Das Lara Puzzle
Das Lara PuzzleLara konnte ihre Augen nicht öffnen.
Die Lider waren zu schwer und bei jedem Zucken schmerzte es. Kleine Bröckchen hatten die Wimpern miteinander verklebt, so dass es zog und stach.
Nach ein paar Versuchen gab sie auf.
Diese minimale Bewegung war anstrengender gewesen, als alles zuvor. Ermüdender als jeder Streit oder körperliche Arbeit.
Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie geseufzt.
Ein flacher, kaum wahrnehmbarer Seufzer, wie man ihn von Menschen kennt, die wissen, dass es sinnlos ist weiter gegen Etwas anzukämpfen.
Eine Ewigkeit später wachte sie wieder auf.
Erst war ihr gar nicht bewusst gewesen, dass sie weggetreten war. Tief eingebettet in die endlose Schwärze einer traumlosen Bewusstlosigkeit.
Doch dann bemerkte sie den Druck auf ihrem Oberarm, der sich wellenartig ausdehnte und dann wieder zurück wich. Ebbe und Flut. Immer wieder. In regelmäßiger Verlässlichkeit.
Ein eher unangenehmes Gefühl.
Wieder die wohlige Dunkelheit…dann ein neuer Reiz.
Zwei neue Reize.
In ihrer linken Hand, oben wo die Haut dünn und durchscheinend war, dehnte etwas das Gewebe und bohrte sich störend in die darunter liegende Weichheit.
Bilder von Drogenabhängigen und deren Besteck tauchten in Laras Kopf auf. Von Besuchen beim Kinderarzt. Oder dem Handwerkkurs. Früher in der Schule.
Sie verdrängte die Gedanken daran, um sich diesem anderen Gefühl zu widmen.
Diese Sachen an ihrem Hals.
Nahe am Kinn. Direkt dort wo die strenge Kante des Unterkiefers in die weiche Rundung ihres Ohrläppchens überging.
Es juckte.
Und zog.
Ein Spannen, wie von einem Pflaster, das man zu stramm über eine Wunde geklebt hatte…
Erneut wachte sie unvermutet auf.
Erneut ein weiterer Stimulus.
Sie begann Gefallen daran zu finden, körperlos in einer Zwischenwelt zu schweben und nur einzelne Reize wahrzunehmen.
Fast wie ein Puzzle, dessen Motiv sich einem erst ganz am Ende erschließt. Wenn alle Teile zusammengefügt wurden.
Neben dem Ziehen auf ihrem Hals war da noch etwas anderes.
Innen.
In ihrem Rachen. Sie konnte etwas Hartes auf ihrer Zunge spüren. Aber es war nicht kalt. Und dennoch glatt. Vollkommen ebenmäßig. Keine Kante, keine Erhebung oder Vertiefung war zu spüren.
Die minimale Bewegung, die diese Erkenntnis vorausgesetzt hatte, genügte um sie abermals in einen Erschöpfungsschlaf zu reißen.
Und wieder etwas Neues das sie störte. Dieses Mal war es kein Schmerz, kein Ziehen, Stechen oder Ähnliches.
Es war ein Geräusch.
Bereits seit ihrem ersten Erwachen war es da gewesen. Irgendwo weit weg in einer Entfernung, so dass es kaum noch wahrnehmbar schien.
Piep. Piep. Piep…
Wie ein Wecker oder ein elektrisches Gerät, dessen Ressourcen erschöpft waren und nun um neue Nahrung bettelte.
Zu gerne hätte Lara sich umgedreht. Weg von dem penetranten Laut, der sich monoton in ihren Geist fraß. Wie ein Ungeziefer. Ein Parasit.
In ihr Ohr, durch den Gehörgang, direkt in die zerfurchten Windungen ihres Gehirns.
Dann Stimmengemurmel.
Und plötzlich Stille.
Fin