Nacken und strich sich mit beiden Händen ihren üppigen rotblonden Pferdeschwanz glatt.

"Stimmt. Aber viel weiß ich auch schon aus Erfahrung."

"Okay. - Und alte Pferde haben manchmal Probleme mit den Hüften und wollen die Hinterbeine nicht so hoch nehmen, wie der Schmied das für seine Arbeit haben will. Jetzt komm mal rein und zeig mir, wie du die Hufe hochnimmst."

Anna-Lena suchte sich einen Hufkratzer aus dem Putzkasten, schwang sich lässig über die oberste Zaunstange und trat neben die junge Stute. Jorind machte ihr Platz. Das Mädchen klopfte dem Pferd auf Hals und Schulter, strich dann am Vorderbein entlang abwärts und umfasste das Fesselgelenk. Capira hob den Huf und schwang ihn mit kraftvollem Schwung nach vorn, um ihr Bein zu befreien, doch Anna-Lena hatte damit gerechnet und fing mit ihrem Knie das Pferdebein ab. Geschickt und energisch räumte sie den Huf aus und stellte das Bein wieder ab.

"Benissimo, cara!" Jorind war hochzufrieden. "Aber was ist mit der Hinterhand? Würdest du's dort auch so machen?"

Anna-Lena warf ihr einen entsetzten Blick zu. "Nein, sie schlägt doch!"
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Capira (3)
Jorind stellte sich auf die Seite der Stute und strich mit der Hand über die Kruppe. Sie kam bis zum Sprunggelenk, dann schlug Capira blitzschnell aus, hoch und weit zur Seite. Jorind hatte genug Abstand gehalten und wurde nicht getroffen. Sie lachte nur und kraulte das Pferd unterm Kinn.

"Und jetzt schau her. Ich zeig dir mal was." Sie lehnte sich an die Pferdeschulter und klopfte Capira kräftig auf den Rücken, strich mit festem Druck über die Kruppe, bewegte ihren Körper dabei weiter am Pferdekörper entlang, lehnte sich an die Flanke, stand schließlich direkt neben dem Hinterbein, eng an das Pferd gedrückt.

"Immer Körperkontakt halten, siehst du?" Langsam bückte sie sich, fuhr mit der Hand am Bein entlang und griff zu. Capira hob den Huf ein Stück an und ließ ihn in der Luft schweben, Jorind klopfte mit der Hand leicht dagegen und setzte ihn wieder ab.

"Sorry, auskratzen geht noch nicht, vielleicht nächste Woche."

"Wie haben Sie das gemacht? Cool!" Anna-Lena war beeindruckt.

"Pferde wollen nicht festgehalten werden. Das ist ihnen angeboren. Sie müssen immer fliehen können. Pack sie am Bein, sie ziehen es weg. Wenn du Pech hast, wirst du getreten. Der Körperkontakt beruhigt sie, gibt ihnen Sicherheit. Sie entspannen sich. Noch besser klappt das, wenn auf der anderen Seite auch einer steht. Das Pferd fühlt sich dann von der Herde eingerahmt. Komm, wir probieren das gleich mal."

Sie stellten sich zu beiden Seiten der jungen Stute auf und kraulten ihr Hals und Mähne. Als Anna-Lena ihr den Arm über den Rücken schob und sich eng an sie drückte, hob Capira ein Hinterbein und stampfte damit kräftig auf den Boden. Das Mädchen fuhr erschrocken zurück.

"Sie hat es mir verboten!"

"Sie kennt dich noch nicht gut genug. Komm, wir fahren erst mal zu mir nach Hause, auf einen Cappuccino."
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Capira (4)
Kurze Zeit später saßen sie gemütlich in Jorinds Wohnzimmer. Der mächtige Ofen strahlte eine starke Hitze aus. Dicht davor hatte sich Jamie zusammengerollt und schlief bereits. Anna-Lena setzte sich in ihrem Sessel zurecht und nippte an ihrer Tasse.

"Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, auf den Körperkontakt? Haben Sie das irgendwo gelesen?"

Jorind überlegte.

"Ja und nein. Sagt dir der Name Oliver Sacks etwas? Das ist ein amerikanischer Neurologe, der etliche Bücher über Wahrnehmung und Fehlfunktionen des Gehirns geschrieben hat. Eines davon heißt Eine Anthropologin auf dem Mars. Darin erzählt er von einer Autistin, die sich als Jugendliche einen Kasten gebaut hat, der genau so groß war wie sie selbst. Vorne konnte sie den Kopf rausstrecken und das Kinn auf ein kleines Brettchen legen."

Sie fing Anna-Lenas verwirrten Blick auf.

"Für Autisten ist es typisch, dass sie keinen Körperkontakt ertragen können. Weil die Welt aber so fremd und unheimlich für sie ist, stehen sie oft stark unter Stress. Um die Anspannung abzubauen, kam dieses Mädchen auf die Idee mit dem Kasten. Enge Umrahmung auf allen Seiten, aber kein Körperkontakt."

Anna-Lena nickte.

"Ich glaube, ein Ferienaufenthalt auf der Farm eines Onkels hat sie auf den Einfall gebracht. Sie hat zugeschaut, wie die Rinder aus den Pferchen in einen Trichter und durch verschiedene Schleusen bis in einen engen Stand getrieben wurden, in dem sie sich nicht mehr rühren konnten. Dort wurden sie geimpft, die Klauen geschnitten und so weiter."

"Ja, darüber hab ich schon mal was im Fernsehen gesehen", sagte Anna-Lena, stellte die Tasse ab und wechselte in ihrer Kauerstellung auf die andere Seite.

"Das Mädchen hat das also beobachtet und sich gewundert, wie ruhig die Tiere in dem engen Stand geworden sind, obwohl um sie herum große Hektik war. Sie haben nicht getobt und versucht, sich zu befreien. Da hat sie wohl gedacht, was für die Rinder gut ist, könnte auch bei ihr klappen."

"Und Sie haben sich gedacht, was bei Kühen funktioniert, könnte man mit Capira versuchen."

"Ich kam bei ihr nicht weiter. Das Äußerste, was ich erreichen konnte, waren diese schnellen Kreisbewegungen mit den Hufen, die du vorhin gesehen hast." Jorind starrte an die Decke und dachte nach.

"Mir kam dann auch irgendwann eine ganz vage Erinnerung in den Sinn. - Als Kind habe ich die Ferien auf einem Ponyhof am Bodensee verbracht. Dort gab es Islandpferde, die waren damals ganz neu auf dem Kontinent. Stundenlang haben wir uns unterhalten, die Besitzerin und ich. Wir haben auch viel gelesen über diese Rasse, über Island überhaupt. Manche der Pferde dort werden nie richtig zahm. Obwohl sie ausgebildet sind und regelmäßig geritten werden, müssen sie jedes Mal eingefangen werden. Das ist mühsam und zeitraubend. Manche Farmer haben deshalb in einer Koppelecke einen Fangtrichter eingebaut, der auch in einem solchen Stand endet."
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Zur Entstehung von "Capira"
Die Szenen (1 - 4), die ich euch vorgestellt habe, sind geplant als Teile eines Romangeschehens, in das sie an passenden Stellen eingestreut werden sollen, um die verschiedenen Persönlichkeitsaspekte und Lebenswelten der Protagonistin Jorind zu beleuchten.

Jorind ist Lateinlehrerin an einem Kleinstadtgymnasium. Die hohen Anforderungen ihres Berufs haben in ihrer labilen und sensiblen Psyche zu einer tiefen Verzweiflung geführt, die durch ein Antidepressivum nur unzureichend überdeckt wird.

Ihre Freizeit verbringt Jorind hauptsächlich auf der Ranch, die sie mit ihrem Mann zusammen betreibt.

Mehr als diese vier Szenen habe ich noch nicht zu Papier gebracht, was Capira betrifft. Der Roman hat starke autobiografische Züge. Das Ende der Geschichte von Capira ist ein schwerer Reitunfall, bei dem ich mir vor drei Jahren Hals und Rücken gebrochen habe. Noch vom Krankenbett aus habe ich die Stute verkauft. Ich wollte sie nicht mehr auf der Ranch haben, wenn ich nach Hause kam.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass ich noch nie über den Unfall geschrieben und die meisten Einzelheiten auch verdrängt habe, so dass sie meiner Erinnerung nicht mehr so ohne weiteres zur Verfügung stehen. Jetzt überlege ich gerade, wie ich das am besten literarisch aufarbeite. Denn aus den eigenen Erlebnissen soll ja Romangeschehen bzw. erst mal ein Schluss für die Kurzgeschichte werden.

Einen weiteren Text aus dem Romanmanuskript kennt ihr bereits ...

Kurzgeschichten: Seltene Begegnung

Auf eure Ideen, Vorschläge und Kritik bin ich gespannt und freue mich darauf.

luccioladagosto *wink*
******s23 Frau
12.725 Beiträge
SAM Teil II
Es war etwas Zeit vergangen, vielleicht zwei Wochen, als mich ein lautes Bellen aus meiner Mittagsruhe aufschreckte.
Ich reckte und streckte mich, um den Schlaf zu verscheuchen und trottete vor die Höhle. Die Sonnenstrahlen kitzelten in meinen Augen, so dass ich blinzeln musste. Suchend und ein wenig überrascht, schaute ich mich um. Es war ungewöhnlich hier auf Artgenossen zu treffen. Das Bellen klang aber nicht ganz unbekannt - als hätte ich es schon einmal gehört.
Richtig, es fiel mir wieder ein. Die Dogge vom See!

Jetzt war ich ganz munter und die Neugier trieb mich an, den Grund dafür herauszufinden. Ich lief dem Bellen entgegen und stellte kurz darauf fest, dass es tatsächlich die Dogge war. Etwas argwöhnisch blieb ich in Sichtweite stehen und wartete in leicht angespannter Haltung ab. Nicht das ich Angst gehabt hätte, aber die Erfahrung riet zur Wachsamkeit. Freundlich erwiderte ich die Begrüßung und nahm die Aufforderung, zum rundum schnüffeln an. Nachdem wir dieses Ritual abgeschlossen hatten, kam Zorro - sein Name war mir wieder eingefallen - direkt zum Grund seiner Anwesenheit.
Mit gespitzten Ohren und mittlerweile hechelnd auf meinen Hinterläufen sitzend, lauschte ich seinem Bericht.

Die kleine Lena, das Mädchen, das ich aus dem See gezogen hatte, war mit dem Schreck und einer dicken Erkältung davongekommen. Lenas Mutter aber, hatte ihre Beziehung zu jenem Mann, nach diesem Vorfall beendet. Es war auch nicht das erste Mal. Ein furchtbarer Mensch, der nur seine Arbeit und Profit im Kopf hatte, keine Tiere mochte und auch sonst völlig egoistisch handelte. Er hätte an dem Tag auf Lena aufpassen sollen, aber statt dessen, saß er die ganze Zeit auf der Bank, verhandelte mit Geschäftspartnern und beobachtete die Aktienkurse auf dem mobilen Telefon. Kein Gedanke an das kleine Mädchen, das auf das noch brüchige Eis gelaufen war. Eine handfeste Auseinandersetzung mit Lenas Mutter, noch am selben Abend und er packte seine Koffer.

Fragend schaute ich Zorro an, als er weitererzählte.

Lenas Mutter habe versucht mich zu finden, um sich für die Rettung ihrer Tochter zu bedanken.
Ich sollte mitkommen zum See, wo sie mit Lena zusammen wartete.

Was gab es da lange zu überlegen? Die Aussicht auf ein Leckerli - vielleicht ein Knochen - ließ mich freudig winseln. Ein großer Kerl wie ich, hat eben immer Hunger. So lief ich dann zügigen Schrittes hinter Zorro her, bis wir den See erreichten.

Dort saßen die Beiden auf einer der Bänke und fütterten Enten und andere Vögel. Lena erblickte uns als erstes und sprang jauchzend auf. Lachend und mit strahlenden Augen, lief die Kleine uns entgegen. Zorro war sichtlich verlegen und gerührt, als sie ihn umarmte und lobte.
Dann wandte sie sich zu mir. Kleine Arme und Hände, die sich in meinem dichten Fell vergruben, mich drückten und kraulten. Lenas Mutter war inzwischen auch herangekommen und hockte sich vor uns. Sie dankte Zorro und wir beide bekamen große Hundekekse.
"So, du bist also SAM." hörte ich sie sagen. Die weiche freundliche Stimme mochte ich gleich. Noch mehr Streicheleinheiten folgten. Das tat richtig gut, stellte ich fest und wedelte freudig.

Lenas Mutter kramte in ihrer Tasche und zog ein Halsband heraus, an dem ein blanker Anhänger befestigt war. Zorro stupste mich an und erklärte, dass meine Name darauf geschrieben sei und ich mitkommen solle.
Ein wenig zurückhaltend, ließ ich zu, dass es mir angelegt wurde, da keine Leine folgte, schien mir das in Ordnung zu sein.
Zorro bellte auffordernd und so ging ich in gespannter Erwartung mit ihnen.

Wir brauchten einige Zeit, bis wir ein großes Haus mit eingezäuntem Garten erreichten. Lena war die ganze Zeit munter plappernd um uns herumgehüpft. Jetzt zeigte sie auf das Haus: "Wir sind Zuhause. SAM du gehörst jetzt zu uns."
Mit großen Augen schaute ich sie überrascht an.

Fortsetzung folgt.
Damaris 2/6/17
******s23 Frau
12.725 Beiträge
Liebe luccioladagosto,
jetzt habe ich es auch endlich geschafft, die Teile von 1-4 von Capira zu lesen.
Dein Nachwort dazu erklärt einiges. Ich hoffe, dass ich hier die richtigen Worte finde.
Du hast ganz sicher ein großes Fachwissen zum Thema Pferde und bindest das geschickt mit ein. Form und Stil 👍🏻
Was mir in der Erzählung gefehlt hat ist die Emotion. Vor dem Hintergrund deines eigenen Erlebnisses, ist das verständlich. Du versuchst sachlich das Geschehen wiederzugeben.
Du hast geschrieben, dass du Erinnerngslücken hast was den Reitunfall angeht. Auch das ist sicher nicht verwunderlich. Du hast meinen größten Respekt dafür, dass du das Thema in Angriff nimmst und aufarbeiten willst.
Etwas aufzuarbeiten, heißt aber auch, sich den Gefühlen und Emotionen zu stellen. Sie anzunehmen. Etwas, das ganz sicher nicht einfach ist. Du hast hierbei die Chance, dass alles rauszulassen in Schriftform.
Wut - Enttäuschung - Traurigkeit...lass den Leser teilhaben, nimm ihn mit in "deine Welt"

Zu Capira - du hast sie verkauft, weil sie schuldig war in deinen Augen? Du wolltest sie nicht mehr sehen?
Kann ein Tier schuldig sein oder gehorcht es seinen Instinkten?

Ich stelle diese Fragen ganz bewusst, nicht um zu provozieren ( ganz sicher nicht )
Das sind Fragen die auch Jorind beschäftigen werden, in deinem Buch. Sie muss sich damit auseinandersetzen und somit du als Schreiber auch.

Es ist sehr viel schwerer eine "autobiografische Geschichte" zu schreiben, als eine Ausgedachte, denn du schreibst über selber erlebtes und deine Empfindungen.

Ich wünsche dir von Herzen Erfolg dazu *knuddel* und hoffe ich konnte es verständlich ausdrücken was mir im Kopf rumgeht dazu.
*vielglueck*
Schon gut, diese Geschichte...
... gehört zum Zyklus "Aileen und das Mondpferd". Sie ist nicht heiß, hat aber was mit Weihnachten zu tun, und... es kommt eine Katze drin vor...
(Dies nur als Entschuldigung vorab.)
Und wer "Aileen und das Mondpferd" nicht kennt, sollte es als Weihnachtsgeschenk einplanen!

Das Weihnachtsmiez

"Nee, ne!", hauchte Aileen, und das Mondpferd stand nur da und starrte.
"Es hat eine Mütze auf", wisperte Aileen und verschluckte sich fast.
"Und es ist schneeweiß", wisperte das Mondpferd zurück.
"Hast Du den Schal gesehen?" Aileens Wispern war kaum hörbar... nur für Mondpferdeohren gerade noch wahrnehmbar.
"Rot", atmete das Mondpferd zurück, "wie die Mütze...."
"Unfassbar", gab Aileen von sich, ohne dass selbst das Mondpferd es hätte hören können.
"Das ist das Weihnachtsmiez", gab das Mondpferd ebenso unhörbar zurück.

Tatsächlich!

Da drüben stand es. Da drüben auf dem schneebezuckerten Feld.

Tatsächlich!

Schneeweiß war es, das kleine Kätzchen, das bei näherem Hinsehen eigentlich eine veritable Katze war. Was der Pracht der roten Mütze und des roten Schals aber keinen Abbruch tat.
Sehr hübsch sah das aus.
Ein wenig surreal.
Welche Katze bitteschön brauchte denn Mütze und Schal?
Selbst hier und jetzt im Winter?

"Das Weihnachtsmiez", hauchte das Mondpferd andächtig. Fast wäre es auf das gefallen, was ungebildete Menschen beim Pferd gerne als Knie bezeichneten.

Aileen - ganz die alte und Herrin ihrer selbst - hatte zum Glück ihren Sachverstand beisammen und räusperte sich hörbar. "Es gibt keine Weihnachtsmiezen", sagte sie sehr laut, und irgendwie klang es ein bisschen, als müsste sie sich selbst von dieser Aussage erst noch überzeugen.
Nun fiel das Mondpferd tatsächlich auf das, was ungebildete Menschen beim Pferd gerne als Knie bezeichneten. Nur sehr mühsam rappelte es sich wieder auf.
"Bist du verrückt?!" Das Mondpferd war kaum Herr seiner Beine und noch weniger Herr seiner Stimme.
Die betagte schwarze Stute kannte das Mondpferd nun schon lange genug um zu wissen, dass bestimmte Vorgänge im Hirn des hübschen kleinen Rappen manchmal länger brauchten als bei normal gebauten Pferden. Also atmete sie tief durch - ein und aus - und nochmals ein und aus.
"Es gibt keine Weihnachtsmiezen", sagte sie dann noch einmal und legte sehr viel Wert auf eine klare aber tiefe - und wie sie hoffte - beruhigende Stimme.
Das Mondpferd wäre völlig von den Socken gewesen, wenn Socken im Leben eines Mondpferdes irgendeine Rolle gespielt hätten. Da dem nicht so war, beschränkte sich das Mondpferd darauf, völlig par bleu zu sein, obwohl auch dieser Begriff im Leben eines Mondpferdes nur eine sehr geringfügige Rolle spielte.
"Aber da drüben steht es doch!", insistierte es, und Aileen konzentrierte sich einmal mehr auf ihre Atemübungen.
"Da drüben", und wieder versuchte Aileen, ihrer Stimme ein warmes und langmütiges Timbre zu verleihen, "steht einfach eine sehr verdutzte Katze mit Mütze und Schal."
Das Mondpferd stand noch immer auf zittrigen Beinen, und da ihm seine Stimme obendrein weiterhin die Zusammenarbeit verweigerte, hüstelte es: "Eben."
"Außerdem ist Weihnachten ohnehin nur die Erfindung irgendwelcher Beutelschneider", sagte Aileen - und ihr fiel zu spät auf, dass diese ihre Aussage das arme Hirn des Mondpferdes noch mehr durcheinander bringen würde.
Überraschenderweise reagierte besagtes armes Hirn unglaublich schnell, und Aileen - einmal mehr verblüfft angesichts der Beweglichkeit ihres dicklichen Freundes - steckte den Tritt ins Hinterteil mit der Gelassenheit weg, die ihr hohes Alter ihr ab und an zu gebieten schien.
Das Mondpferd hatte sich nun wieder gefangen und blitzte seine Reisebegleiterin aus kohlschwarzen Augen an. "Überall auf dieser Welt wird Weihnachten gefeiert", dozierte es nun seinerseits mit diesem langmütigen Unterton. "Alle Welt verziert Bäume und packt Kerzen drauf und Geschenke drunter."
Ein - aus. Atmen. Aileen war da sehr diszipliniert. Nochmal .... ein - aus...
Sie war ja nun schon ein wenig herumgekommen in der Welt. Auch bevor sie das Mondpferd kennen gelernt hatte.
Weihnachten.
Na ja...
Jeder nannte es ein wenig anders ... letztlich war es doch nur das Fest, das man in der längsten Nacht des Jahres feierte, weil danach das Licht wieder auf dem Vormarsch sein würde....
Oder?
Na ja...
Natürlich kannte sich Aileen nicht so gut mit Menschengebräuchen aus... und mit deren Göttern erst recht nicht.
Auf jeden Fall hatte das alles nichts mit kleinen weißen Katzen zu tun, die mit Schal und Mütze auf einem schneebezuckerten Feld standen.
Aber Aileen gab sich Mühe. "Pass' auf", sagte sie daher zu ihrem kleinen knubbeligen Freund. "Weihnachten ist ein Fest der Menschen." Sie harrte kurz einer Antwort, die aber nicht kam. "Was sollte denn bitte eine Miezekatze mit Mütze und Schal mit einem Menschenfest zu tun haben?"
Huch!
Das Mondpferd stampfte so heftig auf, dass ein paar der wenigen Schneeflöckchen auf dem Feld einen erschreckten Hopser machten.
"Du bist noch nie auf die Idee gekommen, dass es Weihnachten auch für andere Lebewesen geben könnte?" fragte es mit so viel Herausforderung in der Stimme, dass es nur so rauschte in Aileens Ohren. "Denk' doch mal an Deine Königin! Hat die dir nicht auch zu Weihnachten ein paar besondere Leckerbissen in den Trog gelegt? Haben nicht auch die Hunde bei Hofe immer die besseren Stücke bekommen an Weihnachten?"
Ui.
Aileen war - da sie die Beutung dieser Redewendung kannte - ganz von den Socken.

Atmen! Ein - aus. Es klappte leider nicht immer. "Kruzinesn!" schimpfte sie - völlig bar jeglicher Kenntnis des Wortes, aber es klang so schön - "Dann haben wir also demnächst Weihnachtspferde und Weihnachtswölfe, und was... " - nochmal ein - aus - "was passiert, wenn die Weihnachtsmiez die Weihnachtsmaus frisst?!?!"

Das Mondpferd war nun - ob Aileens so schlagkräftiger Argumentation - doch tatsächlich von den Socken (und hier möchten wir mal betonen, dass das Mondpferd tatsächlich keine Ahnung hatte von Socken jedweder Art... auch nicht von denen, die man im fernen Westen an Weihnachten an den Kamin hängt).
"Das wird mir doch nun tatsächlich zu blöd!" sagte das Mondpferd mit einem unangebrachten Hauch von Unhöflichkeit in der Stimme. "Ich geh' jetzt da rüber und frage...."
Aileen wollte noch etwas einwerfen, denn sie konnte sich vorstellen, was diese in Bewegung geratene vierbeinige schwarze Kugel gegebenenfalls in den Augen einer verschreckten Katze anrichten mochte...

Aber da war es schon zu spät.

Das Mondpferd hatte die kleine so drollig gekleidete Mieze schon fast erreicht, und Aileen galoppierte - rein der Schadensbegrenzung wegen - hinterdrein.
Sie stemmte alle Viere in den Boden, als sie bemerkte, dass die hübsche weiße Katze ob der Annäherung des Mondpferdes keineswegs verschreckt reagierte.
Nein...
Sie sah eher verärgert aus.
Aileen dachte ganz kurz über Weihnachtsmäuse nach... und näherte sich zögerlich. Sie hatte nicht verstehen können, was das Mondpferd zu diesem scheinbaren Weihnachtsmiez gesagt hatte.

Daher kam die Antwort um so unverhoffter, und Aileen setzte sich vor Schreck (und Lachen) fast aufs Hinterteil...

"Seid ihr bescheuert?" fragte nämlich die schneeweiße Katze mit den grünen Augen aufgebracht. "Das haben mir die Kinder angezogen, weil ich besser laufen kann als ihre Puppen!"

Anne Johann (2015)
**********Engel Frau
25.859 Beiträge
Gruppen-Mod 
Die vorstehende Geschichte wurde hierher verschoben.

Und wie ich gerade sehe, hat das Mitglied Joy verlassen ... *nixweiss*
oh wie schön...
Tiergeschichten...so viel zu lesen - und ich könnte ganze Bücher füllen, mit dem was bei mir in und ums Haus herum kreucht und fleucht.

Meine Katze ..

...ist bei mir unten durch.
So was von unten durch, unten durcher geht gar nicht mehr.
Was hab ich ihr nicht alles im Lauf der Jahre großmütig verziehen.
Das sie mitten in der Nacht das ganze Haus auf den Kopf stellt, weil draußen ihr Freund vor lauter Verlassenheit das Dorf zusammen jault.
Das sie, wenn man sie nicht zackig genug herein lässt, einfach an den Fensterstreben hochklettert um dann kläglich miauend, dort oben zu hängen, um mir deutlich zu machen, wie herzlos ich bin, so ein armes Katzenwesen, draußen vor der Tür versauern zu lassen.
Das macht sie übrigens nur wenn`s regnet, das Hochklettern an den Fensterstreben – sie denkt da nämlich an meinen Adrenalinspiegel und meine natürliche Aversion gegen das Fenster putzen.
Dieses Spielchen geht natürlich auch andersrum, wenn sie nach draußen will und ich nicht schnell genug als Türöffner diene, dann kratzt sie sämtliche Türen zusammen.
An manchen Tagen gewinne ich den Eindruck ich bin ein rotierender Türöffner.
Im drei Minutentakt,
Haustüre auf, Madame herein, Haustüre zu.
Terrassentüre auf, Madame heraus, Terrassentüre zu.
Terrassentüre auf, Madame herein, Terrassentüre zu.
Haustüre auf, Madame heraus, Haustüre zu.
Ohne große Übertreibung – so könnte ich jetzt locker die nächsten 10 Seiten füllen. Aber im Gegensatz zu manch einer Katze, tu ich keinem Menschen so eine Unendlichkeit an.
Ich hab ihr verziehen, dass sie immer, wirklich immer, wenn ich mein Nickerchen auf dem Sofa halte(ich bin ja mittlerweile so ein oldsmobile, das solche Ruhepausen braucht) sie mit einem Satz auf meiner Brust sitzt nur um dann gelangweilt davon zu schlenzen und so zu tun, als ob ich gar nicht da wäre.
Ich hab ihr verziehen, was ein jahrelanger Lernprozess war, dass sie jeden Morgen- wenn ich die Augen noch nicht einmal richtig offen habe und ich mich hilflos tastend in der Küche bewege, um fast blind und gänzlich denkunfähig nach dem Ding zu suchen, das sich Kaffemaschine nennt -
eine permanente Fußangel darstellt, die erst zum Gott erbarmen jämmerlich vor sich hinfiept, um dann, im Angesicht des drohenden Hungertods, von jämmerlich in die empörte Tonlage zu schalten.
Bin ich dann zu oldsmobilmäßig und berühr Madam noch ausversehenerweise in dieser empörten Tonlage – was ja nicht ausbleibt, wenn eine Katze eine lebende Stolperfalle sein will – dann faucht sie mich doch tatsächlich an.
Manchmal kommt da der Wunsch in mir hoch, so ein klitzekleines bisschen katzenemanzipiert zu sein und ich fauch einfach zurück.
Dann guckt sie mich an, als wäre ich bekloppt.
Ich hab wortlos, um nicht zu sagen sprachlos, akzeptiert, das sie mir tote Mäuse vor die Türe legt und ich hab mir von einem netten Menschen erklären lassen, dass das ein Liebesbeweis erster Kajüte ist.
Wie ich mir auch erklären ließ, dass Katzen, wenn sie mit den Augen blinzeln, lächeln.
Ab und an, also wenn ich nicht gerade schwer mit verzeihen beschäftigt bin, dann blinzel ich meine Katze an und ab und an, wenn sie nicht gerade schwer damit beschäftigt ist, ein oldsmobil in den frühen Herztod zu treiben, dann blinzelt sie zurück.
Unten durch ist sie aber trotzdem, wir hatten nämlich ein agreement das da hieß: Sie sorgt dafür das keine Mäuse ins Haus kommen, und ich übe mich im Verzeihen wie ein Weltmeister.
Alle normalen Katzen halten sich an dieses agreement, und was tut meine?
Exakt alment, sie bringt eine Maus ins Haus, lebend.
Schmeißt mir dieses kleine, braune Fellgewusel vor die Füße, schaut mich an und – blinzelt.
Tscha nu sitzt die Maus hinter dem Bücherschrank und ich davor, bewaffnet mit einem kleinen Eimer, um sie vielleicht da hinein zu bugsieren, wenn sie sich denn einmal hervor traut.
Ab und an schaut meine Katze vorbei und setzt sich ganz still und aufmerksam neben mich.Wir fixieren dann beide den Bücherschrank mit Blicken und harren der Maus die da kommt, oder auch nicht.
Weil ich ja keine Katze bin, fang ich an ganz leise vor mich hin zu fluchen. Vor allen Dingen darüber, dass das eigentlich ihr job wäre und dabei schau ich der Verzeihlichen sehr ernst, sehr tief
UND ohne zu blinzeln in die Augen.
Worauf sie, was macht?
Richtig, sie blinzelt – und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, da liegt ein:
Du machst das schon ganz gut, darin.
Dann gähnt sie herzzerreißend tief, zeigt all ihr scharfen Beisserchen, räkelt sich lange und genüsslich und tappert gelangweilt von dannen.
Bei mir ist sie unten durch, aber wenn ich das so richtig überblicke
bleibt mir gar keine Wahl als mühsam eine Stufe weiter, in der Kunst des Verzeihens zu klettern.
Und heute Abend, wenn ich da immer noch mit meinem Eimerchen vor dem Bücherschrank sitze, kommt sie garantiert wieder und schaut mich pikiert an, weil die Maus immer noch dahinter sitzt.
Ich blinzel dann nur.
******s23 Frau
12.725 Beiträge
*haumichwech*
Wer kennt das nicht ... das nennt man Katzenliebe 💕
Sagen zumindest meine zwei 😆
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Liebe https://www.joyclub.de/my/4526596.phileafly.html, Deine Katze ist zu dem Schluss gekommen, dass Du das mit dem Mäusefangen noch lernen musst und die Art und Weise, wie Du es anstellst, gibt ihr sogar recht *zwinker*

Also: Du musst als erstes mit der Tatze austesten, wie der Gang der Maus verläuft (meist durchstoßen Mäusetunnel im 30°-Winkel die Erdoberfläche) und Dich dann so platzieren, dass Dich die Maus im Nacken hat, wenn sie aus ihrem Loch kommt. Dann musst Du warten, und da Mäuse häufig essen müssen, wird es nicht lange dauern, bis sie an die Oberfläche kommt. Und dann musst Du zuschlagen!
Am Ufer
Was haben sich die beiden nur dabei gedacht?
So nah? So schwierig, so störungsvoll, aber jetzt nicht mehr?
Ist es ihnen letztes Jahr zu langweilig geworden? Oder waren im Frühjahr schon alle guten Stellen besetzt? Haben sie zu spät zueinander gefunden? Wurden sie von ihren Artgenossen vertrieben und fanden in ihrer Verzweiflung keinen besseren Platz?

War das nun ein Fehlentscheidung?
Offensichtlich. Oder auch nicht. Sie kämpfen erfolgreich um ihre Vorherrschaft. Das ist jetzt ihr Gebiet. Wer vorbeikommt, wird angefaucht.

Gregor bringt sich routiniert in Stellung, plustert sich auf, setzt seine gesamte weiße Masse in Bewegung. Sein Gebaren ist mehr als bedrohlich.
Da bleibt kein Fußgänger mehr gelassen, fürchtet Schnappanfälle auf sich und seine Gefolgschaft.

Inzwischen meiden alle Hundebesitzer und Mütter mit Kindern diesen Weg. Sie nehmen den anderen, oberhalb des Geschehens, machen Fotos vom Spektakel. Wobei es inzwischen kein Spektakel mehr ist. Nur Jogger kommen ungescholten davon, sie sind ja gleich weg.
Trotzdem weiß jeder, der dort entlang geht, spätestens nach dem ersten Mal, was ihm blühen kann, wenn er zu lange anhält. Der Weg ist tendenziell tabu. Es ist Schwanengebiet.

Die Gärtner von der Stadt haben Stroh angekarrt, damit die beiden es behaglich haben. Vielleicht ist der Tierschutzbund involviert, vielleicht hat nur die richtige Frau / der richtige Mann an der richtigen Stelle die Versorgung mit Nistmaterial eingeleitet, von wegen Stadtpflege und so. Jedenfalls ist das Nest nun in großem Umfang mit Stroh gepolstert. Einen Meter daneben haben Elsa, oder Gregor, oder beide, eine Kuhle ausgehoben, die den Watschelfüßen von Schwänen gar nicht zuzumuten wäre. Auch diese Schlafkoje sieht gemütlich aus. Anscheinend wollen Schwäne auf Bequemlichkeit nicht verzichten.

Was fehlt, ist ein Schild, vor und hinter der (Bau- bzw. )Brutstelle, jeweils in 100 m Entfernung, mit der Botschaft: Vorsicht Schwan! Es sollte dreieckig sein, mit einem Schwan in der Mitte, damit klar ist, wer Vorfahrt hat. Oder ein Stoppschild mit acht Ecken und einem Schwan in der Mitte. So ein Schild gibt es noch nicht. Aber wenn diese dreiste Brutstrategie der beiden sich bei den Schwänen herumspricht, könnte eine Auflage in größerem Umfang sinnvoll sein.

Gregor und Elsa sind inzwischen prominent, freuen sich über das extra Stroh. Jeder Passant zollt ihnen Respekt. Jetzt haben sie ihre Ruhe erfolgreich erstreitet. Was bleibt, sind die bürgerlichen Paparazzi. Aber was sollen sie dagegen machen? Das gehört nun mal dazu. Elsa posiert im Morgengrauen, Gregor im Abendrot.

Das Nest zeigt stattliche Ausmaße. Elsa brütet auf vier großen Eiern. Ab und zu löst Gregor sie ab. Wer nun gerade auf dem Nest sitzt, er oder sie, ist für den Laien nicht auszumachen.

Immer mehr Zuschauer kommen ans Ufer. Es ist wie in der Lotterie. Wer wird den Moment erleben, wenn die Eier brechen, die Küken schlüpfen?
Jeder hofft auf den großen Augenblick. Ein Augenblick ungetrübter Natur. Das Wunder des Lebens. Und das mitten in der Stadt.

Bald ist es soweit!
Scheeeee!
Eine lebendige Reportage! *dafuer*
Darf ich vorstellen? Gregor! Oder Elsa? *smile*
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